Blog Reiseberichte

Reisebericht von zwei Iranreisen

Gedanken und Rückblick einer Kulturreise und Begegnungsreise in den Iran

Mit reichen Reiseeindrücken sind wir aus Persien zurückgekehrt. Es ist ein Land mit hohen Gebirgen, zur Zeit noch schneebedeckt, so das Elburz bei Teheran, das wir als erstes sahen, und der über 4000 Meter hohe Zagros, der die persische Hochebene mit ihren Wüsten von der mesopotamischen Ebene trennt. Im Stadtbild fielen zuerst die großen Wandgemälde von den Mullah-Führern Chamenei und Khomeni und die Porträts von Kämpfern auf. Unverständlich blieben uns zuerst die breiten und tiefen Gräben neben den Bürgersteigen, über die man einen bis zwei breite Schritte machen muss und in denen z.T. Bäume stehen. Als es dann zu regnen anfing, merkten wir schnell, warum: der Wolkenbruch brachte solche Regenmengen, dass es diese riesigen Kanäle gar nicht fassen konnten. Auch in Shiraz  hatte es so geregnet, dass fast die Hälfte des Jahresdurchschnitts gefallen war, als wir – zum Glück – am Tag danach den schönsten Sonnenschein dort erlebten. In Teheran sahen wir nur das Museum mit wenigen, aber ausgewählten Kunstwerken seit dem 3. Jt., der Perser- und der Sassanidenzeit, die uns sehr unbekannt ist, und nur wenige islamische Miniaturen und andere Kunstwerke. Der Besuch in der deutschen evangelischen Gemeinde bei Pfarrer Jacobi, der von seinen dreimonatigen Erfahrungen im Land berichtete, zeigte uns eine Seite, die man bei den freundlichen und aufgeschlossenen Jugendlichen, die einen gerne ansprechen und nach der schönsten Stadt fragen, gerne vergisst. Sehr viele jugendliche Mädchen tragen das Tuch keck nach hinten geschoben und schauen den Fremden mit ihren schwarzen Augen ungeniert und interessiert an, fast alle haben ihre Augenbrauen geschoren und durch einen eleganten Lidstrich ersetzt und die großen Lippen sorgfältig geschminkt, so dass man die strengen Regeln der Mullahs fast vergessen könnte. Zur Gemeinde gehören im Prinzip nur Evangelische mit deutschem Pass. Trotzdem ist der tägliche Umgang  eine schwierige Gratwanderung. Denn Bekehrungsversuche sind strengstens untersagt. Wer aber gültig heiraten will, muss Moslem werden und die Kinder moslemisch erziehen. Betreten sie den Kirchenraum, kann es schon als Bekehrungsversuch gewertet werden. Da die inzwischen kleine Gemeinde – die Kirche stammt noch aus den Zeiten des Schahs, als in Teheran viele deutsche Firmen arbeiteten, ein Ziegelbau mit einem großen Kreuz an der Stirnwand – die 100.000 Euro nicht aufbringen kann, die ein Kirchenjahr kostet, müssen weitere Einnahmenquellen gesucht werden.  So gibt es gelegentlich auch weltliche Konzerte, aber auch der Besuch dieser Konzerte kann als Bekehrungsversuch gewertet werden, und Abmahnungen von der Mullah-Führung sind vorprogrammiert. Ähnliches kann geschehen, wenn beim Weihnachtsbasar in Innenhof Besucherinnen das Kopftuch abnehmen. Und wer darf eingeladen werden, wenn der deutsche Auslandsbischof  kommt? Immer ist äußerste Geschicklichkeit des Pfarrers gefragt. Und das nicht nur wegen des Überlebens der Gemeinde, sondern auch, weil es sich um einen wichtigen Außenposten Deutschlands, der von der deutschen Botschaft  unabhängig ist,  als Vermittler zwischen den unterschiedlichen Kulturen und für menschliche Hilfeleistungen geht wie jetzt nach dem Erdbeben von Bam, wo der Pfarrer die Einrichtung des europäischen Hilfszentrums mit Kindergarten für die elternlosen Kinder und für medizinische und psychologische Hilfe für die Verletzten begleitet. Gerne würde die Gemeinde eine Krankengymnastin – bei freiem Flug – für vier Wochen vermitteln, die einheimische Kräfte ausbilden könnte. Ein solcher europäischer Außenposten darf nicht an Geldmangel scheitern! Wir waren von der Geschicklichkeit des Seelsorgers, der auch Riad und die Vereinigten Emirate mitbetreut, beeindruckt. Auch wusste er Positives zu berichten, weil im Iran Frauen nicht belästigt werden und auch eine Menge Rechte haben, so überwiegt bei den Studenten die Anzahl der Frauen.

Die Fliegerei von großen Flughäfen ist ein Horror, vor Betreten der Abflughalle ist ein Sicherheitscheck vorgeschaltet, bei dem Koffer und Taschen hinter der Durchleuchtungsanlage übereinander purzeln, weil die Personenkrontrolle länger dauert, dann ist man wieder im großen Gewühl, bis man es endlich ins Flugzeug geschafft hat. In solchem Getümmel flogen wir ins  Zweistromland, um Susa zu besuchen. Auf der Fahrt dorthin stehen auf den Kreiseln oft primitive Heldendenkmäler: Soldaten mit Bazookas (auch mit Fahrrad!) vergoldet, auf Riesenwänden Märtyrer mit Stirnbändern, über der Straße auf einem Hügel ein Trupp Soldaten an einem simplen Geschütz. Kriegsgebiet also. Die Sonne brennt, aber es ist kühl. Susa ist ein großer Hügel mit einigen beeindruckend großen Resten von Riesensäulen und zweiseitigen Löwenkapitellen. Hier war die Hauptstadt  der Elamer (Elamiter), später das Verwaltungszentrum der Perser, die Ruinen des Palastes sind persisch. Abends vor dem Hotel noch eine kleine Kahnfahrt mit einem Fischer um eine Flussinsel. Danke, Heiner, für diese Spontanidee. Leider hole ich mir bei der Klimaanlage eine Dauererkältung, die mich nicht mehr verlässt. Vielleicht war auch die stressige Vorwoche schuld.

 Dann eine längere Fahrt durchs Zagrosgebirge mit beeindruckend gekippten Kalkplatten. Darin versteckt hinter einem engen Flussdurchbruch die Stadt Bischapur der Sassaniden und die  Wandhalbreliefs ihrer Siege z.B. über die drei römischen Kaiser (nur Valerian wurde wirklich 260 n. Chr. besiegt). Von Schiraz aus besichtigten wir bei schönstem Sonnenschein den Palast Persepolis von unglaublichen Ausmaßen und z. T. hervorragend erhaltenen Halbreliefs der dienenden Völker und der Sternbilder Löwe gegen Stier. Natürlich hat Alexander diesen Ort verbrannt als Schlusspunkt des Rachefeldzugs für die zerstörten Athener Tempel und dann die griechischen Soldaten nach Hause entlassen. Da er selbst persischer Großkönig  geworden war und durch Rassemischung ein griechisch-persisches Eroberervolk züchten wollte (Massenhochzeit in Susa), musste ihm die Zerstörung natürlich auch Leid tun, zumal zu der Anlage auch noch Großkönigsgräber gehören. Von dem älteren Pasagardä sind nur noch Reste, die die Ausdehnung zeigen, und das gewaltige Kyrosgrab, das Alexander wiederhergestellt hat. Kyros war der selbst von Gegnern gerühmte Schöpfer dieses toleranten persischen Großstaats. Der auch die Israeliten nach Hause entließ und ihnen noch Geld für ihren Tempel gab. Aus allen Landesteilen arbeiteten Künstler, daher der assyrische Einfluss in den Darstellungen und beim Eingangstor für die Fremdvölker: Huftiere mit Menschenköpfen rechts und links des Eingangs. Diese Perser, Arier (daher die Namen Iran und Irak), führten die älteren Kulturen und deren Wissen (seit Sumer und Babylon)  zusammen, die Sassaniden reanimierten es nach der hellenistischen Kultur der Arsakiden um 250 v. Chr. Und erfanden die hohen gewölbten Hallen, die wir bisher als Erfindung der Römer kennen gelernt hatten. Die Perser führten fort, was schon vorher Tradition im Orient war: das Gottkönigtum, und immer wieder rückte der Herrscher in unnahbare Ferne hinter Vorhänge, die Thronfolger verzärtelten, verloren den Kontakt zur Wirklichkeit und wurden oft ermordet. Beduinische Ratsversammlungen, geschweige denn Demokratie waren unbekannt – eine verhängnisvolle Entwicklung bis zum heutigen Tag! Übrigens fallen die Ausgrabungen von Persepolis 1931 in die Zeit der Herrschaft des Schahs, der sich vom Ziegenhirten über eine Kosakenkarriere an die Spitze des Staats gebracht hatte und dessen Sohn, von der CIA 1953 gegen die Verstaatlichungen der Ölindustrie von 1951 durch Mossadeq eingesetzt, erneut bei den Achemeniden angeknüpft hat, kurz bevor er durch die schiitische Revolution von 1979 vertrieben wurde.

Ein Tag in Shiraz.  Morgens ein Spaziergang bei strahlendem Himmel durch einen blühenden Park mit Nachtigallengesang (tagsüber!). Überall zeichnende Schulmädchen, die die Fremden neugierig betrachten. Dann eine Moschee mit Rosenkacheln. Und ein Grabmal eines Heiligen, innen mit lauter dekorativ  angeordneten Spiegelsplittern. Und die ersten Einkäufe von Textilien und Gewürzen im Basar dank unseres hervorragend gebildeten Führers, der uns täglich mit persischen Gedichten versorgte. Nur durch Zufall finde ich die Gruppe wieder. Nachmittags bei bewölktem Himmel noch ein Sassanidenpalast.

Fahrt durch fruchtbare Ebenen und Wüsten mit Lehmbauten, auch Festungen und einer frühen Moschee mit einem unterirdischen Wintersaal, der Licht von oben durch Marmorscheiben im Hof erhält. Yadzd, eine Oasenstadt ungeheuren Ausmaßes mit einer Lehminnenstadt, darin die kachelgeschmückte blaue Freitagsmoschee mit gewaltigen Ausmaßen. Und, was neu ist bei Martins Hurtigtouren: keine Mahlzeit wird ausgelassen, und immer gibt es interessante heimische Gerichte. Und Bier (alkoholfreies)! Abends im Hotelgarten eine Wasserpfeife auf asiatischen Liegebetten.

Isphahan, Krönung der Reise: im Zentrum ein riesiger (barocker) Rasenplatz mit Blumen und Wasserspielen mit symmetrischer Bebauung zwischen den herrlichen kachelgeschmückten  farbigen  Kuppeln der beiden Moscheen. Die große eine Pracht mit Durchblicken immer neuer Art und einer Kuppel mit siebenfachem Echo. Große Iwane als Eingänge. Die blauen Kacheln als Hinweis auf Himmel und Paradies, die anderen Farben als Paradiesesgarten. Seitlich zellenartige Plätze um einen baumbestandenen Rasenplatz.   Nachmittags im Basar Einkäufe.

Der letzte Tag. Wieder herrlicher Sonnenschein. Noch ein Höhepunkt: die alte Freitagsmoschee, auch sie voller bunter Kacheln. Und lauter Säulenhallen, zum Teil ausgegraben, mit immer neuen Durchblicken. Phantastisch. Und danach noch Zeit, um an den alten Brücken  zu verweilen. Zum Schluss noch ein Wasserpfeifchen im Sockel eines Brückenpfeilers mitten im Fluss. Schöner konnte unsere Fahrt nicht enden. Über das Flughafengetümmel blickt man dann gerne hinweg.

 

***

Zwei Jahre später – wieder sind wir in Teheran. Den Pfarrer gibt es immer noch – zum Glück. Wieder erfahren wir einen geschliffenen Vortrag zum Verhältnis Persiens zu Deutschland. Es ist eine langfristige Nähe, die mit Goethes West-östlichem Diwan ihren ersten kulturellen Höhepunkt in einer Seelenverwandtschaft hatte und die sich heute mehr auf technisches know-how bezieht. So sind Mercedes und Siemens im Lande immer noch stark vertreten, und viele Perser haben in Deutschland studiert. Leider gibt es kaum Tourismus, den das Land gut gebrauchen könnte, nur 6000 Touristen haben im letzten Jahr das Land bereist. Das Interesse an Deutschland ist nach wie vor groß, und auf unserer Reise trafen wir mehrfach auf deutschsprechende Intellektuelle, die selbst in Deutschland waren oder deren Söhne in Deutschland leben. Das Bündnis Nazideutschlands, auf dessen Einfluss die Umbenennung Persiens in Iran zurückgeht, mit dem Vater des letzten Schahs, um die gemeinsame arische Abkunft zu betonen, umgeht er geschickt.

- Bei unserem einheimischen Reiseleiter dagegen ist die Verärgerung über England unüberhörbar, das 1907 in ungleichen Verträgen die Gewinne aus der Ölförderung größtenteils für sich behielt, und auf die USA, die einst mit Hilfe der CIA Mossadeq stürzten, als er die Ölförderung nationalisieren wollte, und 1953 den (1941 mit dem Angriff auf Russland von England und Russland eingesetzten) Schah wieder einsetzte, um die Enteignung rückgängig zu machen. Zwar führten beide eine Modernisierung durch, wobei sich der Vater an Ata Türk orientierte und 1926 übergangslos die traditionelle Tracht, 1936 vor allem bei den Frauen, verbot. Durch das Verbot des Tschadors fühlten sich viele Frauen nackt. Der letzte Schah war in der Schweiz auf die Schule gegangen und volksfern,  er wurde vor allem von seiner Schwester gesteuert,  erst mit Farah Diba gewann er etwas mehr Volksnähe. Die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung, die Brutalität des Geheimdienstes SAVAK,  die ungeheure Bereicherung weniger Schichten durch Industrialisierung und die völlig überzogene Aufrüstung, die das Land arm ließ, sind daher der eigentliche Grund für die islamische Revolution. Dabei war es besonders  die von Kennedy verlangte Weiße Landreform, die auch islamische Stiftungen und damit die Lebensgrundlage der Mullahs betraf, die 1963 zur Gegnerschaft Khomeinis und zu seiner Ausweisung führte. -

Zurück zum Pfarrer. Er erzählt von den verachteten  Mullahs im modernisierten Iran des  Schahs und der völligen Fehleinschätzung über deren Anhängerschaft im Volk. Ähnlich falsch wurden die Wahlchancen Ahmedinedschads im vornehmen Teheraner Norden eingeschätzt. Die Wiedereinführung des Tschadors durch die Revolution  wird von vielen Frauen als Befreiung begrüßt,  zumal es ein sehr bequemes Kleidungsstück ist, das sich schnell überwerfen lässt, wenn man das Haus verlässt. Natürlich steuert das Gespräch auch auf den Atomkonflikt und den Karikaturenstreit zu. Es ist klar, dass  man davon ausgehen muss , dass Demonstrationen politisch gewollt und gefördert sind, zum Beispiel durch Bereitstellen von Bussen im armen Teheraner Süden und das Versprechen einer Mahlzeit. Das dürfe man aber nicht falsch deuten, denn viele dächten ebenso wie die Demonstranten. Zur augenblicklichen Situation sagt er, dass die  Perser auch beim Autofahren gerne bis an die Risikogrenze gehen.

Schließlich ist noch von der Gemeinde die Rede. 80% der Kosten sollen vor Ort erwirtschaftet werden. Das ist schwer,  da die ortsfesten Christen im Falle der Heirat offiziell muslimisch werden müssen und ihre Kinder auch, so dass der Nachwuchs fehlt. Und der Anteil der Deutschen im Auslandsdienst schrumpft. Mit Begeisterung spricht er dann von dem religionsunabhängigen Einsatz der Gemeinde in der vom Erdbeben zerstörten Stadt Bam, wo psychologische und physiotherapeutische  Hilfe nötig ist, da der Staat höchstens die medizinsiche Versorgung leisten kann. Inzwischen gibt es Baracken durch die Gemeinde, in denen diese Hilfe und Unterricht geleistet wird, und es ist gelungen, an PCs auszubilden, Fußbälle  und Keramik herzustellen, die auch Käufer findet. Alles wird über Spenden finanziert.

Im privaten Gespräch mit einer Ehefrau erfahren wir, dass auch die deutschen Firmen das niedrige Lohnniveau für heimische Kräfte ausnutzen und nur geringe Löhne zahlen. Auf die Frage, warum im Iran mehr Mädchen als Jungen studieren, hören wir, dass es als Schulabschlusss nur das Abitur gibt, und das Studium, wenn man als Mädchen nicht verheiratet werden will. Und dort gibt es nur den Dr. oder den Dipl.-Ing als Abschluss.

So sieht von Nahem vieles anders aus, als es uns in unserer Berichterstattung erscheint. Daher sollte keiner eine Reise in den Iran scheuen.

Wir möchten uns bei unseren Gruppenleiterinnen und Gruppenleitern sowie deren Teilnehmern ganz herzlich für die tollen und umfassenden Reiseberichte, Tagebücher, Gedichte und Gedanken zu den Reisen bedanken!