Armenien - Land hinter dem Ararat

Ein Zitat zu Land und Leuten

„Wenn man mich fragt, wo auf der Welt
man viele Wunder zu sehen bekommt,
dann würde ich sagen: Armenien.
Man ist einfach überrascht,
dass in einem solch kleinen Land auf der Welt
man so viele Baudenkmäler und
solch ein Volk antreffen kann, die wirklich
die Zier und der Stolz der ganzen Welt sein können.“

(Rockwell Kent, 1882-1971)

........... und natürlich darf auch eine Aufnahme des Ararat nicht fehlen. Hier eine besonders originelle von Frühaufsteher Ruedi Z .....

 

Übersichstkarte und Begleitung vor Ort

Kopiert von der Website ECC-Studienreisen mit u.a. auch den meisten von uns besuchten Sehenswürdigkeiten.

Unsere kundige Reiseführerin vor Ort - Anush Aramjan
Rusan - der gute Engel im Hintergrund
Samuel - Held der armenischen Landstrassen
Ansprechpartner von Arminius Reisen - Edouard Saroyan

 

 

Während der Gruppenreise gemeinsam unterwegs

Hanni & Christoph Jungen
Ursula & Peter Casaulta
Zina China Bolun & Hüseyin Bolun
Françoise Kästli Riek & Bruno Riek
Susanne & Jörg Stoller
Käthy & Heinz Sieber
Ursula & Hansueli Joss
Christine Guler Moser & Herbert Moser
Susanna & Ruedi Zimmermann
Veronika & Ruedi Huber
Kathrin & Ruedi Bachtler
Katrin Wittwer Frauenknecht & Erich Frauenknecht
Priska Rölli - Ruth Walser - Martin Lehmann – Lisa Geisler – Jürg Freiburghaus - Marlise Bähler – Liz Weser – Martin Junker – Fritz Hodel – Christine Junker Zürcher und Romy Battaglia

Vorbereitung Organisation & Reiseleitung
Pfr. Christoph Jungen

 

Tag 1 - Freitag, 20.09.19

Schweiz - Armenien/ Ankunft in Jerewan

Hanni Jungen

Mir fahre mit der SBB und zwar zum Flughafen..............
Dort können wir die ganze 35-köpfige Gruppe begrüssen. Schön seid ihr alle da.

Dann warten und sitzen, Verspätung aushalten, etwas essen, wer vorne sitzt, kann wählen, hinten gibt’s nur noch Lamm.
Umsteigen in Moskau, die lange Wartezeit ist kurz geworden - und ab geht’s zum Gate.

Wenn da nicht nochmals eine Kontrolle wäre. Und da stehen wir mit den neu gekauf- ten Wasserflaschen, die müssen weg, obwohl im Flughafen gekauft, da kennen sie nichts. Und da ist noch die Batterie in der Taschenlampe die einfach nicht raus will ...

Aber alle haben es geschafft. Mit einer halben Stunde Verspätung landen wir um 1.30 Uhr in Yerewan und die Zeitverschiebung haben wir mit links geschafft.

Pfuset guet

Tag 2 - Samstag 21.09.19

Annäherungen an Stadt und Land

Martin Lehmann

Der 28. Jahrestag der Loslösung Armeniens aus der UdSSR

Unser Tag in Eriwan beginnt eigentlich erst um 11.00 Uhr, als wir nach einer kürzern oder längern Schlaf- phase und einem reichlichen Frühstück in der Hotel- lobby von unserer Reiseleiterin Anush (ohne ka) emp- fangen werden. Sie erklärt uns als erstes, dass Eri- wan in Armenien als Jerewan bezeichnet und ge- schrieben wird und sie uns über die kommenden Ta- ge durch Jerewan und Armenien begleiten werde.

Als erster Hotspot entpuppt sich die Mutter Gottes Kirche gerade an der nächsten Strassenkreuzung, wo wir erfahren, dass die davor liegende Kapelle ei- nige Zeit auch als Altarraum in einer früheren grösseren Kirche diente. Nun steht sie wieder vor der neu erstellten Kirche als Einzelgebäude und beherbergt einen kleinen Gebetsaltar für die Bevölkerung, die dort Kerzen anzündet und in ein Wasserbad stellt, damit sie nicht zu rasch schmelzen.

Dann geht’s die Hauptstrasse hinunter ins lebendige Zentrum dieser Stadt mit ca. 1 Mio. Einwohnern zum Platz von Charles Aznavour, dem Sänger und Schauspieler aus Paris, der den Namen Armeniens mit seinen Chansons und Filmauftritten in die Welt hinaustrug.

Frage an Radio Eriwan:
Kann man die Strassen in Eriwan auch bei Rot überqueren?
Antwort von Radio Eriwan:
Im Prinzip Ja, aber vielleicht nur einmal!

Heute stehen an diesem Platz ein grosses Kino und ein schöner Springbrunnen mit den 12 Sternzeichen an dessen Rand. Beim Weitergehen kommt dann bei jeder Überquerung einer Strasse die obenstehende Frage auf, wobei uns auffällt, dass hier in Jerewan angegeben wird, wie viel Sekunden eine Rot- oder Grünphase dauert. (Wird ab 2.10.2019 nun auch für den Bahnhofplatz Bern diskutiert!).

Bald gelangen wir auf den Platz der Republik, der umgeben von Regierungsgebäu- den ist und in dessen Mitte ein grosses Wasserbassin auf die Wasserspiele am Abend hinweist. Vor dem historischen Museum an der Nordseite des Platzes steht auch ein Brunnen mit 7 senkrechten Wasserröhren, die zum Trinken einladen. Anush warnt zwar vor dem Versuch, aber einladend und fröhlich sieht dieser Brunnen schon aus.

Dann wechseln wir hinüber zur Mall, die an einem Rosenverkäufer in Metall vorbei zur Oper hinaufführt, deren Konzerthalle den Namen des Schöpfers des „Säbeltan- zes“, Aram Katschaturian trägt und nach der Form einer alten armenischen Kirche gebaut ist. Anush erzählt auch von der Nationaloper „Anush“ von Tigranian und ver- weist somit auch auf die reiche Geschichte Armeniens, die sie uns in den kommen- den Tagen Stück für Stück näher bringen möchte.

Hinter der Oper öffnet sich ein weiterer Platz, der uns an den Fuss der Kaskaden bringt. Diese imposante Freitreppe steigt ca. 210 Meter den Hang hinauf und kann innerlich mit Rolltreppen befahren werden. Da heute aber Nationalfeiertag ist, fahren diese nicht, und man müsste zu Fuss und über 600 Stufen zum Obelisk zuoberst hinauf steigen. Im Inneren des unfertigen Baus befindet sich das Museum für Ge- genwartskunst, wobei einige Exponate sich schon hier unten auf dem Platz befinden - (ein Mann von Botero, eine filigrane Kaffeekanne, eine LOVE-Skulptur u.ä.)

Dann ist Mittagspause an- gesagt, und wir verteilen uns in die verschiedenen Cafés am Platz, um in die einheimische Essenskultur einzutauchen, wobei es dann eher Crèpes und Sala- te sind. Auf einer Speisekarte entdecke ich sogar „Bernese Saucisses“. Nein so was, fährst nach Eriwan und erhältst „Bärner Würschtli“. Der Kellner nickt nur zustimmend!

Nach einer Stunde geht’s mit dem Bus weiter zu Mutter Armenia, die wagemutig und bestimmt über Jerewan und Armenien zum „heiligen“ Berg Armeniens auf türkischem Boden, dem Ararat* blickt und ein ehernes Schwert kampfabwehrbereit in den Händen hält. Um sie herum stehen Militär- fahrzeuge und eine MIG, deren Erfinder ein Ar- menier war.

Da heute Nationaltag ist, gibt es besondere Märk- te, und überall an Häusern und Brücken sind die rot-blau-orangen Staats-Fahnen aufgehängt. So auch auf der Brücke, die uns zur Destillerie ARARAT führt, wo wir den armenischen Cognac kennenlernen dürfen. Zuerst durch eine Führung durch die Hallen und Keller mit –zig Eichenfässern und Flaschen an den Wänden, deren Inhalt von hellgelb bis ockerfarbig leuchtet. Zuletzt gibt es dann noch eine Verkostung mit einem 3-jährigen und einem 6-jährigen Cognac, die uns Herz und Zungen lösen.

Zum Abschluss des Tages geht es dann noch ins GATA, - ein Kellerrestaurant, das für seine reiche armenische Küche bekannt ist und auch Volksmusik anbietet. Da sitzen wir nun vor verschiedenen Salattellern, Käseangeboten und frischen Kü- chenkräutern und Sauerrahm, um uns zusammen mit einem Leintuch von Lavasch ins Apéro zu stürzen. Zum Hauptgang gibt es dann noch mit ARARAT-Cognac flam- biertes Fleisch und Gemüse und zum Abschluss unsere ersten Gatas (Kuchen in Gebäckform).

Da unser armenischer Reisechef uns an diesem Abend durch das Essen begleitet, erfahre ich auch, dass das Wort GATA vom französischen Wort Gateau abgeleitet ist und deshalb Kuchen / Gebäck heisst. Ein Hinweis auch darauf, dass viele Armenier im Zusammenhang mit der Notzeit um 1915 nach Frankreich flohen und dort eine „Kolonie“ bildeten.

Unser Nachtessen wird auch von einem Volksmusikquartett begleitet und die einzelnen Instrumente uns persönlich vorgestellt. Da ist mal eine Art Kniegeige mit wenigen Saiten, die den Lead übernimmt, gefolgt vom Duduk (eine Art Flöte mit Bambusrohrmundstück) und einer Zither, die durch eine schwarzäugige Armenie- rin gespielt und vorgestellt wird. Das Trio wird von einem Trommelspieler im Takt gehalten und durch den Abend begleitet.

Nachdem uns klar wird, dass wir auch von Ro- sanna durch die kommenden Tage begleitet werden und der Musikvorsteller der Chef unseres armenischen Reisebüros und ihr Vater ist, sinken wir voller neuer Eindrücke erfüllt in unsere Betten im Hotel Ani Plaza und freuen uns gespannt auf die kommen- den Tage.

* Es gab leider Leute, die machten aus dem Ararat einen Mount Arafat oder Aromat, - wobei einige einem „Bruder“ Arafats im Lift wirklich begegneten!

Tag 3 - Sonntag, 22.09.19

Historisches Umland zwischen Jerewan und Ararat

Lisa Geisler / Käthy & Heinz Sieber

Swartnoz-Kirche – Ararat – Etschmiadsin – Kirche der Hl. Hripsime – Kirche der Hl. Gajane - Sonntags- liturgie – Schatzkammer – Historisches Museum in Yerevan

Ein neuer Morgen in Yerevan. Wir stehen frühzeitig auf. Was für ein Blick! Vom Hotelzimmer im 4. Stock haben wir, zwischen Häuserblocks, eine herrliche Sicht zum Ararat, welcher wolkenlos in der Morgen- sonne glitzert. Schöner könnte er sich nicht zeigen! Klare Luft und kühler Wind. Ein interessanter Tag steht uns bevor.

Wir gehen zum Frühstücksbuffet. Lisa stellt fest, dass die Tassen für Tee zu schwer sind und hat Mühe, das Butterpäckchen zu öffnen. Ruedi Zimmermann ist Frühauf- steher. Er hat dem Ararat bereits auf der Cascade die Ehre erwiesen.

Bari luys, guten Morgen (gutes Licht), wünscht uns Anush. Wir sind pünktlich um neun in der Lobby, Geld haben die Reisenden gewechselt. Namen sind am Anfang Glücksache, so auch für Hüso. Die Schwester von Peter, welcher eigentlich Ruedi heisst, ist Ursula. Ja, zum Glück sind wir angeschrieben. Ruedi Zimmermann fragt in die Runde – und richtet für Notfälle einen Gruppenchat ein. Eine gute Sache. Mor- gen, so teilt uns Christoph mit, werden wir einen Besuch beim Duduk-Meister machen.

Wir fahren Richtung Edschmiadsin und werfen bereits einen Blick auf den Ararat, den heiligen Berg der Armenier. Er steht einfach da. Ohne Wolken. Beeindruckend. Christoph gibt Erklärungen zur Liturgie der armenisch-apostolischen Kirche. Wir Ka- tholiken und Reformierten denken über den Glauben nach, zerlegen und analysieren alles. Die Armenier sehen, hören, riechen, fühlen. Es geht dabei nicht um den ge- dachten, sondern um den gefeierten Glauben, die Inszenierung des Himmels auf Er- den – eine betende und feiernde Gemeinschaft.

Einen ersten Halt machen wir bei den Ruinen der Kathedrale von Swartnoz (Ka- thedrale der Engel), eine monumentale Rundkirche, UNESCO-Welterbe. Hier wurden die Reliquien von Gregor dem Erleuchter verwahrt. Eindrücklich stehen die Tuffstein- Überreste da, die Säulen mit ihren schönen Verzierungen, Kapitelle mit Adler, Bän- dern, Granatapfel und Weintrauben. Und im Hintergrund zieht einen der Ararat in seinen Bann. „Wer ihn sieht, gilt als gesegnet“, heisst es. Einfach unglaublich! Stim- men ertönen... in den Ruinen singt das Zvartnots Quartet. Es tschuderet eim bim Zuelose. Wir sind nicht allein. Nach und nach treffen Busse ein. Besonders die vielen Asiaten fallen auf.

Wir fahren weiter, ins Zentrum der Armenisch-Apostolischen Kirche, welches Sitz des Kirchenoberhauptes (Katholikos) ist. Rechterhand zeigt sich der Aragaz, ein erlo- schener Schichtvulkan. Ihn werden wir auf unserer Weiterreise aus der Nähe be- trachten können. Zuerst besichtigen wir die Kirche der Hl. Hripsime, eine der ältes- ten Kirchen Armeniens. Das Meisterwerk gehört zu den bedeutendsten Bauwerken der armenischen Kultur. Sie war Vorbild für viele andere Kirchenbauten. Hripsime war bildschön. Der damalige König wollte sie zur Frau. Sie erhörte ihn jedoch nicht. Daher musste sie mit ihren Gefährtinnen den Märtyrertod erleiden. Auch hier sind wir nicht allein. Viele Gottesdienstbesucher stehen an. Mit etwas Geduld gelingt es uns, einen Blick ins Innere zu werfen .....

... andere lassen sich von Romy gut gelaunt für’s Tagebuch ablichten ;-)

Anush führt uns zur Kirche der Hl. Gajane aus dem 7. Jh. Auch Gajane starb als Märtyrerin, wie Hripsime und ihre Gefährtinnen. Schön sind der Bau, die Kuppel und die Freskomalereien. Hier wird die Sonntags-Liturgie zelebriert. Der Gottesdienst ist auf Gesang aufgebaut und kann bis zu zwei Stunden dauern. Etwas für Augen, Ohren und Nase. Es ist ein Kommen und Gehen. Viele Besucher, schöne Kopftücher, Gesang, Kerzen, Weihrauch, Gottesdienstbesucher, welche gesegnet werden – ein Wiedersehen mit dem Geistlichen, welcher auf dem Flug Moskau-Yerevan mit Chris- toph gesprochen hat. Wenn man doch bloss den Ablauf ein wenig verstehen könnte. Ein eindrucksvoller Moment, auf den ich mich schon vor der Reise gefreut habe. Vor der Kirche ist ein Hin und Her der Priester, Bischöfe und Kirchenbesucher. Wir gehen weiter... die Gedanken sind immer noch im Gottesdienst.

Wir sehen uns noch viele Bauten von aussen an: Friedhof, Bibliothek, Druckerei, Klostergebäude, offener Altar, verschiedene wunderschöne Kreuzsteine (Khatchka- re). Anush erklärt uns die figürlichen Darstellungen. Immer wieder fallen die Baumstämme auf, welche zum Schutz vor Insekten, im untersten Teil weiss angestrichen werden. Die Mutterkathedrale wird gegenwärtig renoviert. Der Blick ins Innere bleibt uns verwehrt.

Nun ist Mittagspause angesagt. Im schönen Agape Refektorium (authentische armenische Gaststätte in der Klostermauer) dürfen wir am langen Tisch Platz nehmen. Agape = Liebe zum Mitmenschen wie zu sich selbst und zu Gott.

Kornellkirschensaft steht bereit. Das gibt zu reden, da diese Kirschen nicht allen bekannt sind. Mit einer Gabel kann man sie aus dem Wasserkrug fischen und stellt fest, dass diese Früchte vor al- lem einen recht grossen Stein und wenig Fruchtfleisch aufweisen. Ruzanna erklärt, dass man in Armenien aus diesen Früchten Schnaps oder Konfitüre macht. Aber was ist plötzlich los? Ein Stuhl bleibt leer, eine Person fehlt, hektische Betriebsamkeit, mehrfaches Durchzählen. Es sind doch alle da, zum Glück!

Wir freuen uns über den reichlich mit wunderbaren Speisen gedeckten Tisch. Es gibt Lavash, Taboulé, verschiedene Käse, Fleischsalat mit Zwiebeln, Gurken und Toma- ten. Zum Hauptgang Rindfleisch mit Zimt und Bratkartoffeln und als Nachspeise Früchte. Viele entdecken den armenischen Kaffee oder den Herbal-Tea, ein wunder- barer Thymiantee. Ab sofort das Lieblingsgetränk von Heinz.

An den Wänden des Speisesaals hängen schöne armenische Teppiche. Bei uns sind Teppiche ein wenig aus der Mode gekommen. Werden in Armenien noch viele Tep- piche gewoben? Ruzanna meint, dass sich nur Reiche Teppiche leisten können. Aber Teppichweben ist eine handwerkliche Tradition, welche viele Frauen beherr- schen.

Im Anschluss gehen wir in Richtung Residenz (Privatgemächer) des Katholikos und besuchen die Schatzkammer des Palastes. Zu sehen sind viele Relikte und Schätze der armenischen Kirche. Die heilige Lanze, die Hand-Reliquie, liturgische Gerät- schaften, Kreuze, Gewänder und der Delta-Wasserhahn – der erste Einhebelmi- scher, welcher vom Museums-Stifter, Alex Manoogian, erfunden wurde.

Bevor wir wieder in den Bus steigen, können wir noch einige Schnappschüsse eines armenischen Hochzeitspaares machen. Wir fahren, mit einem Kopf voller Eindrücke, zurück nach Yerevan. Die wunderbare Stimme von Ruzanna ertönt. Sie singt ein Liebeslied, ein Heimatlied über die Berge und ein Lied, welches bei „guten Anlässen“ gesungen wird. Sehr berührend. Die Augen bleiben nicht trocken. Der Bus fährt wie- derum durch die stark befahrene „Möbelstrasse“ mit vielen aufstrebenden Möbelge- schäften, Autogaragen, Nachtclubs und weiteren Unterhaltungslokalen. Vor vielen Geschäften werden Möbelstücke verladen.

In Yerevan machen wir noch einen Abstecher ins Historische Museum am Platz der Republik. Gezeigt wird die Geschichte Armeniens, von der Steinzeit bis in unse- re Zeit. Im Eiltempo – das Museum schliesst in einer Stunde – mit viel Charme und Witz führt uns eine junge Frau durch die Räumlichkeiten. Sie zeigt uns die archäolo- gische Sammlung, zwei hölzerne Sargwagen (gefunden am Sewansee) und das äl- teste Schuhwerk der Menschheit (in der Nähe von Areni gefunden). Schöne Trach- ten, Kostüme, Keramik und liturgische Geräte sind zu sehen und noch viel, viel mehr. Trotz allem, unserer quirligen Museumsführerin hätten wir noch lange zugehört.

Eine kurze Verschnaufpause im Hotel und frische Kleider machen uns erneut unter- nehmungslustig. Wir drei machen uns mit Zina und Hüso auf Restaurantsuche. Unterhalb der Cascade gehen wir die Strasse rauf und runter und wieder rauf. Wir wollen bei dieser Auswahl nicht zwei Mal ins gleiche Lokal gehen. Wir ent- scheiden uns für einen Tisch vor dem „Charles“. Es ist kühler geworden.

Nach dem guten Essen gehen wir zum Platz der Republik und sehen uns den Schluss des Wasserspiels, der singenden Fontänen, an. Es ist Sonntagabend, und es sind noch sehr viele Leute draussen und geniessen das Leben. Wir fünf gehen zurück ins Ani Plaza und genehmigen uns noch einen Absacker – einen Ararat, 5- jährig, versteht sich.

Bari gisher. Gute Nacht. Es war ein intensiver Tag.

Maßgerechte Gruppen-Kulturreisen für Bildungseinrichtungen, Kirchengemeinden, Freundeskreise, VHS, Chöre, Universitäten in den Kaukasus.

 

Tag 4 - Montag, 23.09.19

Von Orten zum Verweilen und einer lauschigen Oase

Martin Junker

Mein vierter Tag beginnt mit einem Ausblick zum Hotelfenster hinaus, der einen luftig-leichten Tag erwarten lässt: im hellen Morgenlicht des durch den Smog leicht angebräunten, aber wolkenlosen Him- mels tummeln sich farbenfroh viele aufsteigende Heissluftballone über den Dächern, Dachterrassen, Hochhäusern, Kabeln und Antennen. Als ruhender Pol der Ararat im Hinter- grund: die im Mor- genlicht leuchtende, verschneite Fläche mit den begrenzen- den geschwungen Linien oberhalb der ausladenden breiten Flanken....es ist wieder etwas dunstiger als am Vortag.

Der Weg zu den Cascades ist nicht weit. Noch sind wenig Leute unterwegs auf den Boulevards und Strassen, die Stadt ist in dieser Gegend noch am Erwachen: verein- zelte JoggerInnen oder SchülerInnen, ein paar Männer und Frauen auf dem Weg zur Arbeit.

Oben leuchten diese hellen Stufen schon in der Sonne, unten liegen sie noch im Schatten. Zwei Frauen mit Kübel und Besen, einzelne Männer in gleicher Funktion tragen eine Uniform: sie wischen die weissen Tritte unterhalb der hohen Säule rein, suchen die Blumenbeete nach ver- welkten Blüten ab. Arbeit vieler menschlicher Arbeitskräfte - da zieht noch keine Wischmaschine eines Tiefbauamtes frühe Kurven....

Die frische Temperatur des Morgens hat auch zwei dunkelhäutige Männer in armseligen Anzügen und mit Plas- tiktüten, in denen Bier und Fladenbrot stecken, Richtung Sonne geschickt.

Sie streiten sich wortreich um irgendetwas, was mir verborgen bleibt. Die sportlichen FrühaufsteherInnen kommen aufwärts ins Keuchen, auf dem Rückweg die Treppen- stufen hinunter ins Tänzeln. Das Verhältnis der breiten Basalttritte ist so bemessen, dass den Aufsteigenden der Schnauf nicht schon beim ersten Podest ausgeht.

Mittlerweile sind nicht mehr alle Ballone in Sichtweite, sind höher gestiegen und be- wegen sich Richtung Stadtrand auf ihrem Weg aus meinem Blickfeld. Mit den ersten Sonnenstrahlen auch auf dem unteren Teil der langen Treppe folgen weitere Besu- cher. Die beiden auf ihren hohen Chromstahlsäulen sitzenden, gelben Kunststoff - Figuren lassen sich nicht ablenken und blicken unverwandt ruhig und gedankenver- sunken Richtung Ararat, die angezogenen Beine mit den Händen am Fussgelenk umgreifend.

Später wiederholt sich diese Stimmung des Erwachens auf der Vernissage. Händle- rInnen richten ihren Stand noch fertig ein, trinken einen Kaffee oder sitzen bereits ansprechbar hinter den Verkaufstischen. Die Lebhaftigkeit und das Anpreisen der Waren ist noch verhalten und erin- nert zu dieser Stunde in keiner Wei- se an einen orientalischen Bazar.

Tücher, Schnitzereien, Schmuck, Souvenirs der vertrauten Art, Ge- mälde oder Zeichnungen wie sie auch in anderen Städten angeboten werden: einzelne originelle Aus- schnitte mit modernen Verkehrsmit- teln und Regenschauern aus tief- hängenden Wolken über Eriwan statt unter dem gewohnten wolkenlosen Himmel, an einem Stand Stilleben mit in fo- tografischer Genauigkeit abgebildeten Feigen, Trauben und Granatäpfeln, andere Ölbilder mit den beliebten üblichen kitschigen Sujets, die uns auch in Bern, Florenz oder Hamburg begegnen: viel bildlich eingefangenes Meeresrauschen, über weite Steppen trabende Pferdeherden, Angst einflössende Wölfe und Bären in passend wilder Bergkulissen konkurrenzieren mit sich am Schminktisch kämmenden Frauen mit wellendem Haar oder sich auf weissem Tischtuch präsentierenden Schalentie- ren.... Granatäpfel sind als Motiv sehr präsent auf dem Markt und dies nicht nur auf den Leinwänden, sondern auch als Anhänger, geschnitzte Fruchtschalen.... oder als echte Früchte mit den gluschtigen erfrischend glänzenden Kernen.

Die vereinbarte Zeit reicht bestens aus, um die Gassen der Marktstände mehrmals zu durchstreifen, sich bei den anderen nach Trouvaillen zu erkundigen. An einem Stand mit Büchern vertiefe ich mich in einen Fotoband, der mir auch eine Reise in weiter zurückliegende Zeiten Eriwans erlaubt (die neusten Bilder sind aus dem Jahr 2003). Da steht Stalin noch auf dem mächtigen Sockel des am Vortags besuchten Monuments, wo heute die martialische Figur mit dem übergrossen Schwert Sicher- heit vermitteln soll.

Die Menschen auf den Schwarz-Weiss-Fotos wirken nicht bloss wegen den fehlen- den Farben deutlich ärmlicher gekleidet, die Entbehrungen der harten Zeiten zu Be- ginn der Unabhängigkeit sind augenfällig, die Stadt wirkt auch noch anfangs der 2000er Jahre keineswegs so reich, die Gebäude weit weniger stattlich, solid und re- präsentativ als die aus dem lachsfarbenen Basalt, die heute den Platz rings um die Vernissage säumen. Hotels, Beauty Salons, Uhren- oder Schmuckgeschäfte kann ich auf den Bildern kaum ausmachen, in unserem aktuellen Umfeld hingegen etliche. Es scheint in den letzten 15 Jahren sehr viel abgerissen und neu gebaut und einge- richtet worden zu sein in diesem Quartier!

Während sich der Vernissage – Markt heute ganz offensichtlich ausschliesslich an die TouristInnen richtet und entsprechend „artig harmlos“ daherkommt, war er in sei- nen Ursprung offensichtlich eine Selbst- und Überlebenshilfe in den pickelharten Zei- ten am Anfang der Unabhängigkeit des Landes. Die Euphorie, mit der die Armenie- rInnen kurz zuvor etwas überstürzt und wenig vorbereitet in diese aufgebrochen wa- ren, war für die meisten der Not gewichen, der Alltag ein Überlebenskampf.

Im Buch von Amalia van Gent: Den Ararat vor Augen dazu: „Die Privatisierung konnte den wirtschaftlichen Niedergang Armeniens nicht aufhalten. Gemäss den Zahlen die von der armenischen Regierung 1992 veröffentlicht wurden, war das nati- onale Einkommen der Republik um 42% gegenüber dem Vorjahr gefallen und befand sich wieder auf dem Niveau von 1975. Die Industrieproduktion war um 52,4% gesun- ken, der private Konsum um 54,2%. Im März 1993 funktionierten nur 50 der insge- samt 400 grossen Betriebe, die Inflation lag bei unkontrollierbaren 2000 %. (...) Ar- mut machte sich breit. Um das Allernötigste kaufen zu können, veräusserten die Jer- ewaner auf dem Flohmarkt „Vernissage“ zu Schleuderpreisen alles, was Wert haben könnte: Kleider und Pelzmäntel, wertvolle Erbstücke, Silber, Musikinstrumente, Tep- piche und wunderschöne Gemälde. Die breite Mittelschicht Jerewans, die wie in den meisten Hauptstädten der ehemaligen Sowjetunion sich aus Wissenschaftlern und Staatsbeamten zusammensetzte, drohte völlig zu verschwinden. Ihr Besitz ging auf dem „Vernissage“ in die Hände der Neureichen über, die nun auf der Welle der Priva- tisierung nach oben getragen wurden.“ (S. 92, 93)

Von solcher Dramatik ist die Vernissage weit entfernt, die sich uns an diesem Tag präsentiert. Beschreibungen wie die obenstehende erinnern mich wie anderes, was ich hier neu erfahre, zur Zeit anfangs der Neunzigerjahre auch an die Verhältnisse in Ex-Jugoslawien in dieser heftig bewegten Zeit. Liegt es daran, dass ich scheinbar so wenig mitbekommen habe zu den damaligen Entwicklungen in Armenien, dass wir erschrocken gebannt waren von allem, was sich in dem uns näher liegenden Raum ereignete?

Kontrastreich dann auch der Einstieg in den zweiten organisierten Besuch dieses Tages. Mit dem Car fahren wir in ein Quartier am Stadtrand, das sich von dem doch stark unterscheidet, das wir rund um die Vernissage erlebt hatten: leerstehende In- dustriehallen mit eingeschlagenen Scheiben, Brachen, improvisierte Wände aus Blech und Holz. Jemand ruft: „Wir sind in den Favelas angekommen!“

Nach zwei, drei Schritten treten wir durch das Tor in den Hof des Dudukspielers und - bauers Karen Hakobyan ein....Und hier im lauschigen Innenhof ist auf einmal alles äusserst sorgfältig gepflegt und gestaltet, nichts wuchert wie vor dem Tor, nichts wirkt staubig, nichts ist dem Zufall überlassen.

Unter dem Laubdach der Pergola aus Pfirsich und Reben werden wir in den schattigen Innenhof geleitet, wo sich der Dudukmeister und seine Frau be- reits eingerichtet haben und wir auf den einladenden Plätzen am Schatten Platz nehmen dürfen. Im Hintergrund plätschert ein kühlendes Wasserspiel, der Boden des Brunnens ist mit Kie- seln unterschiedlicher Farben ausge- legt, die Terrasse ist angereichert mit verspielten Accessoires. Um die gelb-grün angefärbten Metallstützen, die das Well- blechdach tragen, ranken sich Pflanzen. Auf den zweiten Blick entdeckt man überall originellen Schmuck in den zahlreichen Nischen. Hinter dem Vorführplatz mit dem Ständer der unterschiedlichen Blasinstrumente und dem rostroten alten Klavier eine Kulissenlandschaft mit integrierter Leuchtstoffröhre. Die vom Zufall gestaltete Atmo- sphäre vor dem Tor ist mit einem Schlag einer bewussten, spielerischen Gestaltung des Raums bis in kleine Details gewichen.

Karen Hakobyan begrüsst uns freundlich und sein Erscheinungsbild bestätigt etli- ches, was uns von den Armeniern erzählt worden ist: ein markantes und trotz bu- schigen Augsbrauen und prägnanter Nase doch eher sanftes Gesicht, die Augen wirken aufmerksam und spätestens dann eher melancholisch, wenn die Melodien erklingen, tadellose gepflegte(s) Kleidung und Schuhwerk.

Karen Hakobyan erklärt uns die verschiedenen Typen der Blasinstrumente, die er alle aus Aprikosenholz geschaffen hat. Die Sopraninstrumente ähneln den uns ge- läufigen Holzflöten, haben aber grössere Löcher, sind schlanker und haben oben ein Mundstück mit Blatt. Die Instrumente der tieferen Lagen öffnen sich unten in einem nach vorn gebogenen, konischen Klangtrichter aus Horn mit Rand in Zickzack-Linie.

Der Meister spielt und erklärt: die unterschiedlichen Tonhöhen werden durch den verschiedenen Lippendruck und unterschiedlich abgedeckte Löcher erzeugt. Geübte Lippen und ein trainiertes Zwerchfell unterstützen ein variantenreiches Blasen. Die oft sehnsüchtigen, manchmal eher kla- genden, manchmal eher melancholi- schen armenischen Klänge, die Meister Hakobyan uns auf den verschiedenen Flötentypen vorspielt, werden wieder nachklingen, wenn wir später durch die unendlichen Weite der Berglandschaft fahren. Die Melodiebogen tragen die Stimmung der oft kargen Landschaft und der Menschen in sich, die vertraut sind mit einem Leben, das nebst Freu- den auch reich an Entbehrungen und Schmerz sein kann. Nur ab und zu hören wir Partien in lüpfigerem Rhythmus, die auch leicht und tänzerisch daherkommen.

Die ersten Flöten klingen für mein Ohr am ehesten wie ein Gemisch aus Klarinette und Oboe, noch nicht so näselnd wie die Instrumente, die Karen Hakobyan später von der Wand nimmt und spielt und die beim Dudelsack - artigen Instrument enden. Dort bläst er die Luft aus einem mit Luft gefülltem Balg aus Ziegenfell in das Instru- ment. Susanne fasst sich ein Herz und ver- sucht‘s: sie bringt Töne aus einer der Flöten!

Karen Hakobyan braucht etwa 10 Arbeits- stunden, um eine Duduk – Flöte herzustel- len, die sich daher auch im Preis und nicht nur im Klang deutlich von denen unterschei- det, die uns als Billig - Souvenirs auf der Vernissage oder sonst wo angeboten worden sind.

Beim Verlassen des Hofes können wir noch einen Blick in die kleine Werkstatt werfen, wenn wir uns genügend bücken, um durch die niedere Tür einzutreten: im spärlich belichteten kleinen Raum: eine kleine Drehbank, eine Ständerbohrmaschine, ein Stuhl, auf der Werkbank Schleifpapier und heller Schleifstaub....Im Vorraum sind zahlreiche orangefarbige Aprikosenholzrohlinge kreuzweise aufgeschichtet bis sie genügend trocken sind: ich wiege einen in der Hand: sie sind erstaunlich schwer für ihre Grösse: Aprikosenholz scheint dicht zu sein und sicher prägen weitere besonde- re Eigenschaften dieses Holzes den tragenden Klang der Flöten: vielleicht auch die Kraft der vielen Sonnenenergie , die darin gespeichert ist...

Nicht nur akustisch und fürs Auge ist die Demonstration von Karen Hakobyan ein Leckerbissen. Unterschiedliche Süssgebäcke, eigene Trauben und Früchte hat uns seine Frau aufgestellt und serviert auch Kaffee o- der Tee. Die kleinen farbigen Säcklein in den un- terschiedlichen Farben werden bei späteren Ein- käufen im Supermarkt immer wieder gut frequen- tiert: Aprikosen, Feigen, Zwetschgen, Datteln sind da von einer leckeren Schicht aus schwarzer Schokolade überzogen, die auch den verwöhnten Schweizer Mündern gut schmeckt!...

Mittlerweile zur Musik und dem Gesang von Frau Hakobyan am roten Klavier, - einem Geschenk, das auf verborgenen Wegen aus Georgien irgend- wie nach Eriwan gekommen sei. Auf die Frage, wie er die Holzauswahl trifft, zuckt Karen Hakobyan die Schultern: „ich sehe es einfach!.......“.

Es wird uns noch oft ähnlich ergehen auf dieser Reise durchs unbekannte Land: was für einheimische „Meister“ selbstverständlich, alltäglich und klar ist auf Grund ihrer Erfahrung, ist für uns neu, überraschend oder manchmal unergründlich.....

Genau diese für uns nicht immer auf Anhieb nachvollziehbaren und oder bis ins letz- te erklärbaren Phänomene und Erfahrungen bereichern uns als Reisende immer wieder, erweitern unseren Horizont und lassen uns Vertrautes in neuem Licht sehen oder überdenken. Und nach diesem für einen Moment letzten Tag in Eriwan werden wir am Folgetag aufbrechen in die oft umwerfenden weiten Landschaften des Hoch- landes und der Berge mit dem auch ganz buchstäblich weiten Horizont....

Tag 5 - Dienstag, 24.09.19

Von der Stadt in die Bergwelt

Christine Guler Moser & Herbert Moser

Am heutigen Tag steht uns die Busfahrt nach Haghpat, ganz im Norden von Armenien, nicht weit von der georgischen Grenze, bevor und auf der Fahrt, der Besuch diverser Sehenswürdigkeiten.

Um 09:15 – drei Minuten vor der Zeitgrosses Lob von Christoph! - fah- ren wir in Eriwan los und schon bald singt unsere Gruppe mit Freude gute Wünsche für Lisa Geis- ler und Ruedi Bachtler, die heute Geburtstag feiern.

Das Wetter könnte nicht schöner sein! Durch dichten Verkehr geht es stadtauswärts, von ferne grüsst der Ararat und schon bald machen wir einen ersten Halt: Wir besu- chen Zizernakaberd, die in einer Parkanlage auf einem Hügel gelegene Gedenkstät- te und das Museum für die Opfer des Genozids von 1915. Anusch legt klar und ver- ständlich die komplexe Geschichte bis zum Genozid 1915 dar. Danach besuchen wir individuell das Mahnmal, welches von den Sowjets 1967 eröffnet wurde, nachdem 1965 die Armenische Bevölkerung mit Massendemonstrationen die Anerkennung des Völkermords forderte.

Die Anlage besteht aus dem Tempel der Ewigkeit, wo immer ein Feuer brennt, einem 44 Meter hohen Obelisken und einer Mauer des Schweigens. 1995 wurden in einem unterirdischen Gebäudekomplex das Genozidmuseum und ein Forschungszentrum eingefügt. Im Tempel der Ewigkeit wischt eine alte Frau in schwarzem Kleid eifrig und ruhig die Umgebung des Feuers. Danach legt sie frische Nelken und Gladiolen nieder. Das Gebäude beeindruckt durch seine kühle Ausstrahlung und das warme Feuer in der Mitte. Im Museum sind die grausamen Realitä- ten der Vertreibung und der Massaker, dem eine Million Armenier zum Opfer fielen, ausführlich do- kumentiert. Das grosse Trauma der Armenier wird sehr verständlich, und es bleibt eine Grausamkeit, dass diese Tatsachen immer noch verleugnet werden können.

Zizernakaberd ist auch ein Park mit Laubbäumen (für jeden Toten soll ein Baum gepflanzt werden). Seit einigen Jahren pflanzen ausländische Regierungsvertreter, die Armenien besuchen, eine kleine Tanne. Ruedi Zimmermann entdeckt bald das Tännchen von Micheline Calmy-Rey. Es ist verdorrt! Schade!

Nach eineinhalb Stunden fahren wir weiter, vorbei an Plattenbauten, Autowerkstätten, wartenden Menschen an Bushaltestellen, Industriebrachen in eine Landschaft, in der Braun- und Gelbtöne farblich vorherrschen. Weites Grasland mit nur wenigen Bäumen.

Beim Park des armenischen Alphabets kommt es zu einem nächsten Halt: In roten und schwarzen Tuffstein geschlagen, stehen die 39 Buchstaben des Alphabets als Monumente in einem Grashügel. Der Schriftgelehrte Maschtoz, dessen Figur eben- falls in Stein gemeisselt da steht, hat im Jahr 405 nach Christus das armenische Alphabet kreiert und damit möglich gemacht, dass die armenische Sprache verschriftlicht werden konnte, was für die Entwicklung des Christentums und die Identität des ständig bedrohten Volks sehr wichtig war. Wir alle kraxeln nun im Hügel rum und freuen uns, wenn wir den armenischen Anfangsbuchstaben unserer Namen finden. Rozana muss kräftig mithelfen. Danach gibt es glückliche Fotos mit verziertem Stein.

An den Ausläufern des Aragaz- ebenfalls verehrt und mit 4092 m ü.M. der höchste Berg des heutigen Armenien – zieht sich die mässig gute Strasse hinauf in eine Hochebene, wo wir, vorbei an jesidischen Dörfern, schliesslich die Ortschaft Aparan erreichen.

Dort machen wir in der Bäckerei Gntunik, der angeblich besten Bäckerei Armeniens, Mittagsrast, und ein Bäckerakrobat holt für uns kopfüber die Brote aus dem Ofen! Hier wird auch das armenische Fladenbrot Lawasch gebacken. Das Brot, all die Backwaren wie auch das übrige Angebot schmecken ausgezeichnet!

Auch das heute unscheinbare Dorf Aparan hat eine lange, von Legenden umwobene frühe und später von Krieg geprägte Geschichte. Als Zeugnis der alten Kultur besichtigen wir die Kasacher Basilika, die im späten 4. Jahrhundert als dreischiffiger Längsbau ohne Kuppel erbaut wurde. Es findet sich in der Architektur und in Stein gemeisselt viel Symbolik, die uns Anusch und Christoph sichtbar machen. In der Sowjetzeit wurde die Basilika als Kornspeicher benutzt. In den 2000er Jahren vorbildlich restauriert, ist sie heute die Stadtkirche von Aparan. Unsere Gruppe fühlt sich in ihren Bänken sofort wohl und unser „Dona nobis pacem“ erfüllt den Raum und kommt von Herzen.

In der Umgebung der Basilika fallen die bescheidenen Behausungen der einheimischen Bevölkerung auf: rostiges Blech und Altmetall für Zäune, Scheunen und Dachbedeckungen überall. Ja, es gibt sie, die Armut in Armenien! Auf einem nahen Acker sind vier Personen dabei, von Hand die Kartoffeln zu ernten. Mit einem freundlichen Winken und einem Lachen im Gesicht präsentiert uns ein Mann ein erstaunlich grosses Exemplar!

Über den Pambak-Pass (2152 m ü.M.) und den Spitak-Pass (2378 m ü.M.) geht es anschliessend vorbei an Ruinen von Kolchosen aus der Sowjetzeit durch die vom Erdbeben von 1988 stark betroffene Region von Spitak nach Vanadzor. Viele Gebäude sind gar nicht erst wieder aufgebaut worden, man sieht von ihnen nur noch die Fundamente. Dafür sieht man sehr viele typähnliche Neubauten in Reih und Glied. Wir durchfahren Vanadzor, die mit ca. 105‘000 Einwohnern drittgrösste Stadt Arme- niens. Wir sehen die erschreckend hässlichen Überreste von grossen Industriebauten, das Ende einer ehemals florierenden Wirtschaft. Vanadzor leidet an Arbeitslosigkeit und Abwanderung. Was wir nicht sehen, ist der funktionierende Teil der Stadt auf dem Hügel, wo es auch eine grosse staatliche Universität gibt und ein wichtiges unabhängiges Zentrum zum Schutz der Konstitutionellen Rechte.

Es folgt dann der landschaftlich sehr reizvolle Streckenabschnitt durch das wilde Flusstal des Pambak: Viel Wald und felsige Berglandschaften. Weniger reizvoll ist die grottenschlechte Strasse – nur unterbrochen von einem vergleichsweise kurzen 1A-Strassenabschnitt. Gut gerüttelt und geschüttelt erreichen wir schliesslich durch den Debed Canyon die Stadt Alaverdi. Postsowjetischer Verfall prägt auch hier das Stadtbild: Eine in der Luft stehengebliebene Gondelbahn, ein vor sich hin rostendes Kupferwerk, marode Plattenbauten...

Am Ausgang der Stadt steigt die Strasse hinauf zum kleinen Dorf Haghpat, das 400 m über dem Talgrund auf einer Hangterrasse liegt. Und auf der Terrasse unseres Hotels stossen wir anschliessend bei schönster Abendstimmung und mit beeindruckender Aussicht auf den reichen Tag an. Apropos Hotel: Bei der Zimmerschlüsselverteilete gibt es so etwas wie einen Hauptpreis zu gewinnen. Dieser geht an Ruedi und Susanne Zimmermann, und die beiden dürfen drum in der Präsidentensuite logieren. Später wird das Präsidentenpaar Zimmermann vom fast vollzählig anwesen den Volk begeistert begrüsst und beklatscht und zum gemeinsamen und den Tag beschliessenden Dinner begleitet. Das Präsidentenpaar spielt die ihm zugefallene Rolle mit Würde und Anstand!

Die Hotelchefin kümmert sich laut und lachend um die Gäste, macht Witzchen und probiert uns armenische Wörter beizubringen. Als sie aber am Ende des einfachen, aber feinen Essens ihre Rechnung macht, wird sie plötzlich bitter ernst: Jemand hat sein Glas Wein nicht bezahlt!!

Das Rätsel wird rasch gelöst, und wir können uns beruhigt in die kleinen und grossen verschiedenfarbigen Zimmer zurückziehen. Wir machen noch einen kleinen Spaziergang durch das dunkle Dorf, voll und dankbar für alles heute Erlebte. Danach schlafen wir bestens und träumen in Türkisfarben.

Abschliessend gerne noch dieser uns besonders ansprechende Text von

Sayat Nova

„Ja, und in der Wiederholung des unwiederholbaren sind die Stufen zwar Stufen und doch Grabsteine zugleich. Was immer du willst, nur über diesen Weg geht es hinauf. Zuweilen achten wir nicht auf den Weg. Wir schauen weder vor noch hinter uns. Manchmal vergessen wir sogar unsere eigenen Füsse.

Was immer du dir erdenkst, es geht allein über diesen Weg, oder beweise mir etwas anderes. Und schneller als du es unterwegs nur zu erahnen vermagst, geht es, kaum ist die Mitte durchschritten, auch schon wieder hinab.

Von nun an verlängerst du den Weg allein dadurch, dass du langsamer wirst, langsamer, so als hättest du noch, was du nicht hast - nämlich alle Zeit der Welt. Und nur so wird dir alle Zeit der Welt, die du noch brauchst, vielleicht, gegeben.“

Zitiert aus „Vierzig Tage Armenien“ von Constanze John

Sayat Nova (1712 - 1795) armenischer Sänger, Dichter, Komponist und Geistlicher. Er lebte u.a. in den Klöstern Haghpat und Sanahin, - welche wir am 6. Reisetag besuchten

Tag 6 - Mittwoch, 25.09.19

Wehrklöster im südlichen Kaukasus

Ruth Walser

Halbzeit unserer Reise und kein Bisschen müde....

Unser Chauffeur in weissem Hemd und Kravatte erwartet uns an diesem sonnigen Tag zu einer interessanten Besichtigungstour der Klöster Sanahin und Haghpat. Bis wir aber dort sind, führt die holprige Strasse an direkt an der Strasse gelegenen Grabsteinen vorbei. Ruinen von Fabriken aus der Sowjetzeit prägen das Landschaftsbild. Der damalige Kupferabbau brachte nebst grober Umweltverschmutzung auch Krankheiten mit sich und wurde deshalb nach den Sowjets eingestellt. Eine Seilbahn brachte damals die Arbeiter aus dem Dorf Alawerdi über eine Schlucht zu den tiefer gelegenen Kupferminen.

Sanahin liegt 1000 m hoch und gehört zum Dorf Alawerdi. Nur nebenbei erwähnt sei, dass Sanahin auch der Geburtsort der Gebrüder Mikojan war. Artem Mikojan war ein bedeutender Flugzeugkonstrukteur und schuf den MIG-15. Sein Bruder Anastas war Mitglied des Politbüros unter Stalin und Chruschtschow und wurde unter Breschnew Staatsoberhaupt der UdSSR.

Die Gründung des Klosters Sanahin geht auf den Beginn des 10. Jh. zurück. Damals verfolgte der byzantische Kaiser Lekapenos die Juden, und als Folge davon vertrieben die Chasaren die Christen.

Armenische Mönche flohen aus dem byzantischen Reich in den nordöstlichen Teil Armeniens, wo ein bagratischer König herrschte. Ungefähr 934 wurde die Muttergotteskirche gebaut, ein schmuckloser Kreuzkuppelbau mit vier kleinen Eckkapellen. Vier plastische Tier- und Menschenköpfe schmücken den Innenraum als Symbole der vier Evangelisten. An den Wänden sind Reste der einstigen Wandmalerei zu er- kennen.

Die Königin Chosrowanusch stiftete 966 die Erlöserkirche und widmete sie ihren beiden Söhnen, die in einem Relief am Giebel der Ostfassade mit dem Modell der Kirche verewigt sind. Der Bau der Erlöserkirche ähnelt dem Bau der Muttergotteskirche, nur ist er viel grösser. Die Kapellen wurden doppelgeschossig gebaut.

Die Kirchen des 10. Jh. hatten eine Apsis und auf der Ostseite eine Sakristei, auf der Westseite befanden sich die Gebetsräume. Unter der Apsis war oft ein Versteck für wertvolle Bücher. Dort fand man u.a. das „Buch der Klagelieder“ von Grigor Narekatsi, der 950-1003 gelebt haben soll. Er war ein grosser Theologe, Vater der armenischen Liturgie und Verfasser von Schriften über die Mathematik, Musik und Literatur. Alte Handschriften wurden auch in Gruben versteckt. Zwischen den beiden Kirchen wurde später die Akademie als schmaler tonnengewölbter Gang eingezogen. Den Boden bedecken Grabplatten.

Zur Blütezeit des Klosters beherbergte es über 500 Mönche. Auch Grigor Magistros soll hier gewirkt haben. Er übersetzte Platon, Euklid u.a. Autoren der Antike. Kalligraphen und Illustratoren arbeiteten im Skriptorium. An der Akademie wurde Philosophie, Naturwissenschaften und Medizin gelehrt.

Im 12. Jh. wurde der Erlöserkirche eine weite Kuppelhalle mit vier freistehenden Säulen über einen quadratischen Grundriss angefügt, ein sog. Gawit. Gawits sind Mehrweckräume. Sie dienen als Unterkunft für die Pilger, als Unterrichtsräume, Gemeindehaus und Grabstätten von Fürstenfamilien und Mönchen.

1211 erhielt die Muttergotteskirche einen dreischiffigen Gawit. Eine Kuppel beleuchtet den Raum. Unter den gleichförmigen Giebeln der Westfassade, die die Schiffe anzeigen, öffnen sich sechs Arkadebögen, die der Halle Licht geben.

An der Nordseite des Gawits erhebt sich der Glockenturm. In einem der oberen Stockwerke befinden sich drei kleine Kapellen. Eine kleinere Kirche wurde Gregor, dem Erleuchter geweiht.

Bevor wir die Kirche verlassen, singt uns Rosanna mit ihrer süssen Stimme das Lied Havun des Dichters Grigor Narekatsi, dessen Inhalt ungefähr so lautet:

Die Vögel fangen an zu singen, bevor die Sonne hervor kommt.
Wir sollten an Gott glauben, so wie die Vögel fühlen, dass es eine Sonne gibt,
dass sie scheinen wird, obwohl sie sie noch nicht sehen.
Wenn wir unsere Seele mit Liebe füllen, werden wir fähig sein, zu glauben.
Denn nur die Liebe führt uns zum wahren Glauben an Gott.

Unser Mittagessen besorgen wir uns in einem kleinen Supermarkt,

... danach haben wir die Wahl, ob wir Kloster Haghpat mit- tels einer ca. 70- minütigen Wanderung, - unterbrochen durch ein gemütliches Picknick - oder bequem per Car erreichen wollen.

 

Haghpat wird als eine der schönsten Klosteranlagen Armeniens bewundert. 1996 wurde sie zum UNESCO Welterbe ernannt. Haghpat heisst eigentlich „Mauer“. 976 stiftete Königin Chosrowanusch die Gemahlin des Bagratiden Aschot III die Kirche des heiligen Kreuzes und legte so den Grundstein für das spätere Kloster. Das Kloster diente als Befestigung und hatte politisch einen grossen Einfluss. Es war der Stützpunkt der Fürstenfamilie und deren geistliches Zentrum. Im 11. Jh. gab es kei- nen Staat, nur kleine Fürsten.

Die Kirche des Heiligen Kreuzes wurde 911 von den Söhnen der Königin vollendet. Sie erscheinen wiederum in einem Stifterrelief unter dem Giebel der Ostfassade. Hier zeichnen sich ihre Silhouetten scharf vom dunklen Grund der Reliefplatte ab. Die beiden Brüder, resp. Könige, sind deutlich voneinander getrennt. Der eine, der Vasall, trägt einen Bart, der andere wird mit dem vom Kalifen verliehenen Turban als Zeichen seiner königlichen Würde gezeigt.

Die Kirche, welche vermutlich vom Architekten Tiridates gebaut wurde, stammt aus dem 10. Jh. Sie ist ein ummantelter Kreuzkuppelbau und weitgehend in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten geblieben. Nur die Wandmalereien befinden sich heute in einem schlechten Zustand. Sie werden momentan restauriert, d.h. man versucht das Wenige, das noch zu retten ist, zu retten. Nach 1204 war es zu einer Blüte der armenischen Wandmalerei gekommen.

Prinzessin Mariam, eine Tochter Kjurikes II. liess 1185 vor der Heiligkreuzkirche eine Vorhalle errichten. Diese Vorhalle (Gawit) gilt als erstes Beispiel sich kreuzender Bogenpaare in der armenischen Architektur. Die vier Bögen ruhen im Osten auf Wandvorlagen, während sie im Westen von zwei frei stehenden Säulen gestützt werden, die den Raum nochmals erweitern. Der Boden der Vorhalle ist vollständig mit Grabplatten bedeckt. In der Kirche sollen sich Reliquien vom Kreuz Christi befinden, deshalb der Name „Kirche des heiligen Kreuzes“ (oder Heiligkreuzkirche).

Im Bogengang der Akademie steht neben dem Nordportal der Kreuzkirche ein besonders schöner Kreuzstein, der die Abnahme Christi vom Kreuz zeigt. Johannes und Maria stehen unter dem Kreuz. Zur rechten Christi ist Josef von Arimathia im Gebet versunken, auf der anderen Seite Nikodemus, der einen Nagel aus dem Kreuz zieht. Über dem Kreuz erscheinen Sonne und Mond als Zeichen des unendlichen Weltenlaufs und der Erlösung Christi. Kreuzsteine werden rituell geweiht. Im 9. Jh. errichtete man einen Kreuzstein, statt eine Kirche zu bauen. Später folgten gewöhnliche Steinkreuze. Noch heute werden solche nach Westen ausgerichtete Votivsteine aufgestellt.

Die Bibliothek liegt hinter der Kreuzkirche und wurde 1262 errichtet und 1273 durch einen gewölbten Gang mit der Kirche verbunden. Es war ein quadratischer Raum mit einer Dachöffnung für Licht. Viele Verstecke für wertvolle Handschriften befanden sich hier. Später wurde die Bibliothek auch als Vorratsraum genutzt. Davon zeugen verschiedene in den Boden eingelassene Tongefässe.

Auf dem höchsten Punkt des Geländes erhebt sich ein Glockenturm. Er stammt aus dem 13. Jh. und ist freistehend. Er besteht aus drei Teilen: Einem Viereck, einem Kreuz und einem Oktogon. Er beherbergt in seinem Innern mehrere kleine Kapellen. Etwas abseits liegt das Refektorium, d.h. der Speiseraum mit einer Küche. Hier wurden nebst den Mönchen auch Gäste verpflegt, wie z.B. der Minnesänger Said Nova, der in Georgien lebte und seine Lieder in vier Sprachen schrieb. Sie werden in Aserbaidschan heute noch gesungen.

Mit vielen Eindrücken und neuem Wissen verlassen wir die wunderschöne Klosteranlage und werden zu unserem Hotel namens Gayane chauffiert. Unsere Zimmer sind sehr unterschiedlich gross. Einige müssen sich mit „Besenkämmerchen“ begnügen, andere sind privilegiert, Suiten zu erhalten. Das besonders glückliche Ehepaar, das in der Präsidenten Suite logieren darf, empfangen wir vor dem ersten Nachtessen denn auch mit der nötigen Reverenz.

Zum zweiten Nachtessen wandert die Gruppe zum Restaurant des Qefo Hotels. Ich war nicht dabei. Aber Peter Casaulta hat mir folgendes erzählt. „Wir haben das feine Dinner sehr genossen. Vier Musiker unterhielten uns anschliessend mit ihren traditionellen Liedern und Gesängen und sorgten für gute Stimmung. Wir waren begeisterte Zuhörerinnen und Zuhörer. Sie spielten folgende Instrumente: armenische Oboe / Duduk, Kastenzither / Kanun, die 3-saitige Kamche und Schlagzeug / Dhol ......... ein interessanter Tag fand so ein würdiges Ende!“

Tag 7 - Donnerstag, 26.09.19

Von schönen Künsten, einem Abt und einer Bäckerin

Susanne & Jürg Stoller

Heute verlassen wir das Hotel Gayane mit dem weiten Blick in die nördliche Berglandschaft wieder.

An der Pforte zum Frühstücksraum begrüsst uns eine Gottesanbeterin und winkt freundlich mit ihren dünnen grünen Ärmchen.

Nochmals geniessen wir frische Spiegeleier und Tortellini...

Gestärkt verlassen wir das Hotel auf dem leicht halsbrecherischen Strässchen und fahren wieder ins Tal hinunter und folgen da dem Fluss Debet. Wie alle armenischen Flüsse wird er sein Wasser ins Kaspische Meer ergiessen. Ebenso wie der Fluss begleiten uns auch die gelben Erdgasleitungen mit all ihren Windungen.

Wegen der Schlaglöcher in der Strasse schaukeln die blonden, braunen und grauen Häupter vor uns im Bus rhythmisch hin und her, während Anush Fragen aus unserer Runde beantwortet. Sie schildert die Situation der Wirtschaft, erörtert das Problem des Kehrichts und des Abwassers und erklärt die Absicht der „Samtenen Revolution 2018“.

Wie wir am Ort Tumanyan vorbeifahren, macht Anush uns aufmerksam auf den wichtigen Dichter mit demselben Namen, welcher 1869 genau am 25. September in dieser Gegend zur Welt gekommen ist. Im gleichen Jahr kam auch der ebenso berühmte Musiker Komitas zur Welt. Für beide Künstler wird zu ihrem 150. Geburtstag ein Fest veranstaltet.

Komitas hat viele Volkslieder gesammelt und aufgeschrieben. Ruzanna gibt uns deshalb mit ihrer hübschen Stimme eine Kostprobe. Anschliessend liest Anush ein von Tumanyan aufgeschriebenes Märchen vor mit dem Titel „Der Herr und der Knecht“. Das Märchen soll aufzeigen, dass alles, was wir tun, seine Konsequenzen hat.

Bald fahren wir Richtung Dilijan. Die Strasse führt oberhalb einiger recht aufgeräum- ter Dörfer mit üppigen Äckern voller Kartoffeln und Kohl vorbei. Anush erklärt uns, dass hier sehr arbeitsame Russen wohnen, welche sich „Altgläubige“ nennen. In Dilijan angekommen, besuchen wir den alten Stadtteil mit hübschen Häuschen, welche mit filigranen Holzkonstruktionen versehen sind. Jetzt werden sie als Museum und Touristen-Unterkünfte benutzt.

Gegenüber vom Busabstellplatz steht ein Kreuzstein. (Ja, vielleicht ist er der 300ste, den wir sehen...) Aber jeder Chatschkar hat wohl sein Geheimnis, so auch dieser! Tritt man nämlich näher und guckt durch die runde Öffnung...

Um die Mittagszeit können wir uns in einem Supermarkt ein Picknick kaufen. Aus einem parkierten Auto am Strassenrand werden riesige Fleischstücke verkauft. Aber als Picknick taugen diese nicht, auch nicht als Futter für die hungrigen Hundewelpen, die uns immer wieder begegnen.

Unterhalb des Klosters Haghartsin finden wir einen lichten Wald mit unzähligen überdachten Picknick-Plätzen. Hier lässt es sich angenehm zu Mittag essen.

Nach einem kurzen Fussmarsch stehen wir im Klostergelände. Eindrücklich präsentieren sich Kirchen, Gavithalle, altes Refektorium, Durchgänge und Ausblicke. Vieles davon wurde zur gleichen Zeit wie unsere Stadt Bern gebaut.

Abt Aristakes, welcher einige Jahre in verschiedenen deutschen Städten die armenischen Kirchgemeinden betreute, ist bereit, unsere Fragen auf Deutsch zu beantworten. Er macht das souverän und nimmt dazwischen auch Handy-Anrufe entgegen.

Nach dem etwas trüben Morgen scheint nun wieder die Sonne, und so gelingen wieder etliche schöne Fotos.

Zufrieden besteigen wir nochmals unseren Bus, welcher uns zu einer kleinen Bäckerei in Dilijan bringt. Dort binden sich Hüsein, Zina, Lisa, Heinz, Romy und Ruedi Z. alle ein Schürzchen um und stülpen sich eine Haube auf den Kopf. So ausgerüstet werden sie von der Bäckerin angeleitet, ein armenisches Süssgebäck für uns alle zu backen. (Mit etwas Glück, findet man das Rezept im Internet.)

Nach der rassigen Instruktion werden die ersten bestückten Kuchenbleche in den Ofen geschoben. Unterdessen können sich die „Arbeitslosen“ draussen auf der Gartenterrasse an Tee oder Kaffee laben. Hier singt uns Ruzanna noch ein Butterstampf-Lied, ein Liebeslied und ein Tanzlied vor. Bald werden die frisch gebackenen Küchlein gebracht und mit grossem Appetit verzehrt.

Jetzt wünschen sich die Bäckersleute auch von uns ein Lied. Das Darbieten einiger Berner Volkslieder löst eine solch fröhliche Stimmung aus, dass die Bäckerin, Katrin und Veronika munter zu tanzen beginnen.

Zum Schluss wird noch ein Gruppenfoto geknipst, und wir kehren zum Bus zurück. Ruzannas Freundin mit ihrem Söhnchen gesellt sich auch noch zu uns. Sie erzählt, dass ihr Mann vor einiger Zeit in Genf an der Uni gearbeitet hat und sie deshalb mit ihm ein bisschen die Schweiz kennen gelernt habe und dass sie etwas Französisch spreche.

Auf dem Weg zum Hotel können wir kurz noch einen Blick auf den prächtigen Gebäudekomplex des internationalen UWC Dilijan College werfen, das vom armenischen Geschäftsmann Rouben Vardanyan gebaut wurde und Schülern und Schülerinnen aus über 100 Ländern Platz bietet.

In unserem Hotel mit russischem Gepräge erwartet uns zum Abschluss des Tages ein grosses Buffet mit unzähligen Leckereien. Bald sinken wir müde und mit vielen neuen Erlebnissen und Eindrücken in unsere Betten.

Tag 8 - Freitag, 27.09.19

Der Seidenstrasse entlang in den Süden

Ursula & Peter Casaulta

Beizeiten weckt uns das Handy im vornehmen Dilijan Resort. Draussen im Park löst sich der feine Nebel auf. Die Kiefern streben himmelwärts dem Licht zu, wir machen uns auf die Reise Richtung Süden. Stärkung für die angekündigte längere Fahrt suchen wir im riesigen Speisesaal. Ich irre ums Buffet, versuche was von meinem favorisierten Gericht zu kriegen, Rührei mit Speck, suche ein Kaffeelöffeli und finde meinen Platz mit der Beute neben Ursula. Ihr geht es bedeutend besser, weil sie sich mit einem Teller Früchte begnügt. Zu Sowjetzeiten war Dilijan Erholungsgebiet für Privilegierte, Künstler und Komponisten. Obwohl es heutzutage nicht mehr so aussieht, gab es auch Sanatorien.

TGIF, wir verlassen Dilijan „die armenische Schweiz“. Den Strassen entlang sehen wir während der ganzen Reise Gasleitungen verschiedener Dimensionen, die sich manchmal in skurrilen Formen ihren Weg bahnen, in der Erde verschwinden und dann beim nächsten Hinsehen wieder da sind. Bis zum Tunnel gibt es dichten Wald mit Kiefern, Eichen und Buchen, der sich nach der Durchfahrt schlagartig in eine karge Landschaft ändert.

Der Sevansee, zweimal grösser als der Bodensee, gilt mit 1'900 m als der welthöchste Gebirgssee. Beim Kloster Sewanawank geniessen wir einen wunderschönen Rundblick auf die Umgebung. (Bitte Reiseinformationen „Basaltstufen“ nachzäh- len lassen, es sind nicht 230, die zum Kloster führen, sondern nach Fritzens Zählung 232, nach Heinzens und Anhang 248).

Die grössere Johanneskirche aus dem Gründungsjahr 874 geht auf eine weit ältere Gründung zurück. In der Apostelkirche oder Muttergotteskirche konnte die Stifterin, Prinzessin Mariam, einstmals durch ein kleines Loch der Messe in der Kirche folgen, weil es Frauen nicht erlaubt war, der Messe beizuwohnen. Erwähnenswert sind ausserdem die Kreuzsteine aus grünfarbigem Andesitgestein. Wir beobachten Bruno beim Studieren des armenischen Alphabets. Er scheint Fortschritte zu machen, während die kyrillische Schrift Ruth bis jetzt noch keinen grossen Nutzen bringt, ihr genaues Nachführen der Reiseroute, zusammen mit Priskas Handy, jedoch schon.

Das Gräberfeld Noraduz ist von unzähligen Chatschkaren übersäht. Aus dem 9.-17. Jh. stammend, lassen sie die künstlerische Entwicklung der so spezifischen armenischen Form der Kreuzverehrung nachvollziehen. Wir betreten das weite Feld mit gebührendem Respekt. Romy wird mit besonderer Aufmerksamkeit empfangen. Mit nicht immer verständlichen Ratschlägen wird sie von den sockenstrickenden Frauen belagert, vor die Gräber der ehemaligen Herrschenden geführt und zu guter Letzt dazu überredet, ein Paar Socken zu kaufen. Die meinigen sind weniger schön, aber glaube ich, die wärmeren ......

Warme Töne widerspiegeln die wasserfarbigen Zeichnungen, die Martin eifrig und mit grossem Talent in seinem Maltagebuch festhält.

Links: Auf dem Weg von Eriwan nach Haghpat

Rechts: Landschaften zw. Dilijan und Goris

Der nächste Stopp gilt den geschichtsträchtigen Stallungen der Selim Karawanserei auf der Bergkuppe auf dem Valdenis-Pass. Riecht es hier nicht immer noch nach Kamelen, Schweiss und Schnaps? Diese Unterkünfte dienten den Handelskarawanen als Herberge auf der Seidenstrasse durch Armenien zwischen Sewanbecken und Sjunik. So köstlich ist das Bouquet, dass sich Veronika und Ruedi entschliessen, sich je mit einem Aprikosen- und Maulbeerenschnaps einzudecken.

Holprig aber lohnenswert die Fahrt durch das sich weit öffnende Arpatal und über den Vorotan-Pass, um bei den prähistorischen Menhiren und Grabanlagen halt zu machen. Die steinerne Armee Soraz Karer beflügelt die Phantasie. Überreste eines bronze-zeitlichen Gräberfeldes und antike Siedlung oder gar ein armenischer Stonehenge? Hanni findet den Kraftort zwischen zwei Blocks, es kribbelt, und sie spürt eine wundersame Energie. Ich schaue in die Ferne. Sind das Bezoargeissen oder Mufflons? (einheimische Wildtiere wie Bären, Schakale oder der zurückgekehrte Kaukasus-Leopard gibt es in dieser Gegend offenbar nicht) Bei näherem Hinsehen finde ich die Lösung. Es ist Ruedi auf gefährlicher Fototour. Züsle baut ihr eigenes Steinfraueli, das bald schon Bewunderer auf den Plan ruft. Darunter ist eine Wanderin mit strammen Waden, die offenbar von weit her kommend ihre Schritte zielgerecht auf die Menhire zusteuert.

Anush nimmt während der Fahrt verschiedene Themen auf. Heute sind es das Gesundheitswesen, die Gewerkschaften, die drei Naturschutzgebiete, Abholzung und Proteste gegen die neue Regierung wegen der Einmischung einer UK-Firma beim Abbau von Gold in einem abgelegenen Seitental. Der Hinweis auf die Pflanzenwelt erleichtert uns den Einstieg in die Essensgewohnheiten der ArmenierInnen. Sie lieben und essen gerne Gras, nämlich die Sauerampfer ähnliche Pflanze, sie passt gut zu den aufgetischten Speisen.

Gespannt lauschen wir Christophs Exposé über die unterschiedlichen Gedankengänge zwischen orientalisch-semitischer und griechisch-römischer Denkweise. Erlaubt mir, ein anderes Mal ausführlicher darauf zurückzukommen. So hochinteressant und so gewichtig das Thema ist, bitte beschreitet den rationaleren Weg und meldet euch persönlich beim Philosophen an.

Wir durchqueren das leicht abfallende Tal Richtung Goris und sehen im Abendlicht ein kleines Bauerndorf, von weitem fast romantisch anzusehen. Wie leben die Men- Menschen hier, werden sie von Google, Netflix, Verkehr und all den modernen Verlockungen und Bequemlichkeiten verschont? Kuh- und Schafherden machen sich gemächlich auf der Fahrbahn breit, der Samuel drückt aufs Gas, weil er auf den Feierabend plangt.

Wir auch. Ein langer abwechslungsreicher und etwas rumpliger Tag geht dem Ende entgegen. Wir vorne Unwohlgefährdeten haben auch die heutigen Kurven geschafft, die hintere Hälfte hat wohl einige zusätzliche Schläge einstecken müssen. Ein kurzer Abstecher führt mich durchs Dorf an Bewohnern vorbei, die kein offensichtliches Interesse an meiner Anwesenheit zeigen. Die Pharmazeutin schon, ich kaufe ihr gleich den ganzen Vorrat an „Schnäuztüchli“ ab - zum Wohlergehen meiner triefenden Nase. Nach dem feinen Nachtessen schlüpfen wir ins Tal der wohligen Träume.

Guet Nacht!

Frage an Radio Eriwan:
Erinnern sich Reisende nach ihrer Rückkehr überhaupt noch daran,
was sie alles gesehen, gehört und erlebt haben?
Antwort von Radio Eriwan:
Im Prinzip ja, sofern ihre grauen Zellen funktionieren
und sie das Tagebuch zu Hilfe nehmen können.

Und hier gleich ein paar weitere „Müschterli“ u.a. von Anush.

Frage an Radio Eriwan:
Ich habe gehört, dass bei uns nicht mehr so viele Betten
produziert werden wie früher. Stimmt das?
Antwort von Radio Eriwan:
Im Prinzip ja. Wozu auch? Die Intelligenz ist auf Rosen gebettet, die Aktivisten ruhen
sich auf ihren Lorbeeren aus, die Arbeiter, Bauern und Soldaten halten Friedenswacht,
der Klassenfeind schläft nicht, und der Rest sitzt.

Frage an Radio Eriwan:
Stimmt es, dass in den USA jeder ein Auto hat?
Antwort von Radio Eriwan:
Im Prinzip ja, aber bei uns hat dafür jeder einen Parkplatz.

Frage an Radio Eriwan:
Ist es wahr, dass der liebe Gott Parteigenosse werden kann?
Antwort von Radio Eriwan:
Im Prinzip ja, nur müsste er vorher aus der Kirche austreten.

Frage an Radio Eriwan:
Ich las in der Prawda, dass ein gewisser Iwan Gustinow zu fünf Jahren Arbeitslager
verurteilt wurde, weil er einen Sowjetmarschall einen Idioten genannt hatte.
Ist die Strafe nicht etwas sehr hoch ausgefallen?
Antwort von Radio Eriwan:
Nein. Wegen der Beleidigung erhielt er nur sechs Monate, die restliche Strafe erhielt
er wegen Verrats eines militärischen Geheimnisses.

Frage an Radio Eriwan:
Werden Radio Eriwan-Witze honoriert?
Antwort von Radio Eriwan:
Im Prinzip ja, von 30 Jahren bis lebenslänglich.

Tag 9 - Samstag, 28.09.19

Von schwindelerregenden Höhen und weichen Knien

Erich Frauenknecht

Beim Morgenessen wurde eingehend über die Ausstattung der Zimmer diskutiert. „Habt ihr ein oder zwei Duvets?“ „Wir nur eines und deshalb der Kampf darum in der Nacht...“. Hüseyin und Zina haben gute Erfahrung mit dem Zusammenrücken in der Mitte gemacht.

Ein anderes, interessantes Thema waren die dünnen Wände zwischen den Zimmern.

Unisono fanden die meisten in den weichen Matratzen erstaunlicherweise perfekte Voraussetzungen für einen guten und erholsamen Schlaf. Obwohl beim ersten Hinsetzen auf dem Bett die Gefahr bestand, sich die Zähne mit den Knien einzudrücken.

 

Stoff für Geschichten à la „Radio Eriwan“ fanden wir beim Vergleich der Duschanlagen in den Zimmern. Von totaler Wellness-Dusche mit Ganzkörpermassagedüsen bei Frauenknecht-Wittwers bis zur demütig kniend-Badewannendusche ohne Vorhang bei Jungens.

Nach Informationen von Radio Eriwan wurde auf diesen Etagen der Katholikos wandelnd angetroffen... -> Erich der „Gesegnete“ muss es ja wissen / rb ;-)

Dann machten wir uns auf den Weg in Richtung „Wing of Tatev“. So heisst die Seilbahn, welche uns von Halidzdor zum Kloster Tatev bringt. Wenn uns der Wind keinen Strich durch die Rechnung macht.

Hier die Angaben zur, von der Firma Doppelmayr-Garaventa im Jahr 2010 erbauten Seilbahn:
Länge: 5'752 m
Anzahl Masten: 3
Grösste Höhe über der Schlucht Worodan: 337 m
Höhenunterschied: 130 m

Wing of Tatev ist die längste Schwebebahn der Welt.

Nach 15-minütiger Fahrt kommen wir „oben“ an und warten dort auf den zweiten Teil unserer Gruppe. Wider Erwarten macht nicht der Wind Probleme, sondern ein kurzer Stromausfall führt zu einer Verzögerung unseres Programmes. Wir suchen im Schatten Schutz vor Sonne und warmem Wind.

Das Kloster ist exponiert und thront hoch über der Worodan-Schlucht und wurde zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert erbaut. Es ist eine Symbiose aus Gotteshaus, klerikaler und weltlicher Denkstätte und wehrhafter Burg. Ein Zentrum armenischen Geistes und armenischer Kultur. Hier wirkten Philosophen, Musiker, Maler, Kaligrafen und Mönche. Die Gelehrten des Klosters erstellten Manuskripte für die gesamte armenische Welt.

Mir imponierte insbesondere Gavazan. Eine 8 Meter hohe „pendelnde“ Säule, erbaut 904 in dem Garten des Klosters. Diese Säule pendelte während der Erdbeben, auch warnte sie, wenn sich feindliche Streitkräfte näherten.

Unser Guide Anusch machte uns beliebt, noch einen „kurzen“ Weg unter die Füsse zu nehmen. Denn aus südlicher Richtung sei die Sicht und die Bilder des Klosters SENSATIONELL.

Während einige den Weg unter die Füsse nahmen, charterten wir faulen Touristen das nächste Taxi, das uns flugs hinüberchauffierte. Peter Casaulta stieg noch zu und so gondelten - ja, das ist das richtige Wort - wir zum Aussichtspunkt, Sandsturm inklusive. Und tatsächlich, der Blick auf die Klosteranlage von schräg gegenüber war wirklich sehenswert.

Mit der Gondelbahn ging’s zurück zum Startpunkt, und dort genehmigten wir uns einen feinen Imbiss im modernen Restaurant.

Nach kurzer Busfahrt stiegen wir in kleinere Fahrzeuge um, die uns zu unserem nächsten Hotspot bringen sollten. Die Gruppe teilte sich auf drei kleinere „Schüttelbecher“ auf und los ging die Rumpelei. Nach gut 20 Minuten, ohne die empfohlene Geschwindigkeit von 30 km/h je zu erreichen, kamen wir dort an.

Unser Blick schweifte über das Tal hinüber nach Chndsoresk (armenisch Խնձորեսկ) und das malerische Tal unterhalb davon. Es ist wegen seiner bizarren Felsformationen und zahlreichen Höhlen, von denen einige bis Mitte des 20. Jahrhunderts bewohnt waren, mindestens einen, zwei... Blicke wert.

Nachdem sich alle sattgesehen hatten, stiegen wir in die Schlucht hinunter, um in der Mitte des Tales, hinter der Hripsime-Kirche, die 160 Meter lange Fussgänger-Hängebrücke über den tief in einer Schlucht eingeschnittenen Bach zu überqueren. Schwindelerregend, nicht wahr? Für einzelne Gruppenmitglieder war dieser „Skywalk“ eine persönliche Erstbegehung, mit allem was dazugehört: Zähneklappern, weiche Knie, Freudentränen...starke Leistung! – Wer den Wa- ckelgang nicht auf sich nehmen wollte, wurde bequem mit den Kleinbussen auf die andere Seite gefahren.

Nach erfolgreicher Überquerung wanderten wir hinauf nach Chndsoresk an den Hunderten in die Sand- und Nagelfluh-Steinfelsen geschlagenen Wohnhöhlen vorbei.

Einmal sollen hier gegen 10'000 Menschen gelebt haben! – Die Höhlen lagen übereinander und waren durch Gänge miteinander verbunden, durch welche die Bewohner vor Plünderern flüchten und sich in andere geheime Höhlen zurückziehen konnten. Die malerische Wanderung dauerte ca. 1,5 h den „Hoger“ hinauf. Eine willkommene Abwechslung zum Sitzen im Bus.

Oben wurden wir von den Fahrern und den motorisierten Gschpänli erwartet. Wir beluden die Fahrzeuge mit uns und fuhren zurück ins Hotel. Abendessen 19.00 Uhr!

Nach einer schweigenden Dusche (Feind bzw. Zimmernachbar hört mit) ging‘s zum Apéro. Wir kamen gerade bis zum Lift...dann ward‘s dunkel. So holperten wir die Treppe zweifacherschwert hinunter – erstens: dunkel wie in einer Kuh, zweitens: ändernde Tritthöhe.

Flugs wurde ein einheimischer Elektriker „eingeflogen“, der den Sicherungskasten mit einer Stichflamme zu neuem Licht erweckte. Den Funkenschlag hat er überlebt und zog ohne schwarze Zeichnung in Gesicht und an Händen von dannen.

Das Nachtessen war bei Licht hervorragend und nach etwa zehn Minuten konnte auch das Notstromaggregat aus sowjetischer Zeit wieder ausser Betrieb genommen werden.

Gruppe 1 (Nein, das ist keine Nummer eines Gefängnistraktes) machte sich auf, ein Schlummertrunklokal zu finden. Gesehen wurden sie an diesem Abend nicht mehr...

An der Bar, an der Bar (frei nach SPLIFF)...genehmigten wir uns noch den letzten Hochzeitstagkognak und liessen uns von der Musik des Geburtstagsfestes berieseln. Der Stroboskop-Effekt liess uns die Runde dann, wegen leichter epileptischer Anfälle, auflösen. Den 8 – 14 jährigen, herausgeputzten Kindern machte das nichts aus. Es muss das Alter sein ;-).

Ruzhan erklärte uns, dass das ein üblicher Kinder-Geburtstag in Armenien sei. Für die Kinder macht man alles! – Wir staunten.

Tag 10 - Sonntag, 29.09.19

Armenischer Wein und den Ararat im Blick

An dieser Stelle geht erst mal ein grosses Dankeschön an Ruedi und Katrin ....

denn für ein gutes Sujet war ihnen kein Weg zu weit, kein Hügel zu hoch ....

.... und auch zu unserem Reisetagebuch haben beide viele schöne Aufnahmen beigesteuert.

MERCI VIU MAU

-> und nun zum Tagesbericht aus Sicht von Katrin Wittwer Frauenknecht

Der Tag beginnt nicht wie gestern mit einem wunderschönen und stimmungsvollen Sonnenaufgang, sondern mit bedecktem, grauem Himmel. Noch einmal geniessen wir das gute Essen im Hotel Goris, bevor wir pünktlich wie immer um 9 Uhr abfahren Richtung Norden. Auf derselben Strasse, auf der wir zwei Tage zuvor gekommen sind, geht’s zurück Richtung Jerewan. Die zahlreichen Schaf-, Pferde- und Kuhherden, die teils auf den Strassen unterwegs sind, begleitet von berittenen Hirten und ihren Herdenhunden, lösen bei uns wieder die „japanisier“-Lust aus: d.h. fast alle zücken ihre Handys und fotografieren das Spektakel.

Frage an Radio Eriwan:
Warum gehört die Region Bergkarabach zu Aserbaidschan und nicht zu Armenien?
Antwort von Radio Eriwan:
Es ist kompliziert... wenden Sie sich an Anusch!

Und so versucht Anusch, uns den lange währenden Konflikt um die Region näher zu bringen. Hier der Versuch einer Kurzusammenfassung (ohne Gewähr und vielleicht auch etwas einseitig aus armenischer Sicht):

Lange Zeit war der Südkaukasus unter fremder Herrschaft, u.a. herrschten hier die Sassaniden, Perser, die Mongolen oder die Tataren (turkstämmige Volksgruppe). Letztere gaben der Region auch ihren Namen: Karabach bedeutet Schwarzer Garten. Bis ins 20. Jh. gab es weder einen Staat Armenien noch Aserbaidschan. In der Region gab es jedoch auch immer wieder (seit dem 15./16. Jh) Völkerwanderungen (v.a. nomadische). Nur in der Region Bergkarabach lebten seit jeher fast ausschliesslich Armenier. Als das zaristische Russland Kolonialpolitik zu betreiben begann, einverleibte es sich mehrere Gebiete, darunter auch die Region von Armenien, Bergkarabach, Sunik und Aserbaidschan.

Nach dem ersten Weltkrieg (1918 – 21), wurden diese Gebiete sowjetisiert. Georgien, Armenien und Aserbaidschan wurden zu russischen Republiken. Die Region Bergkarabach gehörte weder zu Armenien noch zu Aserbaidschan, war umstrittenes Gebiet. Die Sowjetunion unternahm grosse Anstrengungen, die armenische Bevölkerung zu assimilieren: Armenische Schulen wurden geschlossen, armenische Baudenkmäler liess man zerfallen, Menschen aus Aserbaidschan und Russland wurden in die Region umgesiedelt, es gab lange keine Universität usw.

Mit Michail Gorbatschow kam ein Mann an die Macht, der Neuerungen und Reformen vorantrieb. In Bergkarabach keimte Hoffnung auf. Es gab friedliche Demos, die für die Wiedervereinigung mit Armenien einstanden, später für einen eigenständigen Staat. Da die sowjetrussische Verfassung seinen Republiken Selbstbestimmung zusicherte, stellte die Region Karabach ein offizielles Unabhängigkeitsgesuch. Die Autonomiebestrebungen fruchteten jedoch nichts. Aserbaidschan verstärkte die Repressionen, schliesslich wurde Bergkarabach sogar angegriffen. Armenien eilte der bedrängten Region zu Hilfe, auch die Diaspora-Armenier versuchten zu helfen.1992 gab es endlich einen Durchbruch, einige Schlachten konnten (aus Sicht der Armenier) gewonnen werden.

1994 war der Krieg zu Ende. Es gab eine grosse Zahl von Opfern (-30'000) und Flüchtlingen (-1 Mio). Es wurde ein Waffenstillstand vereinbart, der bis heute mehr oder weniger eingehalten wird. Der Konflikt ist jedoch nach wie vor ungelöst. Auch eine internationale Kommission ist nicht imstande, Bergkarabach zur Unabhängigkeit zu verhelfen. Macht- und geopolitisch sind weder Aserbaidschan, Russland noch die Türkei oder die Nato daran interessiert, an der heutigen Situation etwas zu ändern. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker wird geringer gewichtet als die machtpolitische Gesamtlage. Verlierer ist einmal mehr das armenische Volk.

Wie auf der Hinfahrt ist auch auf der Rückfahrt in derselben, besonders engen, schlecht unterhaltenen Passkurve ein Bus aufgefahren. Wir meistern die Stelle problemlos. Das Wetter klart auf. Es wird wärmer. Noch einmal geniessen wir die unglaublich schöne Landschaft mit der kargen Flora. Der Blick schweift über die sich schier endlos ausdehnenden Bergketten. Wunderschönes Land der Steine!

Unterwegs sehen wir überfahrene Hirtenhunde. Hüseyn weiss, warum diese Hunde oft zu Verkehrsopfern werden: Die Hirten schneiden den Hunden kurz nach der Geburt die Ohren ab, damit sie später im Kampf gegen Wölfe weniger Angriffsfläche bieten. Wölfe verbeissen sich gerne in der Halsregion der Herdenschutzhunde. In der Türkei ziehen die Hirten ihren Hunden oft auch ein Halsband mit Nägeln an, die nach aussen gerichtet sind, damit die Kehlen der Hunde im Kampf geschützt sind. Die abgeschnittenen Ohren haben aber einen grossen Nachteil: die Hunde hören danach deutlich schlechter und werden wohl auch deshalb oft von Autos oder Lastwagen überfahren. Wie traurig!

Das Programm wird von Anusch und Ruzhan etwas umgestellt: Zuerst gibt es den geistigen, dann einen physischen und zuletzt einen geistlichen Teil! Wir sind ge- spannt!

 

1. GeistigerTeil:Genaz!–Gesundheit–Leben!

Armenien hat eine sehr alte Weinkultur vorzuweisen, wohl die älteste der Welt. Die Areni-Rotweintraube ist mindestens 6000 Jahre alt. In einer Höhle ganz in der Nähe im Ort Areni wurde 2009 eine Weinpresse aus der Zeit sowie die Schuhe, die wir im Heimatmuseum in Jerewan bestaunen konnten (Alter: 5500 Jahre) und sogar konservierte Weintrauben gefunden, die genetisch identisch sind mit der heutigen Trau- bensorte Areni. Es gibt heute angeblich 400 verschiedene Traubensorten, die in Armenien angebaut werden. Eine Zeitlang hat Armenien statt Wein vor allem Cognac produziert und den Weinanbau dabei etwas vernachlässigt. Seit etwa zehn Jahren intensiviert man den Weinanbau wieder.

Wir besuchen ein kleines Weingut mit dem klingenden Namen Trinity Canyon Vineyards. Begrüsst werden wir vom Patron persönlich, einem kernigen Typen mit einem Cowboyhut und einer gewobenen, farbigen Weste. Seine nicht gerade zimperlichen Sprüche bringen Anusch etwas in Verlegenheit beim Übersetzen. Er macht uns weis, dass ein Teil des armenischen Blutes aus Wein besteht. Und er klärt uns auch auf über die Bedeutung des Wortes «der Arm». Auf Armenisch heisst Arm „tev“, was Flügel bedeutet. In vielen europäischen Sprachen bedeutet Arm „Waffe“. Darum sei es für ihn klar, dass die „armed“-Menschen Kriege führten, die Armenier aber hätten eben Flügel, keine Waffen, daher führten sie keine Kriege.

Hovakim Saghatelyan, so heisst er, zieht eine prächtige Show ab – z.B. verwandelt er Wasser in Wein! - und unterhält uns während der Degustation. Das ist auch gut so, denn die drei präsentierten Weine – ein weisser, ein rosé und ein roter – lassen mehrheitlich zu wünschen übrig. Die guten Weine hält er wohl unter Verschluss, der schlaue Fuchs! - Aber es wird auch hier ersichtlich, dass die Armenier bemüht sind, das Land vorwärts zu bringen, innovativ zu sein. Die drei Männer zum Beispiel, die diesen Weinberg betreiben, sind von Haus aus nicht etwa Winzer oder Önologen, sondern zwei davon sind Bauingenieure, der Dritte ist ein deutscher Wirt, der zwi- schen zwei Welten pendelt, - zwischen Deutschland und Armenien. Nach der Unabhängigkeit 1994 eröffneten die Drei in Jerewan zuerst eine Wäscherei, nach einigen Jahren beschlossen sie, einen Weinberg zu kaufen und künftig Wein zu produzieren. Link zur sehenswerten Homepage des Weinguts: trinitycv.com

Nach dem kurzweiligen Halt im Weinberg geht die Fahrt weiter durch das Städtchen Areni und die Amaghu-Schlucht, vorbei an den oben erwähnten Höhlen rechterhand. Faszinierend die rötlichen, hoch aufragenden Felsformationen. Weit im Tal hinten liegt ein weiterer Touristenmagnet, das Kloster Norawank (armenisch: neues Kloster, Weltkulturerbe seit 1996). Vom Talgrund her ist es kaum zu erkennen, verschmilzt es doch farblich mit dem felsigen, rötlichen Hintergrund.

 

2. PhysischerTeil:Mittagessen!

Vor der Besichtigung gibt’s Zmittag auf einer lauschigen Terrasse im Restaurant etwas unterhalb des Klosters. Mit grossem Appetit geniessen wir die typisch armenische Tafel. Die gesunden, schmackhaften und lecker präsentierten Speisen sind jedes Mal ein Genuss!

 

3. Geistlicher Teil: Besichtigung des Klosters Norawank

Wie oft in armenischen Klöstern gibt es auch hier mehrere Kirchen. Die speziellste davon ist die Mausoleumskirche, die in den Jahren 1331-1339 nach den Plänen des Mönchs und Künstlers Momik erbaut wurde. Sie ist eine sogenannte Mausoleumskirche (Surp astvatsatsin, armenisch für Heilige Gottesmutter). Der architektonische Aufbau hat eine klare Struktur mit symbolischer Bedeutung:

Diese Kirche hat nur zwei Eingänge: Die eine führt über sechs Stufen hinab ins Mausoleum (lange Zeit Grabstätte der Orbelian-Dynastie). In die Kreuzkirche gelangt man über eine sehr schmale, steile Aussentreppe, welche die Golgata-Treppe in Jerusalem symbolisiert. Vom Kirchenraum aus sieht man hoch in die lichtdurchflutete zwölfsäulige Rotundenkuppel. Heute ist die Eingangstreppe Touristenmagnet: Jeder klettert rauf und runter und will dabei fotografiert werden.

Die Klosterkirchen wurden durch mehrere starke Erdbeben immer wieder zerstört oder stark beschädigt. Im 20. Jahrhundert erfolgten grosse Renovierungsarbeiten. Bemerkenswert finde ich die wunderschönen Portalreliefs. Am besten gefällt mir dasjenige über dem Eingang zum Gavit (Vorhalle). Es zeigt ganz schön die heilige Dreifaltigkeit: In der Mitte Gott Vater mit Adams Kopf in der Hand, auf seiner rechten Seite der Sohn, Jesus Christus und links davon der Heilige Geist, dargestellt als Vogel.

 

Wir verlassen die Klosteranlage und fahren weiter Richtung Jerewan. Nach einer holprigen Fahrt über den letzten, 1600 m hohen Pass erscheint wieder der imposante Ararat vor unseren Blicken. Um den Gipfel schwebt wie oft eine Wolke. Wir durchqueren die Ararat-Ebene, passieren die grossen und zahlreichen Fischteiche, die Obstplantagen und Weingärten und erreichen schliesslich den wichtigsten Wallfahrtsort der Armenier, das Kloster Chor Virap.

Der Legende zufolge wurde hier auf diesem Hügel Gregor der Erleuchter von König Trdat III. 13 Jahre lang in einer Höhle gefangen gehalten, um ihn vom christlichen Glauben abzubringen. Gregor erduldete diese Tortur und heilte den König von einer unheilbaren Krankheit. Aus Dankbarkeit liess sich der König samt Familie und Hofstaat taufen und verfügte im Jahr 301, dass die Armenier als erstes Volk das Christentum als Staatsreligion annahmen.

Das heutige Kloster wurde im 17. Jahrhundert erbaut. Dieser Ort ist auch deshalb so bedeutsam für das armenische Volk, weil es sich sehr nahe am Heiligen Berg Ararat befindet. Der Berg ist von hier aus zum Greifen nahe. Aber man sieht auch den türkischen Grenzzaun, der es den Armeniern verunmöglicht, von hier aus in den Iran oder in die Türkei oder nach Etschewan zu gelangen. Die gut sichtbaren Wachtürme und Zäune hinterlassen bei uns ein mulmiges Gefühl.

Die Sonne geht langsam unter, das Farbenspiel ist prächtig, der Ararat zeigt sich von seiner besten Seite, .....

.... das Kloster leuchtet in allen Farben, der kurze Aufstieg zum Gipfel des Hügels lohnt sich, die Aussicht ist wunderschön. Die Gruppe der Hongkong-Chinesen, die uns seit Goris zu verfolgen scheint, ist auch hier wieder am Fotografieren. Einige unserer Gruppe bekommen auch noch den Heiratsantrag eines jungen Armeniers mit, der an diesem denkwürdigen Ort vor seiner Angebeteten auf die Knie geht.

Nach Einbruch der Dunkelheit erreichen wir die Hauptstadt und unser Hotel Ani Plaza. In kleinen Gruppen schwärmen wir aus zum Nachtessen. Die Auswahl an guten Restaurants ist ja bekanntlich gross.

Wir sind zu fünft unterwegs und landen einen Volltreffer: Sehr gutes Essen, empfohlen von unserem armenisch-jordanischen Ober namens Aram, der uns bestens mit seinen zahlreichen Anekdoten unterhält.

Ein ereignisreicher Tag und ein gemütlicher Abend gehen zu Ende.


Tag 11 - Montag, 30.09.19

Nochmal ein Weltkulturerbe, diesmal mit Musik

Ursula & Hansueli Joss

Von der Höhle aufs Hochhaus ...

Das Wetter ist sonnig und warm. Der Ararat zeigt sich mit seiner Schneekuppe trotz Dunstschleier erneut als beliebtes Fotosujet.

Besuch des Höhlenklosters Geghard: Wo einst Mönche in natürlichen Höhlen gelebt hatten, wurde im 13. Jahrhundert eine Kirche errichtet, deren Räume sich zum Teil in den Felsen befinden. Diese Räume wurden symmetrisch angelegt, tragende Säulen, Verzierungen und figürliche Darstellungen wurden kunstvoll aus den Felsen herausgearbeitet.

Einer dieser Räume ist nur durch einen etwa zehn Meter langen, dunklen Höhlengang erreichbar. In diesem Raum erlebten wir etwas ganz Besonderes: Das „Luys Vocal Quintett“ sang für uns geistliche Lieder. Der Klang ihrer Stimmen füllte den ganzen Raum und war dank entsprechenden Öffnungen in der Wand auch in andern Räumen der Kirche zu hören. Es war sehr ergreifend! Die Genialität der Architektur der sakralen Räume wurde durch diesen Gesang noch zusätzlich unterstrichen.

In Garni, einem ca. 30 km östlich von Yerewan gelegenen, von Touristen stark frequentierten Ort, gibt es einen im römisch-griechischen Stil erbauten Tempel aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. zu besichtigen, der in den 1970er Jahren restauriert worden ist. Von dort aus hat man eine prächtige Aussicht in die spektakuläre Basaltschlucht von Awan. Deren Wände bestehen aus säulenförmig geformtem Basalt, der wie aneinandergereihte Orgelpfeifen aussieht.

Das feine Mittagessen konnten wir dank des schönen Wetters in einem Garten an einer langen Tafel unter grossen schattenspendenden Bäumen geniessen. Nach den wie immer sehr leckeren kalten Vorspeisen bestand der Hauptgang aus armenischen Forellen, die über dem Feuer gebraten wurden.

Wie schon bei einer Bäckerei an der Hauptstrasse konnten wir auch hier beim Backen des Fladenbrots(Lawash) zuschauen. Dabei sahen wir, dass die Bäckerin die Fladen mit nassen Fingern übers Kreuz betupfte, bevor sie diese an die heisse Ofenwand klebte.

Ruzanna erklärte uns, dass die Bäckerin auf diese Weise das Brot segne und sich für das Brot als tägliche Nahrung bedanke. Dies entspreche einer alten Tradition.

Das im Anschluss an das Mittagessen vorgesehene Gespräch mit Prof. Safrastyan konnte nicht stattfinden, da der Professor kurzfristig zum Regierungschef gehen musste. „Zum Trost“ spendierte uns die Reiseleitung einen Aprikosenschnaps.

Schlussabend: Der Gegensatz konnte nicht grösser sein: Nach dem Besuch des uralten Höhlenklosters Geghard begaben wir uns für den Schlussabend unserer wunderbaren Reise per Lift in das 17. Stockwerk eines modernen Hochhauses in Yerewan. Von der Dachterrasse blickten wir auf das Lichtermeer der armenischen Hauptstadt und im letzten Licht nach Sonnenuntergang zeigte sich am rötlichen Horizont der Ararat als schwarze Silhouette.

Ein feines Nachtessen krönte den schönen Tag. Christoph bedankte sich in unserem Namen mit einer originellen, mit „Radio-Eriwan-Witzen“ ausgeschmückten Rede bei unserer Reiseleiterin Anush sowie bei der Reisebegleiterin Ruzanna und unserem Chauffeur Samuel für die schöne eindrückliche, bestens organisierte Reise.

Gute Nacht Yerewan!

 

Tag 12 - Dienstag 01.10.19

Uralte Handschriften und Abschied von Armenien

Romy Battaglia

Mit Vorfreude und einer Portion „Flugscham“ im Gepäck hab ich meine bereits 7. Stettler Kirchgemeindereise angetreten,

mit einem mulmigen Gefühl im Bauch – dies wegen der heftigen Flugturbulenzen – hab ich sie beendet,

und dazwischen war es - wie jedes Mal - ganz einfach

UNVERGESSLICH SCHÖN

Und nun zum letzten und somit Rückreisetag: Ein der langen Reise angepasstes leichtes Zmorge, den Koffer (samt warmen armenichen Socken ;-) persönlich identifiziert und im Car verstaut, überwiegt bereits langsam die Vorfreude auf mein Zuhause.

Aber vorerst geht’s in Begleitung von Rusan und unter erhöhter Polizeipräsenz (Tagung der Eurasischen Wirtschaftsunion) per Car zum Matenadaran, (= altarmenischer Begriff für Bibliothek) wo uns Herr Edouard Saroyan von Arminius Reisen und eine letzte interessante Führung erwarten.

Das Matenadaran wurde Mitte des 20. Jhds erbaut, um den rund 25‘000 Handschriften (davon allein 14‘000 in armenischer Sprache) ein würdiges Zuhause zu geben und sie vor dem Zerfall zu bewahren. Zugleich ist das Matenadaran auch eine bedeutende Forschungsstätte, die nicht nur armenische, sondern Wissenschaftler aus der ganzen Welt anlockt. Eine schier unerschöpfliche Quelle alten Wissens (sei‘s aus den Gebieten Religion, Geschichte, Recht, Medizin, Botanik, Musik oder Geographie) und kostbare Miniaturen in seltener Farbintensität begeistern in mehreren Sälen Interessierte und KunsthistorikerInnen. Dabei wird jeweils nur ein kleiner Teil des Museumeigentums präsentiert.

Im Scriptorium wurden alte Handschriften sorgfältig und kunstvoll abgeschrieben, - dazu verwendete man Pergament (dies oft gleich mehrere Male, da das kostbare Material sehr teuer war) sowie Schilfrohre und Walnussschalensaft. Wir sehen das grösste (28kg / 660 Seiten) sowie das kleinste (19g / 104 Seiten) Buch, wobei letzteres nur mit einer Lupe gelesen werden kann.

Noch immer gibt es eine Restaurationsabteilung, und die Arbeit geht bestimmt nie aus.

Aber auch alte kostbare Einbände (der älteste besteht aus Elfenbein und stammt aus dem 6. Jhd.) gibt’s zu bestaunen, und ein weiterer Saal ist der Buchdruckkunst und dem ersten armenischen Buchdrucker Hacob Meghaparat gewidmet.

Von unserer Führerin werden wir gleich zu Beginn in die Geheimnisse des armenischen Alphabets eingeführt. Die armenische Schrift wurde vom gelehrten Mönch Mesrop Maschtots Anfang des 5. Jhds geschaffen. Die Rechtsläufigkeit und die Abfolge der Laute wurden dem griechischen Alphabet entnommen, aber Schriftzeichen, die im Griechischen nicht vorhandene Laute bezeichnen, wurden von Mesrop Maschtots neu erfunden. Ursprünglich gab es im armenischen Alphabet 36 Zeichen, im frühen Mittelalter wurden drei weitere Buchstaben hinzugefügt.

Bevor Armenien das arabische Zahlensystem übernahm, wurden die Zahlen mit Hilfe der Buchstaben dargestellt. Zur Darstellung dienten grundsätzlich nur Grossbuchstaben. Die 36 Buchstaben waren in 4 Rei- hen von je 9 Buchstaben geordnet. Die erste Reihe bezeichnete die Zahlen 1 bis 9, die zweite 10 bis 90, die dritte 100 bis 900 und die vierte 1000 bis 9000. Mit den erst im Mittelalter eingeführten Buchstaben (für die Wiedergabe der Laute O und F) wurden die Zahlen 10.000 und 20.000 bezeichnet.

Zum Abschluss unseres Armenienbesuchs entsteht vor dem Matenadaran zu Füssen von Mesrop Maschtots und seines Schülers Koriun (der später auch eine Biographie seines Lehrmeisters verfasst hat) auf Wunsch von Herrn Saroyan ein letztes Gruppenfoto.

Ganz rechts gesellt sich Rusan hinzu, - Anush, die vorerst 2 Ruhetage geniessen darf, hat sich bereits gestern von uns verabschiedet.

Jetzt müssen noch die letzten Drams unters Volk - also ab zu einem Abschiedskafi bei der Cascade, gut bewacht von Eriwans Polizisten und Polizistinnen – von den letzteren sogar eine in High heels ;-) Die möchte ich ja lossprinten sehen!!!

Auf der Fahrt zum Flugplatz singt uns Rusan noch einen berührenden armenischen Abschiedssegen.

Nach dem Einchecken müssen wir jedoch erst mal warten, der Grund heisst wahrscheinlich Putin. Ruedi erhascht jedenfalls ein Bild von ihm samt rotem Teppich, und dank Gruppenchat dürfen wir alle an diesem „Grossereignis“ teilhaben ;-)

Wir würden sofort auch ohne roten Teppich einsteigen, sitzt uns doch die knappe Umsteigezeit in Moskau im Nacken, - aber eben ........ Endlich geht’s nun auch für die „Normalsterblichen“ vorwärts. Es folgt ein flugtechnisch turbulenter Flug, der bei mir – wie bereits zu Beginn erwähnt – ein sehr mulmiges Gefühl auslöst.

Bei Sonnenuntergang heisst’s - Moskau umsteigen im Sauseschritt – und weiter geht’s umgehend Richtung Heimat.

Am Zürich Flughafen hurtig die Koffer geschnappt (die lassen aber auch auf sich warten!!) und erneut im Sauseschritt aufs Bahnperron. Per Chat wird fleissig evaluiert, wer es in der knappen Zeit auf den Zug geschafft hat. Erstaunlich viele, - nur drei Pechvögel melden, dass ihre Koffer nicht mitgereist sind und sie nun halt erst die nächste Verbindung nach Bern nehmen können.

Leider bleibt dies nicht die einzige schlechte Nachricht! Bereits spät abends und besonders am folgenden Tag häufen sich auf dem Gruppenchat allerlei „Magen- und Darmtechnische BAD NEWS“. Es wird fleissig spekuliert, ob es nun eher die „beef- oder chicken eaters“ erwischt hat - oder ob es vielleicht am Thunfischsalat gelegen haben könnte. Ich persönlich verdächtige auch den Kaffee oder Tee, hab ich doch mal in der Zeitung mit den grossen roten Buchstaben gelesen, dass das Flugperso- nal nie und nimmer einen Bordkaffee trinken würde, da das Wasser auch schon mal mit Fäk.... verseucht sein könne ;-(

Sogar eine (wahrscheinlich nicht allzu ernst gemeinte) Lavash-Vergiftung wird ins Spiel gebracht und Christoph versteigt sich gar zu einer wilden Verschwörungstheorie, indem er mutmasst, dass uns vielleicht Putin vergiften liess, weil wir ihm zu nah gekommen seien ;-)))

Wie auch immer, alle nehmen regen Anteil, schicken den Gepeinigten liebe Besserungswünsche und natürlich wird auch Radio Eriwan zitiert:

Frage an Radio Eriwan:
Ist es möglich, mit Durchfall zu baden?
Antwort von Radio Eriwan:
Im Prinzip ja, - wenn Sie die Wanne vollkriegen

Mit der Zeit finden aber auch wieder erfreu- lichere Meldungen Platz, wie z.B. Fötelis vom heimatlichen Morgenkafi samt Mitbringseln. Dies allerdings nur von den Verschonten, zu denen auch ich mich zählen darf – die andern interessieren sich aus nahe liegenden Gründen wahrscheinlich eher für Ursula Joss altbewährtes Hafer- schleimsuppenrezept.

So freue ich mich denn auf unser Abschluss- und Fototreffen in Stettlen, wünsche bis dahin viel Spass mit unserem Gruppenreisetagebuch und hoffe, euch alle „gesundet“ und munter wiederzusehen.