Studienreise nach Kalabrien 2017 - Reisebericht

 

Tag 1: Sonntag, 11. Juni 2017

Heute sollte unsere Reise nach Kalabrien beginnen.

Kalabrien wurde im Vergleich zu anderen Teilen Italiens erst relativ spät vom Tourismus entdeckt und ist daher – besonders im bergigen Innern – noch unverfälscht und echt. Die Region an der Spitze des italienischen Stiefels ist auf drei Seiten von Wasser umgeben: im Westen vom Tyrrhenischen Meer, im Osten vom Ionischen Meer , im Süden von der Straße von Messina. Im Norden grenzt die wilde, einsame Region Basilikata an Kalabrien. Im Innern ist die Landschaft vorwiegend von Wäldern und Gebirgen geprägt – im Norden liegt das Sila-Massiv und im Süden der Aspromonte, letzter Ausläufer des Apennins (der sich durch ganz Italien zieht).

Das alles wollten wir uns in den nächsten Tagen ansehen.

Da wir nur eine kleine Gruppe von 10 Personen waren (un grupo piccolo), habe ich für den Transfer nach Frankfurt zum Flughafen zwei Taxen bestellt, so dass jeder in den Genuss einer Haustürabholung kam.

Pünktlich um 9.30 Uhr waren wir im Terminal 2 zum Einchecken am Alitalia-Schalter. Alles verlief ohne Probleme, der Flug war pünktlich, das Umsteigen in Rom genauso, und in Lamezia Terme erwartete uns unsere Reiseleiterin Liane Scherf, die ich schon auf der Inforeise kennengelernt hatte. Unser Busfahrer war Luigi, genannt Gigi, ein immer freundlicher und guter Fahrer. Wir fuhren ca. 1 Stunde nach Norden zu unserem 1. Standort: Cosenza, den wir kurz vor 18.00 Uhr erreichten. Einchecken im Hotel Excelsior (mit dem Charme des vorigen Jahrhunderts).

Wir trafen uns an der Rezeption, um vor dem Abendessen noch einen Bummel durch Cosenza zu machen und gingen mit Liane zum Corso Mazzini, der Haupteinkaufsstraße von Cosenza, die fast vollständig zur Fußgängerzone umfunktioniert worden ist und zugleich eine kleine Kunstausstellung unter freiem Himmel bietet. Hier befinden sich Skulpturen von Salvador Dali, Mimmo Rotella, Joan Miro, Giacomo Manzú und von weiteren Künstlern.

Diese Kunstwerke hat der 2005 verstorbene Kunstsammler Carlo Bilotti, der in den USA lebte, seiner Heimatstadt Cosenza vererbt.

Am Ende des Corso war ein sehr schön angelegter Platz über einem Parkdeck, rechts und links wie Segel hochgehend.

Da im Hotel zur Zeit die Küche renoviert wurde, gingen wir zum Abendessen ins nahegelegene Restaurant Grandinetti, einem Familienbetrieb. Das Essen war schmackhaft, nur der angebotene Wein konnte unsere anspruchsvollen Gaumen nicht überzeugen. Er war einfach ungenießbar. Weder der weiße, rote oder Roséwein schmeckte. So tranken wir Wasser oder Bier und kamen mit dem Wirt überein, dass wir am nächsten Tag unseren eigenen Wein (von Liane im Supermarkt gekauft und sehr gut) mitbringen würden.

Brigitte Schiele

Tag: 2 Montag, 12. Juni 2017

Haben wir am Vorabend bereits die mit vielen Kunstobjekten ausgestattete Neustadt kennengelernt, ging es am 2. Tag zur Besichtigung der oben am Berg liegenden Altstadt.

Cosenza liegt zwischen zwei Gebirgsketten; im Winter gibt es kalte Winde, im Sommer ist es heiß. Die Stadt liegt am Zusammenfluss von Crati und Busento, am Rande des Silagebirges. Alarich, König der Westgoten, soll im Jahr 410 nach der Plünderung Roms in Cosenza gestorben und im Flussbett des Busento begraben worden sein. Unsere Führerin Liane führte uns dorthin. Schutzheiliger der Stadt ist Francesco von Paola.

Die Burg oben am Berg aus der Zeit Friedrichs II., mit den 8eckigen Türmen aus der Bauphase des 12.-13. Jh., ist heute Ruine. Um 1060 herum von Normannen erobert, von Byzantinern befreit, ist sie Teil der Stadtgeschichte. Die Revolte der Sizilianer in Verdis Oper „Die Sizilianische Vesper“ hat hier ihren Ursprung. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Burg bombardiert, das Stadttheater total zerstört, später wieder aufgebaut. 

Ein Sohn der Stadt, der Musiker Rendano, ist Erfinder des 3. Pedals am Klavier.

Das Stadtwappen zeigt den Monte Pankratio auf 7 Hügeln. Vor dem Theater steht ein Denkmal für Bernadino Telesio, Philosoph und Naturforscher, in Cosenza geboren, der um 1460 herum zum Studium nach Padua geschickt wird. Es ist die Zeit des Galileo Galilei und Michelangelo, eine Zeit der Denker, der Naturerkenntnisse, die Zeit der engstirnigen Kirche und ihrer Machtbefugnisse, denn Galilei (Buch: Und sie bewegt sich doch!) musste seine Erkenntnisse widerrufen, um am Leben zu bleiben. Telesio gründete eine

Denkschule-Akademie der Telesianer (1480 – 1560) als Grundlage der Naturwissenschaft.

In der Altstadt Cosenzas:

  • Viele alte Ecken und Straßen, leer stehende Immobilien. Das Problem sei, so unsere Führerin, dass sich Besitzer nicht einigen können.
  • Die Stadt steht auf römischer Geschichte, leer stehende alte Adelspaläste aus früheren Zeiten sind jetzt in schlechtem Zustand und verfallen. Stadtverwaltung heute kauft Häuser auf und renoviert. Viel von Renovierung war jedoch von außen nicht zu sehen. Den Palast des Erzbischofs als Sitz des Vatikans – ein Diözesanmuseum – besichtigen wir; es wurde erst vor 4 Jahren neu eröffnet. Am Eingang Maria als stillende Mutter, der hl Josef mit Kind, ein Triptychon Mutter mit Kind – ausgestellt sind prachtvolle Bischofsgewänder, Christus am Kreuz neben zwei Gekreuzigten, im Dunkeln unten ist Christus in Hoffnung auf Auferstehung.

Im Hinblick auf die prachtvollen Stickereien wird an die Monokultur und Seidenzucht erinnert, den Maulbeerbaum und die Seidenraupen, deren Seide hier hergestellt und verarbeitet wurde, - exportiert in mitteleuropäische Königshäuser. Es war der Reichtum der Region, jedoch vernachlässigt wurde dabei der Anbau von Getreide zur Ernährung der Bevölkerung.

Im neu eingeweihten Museum ist eine Schenkung von Friedrich II. aus dem Jahr 1222 – ein goldenes Kreuz mit Splitter des Kreuzes Christi auf der Rückseite, eine filigrane goldene Miniaturarbeit. Auf der Rückseite die 4 Evangelisten eingearbeitet, - eine ikonografische Darstellung unter byzantinischem Einfluss. Ein kostbarer Schatz kosmopolitischer Glaubenshaltung, wie Liane erläutert. 1535 kommt Karl V. als Herrscher Unteritaliens. Eine Arbeit am Kreuz mit spanischen Künstlern ist eine Aufwertung der Künstler durch Karl V., dem Habsburger, der durch Heirat nach Spanien Reichsherr wurde, in dessen Land die Sonne nicht unterging. Maria als stillende Mutter aus byzantinischer Periode ist abgebildet mit Heiligenschein und 11 Sternen. 1347 war Pestepidemie ausgebrochen, eine Marienabbildung mit Pestbeule wurde so zum Wallfahrtsort. Soweit das Museum.

Wir besichtigen danach die Kathedrale aus Kalkstein, ursprünglich 8eckig, geweiht an Weihnachten 1222 – nach romanischem Muster gebaut, humanistisch ausgestattet, Kapitelle verschieden, mit Rundbogen, oben Balkendecke, ursprünglich mit Fresken ausgestattet, - Friedrich wollte Umwandlung in barocke Kirche, so gingen die Wandmalereien verloren. Kleine Apsiden – Mutter Gottes in Himmelfahrt mit Aposteln – freistehender Altar typisch für den Barock. Philipp III., der Heilige, stirbt in Tunesien bei Kreuzzug, Heinrich VII. Sohn von Friedrich II., kamen später im 16./17. Jh. in die Seitenkapellen dazu.

Seitenkapellen dazu. Ursprüngliches Material aus der Römerzeit wurde im Bodenmosaik erhalten. Sarkophag aus dem 4. Jh. nach griechischer Mythologie und Geschichte stellt Diana – Göttin der Jagd - dar; in Marmorstatuen ist sie als Grablege für Heinrich VII. verewigt. Der Vater und Stauferkönig war mehr in Italien als in Germanien. Der Sohn des Königs wird mit 10 Jahren geköpft; das war das Ende der Stauferherrschaft. Im Dom befindet sich eine große Orgel.

Auch Isabella von Aragon, Königin von Frankreich, kam in Kalabrien durch Sturz vom Pferd ums Leben und ist im Dom gemeinsam mit Philipp III. beigesetzt. Eine Marmorstatue der Muttergottes ist ihnen gewidmet. Eine Seitenkapelle als Heiligtum und Marienverehrung, - Maria mit Pestbeule – ist dem Abbild im Museum gleich. Soweit der Dom, und zurück in der baufälligen Altstadt:

Das Problem der Bauruinen sei, so Lianes Erklärung, dass es an Anerkennung der Bausubstanz als Kulturerbe fehle. Die traurige Gegenwart sei, dass in diese heruntergekommenen Häuser Bulgaren und Rumänen illegal einziehen, in ihnen ohne Wasser und Heizung hausen, und die Altstadt damit weiter verkommt.

Nationalheld der Albaner ist Giorgio Kastrioler Skanderbeg (1405 – 1468), Helfer für die Krone des Hauses Aragon, der mit Soldaten und ihren Familien im 15. Jh. in der Region 48 Gemeinden gründet. Und eine Gildenkirche. Sein Denkmal besichtigen wir, ebenso die Kirche der Schneider, St. Salvatore, mit barocker Ausstattung, heute griechisch-orthodox, und sie ist die Kirche der Albaner. Einst gab es Streit zwischen Papstkirche und byzantinischer Glaubensrichtung.

Der Namensvetter des Franz von Assisi, Franz von Paola, wird Patron und Beschützer der Seeleute. Er kam als Mönch aus dem Kloster Cosenza, wohin er schon im Kindesalter kam, und als Franziskanermönch werden ihm Wunder zugeschrieben. Der 2. April ist sein Sterbetag und auch sein Ehrentag unter dem Motto: Caritas, tu Gutes. Das Paulaner Bier gehe heute auf ihn zurück. Das 15. – 16. Jh. war unter spanischer Herrschaft für Kalabrien eine schwierige Zeitperiode. 1507 stirbt Franz von Paola. In einer der Kirchen, die wir besichtigten, erinnert eine Statue an ihn.

Wir werden weitergeführt und erfahren von August von Platen, der ein Zeitgenosse von Heinrich Heine gewesen sei, und der in Italien auf den Spuren der Antike wandelte. Er forschte über Alerich I. – aus dem Imperium Romanum, dem Mann und Kämpfer auf dem Pferd. Seine Soldaten machten ihn zum König der Westgoten, sie erobern und plündern Rom, Alerich zieht durch Kalabrien, hier begegnen sie anderen Völkern, Alerich stirbt an Malaria-Fieber und ist beigesetzt in Cosenza, dargestellt im Denkmal mit dem Pferd im Flussbett des Busento. Das Busento-Grab ist Legende und bleibt Legende, so Lianes Erklärung.

Wir besichtigen den Dominikaner-Komplex mit Kirche und Kloster im neugotischen Stil, mit großer Rosette und Kreuzgang, ein Umbau aus früherem Palazzo, - jetzt genutzt von der Stadtverwaltung. Das Diözesanmuseum gilt als Bindeglied zwischen der Geschichte von gestern und vorgestern und heute. Auffallend ist, dass überall Maria, die Gottesmutter, als stillende Mutter dargestellt wird, als ein sehr irdisches Symbol der Heiligkeit wie der Lebenswirklichkeit des Glaubens.

Wir kommen nach Morano, einem Ort aus der Normannenzeit - heute 4600 EW, früher waren es 6000 Menschen, die hier wohnten. Viele sind ausgewandert, um sich woanders eine neue Existenz aufzubauen. Morano ist nördliche Grenzregion Kalabriens und liegt an früherer römischer Straße. Um das Jahr 192 v.Chr. wird die Region erobert und liegt am Rande eines Naturschutzparks, Karstgebirge und unwirtliches Gebiet rings um das Pollino-Gebirgsmassiv, Apollon geweiht, dem Gott der Heilkunst, von Normannen eingenommen. Eine Kirche St. Peter und Paul steht dort aus den Anfängen des Christentums, Benediktiner kommen nach Italien erst mit dem Haus Aragon. Diese Region Kalabriens wird zerstört mit einem Erdbeben 1783 – es blieben keine Straßen mehr, alles war weg. Wir gingen durch das hügelige Gelände durch den Ort, viele steile Treppen abwärts vom Burggelände bis zur Straße, wo unser Bus auf uns wartete. Vorbei an einigen Ecken mit Kapernblüten, vorbei an bewohnten Häusern mit Blumentöpfen, vorbei an offensichtlich verlassenen Häusern, entlang den vielen schmalen Gassen und Ecken. Diese Region um das Pollino – Massiv sei im Winter kalt durch Bergwinde.

August Graf von Platen 1796-1835

Nächtlich am Busento lispeln
 bei Cosenza dumpfe Lieder;
Aus den Wassern schallt es Antwort,
und in Wirbeln klingt es wieder! In der wogenleeren Höhlung
wühlten sie empor die Erde,
Senkten tief hinein den Leichnam,
mit der Rüstung auf dem Pferde.
   
Und den Fluss hinauf, hinunter
zieh'n die Schatten tapfrer Goten,
 Die den Alarich beweinen, 
ihres Volkes besten Toten. Deckten dann mit Erde wieder
ihn und seine stolze Habe,
 Dass die hohen Stromgewächse
wüchsen aus dem Heldengrabe.
Allzu früh und fern der Heimat
 mussten hier sie ihn begraben,
Während noch die Jugendlocken
seine Schulter blond umgaben. Abgelenkt zum zweiten Male,
ward der Fluss herbeigezogen:
Mächtig in ihr altes Bette
schäumten die Busentowogen.

Und am Ufer des Busento
reihten sie sich um die Wette,
Um die Strömung abzuleiten,
gruben sie ein frisches Bette. Und es sang ein Chor von Männern:
"Schlaf in deinen Heldenehren!
Keines Römers schnöde Habsucht
soll dir je dein Grab versehren!"

Sangen's und die Lobgesänge
tönten fort im Gotenheere;
 Wälze sie, Busentowelle, 
wälze sie von Meer zu Meere!

 

Tag 3: Dienstag, 13.06.17

Nach einem einfachen Frühstück starten wir 8:30h bei bestem Sommerwetter. Die Fahrt auf der A2 folgt der alten Via Popilia, weiter zur Ebene von Sibari, die zwischen dem Bergmassiv des Pollino und dem Sila-Gebirge liegt. Unterwegs erhalten wir von Liane ausführliche Informationen zu unserem heutigen Tagesprogramm, sowie zur Geschichte des Landes.

In alten Zeiten war hier ein wichtiges Zentrum der Magna Graecia.

Die Enotrier (Stämme des Weinlands) waren eine der ansässigen Volksgruppen Ost-Kalabriens. Als im 8. Jh. v. Chr. die Griechen begannen, Kalabrien zu besiedeln, wurden sie ins Hinterland gedrängt. Italo ist der Name eines Königssohns der Enotrier. Von seinem Namen stammt die Bezeichnung Italia ab.

Cali bron = schöne Erde: ursprünglich trug im Altertum diesen Namen der Absatz des italienischen Stiefels; das heutige Kalabrien hieß Bruttium. Im frühen Mittelalter verlegten die byzantinischen Herrscher den Namen Calibron auf die Stiefelspitze und nannten den Stiefelabsatz Apulien. Unter den orthodoxen Griechen entstanden in Kalabrien Kirchen, Klöster und viele Einsiedeleien.

Die Fahrt geht zur Ausgrabungsstätte des antiken Sybaris am Golf von Tarent. Auf Grund des fruchtbaren Bodens, Wald, Wasser und reicher Bodenschätze (Silberminen) erlangte Sybaris großen Reichtum. Man lebte im unbeschwerten Luxus. Viele Pflanzstädte entstanden bis zum Tyrrhenischen Meer. Paestum (Poseidonia) ist eine dieser Gründungen. Kroton und Locri Epizefiri waren ebenfalls große griechische Städte, die in Konkurrenz zueinander standen.

Der griechische Philosoph Pythagoras, geb. 570 v.Chr. auf Samos, ließ sich ca. 530 v. Chr. in Kroton nieder. Er gründete dort die "Schule der Pythagoräer".

Eine Rivalität zwischen Sybaris und Kroton eskalierte zu einem Krieg zwischen den beiden Städten. Kroton unter Pythagoras belagerte 510 Syberis, und leitete das Wasser des Flusses Crati um. In der Folge kam es zur verheerenden Überschwemmung der Stadt Sybaris und des Umlandes, auch zahlreiche Silberminen wurden überschwemmt. Es war der Niedergang von Sybaris. Nach dem Sieg kam es in Kroton zu Streitigkeiten wegen der Verteilung des eroberten Landes. Der Unmut der Krotoner richtete sich auch gegen Pythagoras und seine Anhänger. Pythagoras übersiedelte daraufhin nach Metaponto in der Basilikata, wo er bis zu seinem Tod lebte.

200 v.Chr. nahmen die Römer die letzten griechischen Gebiete ein. Sybaris hieß nun Copia. Die wenigen Reste der eingezäunten Ausgrabungsstätte sind Bausubstanz des römischen Copia. Sie wurden seit 1968 2-3m tief ausgegraben. Bei einem Fotostopp können wir uns einen kurzen Überblick verschaffen. Außer einigen, teils von Unkraut überwucherten Mauerresten gibt es hier aber wenig zu sehen.

Wegen wiederholter Überfälle durch Türken und der aus Alexandria eingeschleppten Malaria verließen die Menschen die fruchtbare Ebene und siedelten an den Hängen der Berge. Im 20. Jh. wurde das Sumpfgebiet in der Ebene trocken gelegt. Die Fahrt geht an Clementinen- und Olivenhainen vorbei. Beide Früchte gedeihen bis zu 600 m Höhe an den Hängen des Sila-Gebirges. Die Clementine ist eine Kreuzung zwischen Mandarine und Pomeranze; geerntet wird sie ab November.

Weiter geht die Fahrt entlang der ionischen Küste nach Rossano. Der Name kommt von Roscianum = rote Erde. Ende des 10.Jh war Rossano Stützpunkt Ottos II. Hier ließ er seine Frau Theophanu und seinen Sohn zurück, bevor er in den Kampf gegen die Sarazenen zog. Nach einer verheerenden Niederlage entkam er mit knapper Not dem Kampfgetümmel und rettete sich zurück nach Rossano.

Wir fahren direkt in die historische Altstadt, die auf einem Felsplateau 300 m ü.M. liegt. Zuerst besuchen wir das Diözesanmuseum, wo uns ein Höhepunkt unserer Reise erwartet: Der Codex Purpureus Rossanensis (Purpurkodex von Rossano) ist eine der ältesten und am reichsten ausgeschmückten griechischen Evangelienhandschriften. Sie wurde vermutlich im 6. Jahrhundert in Antiochia/Caesarea, Syrien, angefertigt und im 7. Jahrhundert von Mönchen, die auf der Flucht vor den Arabern waren, nach Kalabrien gebracht. Auf 188 (von ursprünglich 400) erhaltenen Pergament-Blättern enthält das Buch das vollständige Matthäus-Evangelium und einen Teil des Markus-Evangeliums. Größe der 188 Blätter: 31 x 26 cm, je 20 Zeilen in 2 Spalten. Erhalten sind 14 Miniaturmalereien.

 

Das Pergament wurde in vielen Arbeitsgängen aus der Haut von Lammföten gewonnen und mit Purpur eingefärbt. Geschrieben wurde mit Silbertinte, die Initialen und die Darstellungen Jesu immer in Gold.

In einer Vitrine kann man zwei Seiten des aufgeschlagenen Buches betrachten. In einem vom Bischof bestimmten Rhythmus werden die Seiten gewechselt.

Heute zeigt die aufgeschlagene Seite im oberen Teil des Blattes den Einzug Jesu in Jerusalem. Auf der unteren Hälfte werden vier Propheten des Alten Testaments verbindend zwischen dem Alten und dem Neuen Testament dargestellt.

Alle Seiten sind auch auf einem Monitor in guter Qualität abrufbar. Staunend bewundern wir die einmalig schönen Bilder.

Danach besichtigen wir die Kathedrale Santa Maria Assunta. Sie stammt aus dem 12. Jahrhundert und ist der Himmelfahrt der Mutter Gottes geweiht. Hier gibt es das Gnadenbild „Maria Achiropita“, einer Legende nach eine „nicht von Menschenhand gemalte Mutter Gottes“. Im 16. Jh. wurde diese Kirche ausgeschmückt. Zu sehen sind heute noch Bodenmosaiken aus der Vorgängerkirche aus dem 11. - 12. Jh. Sie stammen von einem Künstler aus dem süditalienischen Raum (Ähnliches in Otranto). Sie stellen Fabelwesen und Wesen aus der Heiligen Schrift dar.

Wir werfen noch einen Blick in den Hof des Geburtshauses der Isabella de Rosis, geb. 1842 in Rossano. Sie gründete eine kirchliche Gemeinschaft der Schwestern „Reparaturen am Heiligen Herzen Jesu“. Isabella war ein Beispiel der Barmherzigkeit, der Geradlinigkeit, der Disziplin und der Stille. Sie starb 1911 in Neapel. Ihr Geburtshaus wird heute noch von den Schwestern bewohnt und in ihrem Sinne geführt.

Den Bau der byzantinischen Kirche San Marco aus dem 10. Jahrhundert besichtigen wir von außen. Es ist eine „Würfelkirche“, 8 x 7,60 m. Drei von insgesamt fünf Tamburen zeigen Richtung Osten. Der Schutzpatron der Stadt, der Heilige Nilus von Rossano, soll sie gestiftet haben. Es war keine Gemeindekirche; orthodoxe Basilianer (hl. Basilius) haben sich hier versammelt. In dieser Kirche sind nur noch Reste von Fresken aus dem 11. Jh. zu sehen.

(Die Kirche Cattolica di Stilo, die wir am Donnerstag besichtigen werden, ist die Schwesterkirche von San Marco).Wir sehen die Bronzetafel des Hl. Nilos. Er hat sich zu Fuß nach Rom begeben und gründete 1004 in der Nähe von Rom die griechische Abtei Grottaferrata, die heute noch ein orthodoxes Kloster ist.

Das moderne Rossano zieht sich am Hang hinunter bis zum Fuße dieses Plateaus. Der Stadtteil an der Küste ist der Badeort Lido Sant' Angelo. Seit der Gründung Italiens 1861 tragen Städte am Meer den Zusatz „Lido“ oder „Marina“.

Um 12:40 h besuchen wir das Lakritz-Museum der Firma Amarelli in Rossano, das 2001 eröffnet wurde. Die Lakritz-Pflanze ist ein Erbsengewächs; sie wächst wild und wird nicht angebaut. Es dauert vier Jahre, bis eine Staude wieder geerntet werden kann. Die Pflanze zieht sehr viel Wasser aus dem Boden. Zur Produktion von Lakritz werden die langen Wurzeln der Pflanze verwendet. Sie werden getrocknet (Süßholz), gemahlen und in warmem Wasser eingeweicht, danach im offenen Kessel (früher mit Gummi Arabicum versetzt) eingekocht. 10 Tage lang trocknet danach die Masse, die dabei schwarz oxidiert. Noch warm, werden aus der Masse maschinell verschiedene Formen gestanzt. Es gibt unterschiedliche Geschmacksrichtungen.

Lakritz erhöht den Blutdruck und wurde anfangs als Medizin benutzt.

13:40 h bis 14:35 h Mittagessen in einem Selbstbedienungsrestaurant in der Nähe des Lakritz-Museums.

Der Weg zurück zu unserem Hotel führt auf einer kurvigen Strecke mit atemberaubenden Ausblicken auf das Meer und in das Sila-Gebirge bis hinauf auf 1250 m Höhe.

 

Wir durchfahren dichte Wälder mit hohen Schwarzkiefern, Eichen, Kastanien und üppige Flächen mit Besenginster, und erreichen ein Hochplateau mit Stauseen. Angebaut wird hier Getreide und die Sila-Patate, eine rot-mehlige Kartoffel, die sich gut für die Gnocchi eignet.

Bis ins vorletzte Jahrhundert gab es hier Riesenexemplare von Bäumen. Heute gibt es besondere Schutzgebiete für gigantische Bäume mit einem Durchmesser von 1,5 bis 2 m und einer Höhe bis 38 m.

Die Gegend wurde im 17. Jh. von Flüchtlingen aus Albanien besiedelt und urbar gemacht.

Im Nationalpark Sila besuchen wir die Försterei in Cupone. In einem ansprechenden kleinen Museum erhalten wir Informationen über die wildlebenden Tiere, die im Nationalpark heimisch sind: Wölfe, Rehwild, Wildschweine, Dachs, Fuchs, schwarze Eichelhäher, Siebenschläfer usw. In einem naturnah gestalteten Museumsraum besichtigen wir viele perfekt ausgestopfte Tiere in ihrem Lebensraum, Schaukästen mit Wiesen, Wasser, einem Sturzbach, eine Kiefer mit einem Dachsbau, den später ein Fuchs als Nachmieter bewohnt, Amphibien usw.

 

Wir machen eine Kaffeepause im zur Försterei gehörenden Gasthaus, bzw. einen Spaziergang zum nahe gelegenen Lago di Cecita. Diesen Stausee in ca. 1150 m Höhe gibt es seit 1920. Im Moment ist viel Wasser im See, wir sehen Uferbäume im See stehen.

Hier in der Höhe herrscht sehr gute Luft, denn es sind je nur 50 km zum Tyrrhenischen und zum Ionischen Meer. Es gibt hier keine Industrie und andere Quellen von Luftverschmutzung.

Auf dem Weg zurück nach Cosenza machen wir Halt in Camigliatello Silano, einem Sommer- und Wintersportort unweit des Lago di Cecita. - Hier gedeiht als Landesspezialität u. a. der Steinpilz (Porcino).

18:00 h Rückfahrt nach Cosenza. Unterwegs sehen wir die Seilbahn am Monte Sacra, 1.700m hoch. Hier befindet sich ein Skigebiet mit Skiliften. Schnee liegt hier bis Mitte April.

Um 18:45 h sind wir wieder in unserem Hotel und danken Liane für ihre ausführlichen und klaren Informationen; ganz besonders danken wir auch unserem Busfahrer, der uns ruhig und sicher auf den kurvenreichen Straßen und Sträßchen durch das Gebirge gefahren hat.

Zum Abendessen, das wir wieder im Ristorante Grandinetti einnehmen, gibt es als Vorspeise Fusilli mit Bolognese, als Hauptspeise Hähnchenschlegel mit Tomaten, Kartoffeln und Paprika aus dem Ofen, und zum Dessert Kuchen.

Dazu genießen wir einen Weißwein der Region, den Liane eingekauft und mitgebracht hat. Der "Hauswein" des Restaurants, egal ob rot, rosé oder weiß, findet nämlich nicht unseren Zuspruch.

 

 

Renate und Rainer Sindlinger

Tag 4: Mi. 14. 6. 2017 Santa Severina, Crotone, Le Castella, Siderno

Aufgrund der weiten Fahrstrecke (ca. 300km) starteten wir schon um 8:15 Uhr. Wie immer saßen alle pünktlich im Bus. Bis zu unserem ersten Stopp in Santa Severina benötigten wir annähernd 2h. Unser Bus, obwohl klein durfte nicht hinauf in die Altstadt fahren, wir mussten in den Stadtbus umsteigen.

Unsere Reiseleiterin Liane nutzte die Zeit unter anderem, um uns ein Gedicht des Italienischen Literatur Nobelpreisträgers Carducci vorzutragen.

Außerdem lernten wir eine Menge über die Geschichte dieses Landstriches, die vor allem im Mittelalter von den Normannen geprägt war.

Santa Severina liegt, wie in dieser Gegend bei vielen Ansiedlungen üblich, auf einem Felsen, hier aus Sedimentgestein. Von weitem kann man schon das Kastell und die Kathedrale ausmachen, die unsere Hauptbesichtigungsziele waren.

Liane hatte den Stadtbus schon von unterwegs bestellt, so dass wir zügig umsteigen konnten. Zunächst wandten wir uns dem Kastell zu, das schon zu byzantinischer Zeit existierte. Die Normannen, hier in Gestalt von Roger I, ‚befreiten‘ das Land von der Herrschaft Konstantinopels und der Sarazenen und ließen die Festung nach normannischem Muster ausbauen. Seine heutige Form allerdings erhielt das Kastell durch die Familie Carafa im 16. Jhdt.

Im 18. Jhdt. kaufte eine deutsche Familie die Burg und baute den oberen Bereich zu einer Wohnanlage um. Die mit Fresken ausgemalten Decken stammen aus dieser Zeit. Die Familie lebte immerhin 60-70 Jahre im Kastell.

Der gute Erhaltungszustand der Burg liegt sicherlich auch daran, dass sie als Außenstelle des Konservatoriums von Paola genutzt wird.

Auf der anderen Seite des Platzes gegenüber dem Kastell liegen eine byzantinische Taufkapelle (Baptisterium) und die Kathedrale Sant Anastasia. Das Baptisterium hat die typisch oktogonale Form. In der Mitte befindet sich das Taufbecken.

Die direkt daneben stehende Kathedrale zeigt auf einem Fresko den Papst Zacharias aus dem 800 Jhdt., der aus diesem Ort stammt. Er verbündete sich mit den Merowingern, was später zum Kaisertum Karls des Großen führte.

Einigermaßen pünktlich gegen 11:20 holte uns der Stadtbus wieder ab. Wir stiegen zu unserem Gigi in den Bus und weiter ging die Fahrt zum Weingut Ceraudo. Die Fahrt führte durch eine sich verändernde Landschaft: wir verließen die Berge und durchfuhren eine landwirtschaftlich genutzte Ebene, unter anderem wurden Tomaten angebaut.

Beim Weingut empfing uns eine junge Dame, die uns zunächst die Freizeitanlage und eine Kapelle zeigte, bevor wir dann auch etwas vom Weinbau sahen. Die Weinprobe fand im Restaurant statt, wo wir an weiß eingedeckten Tischen saßen. Leider wurde die geweckte Erwartung durch das dargebotene nicht getroffen: die drei Weine waren mittelmäßig, aber dafür vor allem teuer. Der zum Wein gereichte Snack war kaum genießbar, er bestand aus genau abgezählten Scheiben viel zu stark gerösteten Brotes mit nicht zum Wein passenden Aufstrich und ebenso abgezählten Käsestücken, jeweils vier für jeden.

Da das auch unser Mittagsimbiss sein sollte, waren sicher einige noch hungrig, als es mit Gigi weiterging in Richtung Crotone. Crotone geht auf die antike (800 v.Chr.) griechische Gründung Kroton zurück. Kroton entwickelte sich zur mächtigsten griechischen Stadt in Kalabrien, bis die Römer im 2Jhdt. v. Chr. der griechischen Vorherrschaft in der Region ein Ende setzten.

Um 550 v. Chr. ließ sich der griechische Philosoph Pythagoras hier nieder und gründete eine Schule, die viele, auch nicht griechische Anhänger anzog. Seine Lehren hatten wenig mit Mathematik zu tun sondern eher religiösen Charakter. Der nach ihm benannte Lehrsatz stammt mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem Orient.

Eine der wenigen Hinterlassenschaften aus der griechischen Zeit ist der Tempel der Hera am Capo Colonna, von dem aber auch nur noch eine einzige Säule in den Himmel ragt. Zunächst besuchten wir jedoch das archäologische Museum der Stadt, wo es unter anderem den Schatz der Hera zu besichtigen gibt. Wir sahen dort den wohl wichtigsten Teil dieses Schatzes, ein goldenes Diadem. Man fand auch Zeugnisse der auf Sardinien bis 600 v. Chr. vorherrschenden Nuraghenkultur.

 

Bevor es nun weiterging zur einsamen Säule des Heratempels, gab es noch einen Stopp in der Nähe des Stadtstrandes von Crotone. Der Blick aus dem Café aufs Meer war fantastisch, weniger erfolgreich war der Versuch, einen Eiskaffee zu bekommen. Es war irgendwie geschüttelter Kaffee, der zwar kalt war, aber kein Eis enthielt. Einige haben dann noch eine Kugel Eis nachbestellt.

Die Fahrt zum Kap zog sich hin, aber immer entlang des Strandes. Schließlich erreichten wir den archäologischen Park und das Capo, auf dem ein Leuchtturm steht. Vielmehr als die einsame Säule und ein paar weitere, wenig spektakuläre Überreste des Tempels gab es nicht zu sehen.

Unser nächstes Ziel war der Ort Le Castella. Hier gibt es eine im Meer gelegene mittelalterliche Festung zu besichtigen. Der Bus musste auf einem Parkplatz stehen bleiben, so dass wir noch einen kleinen Fußweg zurück zu legen hatten, bis wir die direkt im Meer gelegene Burg sehen konnten. Ihre heutige Form bekam die Festung in der Zeit der Aragonesen im 16.Jhdt.

Unter anderem diente sie der Abwehr von Piratenüberfällen oder auch der Türken. Bei einem solchen Angriff wurde ein kleines Kind mit Namen Giovanni Dionigi Galeni aus dem Ort verschleppt. Wie üblich bei den Türken bekam er eine Eliteausbildung und wurde Mitglied der Osmanischen Elitetruppe der Janitscharen. Er brachte es unter dem Namen Uludsch Ali bis zum Admiral und nahm an der Seeschlacht von Lepanto teil. Die Türken verloren, aber Ali überlebte und starb als reicher Mann. Sein Denkmal steht auf dem Platz an Land vor der Burg.

 

Nun ging es an die letzte Etappe des heutigen Tages, der Fahrt bis Siderno, wo sich unser Hotel befindet. Da es schon spät war, gab es Abendessen sofort nach unserer Ankunft. Erst danach ging es auf die Zimmer. Fresko mit Papst Zacharias in Sant AnastasiaDer letzte griechische Papst auf dem Stuhl Petri soll in Santa Severina geboren sein.

Manfred Löher

Tag 5: Donnerstag, 15. Juni 2017 (Fronleichnam)

Gestärkt durch ein gutes Frühstück fuhren wir um 9.00 Uhr von unserem schönen Hotel "President", in Siderno am Ionischen Meer gelegen, in nördliche Richtung.

Am Schotterflussbett des Torbito entlang ging es auf einer neuen Schnellstraße über viele Brücken und durch Tunnels in das waldreiche Gebiet des südlichen Apennins.

Beim Liminaberg (ca. 1000 m ü.M.), der Wasserscheide des Ionischen und Tyrrhenischen Meeres, bogen wir auf eine malerische aber schmale, kurvenreiche und recht desolate Straße.

Bei einem Fotostopp erkannten wir im Tyrrhenischen Meer liegend die Insel Stromboli, sowie den Ätna auf Sizilien.

Weiter ging es stetig bergauf im Sierra Naturschutzgebiet durch den wunderschönen Wald mit vielen Farnen, Buchen und Weißtannen.

Unterwegs war eine Köhlerei zu sehen.

In diesem bevölkerungsarmen Gebiet sind die Mineralwasserwirtschaft, die Holzwirtschaft, sowie Pilze eine karge Einnahmequelle. Die schlechte Infrastruktur ist ebenfalls ein Grund für die Perspektivlosigkeit und daraus folgender Emigration vieler Einwohner.

Die erste große Auswanderungswelle fand ab 1880 bis zum ersten Weltkrieg statt. Das Ziel war vorwiegend Argentinien in Südamerika. Zuerst suchten junge Männer diesen Weg, um dann zur Familiengründung getreu dem Motto "Ochsen und Frauen sollen aus dem eigenen Dorf sein", oft durch Fernverheiratung, Frauen nach zu holen. (Böse Überraschungen waren nicht selten).

Die zweite Auswanderungswelle begann nach dem zweiten Weltkrieg in Form von Gastarbeitern.

Vorwiegend in Europa, z.B. in Belgien und der BRD, verdienten sie das Geld für die Heimat, für Familienangehörige und zum "Häuslebauen". Viele unfertige Häuser, sog. Bauskelette sind hier in ganz Kalabrien zu sehen.

In dem 1815 gegründeten Bergdorf Mongiana machten wir einen Besucherstopp, um die ehemalige Eisenhütte zu besichtigen. Sie ist längst aufgegeben und stellt sich uns als Industrieruine dar. Hier wurden ehemals Schwerter und Kanonen hergestellt. Als 1866 alle Geräte nach Umbrien umgesiedelt wurden, war das für die einheimische Bevölkerung mit Arbeitslosigkeit und Verarmung verbunden.

Nun steuerten wir unser erstes großes Tagesziel an: die Kartause Serra San Bruno.

Bruno der Kartäuser wurde um 1031 in Köln in einer Patrizierfamilie geboren. Er studierte in der Domschule in Köln (Griechisch, Latein, Rhetorik). In Reims in Frankreich bekam er einen Lehrauftrag an der Universität und arbeitete dort 35 Jahre. Er prangerte die Gepflogenheit der erkauften Kirchenämter an, lehnte die Wahl zum Erzbischof ab und trat selbst in ein Benediktinerkloster ein, um dort in strenger Askese zu leben.

Von seinem früheren Schüler und damaligem Bischof Hugo bekam er nördlich von Grenoble das Felsengebiet "Cartusia" zur Verfügung. Dort gründete er 1084 zusammen mit 6 Brüdern die erste Kartause mit den strengen Kartäuser-Ordensregeln der Einsiedelei: arbeiten und beten, einzelne Zellen, absolute Schweigepflicht, totale Abgeschiedenheit. Zusammenkunft nur zur Messe mit Gregorianischen Chorälen.

Sechs Jahre später rief ihn sein früherer Schüler und jetzige Papst Urban II als Berater nach Rom.

Er sollte bei der Trennung der Ost- und Westkirche helfen, die griechisch-orthodoxe Kirche sollte ihren Einfluss verlieren. Für seine Hilfe wurde ihm die Übernahme des Erzbistums Reggio angeboten, das er aber ebenfalls ablehnte. Er bat den Papst um die Entlassung in die Einsiedelei.

Von seinem Freund Roger I von Sizilien bekam er in der gebirgigen Wildnis von Kalabrien das Land, auf dem er 1091 das heutige Kartäuserkloster Serra San Bruno errichtete. Er stellte es unter das Patronat von Maria. Die Kirche Santa Maria del Bosco wurde 1094 geweiht. Die heutige Kirche ist aus dem 17. Jh., hier kann man durch ein Bodenfenster Skelette der sog. Nachbrüder sehen. Nicht weit entfernt befindet sich die "Wunderquelle" mit kleinem Teich, in deren kaltem Wasser Bruno, laut Überlieferung, kniend Buße tat.

Bruno verbrachte hier im Kloster seine letzten Lebensjahre. Er verstarb am 06. Oktober 1101 , heute als Gedenktag gefeiert. Seine Grabkapelle befindet sich neben der Kirche. Er wurde im 13. Jh. heilig gesprochen.

Das Kloster wurde 1783 von einem Erdbeben stark zerstört. Das neu errichtete Kloster ist auch heute noch von 12 Brüdern bewohnt. Man kann es nicht besichtigen. Es steht aber ein Museum zur Verfügung, das einen guten Einblick in das klösterliche Leben erlaubt.

In der idyllischen Umgebung der Brunoquelle, umstanden von wohlduftenden Bäumen, fanden wir einen schönen und schattigen Rastplatz. Unsere fürsorgliche Brigitte Schiele sowie unsere sehr gute Reiseleiterin Liane hatten zur allseitigen Überraschung und großer Freude ein landestypisches, köstliches Picknick besorgt. Unser guter und sehr netter Busfahrer Gigi steuerte frisches Obst aus seinem eigenen Garten dazu bei.

Frisch gestärkt ging es weiter. Schnell einen guten Espresso, im nahe gelegenen Dörfchen Sierra San Bruno getrunken, steuerten wir unser nächstes Ziel an.

Auf der ca. 1,5 stündigen Fahrt durch die herrlichen Wälder, auf bekannt kurvenreichen, engen, zum Glück wenig befahrenen Straßen, hörten wir eine CD mit gregorianischen Gesängen, während wir uns dem Städtchen Stilo, am Monte Consolino gelegen, näherten.

 

 

Hoch über dem ausgetrockneten Stila-Flussbett, nicht weit von der Ionischen Küste entfernt, besuchten wir das ehemals griechisch-orthodoxe Kirchlein La Cattolica di Stilo. Es ist ein kleiner, quadratischer, byzantinischer Sakralbau aus dem 11. Jh. Im Innern wird die Kreuzkuppelkirche mit den vier (unterschiedlichen) Säulen in neun Kompartimente unterteilt. In jeder Ecke befindet sich eine kleine, runde Kuppel. Die fünfte, mittlere Rundkuppel ist doppelt hoch. Auf den wenigen Freskenresten sind z.B. Johannes der Täufer und die Entschlafung Marias mit der Himmelsentweichung der Seele, aus dem 13. Jh., zu sehen. Gebaut wurde dieses Kirchlein aus roten Ziegelsteinen. Es wurde bis ins 14. Jh. als Kirche genutzt, danach war der griechisch-orthodoxe Glaube hier verboten.

Auf unserem Weg zu unserem nächsten Ziel hörten wir von einem berühmten Sohn der Stadt Stilo: dem Philosophen, Dichter und Politiker Tommaso Campanella, geboren am 05.09.1568 in Stilo, gestorben am 21.05.1639 in Paris. Durch seine außergewöhnliche Intelligenz, Aufnahmefähigkeit und sein phänomenales Gedächtnis war er schon als Kind aufgefallen. Trotz "niedriger" Herkunft wurde er bei den Dominikanern aufgenommen und konnte dort schon als 15-jähriger studieren.

Sein bekanntestes Werk: "Der Sonnenstaat" (La Città del Sole) wurde 1623 in Frankfurt a. M. in Latein gedruckt. Hierin entwarf er Ideen zur Neugestaltung der Gesellschaft. Als gewissermaßen Vorläufer der Kommunisten wurde er als Revolutionär verfolgt, wiederholt gefangengenommen, eingesperrt und gefoltert. Er schrieb auch während der Haft weiter. Nach 27-jähriger Haft wurde er 1626 frei gelassen. Er ging 1634 nach Frankreich ins Exil.

Unser letztes Tagesziel war die Besichtigung einer Bergamotte-Plantage der Firma La Cascina.

Zuerst sahen wir die Pflanze, einen kleinen Baum mit momentan noch sehr kleinen Früchten. Die Erntezeit ist wie bei allen Zitrusfrüchten im Spätherbst. Bei der Bergamotte handelt es sich um eine Kreuzung aus Limette und Bitterorange und ist eine sogenannten "Kunstpflanze". Es ist eine Orangenart, gelblich, nicht essbar. Es wird die stark riechende, ölige Essenz gewonnen und verschiedenartig weiter verarbeitet. Ursprünglich haben die Bauern dies für Desinfektion und ähnliche medizinische Zwecke verwendet. Signore Farina hatte im 18. Jh. auf der Suche nach wildem Jasmin die Bergamotte entdeckt und deren Potential erkannt. So zum Beispiel als Beigabe zu dem Parfüm 4711. Blütenblätter und Essenz der Bergamotte werden auch als Zusatz für den Earl-Grey-Schwarztee verwendet. Heute finden wir diese als Aroma in z.B. Seife, Likör, Schokolade, Bonbons u.v.m.

Im Verkaufsladen konnte so manches verkostet werden und das Angebot war verlockend.

Nach diesem vielseitigen, informationsreichen und landschaftlich schönen Tag fuhren wir zurück zum Hotel und freuten uns auf das gemeinsame Abendessen.

Inge Ulrich

 

Tag 6: Freitag, 16, Juni 2017

Pünktlich um 8.45 Uhr starten wir, wiederum bei bestem Wetter mit wolkenlosem Himmel und Sonnenschein. In südlicher Richtung fahren wir in das nahe gelegene Locri Epizefiri, eine antike Ausgrabungsstätte. Zu rechter Hand sehen wir die Berge des Aspromonte Nationalparks, linkerhand das Ionische Meer.

Vor dem Besuch der Ausgrabungen erzählt uns Liane aus der Geschichte der Stadt Locri:

  • Sie wurde um 700 v. Chr. von Kolonisten aus dem heutigen Griechenland gegründet, die die Stadt nach ihrem Herkunftsgebiet Locri, allerdings mit dem Zusatz „Epizefiri / Epizephyrioi - „Stadt ohne Westwind“ nannten. Die Ureinwohner wurden ins Landesinnere vertrieben.
  • Vom 7. – 4. Jhdt. v. Chr. war sie griechische Kolonie; das Hauptinteresse der Griechen bezog sich auf die Küste. Hier breiteten sie sich bis nach Neapel aus, ab dort herrschen die Etrusker.
  • Ab dem 2./1. Jhdt. v. Chr. kamen die Römer, später die Byzantiner, Normannen, Staufer und schließlich das Geschlecht der Anjou, bevor das Gebiet an das Königreich Sizilien gelangte.
  • Im 6./7. Jahrhundert n. Chr. verließen die Bewohner Locri wegen wiederholter Piraten- und Sarazenen - Einfälle; außerdem gab es in dem häufig überschwemmten Gebiet, das damals noch deutlich näher am Ionischen Meer lag als heute, Malaria. Sie zogen in die Berge und besiedelten das auf einem Felsen etwa 500 m über dem Meeresspiegel liegende Gerace.
  • In der Folge verfiel Locri und blieb mehr als 1000 Jahre lang verschüttet und unentdeckt. Zwar war bekannt, dass es eine Stadt namens „Locri“ gegeben hatte - schon Aristoteles hatte 334 v. Chr. von der Stadt berichtet - aber niemand wusste, wo sie gelegen hatte.
  • Sie war ca. 5 km lang, von einer etwa 8 – 9 km langen Stadtmauer umgeben und hatte ungefähr 35.000 Einwohner mit Stadtrecht; da man auf einen Bürger noch etwa 3 Sklaven rechnete, kann man für die damalige Zeit von einer Großstadt sprechen.
  • Bei Bauarbeiten für die neue Bahnstrecke von Reggio Calabria nach Apulien ab 1890 fanden die Bauarbeiter quadratische Kalksandsteinblöcke, die sie als Fundament für die Gleise verwendeten.
  • Als Paolo Orsi, ein junger Archäologe, davon erfuhr, dachte er sofort an die antike Stadt Locri und fuhr 1914 dort hin, um sich das Gelände anzuschauen. Er bekam die Genehmigung für Ausgrabungsarbeiten und begann ausschließlich mit Frauen zu graben, da die Männer zum Krieg eingezogen waren. Sie befreiten die Ruinen vom Schlamm und Sand der vergangenen Jahrhunderte – und Orsi fand die Giebelfiguren des Zeustempels, Castor und Pollux, die Zwillingssöhne des Zeus. 
  • Fundstücke aus der antiken Stadt finden sich teils im kleinen angrenzenden Museum, zum größeren Teil im Museum in Reggio Calabria.

 

Nach dieser Einführung besichtigen wir bei strahlendem Sonnenschein und ziemlicher Wärme die Ausgrabungsstätte. Zunächst bewegen wir uns außerhalb der alten Stadt und sehen die Ruine des nordöstlichen Eckturms, der über die Stadtmauer etwa 2, 5 m hinausragte. Auf dem obersten Stockwerk des Turmes konnten unter einem Holzdach heißes Wasser, heißes Pech oder auch Katapulte gelagert werden, die gegen Feinde zum Einsatz kamen. Die Quader der Stadtmauer mit einer Dicke von 2,5 Metern (die dann später zum Eisenbahnbau verwendet wurden), waren ohne Mörtel aufeinandergestapelt, der Platz zwischen zwei Mauern wurde innen mit Feldsteinen aufgefüllt; um die Mauer herum war noch ein Graben angelegt, so dass sie noch schwieriger zu überwinden war.

Weiter kommen wir zu einem Heiligtum (das nicht immer ein Tempel sein musste) außerhalb der Stadt; dieses Heiligtum war der Göttin Demeter, der Göttin der Fruchtbarkeit, geweiht und hatte einen quadratischen Altar, auf dem auch Blutopfer dargebracht wurden. Hinter dem Haus existierten sogenannte Bothroi, Vertiefungen im Boden, für die unbrauchbaren Reste der Opfergaben (z. B. Tierreste wie Knochen oder Keramiken), denn alles, was ins Heiligtum gebracht wurde, musste auch hierbleiben.

Nun spazieren wir über die Stadtmauer in die Stadt. Wir sehen die Fundamente des Stadttors mit Zugang zur Nekropole und zu den Heiligtümern. Vom einstmals größten ionischen Tempel in Süditalien mit 6 Frontsäulen und 17 Säulen von je 12 m Höhe an den Längsseiten ist nur noch ein Teil des Fundaments und der geradezu winzige Stumpf einer der früheren mächtigen Säulen zu sehen. Der Altar befand sich vor dem Tempel. Die Giebelfiguren Pollux und Castor, die Orsi gefunden hat, werden wir an einem anderen Tag im Museum in Reggio Calabria sehen. Die Demeterfigur, die sich im Tempel befunden hatte, steht heute in Berlin, der Thron der Aphrodite ist in Rom ausgestellt.

Unser weiterer Weg führt uns an einer Villa beim Aphroditentor vorbei, auch „Löwenvilla“ genannt, da hier für den Regenablauf Löwenköpfe aufgestellt waren.Wir kommen an einem Brennofen aus dem 6. Jhdt. v. Chr. vorbei, in dem Keramik hergestellt wurde, bevor wir den Tempel der Aphrodite (römisch: Venus), den U-Tempel, erreichen. Hier erfahren wir von Liane kurz eine Geschichte von Aphrodites Geburt. Danach soll sie die Tochter der Gaia und des Uranus sein. Beider Sohn Kronos habe seinen Vater entmannt und dessen Geschlechtsteile ins Meer geworfen. Aus dem entstehenden Schaum soll, wohl an Zyperns Küste, Aphrodite entstiegen sein.

 

 

Im Tempel der Aphrodite dienten Frauen aus eher armen Familien; zum Kult gehörten neben bestimmten Ritualen, Opferungen und Reinigungen wahrscheinlich auch die heilige Prostitution. Es gab einzelne kleine Kammern für sogenannte „Symposien“ (Gelage) – Fundamente davon sind heute noch sichtbar - zu denen auch die Dienerinnen der Aphrodite eingeladen werden konnten. Der U-Tempel ist zum Meer hin offen, was wohl bedeuten soll „komm in mich hinein“. Nebenbei erfahren wir auch, dass der Begriff ‚Bordell‘ aus dem Französischen ‚au bord de la mer‘ abgeleitet wurde.


Des Weiteren sehen wir das Handwerkerviertel, das in Hafennähe lag, mit vielen kleinen Häuschen, die keine Fenster hatten. Diese Handwerkerhäuschen wurden auch von den Römern verwendet, die mit gebrannten Ziegelsteinen weiterbautenIm Keramikerviertel sehen wir weitere Brennöfen. Die zu brennenden Gefäße wurden hingestellt, eingemauert, dann wurde unterirdisch mit Holz geheizt, wobei die Hitze durch Löcher im Boden in die Brennkammer gelangte. Nach dem Brand wurde die gemauerte „Decke“ wieder entfernt und die Waren herausgeholt. Gleich nebenan sehen wir einige Reste luftgetrockneter großer Vasen für Getreide, Linsen usw.

Inzwischen ist es sehr heiß geworden und wir sind froh, in das etwas kühlere Museum zu kommen.

 

Hier sehen wir zunächst kleine bemalte Tontäfelchen, Votivgaben, die „Pinakes“, die den Göttern dargebracht wurden; sie waren eine Spezialität von Locri. Ausgestellt sind hier Originale aus der Zeit um 500 v. Chr. Manche Täfelchen zeigen Tiere oder Obst und dienten Menschen, die kein echtes Tier opfern konnten, als Ersatz für Opfertiere.

Ein Täfelchen zeigt uns die Entführung der Persephone, der Tochter der Demeter, durch Hades, den Gott der Unterwelt, der sie zu sich mitnahm. Demeter war untröstlich über den Verlust der Tochter und suchte sie – woraufhin auf der Erde eine Dürre eintrat, nichts mehr wuchs und die Tiere keinen Nachwuchs mehr hatten, so dass die Menschen zu verhungern drohten. Schließlich einigten sich die Götter, nachdem sich auf Demeters Bitten hin Zeus eingemischt hatte: Hades ließ Persephone im Frühjahr für einige Monate zu ihrer Mutter zurückkehren, danach kam sie in die Unterwelt zurück; im Wechsel wiederholte sich dieses Verhalten. Während der Zeit Persephones auf der Erde wuchsen wieder Pflanzen, und die Hühner legten wieder Eier: eine mythologische Erklärung der Jahreszeiten; aber auch die Darstellung einer Vermählung (heute noch wird teilweise bei Hochzeiten die Braut geraubt).

  • Desgleichen hören wir den Mythos von Persephone und ihrer Mutter Demeter, die beide Adonis liebten. Zeus verfügte, dass dieser je ein Drittel seiner Zeit mit Persephone, ein Drittel mit Demeter sein sollte; über das dritte Drittel durfte er frei verfügen. Ares, der Kriegsgott, war eifersüchtig auf Adonis, weil er seinerseits unerfüllt in Aphrodite verliebt war. So verwandelte er sich in einen Eber und tötete Adonis; dessen Blutstropfen verwandelten sich daraufhin in das Adonisröschen.
  • Ausgestellt sind das Modell eines Brennofens und einige Fehlbrände von Amphoren, was ein großer Verlust gewesen sein muss.
  • Weiter sind in der Ausstellung ein Webstuhlmodell zu sehen; eine Altarplatte, unter der viele kleine, ineinander gestapelte Tontöpfchen aufbewahrt wurden; Gegenstände, die den Toten beigegeben wurden, Sargform-Miniaturen; Spiegel aus Bronze – fast nicht vorstellbar, dass man sich in diesen heute stumpfen Platten tatsächlich mal hat spiegeln können.

Nach dieser Besichtigung fahren wir noch zum Theater, das allerdings sehr verfallen ist; ein Erdrutsch in jüngster Zeit ist mit einer Plane abgedeckt. Das Theater wurde an einem Hang angelegt, d. h. die Sitzreihen sind am Hang, die Arena in der Ebene; es stand in einer Reihe mit dem Tempel, von den Rängen aus hatte man über den Tempel einen guten Blick auf das Meer. Hier war das einzige griechische Theater in Kalabrien; es wurde später von den Römern für ihre Zwecke umgebaut. Im Boden eingegrabene Amphoren verstärkten die Stimme des Sprechers, so dass er auch noch in der letzten Reihe gut zu hören war. Unter den Römern wurden ehemalige griechische Theater dann verwendet als Ort für Tierkämpfe, für politische Veranstaltungen, als Gerichtsstätte, Gladiatorenkämpfe – und für Christenverfolgungen (z. B. wurden Christen Löwen zum Fraß vorgeworfen). Die Römer selbst bauten ihre Amphitheater in der Ebene, z. B. das Kolosseum in Rom.


Kurz nach 12 Uhr machen wir uns auf den Weg nach Gerace und freuen wir uns über den gekühlten Bus, denn im Freien ist es jetzt doch sehr heiß geworden.

 

Das Städtchen Gerace liegt sehr malerisch hoch oben auf einem Felssporn aus Muschelkalk und Sandstein. Etwas unterhalb des Ortes muss der Bus parken, wir steigen um in ein kleines Züglein und werden erst einmal etwas bergab zu einer schönen Aussicht auf den Ort gefahren, wo wir einen Fotostopp einlegen. In den Felsen wurden vor langer Zeit auch Wohnungen gebaut, die z. T. noch heute als Lagerräume genutzt werden. Anschließend fahren wir hinauf in die Stadt Gerace, die um 600 n. Chr. von den Byzantinern gegründet worden sein soll.

Zunächst machen wir eine Mittagspause in einem kleinen Lokal, in dem unter anderem die kalabrische Spezialität Arancini angeboten wird; das ist ein kleiner, sehr gelber, frittierter Reiskegel, der mit Sauce Bolognese und Mozzarella gefüllt ist; die Mitreisenden, die ihn essen, sind ganz angetan davon.

 

Gegen 14.30 Uhr brechen wir auf zur Kathedrale. Vom Platz davor sind zwei von drei Apsiden zu sehen, die dritte ist hinter einem später hinzu-gekommenen Torbogen verborgen. Seit dem Erdbeben von 1783 liegt der Zugang zur Kirche in einer Apsis. Wir gehen zunächst um die Kirche herum und lauschen Lianes Erklärungen.

Die Kirche aus dem 11. Jhdt. n. Chr. ist eine von insgesamt 75 in Gerace, der größte romanisch normannische Kirchenbau in Unteritalien und war Bischofssitz. Sie ist 50 m lang, 27 m breit und hat einen gewaltigen Campanile aus dem 18. Jhdt., der den Eingang zur Kirche verbaut. Nach dem Erdbeben 1783 wurde auf die Fertigstellung des Turms zu einem Zwiebelturm verzichtet. Weiter gehen wir zu einer Aussichtsplattform, von der aus wir einen wunderschönen Blick auf das Aspromontegebirge mit einem erloschenen Vulkan haben, aus dessen Grund Thermen im Tal mit warmem Wasser gespeist werden.

Einen guten Blick haben wir auch auf ein zerfallenes normannisches Kastell aus dem 10. Jhdt., das den Grafen von Gerace gehörte. Am Mauerwerk bzw. am Felsen wachsen typische mediterrane Gewächse wie Wolfsmilch, Kapern, Wermut.

Auf dem Weg zurück zur Kathedrale kommen wir noch einem besonders schönen Exemplar eines Judasbaumes vorbei, der im Frühling ganz rot blüht, leider nun nicht mehr.

Nun können wir auch die Kathedrale „Maria Himmelfahrt“ besichtigen - die Mittagspause ist vorüber. Zunächst macht uns Liane auf das Bild einer byzantinischen Muttergottes aus dem 14. Jhdt. aufmerksam, das über einem der Eingänge zu bewundern ist. Sie zeigt auf das Kind, während dieses seinerseits in einer Hand eine Schriftrolle hält, mit der anderen die Betrachter segnet. Die Kathedrale betreten wir durch eine unterhalb der Kirche gelegene Kapelle, in der Spolien – Säulen aus dem antiken Locri – verwendet wurden. An den ausgestellten Paramenten, Bischofsmänteln, Abendmahlskelchen und ~kannen, einem Reliquienkreuz ohne Reliquie, einer Skulptur der Maria Assunta sowie einer Monstranz mit allegorischen Darstellungen von Glaube, Liebe, Hoffnung im Diözesanmuseum gehen wir relativ rasch vorüber in das einen Stock höher gelegene Kirchenschiff.

Die rechte Apsis der Kirche wurde 1431 in gotischem Stil vergrößert und eine Sakramentskapelle eingebaut; der Altar mit dem Tabernakel ist in barockem Stil ausgeführt; außerdem enthält diese Kapelle die Grablege der Familie Caracciolo, Grafen von Gerace, die hier seit dem 14. Jhdt. herrschten. Die linke Apsis wird von einer Kuppel bedeckt, die von außen allerdings ein Achteck ist. Die mittlere Apsis erhielt einen neuen Altar mit der Aufschrift „Und eins sind wir“ in Griechisch und Latein; gemeint sind die byzantinisch-orthodoxe und die römisch-katholische Kirche. Im angenehm schlichten Langhaus stehen auf jeder Seite 10 Säulen, alle verschieden und auch bei den Kapitellen handelt es sich um Spolien, d. h. um Stücke, die aus anderen, zerstörten, Gebäuden (aus dem Tempel von Locri?) herbeigeschafft worden sind.

Nach diesem Besuch machen wir uns auf den Weg zurück zum Bus bzw. zu dem Bähnchen, das uns zum Bus bringen wird. Hierbei betrachten wir noch den großen Platz der drei Kirchen. 


Die älteste ist die kleine Kirche S. Giovannello aus dem X. Jhdt., Chrysostomos gewidmet; daneben steht das ehemalige Kloster S. Francesco d’Assisi aus dem XIII. Jhdt. und die barocke Herz Jesu Kirche aus dem 18. Jhdt.

Die gotische Kirche S. Francesco besuchen wir kurz, schauen uns das gut erhaltene Portal und im Innern die wunderschönen Intarsien – Arbeiten am Altar aus Stein und Marmor an.

 

Voller schöner und interessanter Eindrücke, aber auch müde davon und von der Hitze, besteigen wir das Bähnchen und lassen uns zurück zum Busparkplatz fahren. Hier erwartet uns unser Fahrer Gigi und bringt uns in etwa 20 Minuten gut und sicher zum Hotel nach Siderno zurück, wo wir kurz vor 17 Uhr ankommen.

Eine gute halbe Stunde später treffen wir uns noch einmal an der Rezeption. Hier erwartet uns eine sehr angenehme Überraschung: die ECC feiert bzw. lässt uns mit Prosecco und Häppchen feiern: unsere Mitreisende Lina Schwöbel, eine äußerst rüstige 90jährige alte Dame, ist das 50. Mal mit ECC unterwegs!

 

HERZLICHE GRATULATION, LINA!!

Nach verschiedenen Gruppenaufnahmen haben wir noch kurz Freizeit, ehe wir uns um 20 Uhr zum gemeinsamen Abendessen im Speisesaal treffen.

Ortrun Rebafka- Eichelbauer

 

Tag 7: Samstag, 17. Juni 2017 Pentedattilo, Reggio Calabria, Scilla, Tropea

Aufgrund der großen, zu bewältigenden Fahrstrecke (ca. 220km), starteten wir 8:30. Unser Ziel an diesem Tag war das Hotel Tropis in Tropea, der letzten Station vor unserer Rückreise.

Unser Weg entlang der Küste ging über die Staatsstraße 106. Wir passierten Brancaleone, ein Ort, der dafür bekannt ist, dass hier Wasserschildkröten an Land gehen, um ihre Eier abzulegen. Sie verbuddeln sie im Sand und lassen die Brütarbeit von der Sonne erledigen.

Das Ganze wird bis zum Schlüpfen der kleinen Schildkröten von Freiwilligen überwacht, damit die Eier nicht gefressen oder ausgegraben werden.

Liane erklärte uns die verschiedenen Polizeien, die es in Italien gibt. Die Carabinieri sind eine paramilitärische Organisation mit Ausbildung und Dienstgraden wie beim Militär. Als Zeichen der Einheit des Landes wurden sie nach der Zusammenlegung Italiens zu einem Gesamtstaat gegründet.

Die Polizia, die man unter anderem auch auf der Autobahn antrifft, arbeitet ebenfalls überregional, untersteht aber dem Innenministerium, während die Carabinieri dem Verteidigungsminister unterstehen.

Die Polizia Muncipale ist am ehesten vergleichbar mit unserem Ordnungsamt und ist in ihrer jeweiligen Gemeinde zuständig.

Dann gibt es noch die Gardia di Finanza, deutsches Pendant wäre wohl die Zollfahndung. Die Forstpolizei wurde mit den Carabinieri zusammengelegt. Die Zuständigkeiten, so sagte Liane, scheinen nicht geklärt, jeder macht irgendwie alles.

Unseren ersten Stopp machten wir in dem Dorf Pentedattilo. Dafür schraubte der Bus sich

den Berg hinauf soweit es ging, allerdings blieb noch ein steiler Anstieg für uns zu Fuß. Das Dorf ist immer noch nahezu verlassen, auch wenn einige Künstler und Handwerker versuchen, Häuser zu restaurieren und dann im wiederhergestellten Inneren ihre Produkte zu verkaufen.

Nach zwei Erdbeben, das letzte war 1908, waren viele Häuser zerstört, Teile des Berges, der ehemals wie eine Hand mit 5 Fingern ausgesehen haben soll (daher der Name), stürzten in die Häuser und durchschlugen Dächer und Mauern. Um der Gefahr weiterer Erdbeben zu entgehen, zogen die Bewohner weg in das neue Dorf, das sich weit weg vom gefährlichen Berg befindet.

 

Wie gefährlich dieser Berg ist, sieht man aus der Nähe, besteht er doch aus relativ lockerem Flusssediment. Die kleine Kirche des Ortes ist geweiht, es finden weiterhin Gottesdienste hier statt.

Von hier war es nicht mehr weit nach Reggio di Calabria, der größten Stadt in Kalabrien. Gigi setzte uns direkt vor dem Archäologischen Museum ab, so dass wir in wenigen Schritten dort eintreten konnten. Dieses war der erste dedizierte Museumsbau in Italien. Bis dahin widmete man stets Palazzi oder andere Gebäude in Museen um.

Die Hauptattraktion hier sind zweifellos die in Riace 1970 gefundenen fast 2m großen Krieger aus Bronze. Sie stehen in einem separaten, eigens für sie klimatisierten Raum, den man durch eine Entfeuchtungsschleuse betreten muss. Das soll die Figuren vor weiterer Korrosion schützen.

Beide Figuren stammen aus dem 5. Jhdt. v. Chr. und sind griechischen Ursprungs. Vermutlich wurden sie vor 2000 Jahren von einem in Seenot geratenen Schiff im Meer versenkt, um Ballast abzuwerfen. Das weniger schwere Zubehör wie Helm, Schwert und Lanze hat man ihnen wohl vorher abgenommen.

Wen sie darstellen sollen, weiß man nicht. An ihrer Körperhaltung kann man jedoch erkennen, dass der mit der Bezeichnung A einen aggressiven Krieger darstellen soll, währende der andere in etwas lässigerer Haltung eher den Strategen abbildet. Er wird daher auch‚ Strategos‘ genannt.

In dem gleichen Raum finden sich noch zwei Bronzeköpfe. Während der eine dem griechischen Schönheitsideal nachempfunden ist und demnach kaum eigene Charakterzüge aufweist, ist bei dem anderen z.B. eine gerunzelte Stirn zu erkennen. Auch die Haare wirken nicht so stilisiert. Man nennt ihn daher auch den ‚Philosophen‘.

 

Wir verließen den Raum mit den Bronzefiguren, um dann weitere Exponate anzuschauen. Erwähnenswert ist eine kleine Marmorfigur, die den Gott Apollon darstellen soll. Insbesondere der fein gearbeitete Haarschopf ist hervorzuheben.

Vom Museum aus ging es zu einer Schnellpizzeria, wo wir unseren Mittagsimbiss zu uns nahmen. Der Laden war klein und voll, aber gut organisiert. Man bestellte an der Kasse ein Getränk und Pizza. Das Getränk wurde sofort ausgehändigt, mit dem Bon ging es zur Pizzatheke, wo Auswahl zwischen verschieden Pizzasorten bestand. Die Mädchen hinter der Theke schnitten dann ein ordentliches Stück der Pizza ab, für die man sich entschieden hatte und übergaben sie auf einem Brett. Dann suchte man sich einen Platz, um die Eroberung zu verzehren. Das Ganze gab es für sage und schreibe € 3.-

 

Nachdem wir dann in einer nahe gelegenen Gelateria noch ein Eis genossen hatten, ging es im Bus weiter die Küste entlang. Unser nächster Stopp war Scilla Es war lediglich ein Fotostopp. Auf den Rundgang verzichteten wir zu Gunsten des Rundgangs durch Tropea, der heute noch stattfinden sollte, anstatt am Morgen unserer Abreise.

Der Ort ist benannt nach Skylla, einem Ungeheuer aus der griechischen Mythologie, das hier gehaust haben soll. Nach Homer hat es die Männer des Odysseus angegriffen und sieben von ihnen getötet.

Als nächstes erreichten wir das Capo Vaticano. Von hier aus hat man einen herrlichen Blick auf die Klippen und die nahen Sandstrände. Den Namen hat das Kap vermutlich wegen der

 

‚Vati‘, das sind Propheten, die in antiker Zeit den Seefahrern die Zukunft vorhersagten.

Sofort nach unserer Ankunft in Tropea bezogen wir die Zimmer und starteten 17:45 mit dem Bus in die Stadt, wo dann kurz darauf unser Rundgang begann. Als erstes sahen wir ein skurriles Geschäft, in dem mit sich bewegenden Figuren alte Handwerke dargestellt waren.

 

Liane erklärte uns die Vorzüge der roten Zwiebel aus dieser Gegend und dass sie eigentlich

aus Afrika stammen. Zwar folgten wir anfangs dem Strom der anderen Touristen auf der Hauptstraße, aber durch einige interessante Seitengassen gelangten wir zur Kathedrale, die ursprünglich aus dem 12/13. Jhdt. stammt, aber immer wieder durch Erdbeben zerstört und danach neu aufgebaut wurde, zuletzt 1931.

Die silbergerahmte Madonna di Romania aus dem 13. Jhdt. gilt als Schutzpatronin der Stadt. Von der Terrasse vor dem Dom hat man einen Ausblick auf den Yachthafen. Auf unserem weiteren Weg sahen wir wunderschöne Palazzi, aber leider auch einige, bei denen schon die Bäume aus den Fenstern wuchsen.

Wir bekamen Gelegenheit, das Wahrzeichen der Stadt, die Kirche Santa Maria del Isola zu bewundern, die auf einem Tuffsteinfelsen steht. Ähnlich wie auch die Kathedrale wurde sie mehrfach von Erdbeben zerstört und wieder restauriert. Von hier aus ging es wieder zurück zur Hauptstraße und dem Platz, an dem Gigi uns einsammelte.

 

Das Abendessen im Hotel Tropea wurde zu einem Erlebnis. Zunächst dauerte es ewig, bis wir Getränke bestellen konnten. Erst kam der Oberkellner, erklärte, er sei nicht zuständig, aber er wolle jemand schicken. Wieder warteten wir. Schließlich kam ein Kellner, wir bestellten Wasser und Wein. Aber anstatt die anderen Mitreisenden am Tisch zu fragen, rannte er wieder weg.

Nach einer gefühlten Ewigkeit nahm er dann an Hand eines vorgedruckten Zettels mittels Strichliste die Essenswünsche auf. Die Pasta kam dann relativ zügig. Beim Abräumen dann warf der offenbar überforderte Servicemann Frau Ulrich ein Tafelmesser in den Rücken. Zum Glück sind die ja stumpf. Aber außer ‚scusi‘ fiel ihm dazu nichts ein.

Die Vorstellung ging noch weiter: Während wir bei der Hauptspeise waren, hörten wir das Geräusch brechenden Porzellans. Offenbar hatte unser Freund von vorhin einige volle Teller zu Boden gebracht. Reinigungsbemühungen setzten ein. Wenig später schritt unser wackerer Kellner voran, wahrscheinlich in üblicher Hektik mit überhöhter Geschwindigkeit. Er rutschte auf der wohl unzureichend beseitigten Essensschleimspur aus und knallte auf den Boden. Zum Glück war er wohl nicht verletzt.

Der sehr wichtige Oberkellner gab nun Anweisung, die Stelle mit einem Tisch zu sichern. Als wir zahlen wollten, verweigerte der Herr Wichtig Barzahlung, er könne doch nicht mit Geld hantieren, schließlich sei man hier im Restaurant.

Anschließend setzten wir uns noch in einer Ecke des Hotels zusammen, um Termin und Modalitäten des Nachtreffens abzusprechen jedoch hier völlig ohne fliegende Messer und tieffliegende Kellner.

Manfred Löher

Tag 8: Sonntag, 18. Juni 2017

Da wir die für den Vormittag vorgesehene Stadtbesichtigung von Tropea schon gestern abend absolviert hatten, konnten wir den Abreisetag ganz entspannt angehen.

Im Bus sangen wir noch ein „Happy Birthday“ für Frau Rebafka, die heute Geburtstag hatte.

Auf dem Weg zum Flughafen in Lamezia Terme stieg unterwegs Liane in unseren Bus, sie ließ es sich nicht nehmen, uns zum Einchecken zu begleiten.

Dankesworte für unseren souveränen Busfahrer Gigi, wir haben uns bei ihm immer sicher gefühlt. Besondere Dankesworte für Liane, die einen großartigen Job gemacht hat. Mit ihrer freundlichen Art hat sie uns auf unserer Reise begleitet, uns viel Wissenswertes vermittelt und auf alle unsere Fragen eine Antwort gewusst.

Der Flug mit Umsteigen in Rom verlief ohne Probleme. In Frankfurt kamen unsere beiden Taxen pünktlich und lieferten alle Teilnehmer an der Haustüre ab.

Wir hatten mit unserer kleinen, aber feinen Gruppe – un grupo piccolo – eine wunderschöne Reise gemacht, die uns sicher noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Brigitte Schiele