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Die Griechen und der Orient

Vortrag gehalten am 1. März 2011 in Wohldorf-Ohlstedt

Griechenland, Peloponnes, Mykene

Vorwort
„Erkenne dich selbst!“ las schon vom weitem der Pilger, der nach Delphi kam. In großen Lettern war diese Weisheit am Apollontempel geschrieben. Sie bedeutet: „Gehe in dich, denn du bist nur ein Mensch!“ „Tue nichts im Übermaß!“ Denn die Griechen waren überheblich und verurteilten die Lebensart der anderen Völker. Sie nannten sie Barbaren.
Es ist doch sehr fraglich, ob sie recht hatten, die Kultur des Orients als minderwertig, ja gefährlich zu halten. Sie hatten in der Zeit der Perserkriege ein Feindbild aufgebaut, das wir auch heute noch aufrecht erhalten.

Tatsächlich haben die alten Griechen die Kultur und Religion von Babylon tief in ihr Fühlen und Denken aufgenommen. Jahrhunderte lang waren sie orientalisch geprägt. So etwas verliert niemand in seiner Seele und in seinem Geist. Diese Meinung möchte ich mit meinen Ausführungen untermauern. Außerdem soll der Vortag dazu dienen, unsere Vorurteile gegenüber dem Orient zu überprüfen, dem wir noch heute Dummheit (Sarrazin), Tyrannei und religiösen Wahn unterstellen.
Den Graben zwischen Europa und Asien schufen die Griechen. Angefangen hat damit Herodot und der Geschichtsschreiber Tukydides, die die Perserkriege von 490 v. Chr.bis.480 v. Chr. aus der Sicht der Sieger darstellten. Ihre Sicht war, es sei ein heldenhafter Abwehrkampf gegen das Böse gewesen und Leonidas und seine getreuen Spartaner hätten sich als Heroen bei den Thermopylen geopfert, nicht nur für Griechenland, sondern für ganz Europa vor der Tyrannei der asiatischen Barbaren.
Seitdem gibt es in der europäischen Geschichte den Heldentod für Volk und Vaterland. Seitdem werden junge Männer als Soldaten in unsäglichen Kriegen geopfert. Noch heute sagen unsere Regierenden am Sarg von in Afghanistan getöteten Soldaten, sie haben ihr Leben als ein Opfer gebracht, weil sie für uns am Hindukusch unsere Freiheit verteidigt haben. So werden die gefallenen Soldaten wieder zu Helden gemacht-und zwar sehr bewusst. Der Soldatentod ist keine Opfer- und kein Heldentod mehr! Das hat schon bei genauem Lesen Homer in seiner Ilias über den trojanischen Krieg gesagt. (Ich werde das am Ende meines Vortrags genauer betrachten.)
Die Ilias stellt trotz ihres mythologischen Gewandes sehr vernünftige Fragen nach dem Sinn und der Schicksalhaftigkeit und Grausamkeit eines Krieges. Sie beschreibt nicht den Mythos eines Heroenkampfes, ist also keine Kriegsgeschichte, sondern ein menschliches Drama. Der Mensch steht eingebunden in sein Schicksal in einer Grenzsituation seines Lebens (Krieg), und handelt ganz menschlich mit seinen Schwächen und Stärken. Homer hält den Krieg um Troja für den Anfang des Untergangs der Kultur der Menschheit (Krieg ist die Zeit der Götterdämmerung). Um diese These zu untermauern, möchte ich nun n der alten Geschichte und den Mythen des Orients graben.

Denn, so sehen das die heutigen Orientalisten, die Griechen lebten aus demselben Wurzelgrund, aus dem bereits die alten Sumerer ein Ordnungsgefüge der Gesellschaft aufgebaut hatten. Im Vordergrund des Vortrags steht deshalb das Hervorheben des Gemeinsamen zwischen Orient und Okzident.
Warum aber grenzten sich die Griechen sich so vehement vom Orient ab, wo sie doch die Schüler einer zweitausendjährigen Weisheitsgeschichte waren?
Führte ihr stolzer Geist, der den Logos, die Vernunft des Menschen betonte, zur Abgrenzung und dann zur Abwertung des orientalischen Geistes? Diese Abgrenzung und Abwertung des Lehrmeisters ist in der Geschichte der Menschen normal. Die meisten Söhne und Töchter, wenn sie heran gewachsen sind, halten ihre Väter und Mütter für dumm und rückständig.

Hinzu kommt die Angst, sich vom großen Vater nicht befreien zu können. (Thomas Mann und seine Kinder)
Auch die Griechen sahen mit Furcht auf den Lehrmeister aus Persien, Zarathustra, den sie bewunderten, als sie erwachsen waren. Doch da stand um 500 v. Chr. dieses Furcht erregende Perserreich vor ihrer Haustür. Für sie bedeutete es nur Willkürherrschaft und Knechtschaft. Sie selbst sahen in ihrer Gesellschaftsordnung den Hort der Freiheit und Ordnung und in ihrem Gott Apoll den edlen, humanen Menschen. Den Kampf gegen die Barbaren symbolisierten sie z. B. im Mythos vom Kampf der Laphiten gegen die Kentauren, wie wir ihn am Westgiebel des Zeustempels von Olympia sehen - nur im Museum. In der Mitte des Giebels steht der edle Mensch, verkörpert durch den Gott Apollon, der über das Chaos und die brachiale Gewalt der Barbaren mit ausgestreckter Hand siegt. So glaubten die alten Griechen an einen sauberen Krieg im Namen der Humanität. Homer hat dies ganz anders gesehen.

Die Mythen, die von der Gemeinschaft und der Feindschaft der Griechen zu den Völkern des Orients erzählen. Mythen erklären die Grenzerfahrung unserer menschlichen Wirklichkeit und erzählen sie in der Form von Götter und Heldengeschichten, die in der Vergangenheit der grauen Vorzeit angesiedelt werden. Diese Geschichten haben in der Regel keinen historischen Kem. Sie waren Gedichte und Rituale, die für den Kult und für Feste bestimmt waren. Sie wurden von Rhapsoden oder Priestern rezitiert. Sie beschreiben allgemeine Wahrheiten und geben Antwort auf die Grenzfragen des Menschen, z. B. auf sein Woher und Wohin, auf Tod und Auferstehung, auf Krieg und Frieden, auf Liebe und Eifersucht und ganz allgemein auf das Schicksal. Mythen sind keine logischen Geschichten, die nach den Gesetzen von Zeit und Raum erzählt werden. Die handelnden Personen schweben vielmehr in Zeit und Raum wie heute die Comic-Figuren. Sie sind angesiedelt zwischen Himmel und Erde und kennen weder eine historische Vergangenheit noch ein Ziel in der Geschichte. Sie kreisen in einem zyklischen Denken um das Wozu des menschlichen Lebens.
Die Mythen am Anfang der griechischen Geschichte erzählen die Verbundenheit, dann die Abhängigkeit und schließlich die Feindschaft zum Orient. Der Frauenraub erscheint dabei im Mittelpunkt des Geschehens.
Zunächst  fing  es  relativ  harmlos  mit  den  Entführungen  an.  Doch  steigerte  sich  das gegenseitige Rauben der Frauen, bis es zum trojanischen Krieg kam.
Das Spiel mit den Entführungen begann ganz zufällig und absichtslos. Der Mythos erzählt: „ Eines Tages kamen phönizische Kaufleute zum Könighof nach Argos und machten dort Geschäfte. Sie waren gern gesehene Gäste, die viel zu erzählen wussten und so blieben sie längere Zeit. Man freundete sich mit dem Fremden an, denn die Griechen waren begierig, Neues über die Welt zu erfahren.

Doch blieb es nicht aus, dass die Fremden auch die einheimischen Mädchen ansahen und diese sie. So kam es zu mancher Liebschaft. Und siehe da, auch Io, die Tochter des Königs verguckte sich ein einen schmucken jungen Phönizier. Wie das Unglück es so wollte, war sie eines Tages schwanger. Die Liebe war wohl sehr groß, und so nahm der Kaufmann das Mädchen mit nach Tyros in Phönizien, allerdings ohne den Vater des Mädchens, den König, zu fragen, ob er einverstanden war. Der Mythos ist sich nicht einig, ob dieses Nicht-Fragen auf Wunsch der Io geschah, weil sie vor der Schande im Elternhaus Angst hatte oder ob sie sich hat rauben lassen. Die Griechen meinten, die Phönizier seien ja bekannt als notorische Lügner und Diebe.

Da wird es wohl stimmen, dass sie das Mädchen gegen ihren Willen geraubt haben. Man war empört, obwohl man solche Räuber-Geschichten auch von den eigenen Heroen kannte. Die gespielte Entrüstung gab natürlich das moralische Recht, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Wie gesagt, man war eigentlich befreundet. Doch nun war Schluss mit Lustig. Mit Hilfe eines weißen Stiers raubte man die Tochter des phönizischen Königs von Tyros, namens Europa. Der Mythos erzählt, Zeus, der Gott der Griechen, hätte den herrlichen Stier ans Ufer des Meeres geschickt, wo einige Mädchen mit der Königstochter spielten. Trotz aller Warnungen ging das Königskind zum Stier hin und streichelte ihn und verliebte sich in seine Schönheit. Schließlich setzte sie sich auf ihn drauf. Doch ehe sie sich versah, war der Stier mit ihr ins Meer gegangen und schwamm bis nach Kreta. Dort ging er in der Bucht von Matala ans Land. Bei der Stadt Gortys verwandelte sich der Stier in den Göttervater Zeus, der dem Mädchen seine Liebe zu erkennen gab. So zeit- und raumlos die Überfahrt von Phönizien nach Kreta im Mythos gedacht ist, so genau weiß er, wo die beiden ihre Heilige Hochzeit feierten, nämlich unter einem Olivenbaum in Gortys. Die schöne Prinzessin Europa gilt seitdem als die Ahnfrau von uns Europäer, obwohl sie doch eine Asiatin war. So ist das mit Freundschaft und Feindschaft bis heute hin. Wer weiß schon, wer von wem abstammt! Wir sind doch alle wohl aus „Mult-Kulti“ entstanden.

Der König von Tyros ließ nun überall seine verschollene Tochter Europa suchen. Auch sein Sohn Kadmos suchte sie. Er wanderte durch ganz Griechenland, fand seine Schwester aber nicht. Als Ersatz dafür gründete er eine phönizische Stadt in der Nähe von Delphi. Das Orakel des Apollon hatte ihn dazu ermuntert. Er nannte die Stadt Theben. Kadmos wurde der König von Theben und war der phönizische Herrscher über die ihm untergebenen Griechen. Da er ein guter Herrscher war, war die Freundschaft zwischen den Asiaten und den Griechen wieder hergestellt, obwohl nun die Griechen dem phönizischen König dienen mussten. Man verstand sich eine zeitlang wieder gut, die Griechen und die Phöniziern. Und die Griechen hatten von ihren Lehrmeistern, den Phöniziern, vor allem gelernt, wie man Städte und Schiffe baut. Die beiden Völker waren sich in ihrem Wesen sehr ähnlich. Beide Völker waren unruhig neugierig, abenteuerlustig, sehr beweglich. In Laufe der Geschichte waren die Griechen noch ein bisschen schlauer geworden als die Phönizier. Irgendwann, spätestens zur Perserzeit, sahen sie auf „diese“ Asiaten herab und erklärten wider besseres Wissen sie zu Barbaren.
Denn eigentlich hatten sie deren orientalischen Geist übernommen. Nun gingen sie auf Beutezug und Frauenraub. Und zwar zielgerecht und mit Abenteuerlust. Davon erzählt der Mythos, den wir den Zug der Argonauten nennen. Der Held Jason bekam den Auftrag, das Goldene Fließ vom asiatischen König von Kolchis zurück zu holen. Alle Heroen Griechenlands gingen mit auf diesen Abenteuerzug und fuhren mit dem modernsten Schiff der Zeit, das Argo hieß, ins Schwarze Meer.
 

Darauf hatten sich eingefunden Herakles und Theseus, Kastor und Polydeukes, die man die Dioskuren(Gottessöhne) nannte, Peleus, der Vater des Achilleus und der Nereide Thetis und Orpheus, der Sänger aus Trakien. Alle diese Helden waren Gottessöhne. Sie fuhren über das Schwarze Meer bis an sein östliches Gestade zum König von Kolchis und raubten dort das Goldene Vlies. Die Krönung dieses Beutezuges aber war der Raub der Königstochter Medea, die sich aus Liebe zu Iason freiwillig entfuhren ließ. Deren Schicksal ist nicht nur von Euripides, sondern von vielen europäischen Dichtem und Komponisten besungen worden. Über den dreisten Frauenraub beschwerten sich die Asiaten lautstark. Das fanden die Griechen total übertrieben. Denn über einen Frauenraub hatte sich bisher noch niemand beschwert. Was war schließlich eine Frau schon wert! Für Jason war es eine Kleinigkeit, Medea eines Tages mit ihren gemeinsamen Kindern in der Stadt Korinth sitzen zu lassen um eine neue zu heiraten. Wir lernen daraus: Von den Griechen haben wir Europäer unsere vertiefte Ethik nicht. Uns heute rührt auch heute noch das Schicksal der Medea. Euripides sah in ihr nur die Mörderin. Wir sehen das heute anders. Es empört uns geradezu, wenn ein türkisches Mädchens nach Europa zwangsverheiratet wird und, wenn es sich wehrt, um sein Leben furchten muss. Es geht überall um die männliche Ehre, nicht nur in Kurdistan. Für diese Ehre geht man am Ende auch in den Krieg.
Doch zunächst ging das Spiel „Wie du mir, so ich dir“ im griechischen Mythos weiter.

Der griechischen Göttin der Liebe, Aphrodite, konnte man ihre orientalische Herkunft anmerken. Sie war als syrische Astarte gräzisiert worden. Aphrodite schaltete sich in die Entführungsgeschichten ein.
Sie machte auf einer Hochzeitsfeier dem Paris, dem Königsohn aus Troja, schmackhaft, dem König von Sparta Menelaos die Frau, die schöne Helena, auszuspannen. Helena galt als Gottestochter von Zeus und der Leda.

Helena verliebte sich in den schönen trojanischen Prinzen und ließ sich von ihm ohne Widerstand entführen. Doch überall in Griechenland hieß es, sie sei geraubt worden. Nun forderten die Griechen die Zeustochter zurück und als sie kein Gehör fanden - in Troja argumentierte man damit, dass Helena dort gar nicht angekommen sei, sie müsse mit Paris wohl irgendwo anders hin gefahren sein, - da drohten die Griechen mit Krieg. Es ging schließlich um die verletzte Ehre, wohl weniger um die Ehre der Frau, denn eine Frau galt weder bei den Griechen noch den Orientalen sehr viel. Ihr Wert war sächlicher Art. Es ging also um die Ehre des Mannes.
Die Dinge eskalierten, Ehre stand gegen Ehre und so auch Schwert gegen Schwert So kam es zu dem bekannten, mörderischen Krieg um Troja. Dabei spielte Helena bald nur noch eine untergeordnete Rolle. Es ging vielmehr um Ehre und Heldentod. So beschreibt es der große Dichter Homer in der Ilias.
Troja wurde zerstört, so erzählen es andere Mythen, Homer deutet das in der Ilias nur an. Die anderen Mythen erzählen, die Frauen der Stadt wurden in die Prostitution oder Sklaverei verkauft und die Männer getötet.

Aphrodite hatte im trojanischen Krieg wie die anderen Olympier auch ihre irdischen Lieblinge. Das war Paris. Als die Kriegsparteien merkten, wie unsinnige Opfer dieser Krieg brachte, entschloss man sich die Sache im Zweikampf zwischen den eigentlichen Kontrahenten austragen zu lassen, also zwischen Menelaos und Paris. Als Menelaos zusiegen drohte, entzog Aphrodite ihren Liebling den Augen der Beteiligten. Doch retten konnte sie ihn gegen sein Schicksal am Ende nicht. Doch ein anderer Königssohn von Troja namens Aineas rettete sie mit derselben Methode. Er entkam durch ihre Hilfe dem Massaker von Troja. Mit Aineas fing die Weltgeschichte neu an. Denn er gilt als Ahnherr Roms.
Mit dem Vater des Aineas namens Anchises hatte die Göttin ein Techtelmechtel gehabt, daraus Aineas hervor gegangen war.
Diesen ihren geliebten Sohn versuchte Aphrodite auch aus dem Kampfgetümmel vor Troja heraus zu halten. Als Aineas in einem Zweikampf mit Diomedes zu verlieren drohte, entzog Aphrodite ihn im schnell gemachten Nebel noch rechtzeitig vor dem todbringenden Lanzenwurf des Diomedes. Doch traf die Spitze des Speeres sie an ihrer Hand, aus der nun göttliches Blut floss. Sie ließ den Sohn irgendwo im Getümmel liegen und lief heulend zu ihrem himmlischen Vater hinauf in den Olymp und jammerte ihm ihre Schmerzen. Zeus der diesen Krieg abscheulich fand, ihn aber auch nicht verhindern konnte, sagte zu ihr: „Was begibst du dich auch in diese Gefahr! Krieg ist doch nicht dein Geschäft!“ Aphrodite ist die Schaumgeborene vor Paphos auf Zypern.
Der ältere Mythos hält sie für eine Tochter des Uranos. Danach sei sie durch aus seinem ins Meer gefallenen Samen zur schaumgeborenen Göttin geworden. Als Tochter des Uranos heißt sie auch Urania. Der jüngere Mythos hält sie für eine Tochter des Zeus und seiner Frau Dione, also nicht Hera. Dass diese Hera, die von Eifersucht gequälte Schwestergattin des Zeus, diese Dione neben sich nicht ertragen konnte, kann man sich vorstellen. Jedenfalls führten die Eifersuchtsszenen zu einer unerträglichen Anfechtung für Zeus und Dione verschwand, auch aus dem Mythos. Dione war nötig geworden, um Aphrodite, die in Syrien Astarte hieß, in Griechenland einzubürgem und sie als eine der Olympierinnen hoffähig zu machen.

Aphrodite, die aus dem Meer Geborene, wurde auch zur Schutzgöttin der Seefahrer, die gerne in den Hafenstädten in Liebeshäusem mit Namen „Urania“ abstiegen. Aphrodite war als Liebesgöttin auch die Schutzpatronin der Prostituierten. Ihre Statue stand hoch über den Hafenstädten. Die berühmteste Aphrodite war die von Knidos.
Durch sie ist der trojanische Krieg verursacht worden. Der Mythos erzählt: Zur Hochzeit von Peleus und der Meersgöttin Thetis wurde Iris, die Göttin des Streits, nicht eingeladen. Sie war beleidigt, denn alle Olympier und alle Meeresgötter, vor allem die vielen lieblichen Nereiden, - wer kennt nicht die schöne Galateia von Syrakus! -waren eingeladen worden. Da warf sie mitten in der Festfreude einen goldenen Apfel, auf dem stand geschrieben: „Der Schönsten“. Für die Schönste hielten sich die drei Göttinnen Hera, Athene und Aphrodite. Zeus sollte entscheiden. Doch der ahnte, was aus seiner Entscheidung für Unheil entstehen konnte und lehnte das Ansinnen ab. Paris, der schöne Prinz aus Troja, ließ sich als Einziger überreden, das Urteil zu fällen. Er entschied sich für Aphrodite. Diese hatte ihm zuvor versprochen, beim Raub der schönsten irdischen Frau zu helfen. Helena war aber schon mit dem König Menelaos von Sparta verheiratet und hatte mit ihm auch schon ein Kind. Aphrodite schickte Eros zu Helena und entzündete die Liebe zu Paris in ihr. So kam es zum Raub der Helena, die willig mitging und so kam es zum trojanischen Krieg. Wegen des Urteils des Paris stellten sich Hera und Athena und alle Meeresgötter voran Poseidon auf die Seite der Griechen. Denn die Nereide Thetis war die Mutter des größten griechischen Helden Achilleus, dem allerdings die Moira einen frühen Tod im Kampf vorausgesagt hatte. Thetis hatte das gewusst und wollte  ihren  Sohn  unverletzlich  machen.  Doch das  Bad  der Unsterblichkeit  hatte  eine Schwachstelle. Die Mutter hielt das Kind beim Eintauchen in das Bad an seiner Ferse fest und an dieser Stelle blieb der Held verletzbar. Noch heute reden wir sprichwörtlich von der Achillesferse als unserer Schwachstelle.
 

Aber nur ein Gott traf den unbesiegbaren Helden, dieser war Apollon, der auf der Seite der Trojaner den Pfeil des Paris dahin lenkte. So starb Achilleus. Thetis hatte ihren Sohn bewahren wollen, indem sie ihm das friedliche Landleben schmackhaft machte und ihn in Frauenkleider herum laufen ließ. Alles nutzte nichts. Als der listige Odysseus ihm ein Schwert und eine Lanze brachte, erwachter der Held in ihm. In Europa gibt es ein Plagiat dieser Geschichte, die Sage von Parzival, den seine Mutter Herzeleide auch vor dem Ritterdasein mit den schrecklich sinnlosen Zweikämpfen bewahren wollte.

Die Ilias endet nicht mit dem Fall von Troja, sondern mit dem Tod des Hektor und der Übergabe seines Leichnams. Das Gespräch zwischen Achilleus und Priamos hat Homer sehr ergreifend geschildert. Der Tod des Achilleus und das grauenvolle Ende der trojanischen Bevölkerung und die Zerstörung der Stadt wurde in anderen Mythen weiter erzählt.
Der Geschichtsschreiber Herodot knüpft an den Untergang von Troja an, indem er sagt, durch diesen Krieg sei der Graben zwischen den Griechen und den Asiaten vertieft worden. So sei Xerxes, der persische König gegen Athen zu Felde gezogen, um Rache zu nehmen an dem Massaker von Troja, das ja eine asiatische Stadt gewesen war. Der größte Perserhasser aber war Aristoteles, der seinen Schüler Alexander der Gr. aufhetzte, Rache zu nehmen für die Zerstörung der Akropolis von Athen durch Xerxes im Jahre 480 v. Chr. So sei Alexander der Gr. Zur Vergeltung ins Perserreich eingefallen. Der Graben zwischen Europa und Asien ist seitdem auch im Kopf der Menschen nie wieder zugeschüttet, so dass unser heutiges Bild von der Persern immer noch das der alten Griechen ist

Die historischen Anfänge der griechischen Gesellschaft
und ihre Einbindung in den orientalischen Kulturkreis

Was der Mythos erzählt, das hat ein historischen Gegenüber.

Die griechischen Stämme sind in einem Zeitraum von 700 Jahren - ca. 1900 v. Chr. bis 1200 vor Chr. über den Balkan eingewandert. Die Thraker waren wohl die ersten Griechen, die im Norden der Halbinsel sich ansiedelten. Später kamen die Aioler und Ionier, die Homer die Achäer nennt und siedelten auf dem Peloponnes und in Attika. Sie alle waren kriegerische Hirtennomaden und hatten einen Drang zum Beutezug. Als sie sich Siedlungen bauten, schützten sie sich - auch vor einander - durch Burgen und Wällen, aber griffen diese auch an. Diese „Akropoliskultur“, die wir auch die mykenische nennen, wurde verfeinert durch die Begegnung mit der minoischen Kultur. Diese kretische Kultur war den Griechen zunächst weit überlegen. So übernahmen die Mykener das kultivierte Leben ihrer Nachbarn und statteten ihre Häuser und Heiligtümer ihrer Art auch mit farbigen Wandbildern im gleichen Stil wie die Minoer. Sie übernahmen aber nicht deren friedliche und weltoffene Gesellschaftsordnung. Ihre streng hierarchisch-patriarchalische Ordnung behielten sie bei und sie blieben Kriegsleute.
Die mykenische Kultur dehnte sich mit dem Niedergang der kretisch-minoischen Kultur ab 1450 v. Chr. aus. Die Mykener beherrschten Kreta und brachten ihr kriegerisches Denken mit auf die Insel. Diese Epoche nennt man die minoisch- mykenische Zeit Kretas, die bis ca. 1200 v. Chr. dauerte. In dieser Zeit kam es zu einem Kultursturz im Orient, ausgelöst durch Völkerbewegungen. Von Norden drangen auf breiter Front indogermanische kriegerische Reiter- und Hirtenvölkervölker aus der eurasischen Steppe nach Süden, die Beute machend alle Kulturstädte des Vorderen Orients zerstörten. Auf die Balkanhalbinsel drangen in Wellen die dorischen Stämme nach Süden und Osten. Vor ihren Horden flohen die Reste der Mykener und Achaier an die kleinasiatische Küste. Da sie selbst kriegerisch waren, drangen sie nach Osten vor und zerstörten das schon geschwächte in Kleinstaaten auseinander gefallene Hethiterreich.

Die Minoer und Mykener von Kreta, die zunächst im Osten der Insel sich vor den dorischen Horden zu retten versuchten, setzten sich mit ihren hochseetüchtigen Schiffen nach Osten ab und verbanden sich mit den an der Levante von Norden kommenden Völkerscharen. Zusammen zogen sie als die sog. Seevölker gegen Ägypten. Dort wurden sie auf ihrem Beutezeug von Ramses III. gestoppt. Die besiegten Völkerscharen wurden im kananäischen Raum vor allem an der Küste des Mittelmeeres angesiedelt. Die Völkerscharen nennt die Bibel nach der Lutherübersetzung Krethi und Plethi. Daraus kann man ableiten, dass es sich um die von Kreta kommenden Reste der Minoer und Mykener handelt, sowie um die von Nordsyrien kommenden Völker, die man später Philister nennt. Die Römer gaben später dem Küstenstreifen am Mittelmeer den Namen Palästina.
 

Aus den Krethi und Plethi und den Ureinwohnern, den Kanaanäem, entwickelte sich an der Libanesischen Küste ein Seefahrervolk, die Phönizier, die die Kunst verstanden, hochseetüchtige Schiffe zu bauen. Das ist sicher ihr minoisches Erbe. Ansonsten ist die minoische Kultur erloschen und auch im Griechentum nicht weiter erkennbar. Denn die Griechen haben die orientalisch- syrische Kultur, die auf die babylonische und sumerische zurück reicht, in ihr Kulturbewusstsein integriert, wie sie es von den Phönizier und den Lydern in Kleinasien gelernt haben. Sie waren im Schmelztiger der Völker des Vorderen Orients nur ein Volk in dem neuen assyrischen Großreich, das eine Restauration des uralten babylonischen Weltbildes mit seinem mythologischen Überbau forderten. So wurde das überall bekannte aber schriftlich verloren gegangene Gilgameschepos in assyrischer Keilschrift in dieser Zeit, um 1000 v. Chr. auf Tontafeln aufgeschrieben und verbreitet. Ein Exemplar wurde im Palast der assyrischen Könige in Ninive ausgegraben. Ninive ist 612 v. Chr. von Nebukadnezar, dem babylonischen König, zerstört worden.
Die Griechen hatten in der assyrischen Zeit ihre Städte (polis) gegründet. So sind sie in der allgemeinen Völkervermischung nicht aufgegangen, sondern bewahrten ihre Identität und ihren eigenen Geist, der die orientalische Weitsicht und Lebensweise zwar kopierte, dann aber radikal europäisierte.

Zuvor, nach dem kulturellen Niedergang durch die Völkerwanderungen, gab es eine Zwischenzeit von ca.1100 v. Chr. bis 900 v. Chr., in der die Völker sich neu strukturierten, aber die Höhe der alten Kultur verloren. Es ist eine Zeit, die man negativ das finstere Mittelalter der Antike nennen kann, positiv die Zeit der aktiven Muße einer „Schwangerschaft“ zur Geburt einer neuen Kulturblüte. Die Griechen Kleinasiens waren es, die mitten im Werden einer neuen Zeit standen.. Denn sie lebten mit den anderen Völkern und übernahmen deren Künste und Handwerke und auch ihre Götter.
Nach den Völkerverschiebungen finden sich die Griechen vor allem in Kleinasien, in der Ägäis, auf Zypern und auf dem griechischen Festland wieder als Ionier, Aioler und Dorer. Jede Gruppe baute ihre eigene Polis. Die Machtkämpfe zwischen den Poleis (PI.) war häufig nicht weniger grausam, als die im trojanischen Gemetzel. Die griechischen Kleinkriege sind auch ein orientalisches Erbe. Schon die sumerischen Stadtstaaten im 3. Jahrtausend vor Christus bekämpften sich und zerstörten sich gegenseitig. Deshalb brauchten sie, anders als die Alten Ägypter und Minoer, starke Verteidigungsmauem. Der Krieg gehörte auch bei den Griechen zum täglichen Leben wie der oben genannte Schicksalsglaube. Es gehörten aber auch andere orientalische Grundwahrheiten zur werdenden Kultur der Griechen wie die Stellung zu Tod und Auferstehung, zu den Göttern und zur Weitsicht von Himmel, Erde, Meer und Unterwelt. Das Götter- und Menschenbild kopierten die Griechen bewusst oder vielmehr unbewusst aus dem Orient. Ex Oriente lux. Das Licht kommt doch aus dem Osten!

Die altorientalischen Epen von Gilgamesch und Enuma Elisch im Vergleich mit der Ilias des Homer und der Genealogie der Götter bei Hesiod.

Das orientalische Weltbild geht auf die alten Sumerer zurück, die im Süden Mesopotamiens im 3. Jtds. Stadtkulturen schufen. In dieser Zeit entstanden die Heldenmythen, allen voran das Gilgameschepos. Überliefert und verändert lebte es in allen Zeiten des Orients bis hinauf nach Anatolien und zu den Hethitern. Der Held, Gilgamesch, ist König von Uruk. Als erste heroische Tat baut er die unbezwingbare Stadtmauer von Uruk. Dann aber herrscht er als ein Despot, bis dies den Menschen zu viel wird. Gilgamesch ist übrigens der erste, der das Recht des Herrschers auf die Brautnacht einfuhrt. Figaros Hochzeit lässt grüßen!
Gilgamesch soll menschlich werden. Er bekommt einen Naturmenschen mit Namen Enkidu zur Seite, der in der Steppe mit den Tieren gelebt hat und vor dem die Tiere keine Angst haben. Gilgamesch geht aber voll Kampfeslust auf diesen Tiermenschen los und ringt mit ihm. Der Zweikampf endet unentschieden. Am Ende des Kampfes geben beide sich die Hand und werden Freunde. In der Ilias gibt es die Geschichte vom Zweikampf von Hektor mit Ajax, der ebenfalls unentschieden ausgeht. Beide werden danach Freunde. Gilgamesch geht nun mit Enkidu, auf Abenteuerreise, um ruhmreich wiederzukommen. Im Libanon in den Zedemwäldern besiegen die beiden den Riesen Humbaba. Doch der Ruhm wird in Frage gestellt. Denn die Liebesgöttin Inanna ist empört. Diese sumerische Göttin lebt verwandelt in der ganzen Kulturgeschichte des Orients weiter bei den Babyloniern als Ischtar, bei den Syrern als Astarte und bei den Griechen als Aphrodite.

Inanna bittet nun ihren himmlischen Vater An, den Himmelsstier auf die Erde zu schicken, dass er gegen die beiden Helden kämpfen möge. Doch Enkidu tötet den Stier. Für diesen Frevel am Himmel muss Enkidu sterben. Er ist noch sehr jung. Gilgamesch fällt in eine tiefe Traurigkeit und fragt nach dem Sinn des Lebens, wenn ein so guter Mensch so früh sterben muss. (vgl. den frühen Tod des Achilleus bei den Griechen!) Gilgamesch stellt die Frage nach einem ewigen Leben. Die untröstliche Trauer des Gilgamesch hat sein Gegenbild in der Ilias. Dort trauert Achilles um den toten Freund Patrokles.
 

Gilgamesch geht auf eine lange Reise, um die Grenzen der Welt und das Kraut des ewigen Lebens zu finden. Er hört unterwegs die Geschichten vom Beginn der Welt und von der Sintflut. Er findet den einzig unsterblichen Menschen Utnapischti, der mit Hilfe des Gottes des Meeres und der Erde Enki die Sintflut überlebt hatte. Dieser lebt nun auf einer Insel am Ende der Welt. Utnapischti weiß, wo das Kraut des ewigen Lebens wächst und schickt Gilgamesch dorthin. Gilgamesch findet das Kraut. Er legt zum Baden das Kraut aus der Hand. Vor seinen Augen schnappt sich eine Schlange das Kraut und entschwindet. Er kann die Schlange nicht halten, denn beim Zugriff häutet sie sich und Gilgamesch hält nur das alte Leben in seiner Hand. Es gibt kein ewiges Leben. Das Leben ist vielmehr ein tödliches Schicksal. Da trifft er auf seinem Rückweg ins alte leben die Schenkin. Diese sagt zu ihm: „ Sei nicht so betrübt, sondern feiere den Tag, wie er kommt! (Die Römer übernahmen dies und sagte: „carpe diem!“) Der Mensch muss sterben und wird nicht in ein ewiges Leben eingehen. „Alles ist eitel“, sagt der Prediger Salomo.
 

Modem heißt die Weisheit auf Englisch: „take it easy!“ und genieße das Leben, solange du es kannst.
Diese Lebenssicht haben die Griechen übernommen. Sie ist sehr menschlich, kommt aber aus einem tief in der Seele sitzenden Pessimismus. Karneval und Loveparade sind die Abwehrmechanismen gegen Sorge und Todesangst.
 

Das Gilgameschepos wurde Jahrhunderte lang auf Tontafeln geschrieben. Als das Aramäisch zur Welt- und Schriftsprache aufstieg im letzten jahrtausend vor Christus, schrieb man die Texte auf vergängliche Stoffe wie Leder oder Papyrus. Die Aramäer waren ein semitisches Völkergemisch, das im gesamten syrischen Raum lebte. Dieses Mischvolk entstand durch die Maßnahmen der Völkerverschiebungen durch die Assyrer im 9. und 8. Jahrhundert vor Christus. Zu diesen Aramäem zählten auch das nordisraelische Juden von Samaria. Daher sprachen auch diese Juden Aramäisch. Diese Sprache wurde im Perserreich zur Weltschriftsprache gemacht. So ist sie auch zu den Griechen gekommen. Die letzte Fassung des Gilgameschepos ist um 800 v. Chr. noch in Keilschrift geschrieben worden. Diese wurde um 1870 unserer Zeitrechnung bei den Grabungen in der Hauptstadt der Assyrer, Ninive, aufgefunden.

Die Aramäer hatten aber schon lange zuvor eine Bilder-Buchstabenschrift entwickelt. Die älteste Form, die wir kennen, stammt aus Ugarit im nördlichen Libanon. Diese Schreibweise lernten auch die Griechen kennen.
Da ihre indogermanische Sprache sehr vokalreich und klingend war, veränderten sie das Alphabet, indem sie aus den klingenden aramäischen Konsonanten Vokale machten. Außerdem vereinfachten sie die bildhafte Schreibweise der aramäischen Buchstaben und drehten sie um.
Es war für ihr Denken sinnvoller von links nach rechts zu schreiben und zu lesen. Der Bürger in der griechischen Polis lernte schon im 7. Jhd. Lesen und Schreiben. In Ermangelung eigener Textvorlagen im Lehrbetrieb wurden alte Texte aus dem Gilgamenschepos und aus religiösem Literatur wie dem bekannten Enuma Elisch- Epos, einem Schöpfungsmythos, heran gezogen.

So schulmäßig übernahmen die Griechen die geistige Grundhaltung des altorientalischen Weltbildes. Sie lebten, wie wir immer wieder betonen müssen, eingebunden in die Kultur des Orients und schöpften aus ihr.
 

Von hierher, also dem pessimistischen Gilgameschepos, stammt auch der griechische Pessimismus. Daraus leitet sich das für sie unergründliche Schicksal ab. Das Schicksal nannten die Griechen Moira. Es ist weiblich! Diese Moira ist unerbittlich und wird durch die ananke (Gesetz der Notwendigkeit) unabwendbar. Allerdings weiß niemand im Voraus von seinem konkreten Schicksal, sondern es fallt einem zu. Diesen Zufall nennen die Griechen tyche, die Römer später fortuna. Tyche ist der Zufall, der als Glück oder Unglück erfahren wird. Glück aber ist sehr selten, da die Moira meist ein böses Schicksal bereit hält. Denn der Mensch muss sterben. Dies ist die orientalische Denkweise, die die Griechen übernommen haben. Sie vertiefen sie und sehen den Menschen nicht nur schicksalhaft vorher bestimmt, sondern auch verstrickt zwischen der hybris und der Demut, zwischen dem Gesetz und der freier Entscheidung aus Liebe (Antigone von Sophokles).
Deshalb steht geschrieben am Apollontempel von Delphi: „Erkenne dich selbst!“ Die Griechen haben den orientalischen Pessimismus in ihren Tragödien zur Vollendung gebracht haben. Dieser Geist wurde den griechischen Kindern schon in der Schule eingetrichtert. Und dieser Geist ist übergesprungen auf die pessimistischen Seiten des christlichen Glaubens in den synkretistischen ersten Jahrhunderten.
Der griechisch-orientalische Geist hat aber wenig mit dem der Propheten Israels, des Persers Zarathustra und des Juden Jesus von Nazareth zu tun. Denn in deren Verkündigung spielt ein blindes bedingungsloses göttliches Schicksal, sondern allen Dreien ist das kommende Reich Gottes wichtig, das von der bedingungslosen, d. h. ungespaltenen Liebe Gottes gefüllt ist. In deren Botschaften kommt ein heller Himmel den Menschen nahe, der die Spaltung aller Dinger aufhebt. und die Welt öffnet zu einem veränderten neuen Leben.

Mit dem Zusammenbruch der Kultur der Bronzezeit um 1200 v. Chr. drohte zunächst der orientalische Geist auszusterben, so wie damals der minoische Geist auch tatsächlich zu Ende ging.
Wir haben ihn durch die Archäologie wieder entdeckt. Doch rätseln die Forscher an ihm herum wie an der minoischen Schrift, der sog. Linear A Schrift. Die Griechen sind geistig nicht die Nachfolger der Minoer, wie sie es auch ethnisch nicht sind. Die Theseussage schildert uns, mit wie viel Unverständnis die Griechen dieser optimistischen, hellen Weitsicht der Minoer gegenüber standen. Die Griechen, geprägt von der ananke, der heldenhaften, aber tragischen Schicksalsgläubigkeit, suchten nach der eleutheria, der Freiheit, mit der sie die Tyrannis, die das Schicksals verkörpert, überwinden konnten. Doch waren sie nicht so frei, wie sie glaubten. Sonst hätte Sokrates nicht den Giftbecher trinken müssen. Der Volksrat in Athen, das sog. Scherbengericht, stimmte für die Todesstrafe, weil Sokrates das Schicksal heraus gefordert hatte. Auch viele Christen stehen immer noch in der Nachfolge der Griechen, wenn sie den Tod Jesu als ein unbegreifliches Schicksalssterben erklären, das ein von Gott gewolltes Geschick ist zu Rettung seiner göttlichen Ehre, und damit ein gespaltenes Gottesbild von lieben und zornigen Gott verkündigen, der nicht eindeutig bedingungslose Liebe ist.
Das gespaltene und kriegerische Weltbild, das hinter diesem Denken steht, finden wir auch in einem anderen religiösen Epos. Es tragt nach seinen Anfangsworten den Titel Enuma Elisch Es handelt von der Schöpfung der Welt und hat wie das Gilgamesch eine große Wirkung bei den Griechen hinterlassen. Die Transformation dieses Schöpfungsmythos hat der Philosoph Hesiod um 700 v. Chr. vollbracht und daraus eine griechische Göttergenealogie geschaffen. Er benutzte diese Folie des orientalischen Geistes, um daraus eine eigene Antwort auf den Weltensinn zu geben. Dabei verstärkt er die pessimistische Seite des Lebenssinnes erheblich. Am deutlichsten macht er es in seinem Epos, „Werke und Tage“, das uns der römische Dichter Ovid als Umdichtung, leider nicht als Plagiat, überliefert hat. Dieses Werk enthält zwei Mythen. Die erste erzählt von der Büchse der Pandora. Darin heißt es, durch eine Frau sei das Böse in die Welt gekommen. Die Ähnlichkeit mit der biblischen und dogmatischen Eva (Sündenlehre) zu Pandora ist nicht zu übersehen.
Der zweite von Hesiod rational erdachte Mythos handelt den vier Zeitaltern, in denen der Mensch immer böser wurde.
 

Das Goldene Zeitalter war der Idealzustand, in dem noch Kronos, der Vater des Zeus, herrschte. Die Menschen waren in dieser Zeit den Göttern noch sehr nahe und feierten mit ihnen Feste. Es herrschte Frieden, auch in der Natur. Im Silbernen Zeitalter gibt es eine Trennung von Gott und Mensch. Dieser braucht nun eine schützende Behausung. Das eherne Zeitalter ist das der Heroen, in dem der trojanische Krieg spielt. Es ist das Zeitalter von Achilleus und Odysseus. Das jetzige, eiserne Zeitalter ist das der mühevollen Arbeit, der Verrohung der Sitten und der Gewaltherrschaft. Wenn dieses endlich vorbei sein wird, wird das Goldene Zeitalter wieder kommen. Der Kreislauf des Lebens beginnt von vom. So wird leider das eiserne auch wieder kommen. Hesiod macht aber auch Fußnoten. Er schreibt, die Idee von den vier Zeitaltern habe er von den Phöniziern.
Über die Phönizier ist der Mythos von Enuma Elisch zu den Griechen gekommen. Dieser Schöpfungsmythos erzählt die Entstehung der Welt und der Götter. Er beginnt mit folgenden Worten „Als droben die Himmel nicht genannt waren und unten die Erde keinen Namen hatte, als selbst Apsu (Süßwasser), der Urangfängliche, der Erzeuger der Götter und Tiamat (Salzwasser), die sie alle gebar, noch mit ihren Wassern eins waren, da wurden die Götter aus dem Schoß von Apsu und Tiamat geboren, zunächst Lachmu und Lachamu. Aionen wurden groß und erstreckten sich lang. Dann wurden Anschar und Kischar geboren. Nun kamen die Jahre und die Tage, die sich mehrten. Ihr Sohn war Anu (Himmel). Nicht hatte er seines gleichen unter den Göttern) “.

Der Schöpfungsmythos der Sumerer erzählt vom Aufbau der Grundordnung des Kosmos. Dazu werden immer mehr Götter geboren. Der Mythos gliedert den Kosmos in drei Bereiche, denen drei Götter vorstehen. Der Himmel wird von An, bei den Babyloniern Anu, regiert. Aber der Vatergott ist weit weg. Das Meer und die Erde, zu der auch die Unterwelt gehört, sind der Herrschaftsbereich von Enki (Ea) und die Luft, Abbild der Naturgewalten, von Enlil. Bei den Babyloniern wird Enlil zu Marduk. Enlil hat über die Menschen die entscheidende Macht, weil er die Schicksalstafeln bei sich trägt. Er ist der Herr des Schicksals, während Enki der menschenfreundliche Gott ist, der hilft. Zum Beispiel rettet Enki den Utnapischti in der Sintflut. Enki, der Listige, ist die dem Menschen zugewandten Seite Gottes. Er ist vergleichbar dem griechischen Prometheus, der den Menschen das Feuer bringt.
Bei Hesiod heißen diese drei, die die Welt zusammen halten, Zeus für den Bereich des Himmels und der Erde, Poseidon für das Meer und das Süßwasser und Hades für die Unterwelt. Die Unterwelt bekommt bei den Griechen durch die Betonung des Schicksals und der Tragik des Menschen mehr Gewicht als in der sumerisch-babylonischen Vorstellung. Aber auch dort herrschen schon unheimliche Mächte. Merkwürdigerweise sind es die Frauen, die dort das Sagen haben. Über die sumerische Todesgöttin wird im Inanna-Mythos erzählt- (wir erinnern uns: Inanna ist die Liebesgöttin, die später Ischtar, Astarte und Aphrodite heißen wird). Von Inanna wird übrigens auch erzählt, dass sie, wenn sie Kummer hatte, zu ihrem himmlischen Vater in den Himmel ging, um sich bei ihm auszuheulen, um wie ein kleines Kind alles, was sie wollte, von ihm zu erbitten. Der Inanna-Mythos erzählt aber auch von der Unterweltsfahrt, wir würden sagen „Höllenfahrt“, der Liebesgöttin zu ihrer fürchterlichen Schwester Ereschkigal. Inanna gerät in die Macht des Todes, wird ihrer Kleider beraubt und nackt an einen Pfahl gehängt (Kreuz). Doch der liebe Enki hilft ihr und gibt ihr, der unsterblichen Göttin, ein neues Leben. Es gilt nun für alle Zeiten, dass Liebe den Tod überwindet.
 

Im griechischen Mythos ist die Unterwelt nicht nur der Ort des Todes und des Schattenlebens, sondern in der Tiefe des Hades gibt den Tarataros, den Ort unsäglicher Qualen (Sisyphos und Tantalos). Aus dem Bild der dreigeteilten Welt mit den drei Göttern hat sich auch das christliche Weltbild abgeleitet vom Himmel, der Erde und der Hölle. Vielleicht hat auch der alte Orient das trinitarische Gottesbild vorweg abgebildet. Bei den Babyloniern gab es die Dreistockwerkwelt noch nicht, weil die Unterwelt Teil der Erde als bloßes Schattendasein war.
 

Das Weltbild der Babylonier im Enuma Elisch stellt den Kampf in den Mittelpunkt der Schöpfung. Außerdem fällt auf, dass der geordnete Kosmos durch Spaltung entstanden ist und in sich auch schicksalhaft gespalten bleibt, er Mythos Enuma Elisch erzählt vom Schöpfergott Marduk, dieser sei ein kriegerischer Held wie Gilgamesch gewesen. Er habe nach dem Götterkrieg Tiamat im Zweikampf in zwei Hälften wie einen Fisch gespalten. Aus der einen habe er den festen Himmel, aus der anderen die feste Erde gemacht und das Urmeer (Apsu) nach draußen verbannt. Doch bedroht Apsu, das Urmeer, ständig den geordneten Kosmos. Marduk aber hat das Gesetz gestiftet, das den Kosmos zusammen hält.
Die alten Götter wollen sich der störenden jungen Götter entledigen und sie vernichten, allen voran Apsu und Tiamat. Apsu wird von den jungen wilden Göttern überwältigt, gefesselt und in der Unterwelt eingesperrt.
Der Götterkrieg war zuvor entstanden, weil Apsu und Tiamat den Zwiespalt unter sie gesät hatten. Die Götter sollten sich selbst vernichten, damit die alten Götter wieder ihre Ruhe hätten.
 

Der Kosmos ist aus dem Krieg der Götter entstanden. Heraklit hat den dunklen Satz gesagt: „Der Krieg ist der Vater aller Dinge.“
 

In der Theogonie des Hesiod, seinem zweiten Werk, heißt die Urmutter nicht mehr Tiamat, sondern Gaia. Sie ist die Mutter der Giganten und der Titanen. Die Giganten haben Uranos zum Vater, die Titanen Kronos. Beide aber hatten dieselbe Mutter, nämlich Gaia, die später ihre Kinder gegen die jungen Götter aufbringen wird, so dass es auch nach Hesiod zu zwei Götterkriegen kam. Die jungen Götter hatten eine andere Urmutter, die zweite Frau des Kronos. Sie hieß Rheia. Sie gebar die junge Göttergeneration, die von Zeus angeführt wird. Dazu kamen seine Brüder Poseidon und Hades und seine drei Schwestern, Hera, Hestia und Demeter. Die anderen sechs jungen Götter waren irgendwie von Zeus. Hervor hob sich die Parthenogenese von Athene, die gewappnet dem Kopf des Zeus entsprang. Weiter zeugt Zeus den Kriegsgott der sinnigerweise mit Aphrodite verheiratet war, das missgestaltete Kind Hephaistos,  der  Gott  der  Schmiedekunst,  wurde  mit  Demeter  verheiratet  die  Zwillinge Artemis und Apollon, die auf Delos geboren wurden blieben unverheiratet, wie auch Hermes, der Götterbote und last not least Aphrodite, die Schaumgeborene. Bei ihr ist nicht sicher, ob Zeus oder sein Opa Uranos ihr Vater war. Diese Zwölf nennt Hesiod die Olympier, weil sie allein auf dem Olymp, als im Himmel, wohnen. Alle anderen Götter, z. B. die Götterkinder des Poseidons wohnen im Meer oder auf der Erde wie Eros und Pan oder Dionysos. Im ersten Götterkrieg werden die Giganten von den Olympiern besiegt. Sie sind Ungeheuer oder urtümliche menschengestaltete Mischwesen mit Drachenschwänzen, geboren von der Gaia. Als furchterregendster Gigant gebar Gaia den Typhon. Ihn bezwang Zeus im Zweikampf, indem er den Ätna auf ihn warf, der ihn unter sich begrub. Da liegt er heute noch lebendig begraben. Wenn er sich aber zu befreien sucht, spuckt der Vulkan und die Erde erbebt. Die anderen Giganten, da sieja unsterbliche Götter sind, sind lediglich im Tartaros eingesperrt. Im zweiten Götterkrieg mit den Titanen mussten die Giganten den Olympiern helfen. Dazu wurden sie aus dem Tartaros befreit.
 

So wurde durch Krieg der Götter der Kosmos geordnet. Das war das uralte Denkschema der Sumerer und Babylonier.
 

Wie die Götter, so die Menschen! Auch sie ordnen die Welt durch Krieg. Da aber Krieg immer auch ein schreckliches Gemetzel ist, liegt in dieser Weltordnung die Tragik des Lebens. So empfand es schon Gilgamesch und so beschreibt dies der Dichter der Ilias, Homer. Der trojanische Krieg ist der erste Antikriegsroman der Weltgeschichte. Er ist nicht das Epos der Heldenverehrung, wie unsere Vorfahren die Ilias lasen. Ich kann nur jedem empfehlen, dieses grandiose Buch der Menschheitsgeschichte zu studieren. Es liest sich ähnlich schwer wie der Josephsroman von Thomas Mann.
Im Kleide des Mythos beschreibt der Dichter die Schicksale der Helden in ihrer Menschlichkeit. Die mythologische Sprachweise ist gleichzeitig die Form der Rationalisierung der Schicksalsfrage.
 

Die Ilias ist ein Epos der menschlichen Seele, die auch in der modernen Literatur nicht deutlicher beschrieben werden kann. Die Ilias ist die Verfeinerung des Gilgameschepos. Die Dichter Hesiod und Homer haben am Anfang der griechischen Hochkultur den orientalischen Geist noch vertieft, indem sie aus der pessimistischen Weitsicht die Tragödie des Menschen schufen. Die Götter sind dabei nur mythologische Bilder für das menschliche Schicksal, seine Verfehlungen und seinen unverständlichen Tod. Die Götter greifen in das einzelne Schicksal aus Eigensucht ein. Der Mensch war nur ihr Sklave, der für sie Bier brauen musste, damit sie besser schlafen konnten. Das charakterisiert alles über Gott, der nicht Freude an seinem Geschöpf hat und es auch nicht liebt, sondern nur eigennützig als Werkzeug benutzt. Der Mensch ist selbst ein aus einem bösen Schicksal entstandenes, von allen Mächten abhängiges Wesen.
 

Der Mythos von Enuma Elisch erzählt nun weiter: Nach dem Götterkrieg suchten die siegreichen Götter einen Schuldigen für dieses Massaker. Das Los fiel auf den Gott Kingu. Dieser wurde getötet Danach übernahmen stellvertretend die Menschen die Sühne der Schuld, denn sie wurden aus dem Blut dieses Bösewichts geschaffen. So laufen sie ewig mit dem Kainzeichen durch die Welt. Auch die Bibel hat einiges aus dem Schöpfungsepos der alten Babylonier übernommen. Das Wesentliche aber verändert. Der Mensch ist nicht Sklave der Götter, sondern sein Ebenbild. Hesiod aber übernimmt das orientalische Menschenbild von Sklaven, der aus dem Schicksal eines Götterkriegs geschaffen wurde.

Homer hat diesen Mythos auch übernommen, aber rationalisiert und differenziert. Deshalb lesen wir heute die Ilias mit menschlichem Betroffensein. In der Ilias werden die Götter zu bloßen Bildern unserer Gefühle und Erfahrungen. Homer schreibt ein mythologisches Epos und entmythologisiert es gleichzeitig.
Eigentlich ist die Ilias nur das traurige Drama von Achilles, dessen verletzliche Ferse uns heute noch existentiell berührt. Denn auch wir haben sie.
Am Schluss der Ilias beschreibt Homer den Gang des Vaters Priamos zum Mörder(Achill) seines Sohnes. Diese Szene gehört zum Ergreifendsten, die je ein Dichter geschrieben hat. Es ist die Szene der Verwandlung, wie aus dem von Bitterkeit gequälten Unmenschen ein wahrer Mensch werden kann und wie aus verbitterten Feinden Freunde werden können, Menschen also, die sich menschlich begegnen können! Am Ende ist dieses Epos ein Werk der Menschlichkeit und der Überwindung des Krieges. Wenn Homer den großen Kampf zwischen den Troern und den Danaern beschreibt, dann ist das kein lustvolles Darstellen einer Schlacht, sondern ein betroffenes Hinschauen, was wirklich auf einem Schlachtfeld geschieht, nämlich ein tödliches Gemetzel. Homer stellt das menschliche Schicksal hinein in einen brutalen und sinnlosen Krieg, indem der Mensch verliert und zugrunde geht. Der Kampf um Troja ging unentschieden aus. Nur durch eine List ist Troja gefallen, wie wir wissen. Am Ende war nur ein großes Wehklagen.

Worin liegt nun der Sinn des Lebens? Gilgamesch bekommt die Antwort, als er tief traurig auf die Vergeblichkeit seiner Reise an die Grenzen der Welt zurückschaut. Resigniert geht er seinen Weg ohne ein Ziel. Da tritt die Schenkin, wohl eine Schicksalsgöttin, an ihn heran und sagt: „Gilgamesch, wohin eilst du? Das Leben, dem du nachrennst, wirst du nicht finden. Die Götter haben es in ihrer Hand behalten. Du, Gilgamesch! -gefüllt sei dein Bauch! Freue dich des Tags! Verbreite täglich Fröhlichkeit! Tag und Nacht tanze und spiele! Sieh auf deinen Sohn, der dir die Hanf hält und die Frau, die sich an deinen Lenden erfreuen möge!
Achill bekommt von der Meeresgöttin Thetis, seiner Mutter, genau die gleiche Antwort. Auch sie will ihn aus seiner Verwirrung und Trauer befreien. Homer lässt sie ähnliche Worte sagen, wie die Schenkin sie Gilgamesch sagt. In der Ilias lesen wir in der Übersetzung von Johann Hinrich Voss in der Ausgabe der Deutschen Bibliothek Berlin: „Lieber Sohn, wie lang wehklagend und seufzend willst du dir verzehren dein Herz, des Trankes und der Speise vergessend und des Lagers? Und doch ist's gut, ein Weib zu umarmen. Denn nicht lange wirst du mir leben, denn nahe steht das grause Verhängnis.“ (Seite 386/87). Auch Homer sieht den Sinn des Lebens nur im Hier und Jetzt. Es gibt keine Zukunft und es gibt keinen Gott, der neues Leben verheißt. Es gibt bei Homer kein Ostern. Es gibt keine Hoffnung, sondern nur den Genuss des Tages. Carpe diem! Das sagen die allzu menschlichen Götter aus einem resignierenden Schicksalsglauben heraus.
Zeus will den trojanischen Krieg noch steuern. Doch dabei schläft er ein und Götter und Menschen machen, was sie wollen. Wie sinnlos das Leben ist, zeigt Homer mit der Grausamkeit und dem Gemetzel des Krieges und mit dem Untergang des Menschengeschlechts. Es überlebt nur Odysseus, (vgl. Utnapischtim!). Das Weltbild der Griechen ist in ihren tieferen Schichten genau dasselbe wie das orientalische.

Nur die Griechen verschärfen es noch und so verändern sie es auch, wie sie die Schrift veränderten. War das Weltbild des alten Orients in seiner tragischen Gespaltenheit noch kosmologisch gedacht, stellt der Grieche den Menschen mit seinem tragischen Ich in den Mittelpunkt des Kosmos. Aus dem „Erkenne dich selbst!“ wird der edle Mensch. Der athenische Philosoph Protagoras hat den Menschen zum erkennenden rationalen Wesen der Weltzusammenhänge erklärt. Sein These, die das orientalische Denken übersteigt, heißt seitdem: „Der Mensch ist das Maß aller Dinge.“ Protagoras lebte von 480 v. Chr. bis 410 v. Chr. Plato ist erst 427 v. Chr. geboren, der den Menschen wieder eingebunden und gebunden war in einer höheren Wirklichkeit der Ideen (siehe Höhlengleichnis!). Der Riss im Kosmos wird auch von ihm nicht überwunden überwunden, den Marduk einmal im Kampf mit der Tiamat geschaffen hatte. Das Symbol für den Riss im Kosmos ist für die Griechen der Omphalos, das geborstene Ei, das in Delphi steht.

Wenn nun die Griechen mit den Perserkriegen vom alten Orient sich befreit zu haben glaubten, hatten sie sich geirrt. Sie haben die Tragödie der Welt und des Kosmos nur vertieft. Denn die Tragik der Welt beginnt da, wo der Mensch sich zum Maß aller Dinge macht. Mit dieser Einstellung zieht er in den Krieg und liegt wie die griechischen Helden zehn Jahre lang sinnlos tötend vor den unbezwingbaren Stadtmauern Trojas, denn diese waren von Apoll gebaut worden. Gott ist das Bollwerk gegen den Krieg, sagt Homer in seiner Ilias, die kein Heldenepos ist.
Homer lässt die beiden gewaltigen Krieger Hektor und Ajax nach deren Zweikampf, der keinen Sieger hatte, sagen: „Wir brauchen keine Denkmal des Ruhmes am Hellespont, an dem die Seefahrer später vorbei kommen und von den Helden der Vorzeit erzählen. Wir wollen Freundschaft schließen! Wir wollen uns in diesem Krieg nicht mehr begegnen.“ Und sie tauschten ihre Schwerter. Zwei Heroen entdeckten mitten im Gemetzel des Krieges die unantastbare Würde des Menschen und damit die Menschlichkeit.
Griechen und Phönizier oder auch die „barbarischen“ Perser sind im Geiste verwandter als unser Vorurteil es haben will. Wir sollten Brücken bauen, gerade in den Tagen des Jahres 2011, in denen die Völker Nordafrikas sich gegen die Tyrannis erheben und wir sollten ihnen ihre uralte Würde bestätigen, indem sie Freiheit, Gleichheit und Solidarität erfahren.

Hartmut Nielbock Seth, den 1. März 2011

 

Wir möchten uns bei unseren Gruppenleiterinnen und Gruppenleitern sowie deren Teilnehmern ganz herzlich für die tollen und umfassenden Reiseberichte, Tagebücher, Gedichte und Gedanken zu den Reisen bedanken!