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Eine Reise nach Persien

Rückblick und Beobachtungen auf und während einer umfassenden Kulturreise durch den Iran, dem Kulturland Persiens.

Miniatur in Isfahan, Iran

„In, den Iran? Wie kannst Du da nur hinreisen!“ - „Was ist denn da zu sehen? Gibt es nicht andere Länder, in denen viel mehr zu sehen ist?“ -Sind da nicht dauernd Unruhen?“ - „Müssen sich nicht die iranischen Frauen total verschleiern und werden dort nicht noch Frauen gesteinigt und Christen verfolgt?“ - „Hoffentlich kommst Du heil wieder zurück!“ Kopfschütteln von mindestens jedem Zweiten, dem ich von meiner Reise erzählt hatte.

Doch Persien ist ganz anders!

Wenn ich an meine vier Israelreisen denke, erinnere ich mich als erstes an die langwierigen Einreiseprozeduren auf dem Frankfurter Flughafen, vom israelischen Militär bewacht. Alles in allem dauerten sie drei bis vier Stunden in Gedrängel von Mensch und Gepäck.

Um die Boardingcard nach Teheran zu bekommen, ging ich, ohne in ein Gedrängel zu kommen, zum Schalter der Iran Air, stellte meinen Koffer auf das Laufband, legte mein Ticket und meinen Pass vor, in dem das Visum für den Iran eingedruckt ist und bekam nach freundlichem Gespräch meinen Sitzplatz in dem großen Airbus. Das war alles. Es reichte zwei Stunden vor der Abflugzeit dort zu sein. Die Check-In-Kontrollen sind wie überall zu unserer Sicherheit, um in das Gate und das Flugzeug zu kommen. Dort fanden sich allmählich ca. 250 Personen ein. Wir flogen „non stopp“ in vier dreiviertel Stunden nach Teheran. Im Gate warteten vorwiegend Perser und Perserinnen, zwei deutsche kleinere Reisegruppen und ein paar deutsche Handelsvertreter. - Deutschland hat, trotz des Handelsboykotts mit dem Iran, rege wirtschaftliche Beziehungen mit dem Land. Das ist auch historisch bedingt. So sagte es mir ein deutscher Kaufmann, der mit dieser Maschine flog.

Im Flugzeug saßen auffällig viele jüngere Perserinnen ohne Kopftuch.

Überhaupt trug zunächst niemand ein Kopftuch. Ich saß neben einer ca. 60 jährigen Perserin, die vor 30 Jahren aus dem Iran geflüchtet war und seit vielen Jahren deutsche Staatsbürgerin ist. Sie stellte eine schwere Tasche zwischen unsere Sitze. Ich war neugierig genug, sie zu fragen, warum sie diese schwer beladene Tasche nicht mit dem Hauptgepäck aufgegeben hätte. „ Darin seinen all die wichtigen Mitbringsel für ihre Familie.“ Und dann erzählte sie mir ihre Lebensgeschichte, die so spannend ist, dass sie hier leider den Rahmen zu Wiedergabe sprengt. Dieses Einzelschicksal warf für mich ein Licht auf die tragische Geschichte des hoch gebildeten persischen Volkes, das eine 2500 Jahre alte Kultur besitzt. Jedenfalls fährt die gut aussehende und gut deutsch sprechende Dame jedes Jahr in ihre alte Heimat, um die Großfamilie zu besuchen. Sie freue sich schon riesig, einmal die typisch persische Gastfreundschaft erleben zu können, die sie ein wenig in Deutschland vermisst und auch in Dänemark, wo eine ihrer Töchter verheirat ist.

Was persische Gastfreundlichkeit ist, sollten wir hautnah zu spüren bekommen. Das „Welcome“ erlebten wir bereits bei der Passkontrolle auf dem Teheraner Flughafen. Nachdem der Beamte meinen Pass kontrolliert hatte, ohne einen Fingerabdruck zu nehmen, wie es in den USA gemacht wird, und ohne schikanöse „Anguckerei“, wie es früher die DDR- Beamten so taten, sagte er auf Englisch zu mir: Bei uns heißt „Hartmut“ „Mahmud“, grinste mich an und sagt dann: „Welcome in our counrty!“ Wir hatten für unseren Besuch bei der deutschen evangelischen Gemeinde in Teheran Wunschgeschenke mitgebracht, wie durchwachsenen Speck (vom Schwein natürlich verboten). Sie wurden schon angeguckt, gingen dann aber alle durch die Zollkontrolle anstandslos durch. Die Prozedur der Einreise auf dem Flughafen Teheran wär erstaunlich kurz. Und so waren wir in einem Land, das uns überall normal und gastfreundlich erschien.

Was beobachtet ich über das Tragen des Kopftuch und der übrigen Bekleidung?

Das Kopftuch ist obligatorisch im Iran. Doch wie die persische Frau es trägt, ist ihrer persönlichen Art überlassen. So sieht man in den ärmeren Vierteln Frauen vorwiegend im schwarzen Chador (knöchellanger Mantel). In den besseren Stadtteilen trägt die Frau das Tuch locker auf den Kopf, so dass das Haupthaar sich in die Stirn wellt. Unter einer halblangen Jacke trägt sie Jeans oder andere Hosen. Mode scheint es, in hellen Turnschuhen zu gehen. Das sieht besonders komisch aus, wenn eine Frau den schwarzen Chador trägt.

Die Frauen unserer Gruppe trugen ihr Kopftuch, wie Frauen es früher in Europa trugen. Eine Frau aus unserer Gruppe band es sich so auf dem Kopf, wie es Bäuerinnen auf dem Dorf heute noch bei der Arbeit tragen. Ansonsten trugen sie lange, meist farbige Hosen, weite halblange Blusen oder Jacken, Sie fielen durchaus aus dem Rahmen. Aber sie wurden von niemandem wegen ihrer Kleidung angesprochen. In den Moscheen und anderen heiligen Orten bekamen sie einen weißen Chador, in dem sie wie Engel aussahen. Das Kopfituchtragen beim Mittagessen im Restaurant war aber schon sehr lästig für sie.
Wir machten, wie schon angedeutet, gleich am ersten Tag einen Besuch in der deutschen evangelischen Gemeinde in Teheran. Dort empfingen uns die amtierende deutsche Pastorin und sieben weitere deutsche Frauen, die mit Persern verheiratet sind und seit meist vielen Jahren im Iran leben. Sie sind vor dem Gesetz Muslima, fühlen sich aber als Christinnen und dürfen in der christlichen Gemeinde tätig sein und sich dort treffen. Sie waren alle sehr selbstbewusst. So träten sie auch in der Öffentlichkeit auf, denn auch die Perserin trägt auch ein großes Selbstbewusstsein zur Schau und sie dürften sich auch in der Öffentlichkeit als Christinnen bekennen, so sagten es diese deutschen Frauen. Es ist ein merkwürdiger Unterschied: ein konvertierter Christ kann wie ein Zwitter im Iran leben, also offiziell Muslim und Christ zugleich zu sein. Ein zum Christentum konvertierter Muslim wird mit der Todesstrafe bedroht. So darf ein Perser auch nicht in den Innenraum der Kirche hinein und an einem Gottesdienst teilnehmen. Das Buch „Nicht ohne meine Tochter“ wurde von allen Frauen als Machwerk abgelehnt, was weder der tatsächlich in Teheran lebenden Familie, noch ihrer eigenen Wirklichkeit entspräche. Die Buchschreiber hätten nur mit westlichen Vorurteilen Geld machen wollen, so sagten sie. Das erstaunlichste Urteil dieser Frauen über die Perser war: Viele gebildete Perser sähen im Christentum die Religion der Freiheit und viele würden nach dem Ende des Gottesstaates zum Christentum übertreten. Mit einem Mann, der so dachte, habe einige Tage später ein Gespräch gehabt, das dieser suchte. Auf Englisch fragte er mich nach meinem Beruf. Ich sagte, ich sein „Priester“. Er fragte: „Katholischer“ oder „Protestantischer“? Als ich sagte, ich sei evangelisch, sagte er, dies sei gut. Denn dieser Glaube sei weltoffen anders als der Katholizismus und der Islam, die beide zum Gottesstaat neigten. Er habe den Gottesstaat satt und möchte lieber in einem säkularen Staat leben mit einer Religion, die Staat und Religion trennt. Dabei gesellte sich eine Frau mit Aktentasche, ca. 40bis 45 Jahre alt, zu uns beiden und hörte zu. Sie trug das Kopftuch locker, so dass ihr schwarzes Haar auf die Stirn fiel. Als der junge Mann sagte, er sähe im Christentum die Religion der Freiheit, nickte sie mit dem Kopf. Sie gab sich als Lehrerin zu erkennen, die auf dem Weg von der Schule nach hause war. Woher er das wüsste, fragte ich den Mann erstaunt. Man beschäftige sich durchaus mit den anderen Religionen, erwiderte er. Dann schlug er mir auf die Schulter, sagte „welcome!“ und ging. Kluge Leute, diese jungen Perser! Übrigens waren wir drei Stunden mit den Frauen der deutschen Gemeinde im Gespräch vertieft.

Das Volk hat eine hohe westliche Schulbildung, die der Schah eingefuhrt hatte und die nicht von der jetzigen Regierung geändert wurde. Viele Menschen auf der Straße sprachen uns mit fließendem Englisch an. Die Frauen haben ebenfalls eine gute Ausbildung, so dass die Frau in der Regel berufstätig ist.

Der Iran erlebte in der Schahzeit und auch danach eine Bevölkerungsexplosion. Innerhalb der vergangenen 50 Jahre wuchs die Bevölkerung von 35 auf 70 Millionen Menschen. Jetzt ist dies gestoppt, weil die jungen Frauen nur ein oder zwei Kinder bekommen, da sie auf ihre Berufstätigkeit nicht verzichten wollen. Die Großstädte quellen trotzdem über und die Straßen sind mit Autos verstopft, weil die Landflucht nicht aufhört. Teheran hat inzwischen 10 Millionen Einwohner. Ein gewaltiger Bauboom ist in den Städten zu beobachten.

Christentum, Judentum und die Zarathustrareligion sind als Minderheiten gesetzlich geschützt. Deshalb gibt es auch die ev. Kirche in Teheran. Es gibt heutzutage keine Mob-Überfälle auf Christen, wie es in jüngster Vergangenheit in der Türkei passiert war. Wir durften auch unter freiem Himmel einen christlichen Gottesdienst feiern, allerdings auf freier Flur neben dem Grabmonument der Königs Kyros II. Das hatte auch mich überrascht, der ich doch unter so viel gut gemeinten Vorwarnungen und Bedenken in dieses Land gereist war.

Der Wiederaufbau mancher Städte - Saddam Hussein hatte sie im Irak/Irankrieg zerstört. Er hatte ihn 1980 angezettelt, Dieser brutale Krieg dauerte 10 Jahre bis 1990 - ist im vollen Gange. Er ist also nach fast 20 Jahren immer noch nicht abgeschlossen

Den Iran trifft die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise mit voller Wucht. Auf 25% ist die Arbeitslosigkeit angestiegen. Sie trifft also besonders hart die Bevölkerung. Dazu trifft der westliche Handels-Boykott vor allem die Menschen, die sich nach Frieden mit der übrigen Welt sehen und gern wieder in die Völkergemeinschaft aufgenommen werden möchten. Das haben uns so viele junge persische Studenten auf der Straße erzählt. Wir mögen doch dies als Botschaft nach Deutschland tragen und sie nicht vergessen oder sie verteufeln als ein Volk des Bösen. Sie sind keine Rassisten, und von ihrem Boden gehe keine islamische Weltrevolution aus. Was die Shia bedeutet, so sei sie nicht die im persischen Volk von uns angenommene Gewaltbereitschafit gegen den Westen. Das Hauptproblem, das die Perser haben, ist der Staat Israel. Die jungen Studenten sagten uns, sie hätten nichts gegen die Juden an sich. Bei uns lebten, so sagten sie, die Juden gesetzlich geschützt. Aber den Staat Israel empfanden sie als Bedrohung für sich und den ganzen vorderen und Mittleren Orient. Hier läge das brennende Problem, das den ganzen Eurasischen Weltkreis betrifft, also uns auch in Europa. So meinten sie. Es geht also um die Bombe! Ein junger Perser sagte mir sinngemäß- übrigens in hervorragendem Schulenglisch - „Hoffentlich haben wir d.h. der Iran - die Bombe nicht! Denn wir würden uns dann von Israels Bombe bedroht fühlen.“ So sieht die Welt von der anderen Seite aus. Dann fugte er etwas bitter hinzu: „Nach Israel reist Ihr Europäer bedenkenlos, aber in unser Land zu reisen, da seht Ihr Sicherheitsprobleme! Das kann ich nicht verstehen.“

Ich hatte ja zuhause genügend gehört, wie gefährlich es doch sei, in diese unruhige Region zu reisen.

Ich habe nun mit vielen anderen Iranreisenden festgestellt, der Iran ist ein sicheres Reiseland! Ja, mehr noch: Dieses Land zeigt sich gastfreundlich, offen und einladend durch die einfachen Begegnungen von Mensch zu Mensch, wie ich es so herzlich noch nirgends gesehen habe.

Wir sind den Persern so herzlich nahe gekommen, weil sie auf uns zugingen. Jeden Tag erlebten wir irgendwo entsprechende Begegnungen, wenn wir durch die Städte bummelten, um irgendeinen prächtigen Moscheebau oder ein Mausoleum eines ihrer großen Dichter oder Denker zu bestaunen.

Auch Persien ist ein Land der Dichter und Denker.

Wie gesagt, die Perser lernen in der Schule englisch, einige Gebildete sprechen perfekt, viele aber können wie wir ein paar Brocken, die für die herzliche Begegnung reichen. Der Rest beruht auf Gestik und Zeichensprache.

Am Korantor in Shiraz picknickten am Freitag (Feiertag) viele Familien auf den Grünflächen. Der Ablauf der Begegnung mit uns verlief immer so: Zuerst ein verstohlener Blick. Dann ertönt von Ihnen ein helles „Hallo“. Dann heben sich die Hände und alt und Jung winken schüchtern aber lächelnd uns zu. Nun erst bleiben wir stehen. Bevor wir etwas sagen, rufen sie: „Welcome! Were do you come from?“ Wir antworten: „Germany“. Bei diesem Wort werden die Minen noch heller. Denn trotz unserer gegenwärtigen Politik und unserer „Orient-Befremdlichkeit“ gegenüber Schiiten und der jetzigen Regierung, mögen die Perser gerade uns Deutsche. Wir seien schließlich gemeinsam Arier! Dann erzählen sie, woher sie kommen. Sie seien, so sagte ein Familieoberhaupt mit weißem stattlichem Kopftuch, von einem Dorf in die Großstadt gezogen. Von einem anderen hörten wir, sie seien vor 25 Jahren vor den Raketen Saddam Husseins aus Mesopotamien geflüchtet. Dann zückten sie Ihren. Fotoapparat: „Can I take a pikture from you?“ Es wurde geknipst ....“The hole family with us Germans.“ Das Gespräch war öffentlich. Der Autoverkehr brauste vorbei und überall gingen oder saßen Menschen. Ein Narr, der nur an Stasispitzel und IM's denkt! Das Ganze wiederholt sich mit einer anderen Familie mit anderen aus unserer Gruppe. Und vor dem herzlichen Abschied noch ein Foto im Schulterschluss. Man weiß genau, wie man sich gesetzes- konform verhält und was in den Grauzonen alles möglich ist und geduldet wird. Denn es ist auch der ein Narr, der den Staat mit einem Gesetzesbruch heraus fordert. Da fugt man sich als Tourist und Gast auch problemlos ein. Jedenfalls haben wir nirgends eine willkürliche polizeiliche Kontrolle gesehen. In den Autoverkehr. B. in Isfahan kann sich so wie so kein Verkehrpolizist lenkend rein stellen. Man fahrt wie die Leute überall ums Mittelmeer so fahren - nach Gefühl, ohne auf Ampeln und Zebrastreifen zu achten. Isfahan liegt auf demselben Längengrad wie Tel Aviv oder Casablanca. Teheran liegt auf der Höhe von Syrakus in Sizilien. Es gibt keine Penner und keine Besoffenen und keine grölenden Horden von Jugendlichen auf den Straßen zu sehen. Die Menschen laufen aber auch nicht geduckt herum, als stünden sie unter ständiger Beobachtung des „Großen Bruders“. Der Gottesstaat hatte eine strenge puritanische Moral. Alkoholkonsum oder -verkauf und Drogenhandel stehen unter Strafe. Rauchen in der Öffentlichkeit im Menschgewimmel ist verboten, in öffentlichen

Gebäuden wie Restaurants sowieso! Ansonsten ist es erlaubt. Es herrscht Ordnung im Staat der Ayatollahs! Im Iran ist es sicher, sich zu bewegen, wobei man seien Reisepass nicht sichtbar machen sollte -das erweckt Begehrlichkeit! Der Pass gehört in den Safe im Hotel und nicht auf die Straße! Es gibt schon z. B. in Isfan Gelegenheitsdiebe im Gedränge, aber es gibt keine Selbstmordattentäter, gegen wen auch? Das letzte Attentat im Südosten des Landes war an der Grenze zu Pakistan und ging von dort aus. Es brandet um diesen Staat: im Westen der unruhiger Irak und im Osten der Krieg in Afghanistan und die Terroranschläge in Pakistan. Aber der Iran ist in sich stabil, auch wenn das gebildete Volk für die Liberalisierung der Gesellschaft mit friedlichen Mitteln demonstriert.

Die uns „life“ von einem deutschen Ehepaar berichtete Demonstration in Ahwaz am zweiten Tag unserer Reise und die Großdemonstration in Teheran und kommende fuhren nicht in einen Bürgerkrieg, so sagten es uns Studenten. Denn das Volk hat genug vom Krieg. Eine „Revolution“ von unter ist ein langjähriger und langwieriger Prozess, der jetzt schon im Gange ist. Man kennt Deutschland gut und so auch die Befreiung Ostdeutschlands mit Kerzen auf den Montagsdemonstrationen vor 20 Jahren.

Viele unserer Begegnungen ergaben sich sehr natürlich und zufällig, immer auf öffentlichen Plätzen. Meistens waren es Studenten, die mit uns sprechen wollten. Diese kamen auf uns zu. Es bestand ganz offensichtlich das Bedürfnis, vor Leuten aus der westlichen Welt sein Leben zu erzählen und zu erfahren, wie es sich in Deutschland lebt.

Dabei wurde aber auch von einigen gefragt, ob es stimme, dass es schwierig sei, sich in Deutschland ins gesellschaftliche System zu integrieren und dass es eine latente Fremdenabwehr gäbe.

Woher kommt es, dass wir eine so diffuse Angst vor diesem persischen Volk und diesem Staat haben, wie ja die Fragen am Anfang meines Berichtes es zeigen?

Der Iran ist weit weg, liegt für viele in einer fremdem und unbekannten Welt. Was kann da schon los sein? Viele haben diesem Land gegenüber eine geistige Sperre, wenn sie meinen, dieses Volk sei im Mittelalter zurück geblieben. In unserem Kopf erscheint es wie ein Entwicklungsland, das gefährliche Waffen besitzt. Es sei ein Willkürstaat, der jederzeit los schlagen kann. Schiiten sind ja, wie unser klaren und logischer Kopf sagt, brutale Krieger. Sie würden gerne als Märtyrer sterben.

Woher kommen diese Meinungen? Sie gehen zurück auf die alten Griechen, die gesagt haben, die Freiheit Europas hätten sie gegen die Barbaren an den Thermophylen verteidigt, bei Marathon und Salamis. Die griechischen Geschichtsschreiber haben das negative Bild der Perser entworfen. Sie seien das Volk, das die Unfreiheit und Willkürherrschaft über alle Völker der Erde bringen wollte. Mit diesem Vorurteil zog bereits Alexander gegen dieses barbarische Volk zu Felde. Doch entdeckte er eine ganz andere Kultur, die z. B. der Frau eine höhere Stellung gab, als es die griechische Männerdemokratie in Athen ihr zubilligte. Die kulturelle Autonomie der einzelnen Völker im riesigen Perserreich könnte man als einen ersten Versuch oder als eine Vorstufe der modernen Völkergemeinschaft der Erde ansehen.

Die griechische Version vom bösen Perser hat leider fälschlich in den Geschichtsbüchern Platz genommen bis heute: So entsteht der vom alten griechischen Denken abgeleitete Satz: Die Freiheit Europas müssen wir heute am Hindukusch verteidigen.

Doch wer sich mit der religiösen Weisheitslehre von Zarathustra beschäftigen sollte, erfahrt etwas von der im europäischen Humanismus am Ende des Mittelalters wieder entdeckten Lehre vom freien Willen, der gegen die Lüge und Heuchelei mit Mitteln der Wahrheit und des Lichtes kämpft, damit die gute Schöpfung Gottes rein von aller Verdunkelung bleiben möge. Die Schöpfung besteht aus vier Elementen, lehrte Zarathustra. Die vier Elemente sind: Luft, Wasser, Erde und Feuer. Aufgabe des Menschen ist es, sie rein zu erhalten. Wir bemühen uns heute in Klimakonferenzen, die Verschmutzung von Geist und Natur zu bekämpfen.

Doch das Zerrbild von den barbarischen Persern der alten Griechen geistert weiter in unseren Köpfen, wie man es uns auch in der Schule beigebracht hat. Zur Weitung des eigenen Horizontes und unseren Weltbildes ist eine Reise in den „Iran eine lohnenswerte Sache. Viele Leute kommen wie umgekrempelt aus diesem Land zurück und berichten von ihrem Erstaunen, wie anders die Menschen in diesem Land leben.

Es gibt natürlich in diesem Land auch viele Sehenswürdigkeiten. Wer z. B. auf dem Plateau von Persepolis steht und in die weite Ebene schaut und dann noch weiß, dass hier jährlich eine Völkerversammlung stattfand unter der Führung des Großkönigs Darius am persischen Neujahrstag (Nouruz genannt) - er wird auch heute noch am 21. März gefeiert - hat eine Stemstunde der Menschheit vor seinem geistigen Auge. Es zeigt sich die Vision wie in der Bibel es gesagt wird, wenn am Ende aller Zeiten die Völker ohne Waffen sich auf den Berge Zion versammeln werden. Dies bildet Persepolis vorweg ab in der Idee eines Darius L, der um 550 v. Chr. lebte. Persepolis war eine Völkerbegegnungsstätte. Dazu hatte Darius dieses gigantische Bauwerk geschaffen. Der Glaube an den einen Schöpfergott, den Darius von Zarathustra übernahm, brauchte dort auch keine Göttertempel, weder für Zeus noch für die syrischen Baals. Im Gegenteil! Der Platz für den unsichtbaren Geistgott ist auf der langen Reliefwand leer! „Ahura Mazda“ ist kein Eigenname für Gott, sondern beschreibt sein Wesen als die Macht der Weisheit, des Lichtes und der Wahrheit. Mit diesem Gott lässt es sich streiten für eine bessere Welt, gegen die Lüge und Finsternis (Verdunkelungsmethoden), die aus der Begierde (ein vorweggenommener buddhistischer Gedanke) kommen. Alle Kräfte des Bösen heißen zusammen gefasst auf Altpersisch „Ahriman“. Der Perser Zarathustra lebte lange vor Buddha.

Der Islam hat in Persien eine andere Form bekommen als anderswo in der moslemischen Welt durch die altpersische Zarathustra -Religion, die bis heute nicht ausgestorben ist. Eine genaue Betrachtung des persischen Schiitentums ist deshalb von größtem Interesse. Darüber möchte ich einen abendlichen Vortrag halten. Ich schließe meinen Bericht mit den Eingangsworten:

Persien ist ganz anders, eine fremde aber unheimlich faszinierende Kultur.

Hartmut Nielbock
Seth, den 27. November 2009

Wir möchten uns bei unseren Gruppenleiterinnen und Gruppenleitern sowie deren Teilnehmern ganz herzlich für die tollen und umfassenden Reiseberichte, Tagebücher, Gedichte und Gedanken zu den Reisen bedanken!