Blog Reiseberichte

Könige und Kabiren - Kulturreise Griechische Inseln

Vergina - Pella - Thessaloniki und die Insel Lemnos

vom 28. Mai bis 4. Juni 2005

 

Griechenland, Ägäis

Einführung

Auch in diesem Jahr wird uns unsere Fahrt wieder in den Norden von Griechenland fuhren und wir werden uns in einem Raum bewegen, der außerhalb des sog. klassischen Griechenlands liegt. Dabei bleiben wir drei Tage auf dem Festland und vier Tage wieder auf einer Insel.

Standort auf dem Festland wird Thessaloniki sein. Von dieser Stadt wollen wir einen Gesamteindruck erhalten und uns ihre wichtigsten Sehenswürdigkeiten betrachten.

Auf einem Ausflug ins Umland werden wir zwei historische Stätten besichtigen und uns dabei mit den Makedonen beschäftigen, auf die auch die heutige Bezeichnung dieses Gebietes als Makedonien zurückgeht. Allerdings haben die Historiker noch manche Schwierigkeiten, wenn es um die Herkunft der Makedonen geht: waren sie Griechen oder nicht?

Die klassischen Griechen nämlich, die Aeoler, Dorer und Ionier, wollten sie lange nicht als Griechen anerkennen, sondern sahen in ihnen halbe Barbaren. Sie ließen sie daher zu den olympischen Spielen nicht zu; denn nur Griechen durften daran teilnehmen. Erst im 5. Jhdt. v.Chr. gelang es dem Königsgeschlecht der Makedonen für ihre Familie die Zulassung zu den Spielen zu erreichen. Als es aber unter Philipp II. von Makedonien zur Einigung der griechischen Stämme unter makedonischer Führung gekommen war, gab es diese Frage nicht mehr: Die Makedonen waren als Griechen anerkannt und unter Alexander dem Großen wurden sie die Träger griechischer Kultur und schufen durch ihre Eroberungen die Grundlagen für die „hellenistische Welt“.

Für die heutigen Griechen existiert diese Frage auch nicht mehr: Die Makedonen sind selbstverständlich Griechen ohne wenn und aber.

Bei unserem Ausflug von Thessaloniki aus werden wir zu zwei Plätzen kommen, die für die Geschichte der Makedonen von Bedeutung sind, nach Pella, ihrer Hauptstadt zur Zeit Philipps und Alexanders, und nach Vergina, der Grabstätte Philipps II.

Auf der Insel Lemnos, oder Limnos, wenn wir die griechische Variante des alten Namens Anµvoc nehmen, werden wir in einem Hotel am Strand ca. 1 km südlich von Myrina, der Hauptstadt der Insel, untergebracht sein. Lemnos gehört zu den nördlichen Sporaden oder den sog. Thrakischen Inseln (zusammen mit Eustratios, Thasos und Samothrake) und spielte schon in der griechischen Mythologie eine Rolle.

Kurzer historischer Abriss über das Gebiet der Ägäis

550 - 630 n. Chr. Alles Gebiet der Aegaeis, Inseln und Küsten, sind Gebiet des byzantinischen
Reiches.

622 - Auftreten Mohammeds. Beginn der islamischen Expansion

630 - 1203 Kämpfe des byz. Reiches gegen Angriffe islamischer Völker:
Sarazenen (Araber), Seldschuken, Mamelukken
Interessengebiet der italischen Seestädte Venedig, Genua und Pisa
Beginn der Kreuzzüge. Es entstehen die Kreuzfahrer Staaten:
Königreich Kleinarmenien (1081 - 1375)
Grafschaft Edessa (1098 - 1116)
Fürstentum Antiochia (1098 - 1268)
Grafschaft Tripolis (1102 - 1289)
Königreich Jerusalem (1099 - 1187)
Das Königreich Zypern (1192 - 1482)
Angriffe der Normannen

1203       4. Kreuzzug Eroberung Konstantinopels durch christliche Kreuzfahrer, die sog. Franken. Zerschlagung des großen byzantinischen Reiches.

Es entstehen: Das lateinische Kaiserreich Konstantinopel
Das lateinische Königreich Thessaloniki
Das Herzogtum Athen
Das Fürstentum Achaia (auf der Peloponnes)
Das byzantinische Restreich um Nikäa
Das byzantinische Despotat Epirus
Die venetianischen Besitzungen rings um die Peloponnes
Die venetianische Herrschaft auf Kreta
Das (lateinische) Herzogtum Naxos (mit den umliegenden Inseln)

1203 - 1450 Zu den oben genannten Herrschaften kommen noch:
1261 die Rückeroberung Konstantinopels durch die Byzantiner Das byzantinische Despotat Mistra
Die genuesischen Inseln Lemnos, Lesbos und Chios
Die Johanniterherrschaft auf Rhodos
Es entsteht das osmanische Reich, das alle islamischen Gebiete unter seine Herrschaft bringt und sich immer weiter über die Aegaeis ausbreitet.

1453 Eroberung von Konstantinopel durch die Osmanen

1460-1800 Aufstieg des osmanischen Reiches.
Die Osmanen sind die Herren der Aegaeis.
Ein weiteres Vordringen nach Westen verhindert die Seeschlacht von Lepanto 1571.

nach 1800 Aufkommen des Philhellenismus in Europa
1821 - 1829 Griechischer Befreiungskrieg
Eingreifen der „heiligen Allianz“ (England, Frankreich, Russland).
Rückzug der Osmanen aus dem Balkan
1912 die Italiener erobern (und behalten) Rhodos und die Dodekanes (bis 1947). 1912/13 Zwei Balkankriege: Makedonien und die Inseln Thasos, Lemnos, Lesbos, Chios und Samos werden griechisch.

Thessaloniki
Thessaloniki, die zweitgrößte Stadt Griechenlands, ist eine moderne, lebendige, aufstrebende Stadt. Ihre Bürger allerdings haben ein großes Problem: es geht ihnen, Athen gegenüber, ähnlich wie den Oberfranken München gegenüber. Sie haben den Eindruck, dass Athen alles an sich ziehen will: die ganze Verwaltung, die wichtigste Industrie, die großen Banken, die großen Handelshäuser usw. Vielleicht gerade deshalb sind sie so bemüht, so aufgeschlossen und ausgesprochen fortschrittlich. Thessaloniki, 1981 noch 560 000 Einwohner, hat heute in seinem Großraum etwa eine Million. Es ist die Stadt der internationalen Messen - an dem großen Messezentrum werden wir bei der Fahrt
vom Flugplatz zu unserem Hotel vorbeikommen -, es hat eine große, rührige Universität, die es nach Aristoteles genannt hat, es hat seinen Hafen ausgebaut und zieht immer mehr Passagier- und Handelsschiffe an, es pflegt seine moderne Innenstadt genauso wie seine alten Kirchen und die Altertümer, es hat eine Reihe von Museen, die es laufend modernisiert, und es ist in den letzten Jahren stark in den Tourismus eingestiegen und wirbt geschickt und mit gut gemachten Prospekten für die Stadt, die Präfektur Thessaloniki und den ganzen Norden Griechenlands. Dass Thessaloniki 1997 Kulturhauptstadt Europas gewesen ist, wird das Selbstwertgefuhl seiner Bewohner sicher gestärkt haben.

Was die Antike angeht, so kann es mit Mittelgriechenland, Athen und der Peloponnes nicht konkurrieren, aber es stellt jetzt deutlich seine Stärken heraus.

Werfen wir einen kurzen Blick auf seine Geschichte:

Thessaloniki wurde 316 n. Chr. von Kassander, dem Sohn des Antigonos, gegründet. Antigonos war ein General Alexanders des Großen, den er bei seinem Eroberungszug nach Kleinasien in Makedonien als Befehlshaber zurückgelassen hatte. Sein Sohn und Nachfolger Kassander gründete die neue Stadt und nannte sie nach seiner Frau Thessalonike, einer Halbschwester Alexanders des Großen.

In der Geschichte der Stadt können wir drei Perioden erkennen:

Die erste Periode möchte ich die Byzantinische nennen. Sie zeigt am Anfang die Entwicklung vom Hellenismus über die Römerzeit bis zum eigentlichen Beginn der byzantinischen Zeit unter Kaiser Justinian und geht, in verschiedenen Abschnitten, bis zur Eroberung durch die Osmanen. Einen jähen Einschnitt in dieser Periode bringt für Thessaloniki das 13. Jhdt.: 1204 wird es von den fränkischen Kreuzrittern erobert. Diese bilden ein lateinisches Königreich. Das kann sich nicht lange halten. Die byzantinischen Herren von Epirus, die fränkischen Herren und Venedig wechseln sich im Besitz ab, bis es schließlich wieder zu dem byzantinischen Reich von Konstantinopel gehört.

Die zweite große Periode ist die osmanische. Sie beginnt für die griechische Bevölkerung mit einer Katastrophe. Nach der Eroberung durch die Osmanen 1430 bleibt kaum ein Grieche mehr in der Stadt. Sie sind entweder erschlagen, in die Sklaverei geführt oder verjagt. Einen Aufschwung nimmt die Stadt erst wieder, als 1493 zwanzigtausend Juden angesiedelt werden. Sie waren nach der Eroberung von Granada durch die „allerchristlichen Könige“ Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon aus ihrer spanischen Heimat gejagt worden. Sie sorgten dafür, dass in Thessaloniki Handwerk, Handel und Schifffahrt wieder Aufschwung nahmen. Die Bevölkerung wuchs in den nächsten Jahrhunderten, und um 1900 sind von den etwa 160 000 Einwohnern 50% Juden und 50% zu ziemlich gleichen Teilen Türken und Griechen. Der große Befreiungskampf der Griechen 1821 - 1829 brachte dem Norden Griechenlands noch keine Befreiung von der türkischen Herrschaft. Die Stadt war weiterhin Teil des osmanischen Reiches. So wurde 1880 z.B. in ihr Mustafa Kemal geboren, der später den Beinamen Ata Türk erhalten sollte. Erst mit den Balkankriegen kam 1812 der Anschluss an Griechenland.

Damit beginnt die dritte, die neugriechische Periode.

Thessaloniki und Makedonien sind nun Teil des 1832 neu gegründeten Königreichs Griechenland. Dieses nimmt auf Seiten Englands und Frankreichs am 1. Weltkrieg teil, und englische und französische Schiffe und Truppen liegen 1917 im Hafen und erleben den großen Brand, der große Teile der Altstadt völlig vernichtet und 80 000 Menschen obdachlos macht. Der Neuaufbau begann - nach einem einheitlichen Plan eines französischen Architekten - aber es war noch Krieg, und obwohl die Griechen zu den Siegern gehörten, nahm er für sie doch ein schreckliches Ende. Ihr Versuch, ein Großgriechenland einschließlich der türkischen Aegaeisküste zu schaffen, scheiterte. Es kam zu dem makabren „Bevölkerungsaustausch“, bei dem etwa 2 Millionen Griechen ihre Heimat in der Türkei verlassen mussten und nun als Flüchtlinge ins Mutterland strömten. Viele führte dabei der Weg über Thessaloniki und viele blieben dort hängen, weil sie sich in einer Stadt mehr Möglichkeiten versprachen, eine neue Existenz aufzubauen. So gibt es im Stadtbild der neu erbauten Innenstadt zwar einen einheitlichen Plan (parallel zur Küste und zur alten Via Egnatia verlaufende Hauptstraßen und dazu parallele diagonale Straßen), aber vom Stil her doch ganz verschiedene Gruppen. Insgesamt aber bietet das Ganze ein freundliches, großzügiges Bild mit vielen Geschäften, zahlreichen geräumigen Plätzen und einem regen Leben.

Thessaloniki ist die Hauptstadt der Provinz Makedonien - und das war sie schon unter ihrem Gründer Kassander und dann später unter den Römern. Hierher wurde Cicero in die Verbannung geschickt und hierher kam der Apostel Paulus und gründete eine erste christliche Gemeinde.

Wir werden mit Bus und zu Fuß durch die Stadt kommen und uns die wichtigsten Sehenswürdigkeiten betrachten. Über die Reihenfolge kann ich allerdings jetzt noch keine Angaben machen. Das hängt von unserer einheimischen Führerin ab, von den Öffnungszeiten der Museen und der einzelnen Kirchen und davon, was vielleicht gerade geschlossen ist. Ich möchte mich daher an eine zeitliche Folge halten.

Aus der hellenistischen Zeit ist nichts erhalten. Aber aus der Römerzeit werden wir einige Reste zu sehen bekommen. An der Platia Dikastirion liegt das Römische Forum, auch als Römische Agora bezeichnet, weshalb der Platz an dem es liegt auch Platia Archeas Agoras genannt wird.

Erst durch den großen Brand von 1917 sind die Reste des Forums, die völlig überbaut waren, zu Tage gekommen und ab 1960 wieder für den Besucher hergerichtet worden. Wir sehen ein Theater (wahrscheinlich ein Odeon), die Reste eines großen Platzes, der einst von Säulenhallen umgeben war und eine unterirdische Verkaufsstraße, einen sog. Kryptoporticus. Aus der Zeit des Kaisers Galerius haben wir drei Zeugnisse. Galerius war einer der vier Herrscher, unter die Diokletian bei seiner Reichsreform das zu groß gewordene römische Imperium geteilt hatte. Er hatte seinen Regierungssitz in Thessaloniki und hatte sich einen Namen gemacht durch seine siegreichen Feldzüge gegen die Perser. Zu Ehren seiner Siege wurde 306 n. Chr. ein großer, mit vielen Reliefs geschmückter Triumphbogen errichtet, von dem ein Teil noch steht. Von ihm führt ein schön hergerichteter Weg zur nahen Rotonda, einem Rundbau, den Galerius wahrscheinlich als Mausoleum für sich errichten ließ. Kaiser Theodosius (379 - 392) machte daraus eine christliche Kirche, die Türken bauten es zu einer Moschee um. Heute ist es - aufwendig restauriert - Museum.

Aus der Zeit des 4. Jhdts. stammen auch noch die geringen Reste des kaiserlichen Palastes. Vom großen Hippodrom dieser Zeit, in dem unter Theodosius ein großes Massaker stattgefunden hatte, ist nichts mehr erhalten.

Aus der byzantinischen Zeit stammen eine ganze Reihe von Kirchen. Die ältesten gehen bis ins 5. Jhdt, zurück. Dazu gehört die Kirche des Hosios David in der Oberstadt mit einem schönen Goldmosaik und die Kirche Achiropitos in der Unterstadt, die allerdings durch den Brand 1917 und ein Erdbeben in den 70er Jahren stark gelitten hat. Die berühmteste der Kirchen dieser Zeit ist die Kirche des Heiligen Dimitrios, eine funfschiffige Basilika. Der heilige Demetrius ist der Stadtheilige von Thessaloniki. Er war römischer Soldat und ist als Christ bei der Christenverfolgung 303 in Thessaloniki getötet worden. Die Kirche wurde an der Stelle errichtet, an der er - wie man glaubt - das Martyrium erlitten hat. Sie ist 1917 völlig niedergebrannt, aber sechs Mosaikbilder aus dem 5. und 7. Jhdt. blieben erhalten und sind bei dem Wiederaufbau an alter Stelle geblieben. Bei dem Neuaufbau hat man unter dem Altar eine große Krypta entdeckt, die heute zu den besonderen Sehenswürdigkeiten zählt.

Aus dem 8. Jhdt. stammt die Hagia Sophia, nicht allzu weit von der Achiropitos, die in ihrer Kuppel ein besonders schönes Mosaik zeigt.

In einem Teil der Altstadt, der durch den Brand nicht zerstört wurde befindet sich die Kirche der Hagii Apostoli. Sie stammt aus dem 14. Jhdt. und zeigt uns die Form der Kreuzkuppelkirche.

Dass Thessaloniki eine befestigte Stadt war, das zeigt uns das Wahrzeichen der Stadt, der Weiße Turm. Er steht nahe am Meer, wurde von den Türken errichtet, und bildete wohl die Verbindung der Landmauem mit der Befestigung zur See hin. Die Landmauem, von denen in der Oberstadtnoch ein ganzes Stück zu sehen ist, stammen schon aus hellenistischer Zeit und wurden immer wieder erneuert und verstärkt. Sie boten der Stadt einen starken Schutz, konnten allerdings nicht verhindern, dass Thessaloniki zweimal erobert wurde, allerdings in beiden Fällen vom Meer her. 904 eroberten es die Sarazenen und führten über 20 000 Einwohner in die Sklaverei. Fast dreihundert Jahre später kamen 1185 die Normannen von Sizilien und eroberten und plünderten die Stadt

Von der Oberstadt aus, von den Heptapyrgi, den sieben Türmen, haben wir einen schönen Blick auf die ganze Stadt, das Meer und die Küsten des thermäischen Golfs.Nach unserem Stadt-Tag werden wir uns sicher gerne in einem schönen Cafe ein bisschen ausruhen.

Von Thessaloniki zur Insel Lemnos
Rasch werden die Tage in Thessaloniki vorübergehen, und am Dienstag müssen wir früh aus den Federn, damit wir rechtzeitig am Flughafen sind. Wir haben von den zwei Möglichkeiten, von Thessaloniki nach Lemnos zu kommen, per Flug oder per Schiff, den Flug gewählt. Diese Verbindung ist vom Fahrplan/Flugplan her die sicherste und sie ist auch die rascheste - unsere Flugzeit wird keine Stunde dauern.

Haben wir gutes Wetter, dann steht uns ein besonderes Erlebnis bevor: der Flug über die östliche Landzunge der Chalkidike mit dem „Heiligen Berg“, dem Hagion Oros. Auf dieser Landzunge liegt die Mönchsrepublik Athos, die innerhalb des griechischen Staates eine weitgehende Selbstverwaltung hat. Sie besteht aus 20 Klöstern. Jedes dieser Klöster sendet einen Vertreter in die „heilige Gemeinschaft“, die gewissermaßen die gesetzgebende Institution der Mönchsrepublik ist. Die 20 Klöster sind in 5 Gruppen zu je 4 Klöstern aufgeteilt und in jährlichem Wechsel entsendet jedes der vier Klöster einer Gruppe einen Vertreter in die „Epistasia“, die Exekutive. Für deren Beschlüsse ist Einstimmigkeit notwendig, und man hat eine einfache Lösung, diese Einstimmigkeit deutlich zu machen: Das Siegel der Mönchsrepublik ist in vier Teile geteilt, und jeder, der vier Vertreter, hat ein Viertel des Siegels.

Das Gebiet der Mönchsrepublik ist der Jungfrau Maria geweiht. Eine Legende erzählt uns, wie es dazu kam: Die Apostel losen nach dem Pfingstwunder, wo jeder predigen solle. Maria schließt sich diese Auslosung an und ihr Los ist der Berg Athos. Der Erzengel Gabriel jedoch gebietet ihr, in Jerusalem zu bleiben. Als Lazarus, der nach der Kreuzigung nach Zypern gegangen ist, den Wunsch äußert, Maria zu sehen, fahrt Maria mit einem Schiff dorthin. Das Schiff wird jedoch von einem Sturm zum Athos getrieben. Maria tauft die dortigen Bewohner und erklärt das Land zu ihrem Eigentum.

Soweit die Legende. Etwa um die Mitte des 9. Jhdts. lassen sich Einsiedler auf der Landzunge nieder, unter ihnen z.B Peter, der Athonite. Er war als Soldat nach Syrien gekommen und von Arabern gefangen genommen worden. Nach seiner Befreiung wurde er Mönch, und als er mit dem Schiff am Athos vorbeifährt, wird dies von Maria aufgehalten und Peter zum Athos geführt.

Historisch ist, dass Athanasios, der Athonit, um 952 zum Athos kam und dort zuerst als Einsiedler lebte. Von Kaiser Nikephoros Phokas unterstützt baut er ein Kloster, die „Große Lawra“. In der Folgezeit werden weitere Klöster errichtet, dazu auch eine Art Klosterdörfer, sogenannte Skiti, und Einsiedlerbehausungen.

Unter der Herrschaft der Lateiner 1204 - 1261 herrschte Raub und Plünderung und eine Art Schreckensherrschaft. Als die Lateiner bei einem „Straffeidzug“ gegen den Athos in der großen Lawra eine lateinische Messe hielten, kam plötzlich dunkler Nebel auf. Die Mönche aber, die an dieser Messe teilgenommen hatten, verwesten nach ihrem Tode nicht. Sie liegen in der „Höhle der bösen Toten“ und Haar und Nägel sollen noch wachsen.

Unter der Herrschaft der Türken nach 1430 wird der Athos zwar von ihnen besetzt, es kommt aber zu keinen Verwüstungen und die Klöster können weiterexistieren. Als es jedoch zu einem Aufstand gegen die Türken kommt - wohl während des Befreiungskampfes - soll der Legende nach ein Kreuz über dem Athos erschienen sein. Die Türken legten eine Besatzung von 3 000 Soldaten in die Klöster. Die Zahl der Mönche ging von 6 000 auf 1 000 zurück.

Heute ist der Athos griechisches Staatsgebiet mit einem Sonderstatus. Alle Mönche sind griechische Staatsbürger.

Unsere Maschine landet in Lemnos auf dem großen Flughafen in der Nähe der Bucht von Moudros. Ein Bus wird uns - hoffentlich - dort abholen und uns in die Hauptstadt Myrina zu unserem Hotel bringen. Der Flughafen ist einer der größten in Griechenland. Es ist ein NATO - Flughafen und die militärische Praesenz spielte eine große Rolle. Erst in den letzten Jahren ist der zivile Flugverkehr verstärkt worden und neben den täglichen Flügen nach Thessaloniki (1 bis 2mal am Tag) und Athen (2mal am Tag) gibt es jetzt auch Flüge nach Lesbos. Um den Flughafen herum ist das Land weitgehend flach und weit, landwirtschaftlich genutzt. Nach links hin öffnet sich der Golf von Moudros, ein großes natürliches Hafenbecken, das schon des öfteren größere Flotten veranlasst hat, hier ihr Standquartier aufzuschlagen. Im ersten Weltkrieg lag hier die Flotte der Alliierten während des großen Angriffs auf die Halbinsel Gallipoli und die Dardanellendurchfahrt.

Je weiter wir nach Westen kommen, desto stärker gliedert sich die Landschaft. Hügelketten tauchen vor uns auf und gestalten alles abwechslungsreicher. Nach der Durchfahrt durch den Ort Hagios Dimitrios können wir in einiger Entfernung links einen kleinen See liegen sehen. Hier wird Wasser gestaut zur Bewässerung der Felder bis hinunter zum Golf von Moudros und zum Golf von Kontias.

Die letzten Kilometer vor Myrina gehen leicht abwärts, sodass wir einen schönen Blick auf die Stadt haben, die links und rechts um einen Felsblock gebaut ist, auf dem die Reste eines starken Kastells zu sehen sind. Wir kommen aber wahrscheinlich nicht in den Ort selbst; denn unser Hotel liegt etwas südlich davon. Wir werden daher die Stadt rechts liegen lassen, um gleich zu unserem Hotel zu kommen. Nach den Bildern und nach der Beschreibung ist es ein sehr schönes Hotel mit eigenem Strand und Pool. Es steht an der Stelle eines antiken Tempels, von dem noch einige Mauerreste innerhalb der Anlage zu sehen sind.

Wir kommen früh an. Daher ist es möglich, dass unsere Zimmer noch nicht zu beziehen sind. Das soll uns nicht stören. Wir werden uns erst einmal ein bisschen umsehen und auf jeden Fall einen Spaziergang (oder auch Fahrt) in die Stadt machen zu einem gemütlichen Bummel und zum Mittagessen in einer gemütlichen Taverne.

Myrina
Wenn wir uns zu Fuß auf den Weg machen, dann zeigt meine Beschreibung - wie überhaupt - den Stand von 1993. Es wird aber auf jeden Fall eine kleine Fahrstraße von der Bucht, in der unser Hotel liegt, Richtung Stadt fuhren. Vielleicht ist es inzwischen auch schon eine Asphaltstraße. Halblinks von uns liegt auf einem Felsvorsprung eine kleine weißgekalkte Kapelle. Sie ist dem heiligen Nikolaos geweiht. Ein kleiner Abstecher zu ihr hin lohnt sich wegen des schönen Blickes, den man von ihr aus über die Bucht und zum Kastell hat. Das Kirchlein selbst war bei all meinen Besuchen geschlossen, nur einen Militärposten konnte man 1992 und 93 dort treffen.

Von der Kapelle aus gehen wir wieder ein Stück zurück zur Straße und weiter - immer am Ufer entlang - zur Stadt. Der Strand, an dem wir entlangkommen, hieß einmal „Türkischer - Strand“, wahrscheinlich hat er jetzt einen anderen Namen. Unser Weg geht unmittelbar an ihm entlang, links wir gebadet (mit allem Zubehör), rechts stehen Pensionen, Kaffenions und Tavernen. Unser Weg endet am Beginn des Fischereihafens. Er ist ein rechteckiges Becken. Drei Seiten werden vom Festland mit einem Steinkai gebildet, die Westseite, zur Bucht hin, ist durch eine Mole geschützt. An der Nordwestecke, uns gegenüber, ist eine schmale Einfahrt. Am Beginn der Längsseite dieses Hafenbeckens ist ein freier Platz und Sie haben von hier aus den schönsten Blick über die bunten Fischerboote hinweg auf die Burg. Abends stehen auf diesem ganzen Platz Tische und Stühle von den drei Tavernen, bzw. Fischbratereien, die sich auf der von uns gesehen rechten Seite des Platzes befinden. Vor 7.30 Uhr ist alles leer, dann kommen ein paar Touristen - freudig begrüßt von den Wirten bzw. ihren Helfern - und um 22.00 Uhr ist kaum ein Platz mehr frei, denn so ab 21.30 Uhr erscheinen die Einheimischen. Irgendwann kann dann auch die Gänseherde durchkommen und die Brosamen sammeln, die von den Tischen fallen (so war es wenigstens bisher bei all meinen Besuchen). Ein Häuserblock begrenzt diesen Platz nach Norden. Links vorbei bleiben Sie immer am Fischereihafen, rechts vorbei kommen Sie zu einer kleinen Platia, einem kleinen Platz mit den obligatorischen Kaffenions. Geht man von hier aus nach links weiter, kommt man zu dem Teil des Hafens, an dem die größeren Schiffe anlegen, zum einen die Küstenschiffe, die die Insel mit Kohle, Holz, Steinen u.ä. versorgen, zum andern die Fährschiffe, die dem Personenverkehr dienen, der Versorgung mit Lebensmitteln und dem Transport der Güter, die die Insel ausfuhrt (Wein, Honig, Getreide, Schafe).

Gehen wir über den großen Platz bei diesem Teil des Hafens, kommen wir - unter anderem - am Rathaus, der Post und dem Hafenamt vorbei. Wir wenden uns dann nach rechts in eine aufwärts führende Gasse und erreichen einen schmalen Pfad, der in einigen Serpentinen nach oben führt zu dem großen Tor der Festung. Erfreulicherweise war dieses Tor bisher immer offen, sodass man zu jeder Zeit in die Anlage hineinkam. Es ist eine sehr schöne Anlage, weitläufig mit einem Mauerkranz an allen Seiten, der besonders über den Hafen und zum Meer hin immer neue einmalige Ausblicke bietet, die zu jeder Tageszeit durch das verschieden einfallende Licht einen eigenen Charakter gewinnen; dabei ist einer schöner als der andere, sodass man des Schauens nicht müde wird.

Gehen wir zurück zu der Gasse, auf der wir kamen, und wenden uns dann nach links. Dabei kommen wir durch ein sehr schönes Viertel mit hübschen Häusern, einer Hotelpension und schließlich über eine Treppe an einer kleinen Kapelle vorbei hinab zum Meer. Wir gehen die Uferstraße entlang nach rechts. Links stehen die Tische und Stühle der Kaffenions und Restaurants, die auf der rechten Straßenseite stehen. Wir bleiben auf dieser Straße bis wir zum Hotel Castro kommen. Vor dem Hotel biegen wir nach rechts vom Meer weg ab, kommen zu einer kleinen Brücke und folgen nun der Asphaltstraße nach rechts. Damit beginnt unser Spaziergang durch das Zentrum der kleinen Stadt. Links und rechts unserer Straße sind größere und kleinere Geschäfte und Handwerkerläden. Bis zu einem ersten Platz ist die Straße etwas breiter und für Kraftfahrzeuge frei. Auf dem Platz halten die Linienbusse, die Myrina mit allen Teilen der Insel verbinden. Am Vormittag kommen die Busse von überallher und bringen die Schüler und die Kauflustigen, mittags fahren sie wieder zurück und dann gibt es für die meisten Orte der Insel keinen weiteren öffentlichen Verkehr mehr. Als Einzeltourist tut man sich daher schwer, von einem Ausflug in andere Inselteile am selben Tag wieder zurückzukommen. Da hilft nur das Taxi oder der Leihwagen (Stand 1993).

Unsere Straße wird jetzt enger, sie darf nur noch von Taxis befahren werden und wirkt durch die vielen Menschen, die hier vor allem am Vormittag zum Einkauf kommen, recht lebendig. Wir kommen zu einem zweiten Platz. Hier stehen die Taxis, an ihm sind die Banken und die OTE, die öffentliche Telephonzentrale. Das weitere Stückchen Weg, eine schmale Gasse, ist nun ganz für den Kraftverkehr gesperrt (mit Ausnahmen - aber dafür haben wir Bayreuther ja Verständnis, wir
fühlen uns da gleich ein bisschen zu Hause). Die ganze Atmosphäre hat hier noch etwas sehr Ursprüngliches; denn die Geschäfte sind vor allen Dingen auf den Bedarf der Einheimischen ausgerichtet - was nicht bedeutet, dass es für den Touristen nicht auch den einen oder anderen Laden gibt mit den üblichen Scheußlichkeiten und mancher hübschen Sache. Ein touristisches Einkaufszentrum aber ist Myrina nicht.

Unsere Gasse öffnet sich auf den kleinen Platz mit den Kaffenions zwischen dem Fischereihafen und dem großen Hafen und ein erster Stadtrundgang wäre hiermit beendet.

Kotsina, Hephaistia, Kabirion
Ein Tagesausflug mit dem Bus wird uns die Insel in ihrer Verschiedenheit zeigen und uns zu den Ausgrabungen aus griechischer Zeit bringen. Sie dürfen dabei allerdings nicht so viel erwarten, wie Sie an anderen Stellen in Griechenland und auf den Inseln schon zu sehen bekamen. Die Ausgrabungen hier sind viel bescheidener. Wir müssen in noch stärkerem Maße unsere Phantasie zu Hilfe nehmen - aber wenn man das weiß, wird man sicher nicht enttäuscht werden.

Wir fahren stadtauswärts Richtung Osten auf der Straße, auf der wir vom Flugplatz her gekommen sind. Sie steigt zuerst laufend etwas an, links und rechts von uns ist Bergland, das aber nicht über 400 Meter Höhe erreicht. Nach der Ortschaft Hagios Dimitrios senkt sich die Landschaft wieder ab und erlaubt einen weiten Blick auf den Nordostteil der Insel, der weitgehend Getreideland ist, und auf die große Bucht von Moudros.

Etwa in der Höhe der Einfahrt in den Flughafen biegen wir nach links ab und fahren nach Kotsinas. Wir weichen damit zwar etwas vom historischen Verlauf ab, aber für die Fahrtroute ist es besser, den zeitlich späteren Ort vorzuziehen. Kotsina ist nämlich der Erbe des alten Hephaistia, des antiken Hauptorts der Insel. Hier hat man im Mittelalter eine befestigte Siedlung errichtet, als man die alte Stadt in ihrer Ausdehnung nicht mehr halten konnte und als ein Erdbeben weite Teile davon zerstörte. Eine kleine Kirche steht heute malerisch auf einer Anhöhe und ein Denkmal der
Maroula, einer Art griechischer Jungfrau von Orleans aus der Zeit des Kampfes gegen die Türken 480 n. Chr. An der schönen, kleinen Bucht, deren Wellen fast immer Schaumkronen tragen wegen des Nordwindes, der hier zu wehen pflegt, liegen Fischerboote und lassen uns mit ihrem friedlichen Anblick die grimmigen Kriegszeiten vergessen, die so oft über die Insel gingen. Vor der Kirche fuhrt eine Treppe hinab zu einem Agiasma, einer unterirdischen heiligen Quelle. Man kann hinuntergehen und steht dann unten vor einer Art Wasserloch (mit wenig Wasser). Wir müssen dabei vorsichtig sein, damit wir nichts verschmutzen; denn dieses Wasser wird von Einheimischen als heilbringend geholt und verwendet.

Von Kotsina fahren wir auf einer Straße weiter, die immer sehr schlecht war. Sie war in keiner Weise gefährlich, aber so, dass man sie mit seinem Wagen nicht fahren möchte. Aber ich hoffe und glaube, dass sich das inzwischen gebessert hat. Nach der Ortschaft Repanidi wird es - mindestens bis Kontopouli - wieder Asphaltstraße. Die Durchfahrt durch Kontopouli aber hat unserem Fahrer durch die Kurven in den engen Straßen alles Können abverlangt. Nach dem Ort wurde es bisher wieder Sandstraße - aber das dürfte der Vergangenheit angehören, wenigstens wenn man die neuen Prospekte über die Insel liest. Die Straße endet vor einem Gehöft neben einer verlandenden Bucht. Die Bewohnerin dieses Gehöfts war immer unser Phylax. Sie begleitete uns auf dem Weg zur und durch die Ausgrabungen. Unser Weg geht von der verlandenden Hafenbucht der alten Stadt Hephaistia über einen kleinen Hügel ins ehemalige Stadtgebiet. Weit reicht der Blick über eine Bucht des offenen Meeres und über die schon gelb werdenden Getreidefelder. Von der Stadt ist wenig mehr zu sehen. Über viele Steine würden wir einfach hinweggehen, ohne dabei an Reste aus alter Zeit zu denken, Das Theater jedoch ist noch deutlich zu erkennen, und hier können wir uns auf einige der alten Sitzstufen setzen und der Geschichte dieser Stadt etwas nachgehen. Sie hat ihren Namen von Hephaistos, dem Gott der Griechen, der zuständig war für alles, was mit dem Handwerk zusammenhing. Er hat die großartige Rüstung des Achilles geschmiedet, die uns Homer ausführlich beschreibt. Er war aber immer ein bisschen ein Außenseiter in der hehren Schar der griechischen Gottheiten, hat man sich ihn doch als lahm vorgestellt - und darüber auch im Mythos so manche Geschichte erzählt. Dafür hatte er die schönste der Göttinnen zur Frau, Aphrodite. Aber auch das war nur sehr bedingt ein Vorteil.

Vom Theater aus werden wir noch zum Platz der alten Agora gehen und auch noch zu den bescheidenen Resten eines einstigen Heiligtums. Vielleicht handelt es sich dabei sogar um das Heiligtum, das für den Export (und das Gütesiegel) der „Lemnischen Erde“ verantwortlich war, die in der Antike als ein begehrter Apothekenartikel galt.

Von Hephaistia aus geht es wieder zurück nach Kontopouli und dann weiter in Richtung Nordost. Rechts von uns liegt einer der großen Salzseen, die im Sommer völlig austrocknen und wie riesige weiße Flächen im Lande schimmern. Hinter dem großen Salzsee biegen wir nach links ab und fahren zum Kabirion, einem Kabirenheiligtum unmittelbar über dem Meer. Diese Straße war die schlechteste, die ich auf Lemnos gefahren bin. Sie ist aber mit Sicherheit inzwischen hervorragend hergerichtet; denn auf halber Strecke hat man ein modernes großes Hotel gebaut. Und das braucht eine gute Zufahrt.

Das Kabirion ist für mich die eindrucksvollste antike Stätte der Insel, und ich freue mich jedes Mal darauf, sie wiederzusehen. Über die Kabiren wissen wir nicht sehr viel. Dem Mythos nach sind sie mit Hephaistos in Zusammenhang zu bringen. Sie hatten hier über dem Meer ein eindrucksvolles Heiligtum mit einer großen Versammlungshalle, von der ein Teil ausgegraben ist. Unterhalb des Heiligtums liegt eine Grotte. Die Legende macht diese Grotte zum Aufenthaltsort des Philoktet, als dieser von seinen griechischen Gefährten auf der Fahrt nach Troja auf Lemnos ausgesetzt wurde.

Man kann zu dieser Grotte hinabsteigen. Unten an der Küste zwängt man sich durch einen schmalen Spalt, um in die Grotte zu kommen; denn der zweite, größere Eingang öffnet sich direkt ins Meer. Man kann die Schilderung, die Sophokles in seiner Tragödie Philoktet von dieser Höhle gibt, durchaus in Einklang bringen mit dem, was man hier sieht. Auf jeden Fall wird uns hier die Tragödie besonders lebendig werden.

Von der uns zur Verfügung stehenden Zeit wird es abhängen, ob wir vor der Rückfahrt nach Myrina noch ein Stück weiter nach Nordosten fahren, bis nach Plaka, dem äußersten Ort in dieser Richtung. Ganz bis zum Kap, auf dem ein Leuchtturm steht, werden wir sicher nicht kommen - das war bisher immer militärisches Sperrgebiet.

Auf jeden Fall aber werden wir uns nach einem eindrucksvollen Tag wieder auf unser Hotel freuen.

Poliochni
Bei unserem heutigen Tagesausflug können Sie wählen, ob sie den einen oder anderen Teil zu Fuß gehen wollen oder ob Sie alles mit dem Bus anfahren möchten.

Eine  erste  Möglichkeit  für  eine  kleine  Wanderung  besteht  gleich  am  Anfang.  Vom  Hotel  aus gehen wir ein Stück weiter an der Küste entlang nach Süden, unser Ziel ist der Ort Thanos.

Meine Beschreibung beruht auf meinen früheren Besuchen. Sicher hat sich inzwischen manches geändert,  aus  schmalen  Wegen  wurden  vielleicht  Fahrstraßen  oder  gar  Asphaltstraßen  und  an manchen Stränden  entstanden  Tavernen, Kaffenions oder gar Pensionen und Hotels. Wir wenden uns vom Hotel aus nach links, gehen zuerst an der Küste entlang und gehen dann aufwärts rechts an einem Gehöft vorbei und kommen über einen kleinen Kamm. Vor uns liegt nun eine weite Bucht mit einem Sandstrand. Wir gehen den Hang hinab und stoßen auf einen breiteren Weg, dem wir folgen.  Links  -  etwa  1  km  vom  Strand  entfernt  -  liegt  die  Ortschaft  Platy,  rechts  in  einiger Entfernung der Sandstrand. Wir folgen nun entweder dem Weg weiter, an dem inzwischen sicher manche  neue  Bauten  stehen  werden  außer  dem  einen  Restaurant,  das  schon  hier  war,  oder  wir gehen nach rechts bis zum Strand und über den Sand am Meer entlang. Das ist zwar schön, aber doch recht beschwerlich, und wahrscheinlich wird sich auch am Strand selbst einiges getan haben. Am Südende der Bucht war nämlich ein modernes Bungalow-Hotel in Bau, und das ist - wie ich aus  Prospektbildem  sah  -  inzwischen  fertig  geworden.  Wir  gehen  an  der  Hotelanlage  vorbei aufwärts auf eine Kammhöhe zu. Kurz vor der Höhe biegt links ein schmaler Pfad ab, dem wir nun folgen.  Auf  der  Kammhöhe  öffnet  sich  wieder  der  Blick  auf  eine  Bucht.  Die  Aussicht  über Felsbrocken  mit  Disteln  im  Vordergrund  zu  einer  kleinen  vorgelagerten  Felseninsel  und  zu  der dahinter liegenden Bucht von Thanos empfand ich immer besonders schön. Wir wandern langsam abwärts, rechts von uns die Bucht und vor uns die Ortschaft. Unser Weg bringt uns zuerst zu einer schönen  Brunnenanlage  und  weiter  auf  schmalen  Gassen  an  einfachen  Gehöften  und  Häusern vorbei zu einer Asphaltstraße. Nach links geht es aufwärts zu einer kleinen Platia. Nach rechts zu einer Brücke. Wir wenden uns dorthin, wo unser Bus auf uns wartet, der inzwischen mit den Nicht- Wanderern angekommen sein wird.

Mit dem Bus fahren wir durch die enge Ortsstraße und dann auf guter Asphaltbahn weiter. Wir kommen an zwei schönen, weit geschwungenen Buchten vorbei. Diese Buchten sind ein beliebtes Badeziel für die Touristenboote (umgebaute Kaikis), die von Myrina aus ihre Tagestouren machen. Programm: Bootsfahrt, Angeln vom Boot aus, Grillen und Essen der gefangenen Fische, Baden.

Über  einige  Hügelketten  erreichen  wir  die  Ortschaft  Kondias.  Sicher  reicht  die  Zeit  zu  einem kleinen Bummel.

Von  hier  aus  geht  es  an  der  Bucht  von  Moudros  entlang,  die  wir  ja  inzwischen  schon kennengelemt  haben.  Wir  stoßen  auf  die  Straße,  die  von  Myrina  zum  Flughafen  führt,  folgen  ihr und  biegen  kurz  nach  dem  Flughafen  nach  rechts  ab  und  kommen  bald  nach  Kaminia.  Den Etruskologen sagt dieser Name etwas; denn man hat hier eine Steintafel gefunden mit einer Inschrift in griechischen Buchstaben und in tyrsenischer Sprache. Das Rätsel um die Herkunft der Etrusker - man glaubt, dass die Tyrsener mit den Etruskern etwas zu tun haben - ist dadurch zwar nicht gelöst worden,  aber  ein  Stückchen  in  diesem  Puzzlespiel  ist  auch  diese  Tafel.  Sie  ist  heute  im Nationalmuseum in Athen, im Museum in Myrina ist eine Kopie.

In  Kaminia  gehen  wir  in  die  kleine  Ortschaft  hinein  und  machen Rast auf  dem  Dorfplatz. Von hier aus besteht  wieder die  Möglichkeit  zu  einer kleinen Wanderung  (etwa  45 Minuten). Auf dem Weg dorthin erleben wir eine ganz andere Insel Lemnos als an der Westküste: leicht wellige Hügel mit Weizenfeldern, über die man einen weiten Blick auf die Insel und das Meer hat. Die Küste, die wir erreichen, fällt steil zum Meer hin ab. Unmittelbar vor diesem Abfall sehen wir die Reste von Häusern, die italienische Archäologen errichtet hatten, als sie hier gegraben haben. Heute steht in einem gepflegten Nutz - und Blumengarten die kleine Hütte des Phylax, des Wächters, der für diese Ausgrabungen zu sorgen hat. Er oder unser(e) Führer(in) begleitet uns zu den Resten einer Siedlung, die uns am weitesten in der Geschichte der Insel zurückfiihrt. Sie war von 4 000 bis 1700 v. Chr. bewohnt und damit älter als das, was wir bisher von Troja kennen. Die Stadt Troja in Kleinasien lag Poliochni gegenüber.

Die Ausgrabungen werden zuerst einmal auf uns wie ein großer Steinhaufen wirken, in den dann aber doch bei genauerem Betrachten und bei einigen Hinweisen Ordnung kommt, sodass man sehr schön Hausanlagen, Vorratsräume, Brunnen, Gassen und ein Tor mit gepflasterter Rampe erkennen kann. Eine Ergänzung zu diesen Ausgrabungen, wie überhaupt zu der Geschichte der Insel, bringt ein Besuch im Museum von Myrina. Allerdings hat es mit diesen Besuchen in griechischen Museen so seine eigene Bewandtnis. Gar zu oft ist ein Museum - oder Teile von ihm - wegen Renovierung oder wegen Umstellungen geschlossen, und das manchmal sehr lange. Man muss den Griechen freilich  zugestehen,  dass  sie  die  Renovierung  ihrer  alten  und  Bau  und  Einrichtung  von  neuen Museen ganz großartig machen. Das Museum von Vergina wird ein gutes Beispiel dafür sein.

Von  Poliochni  fahren  wir  wieder  zurück  zum  Golf  von  Moudros,  bummeln  durch  den  Ort  und trinken vielleicht einen Kaffee im kleinen Hafen an der Bucht.

Das Museum
Das Museum ist in den letzten Jahren renoviert und neu eingerichtet worden. Es sind zwar kaum neue Stücke dazugekommen, aber die Aufstellung ist anders geworden. Ich kann deshalb hier keinen Plan bringen, aber doch kurz vorstellen, was uns erwartet. Untergebracht ist das Museum in einem schönen Gebäude, das noch aus der türkischen Zeit stammt (die ging ja auf dieser Insel bis 1913). Es liegt gleich neben dem Hotel „Kastro“ an der Uferstraße der Romeikos-Bucht.

Die Funde sind in den beiden Geschossen des Gebäudes aufgestellt, und man kommt jetzt zuerst, im Untergeschoss, zu den Funden aus der ältesten Zeit, die hauptsächlich aus Poliochni stammen.

Die Italiener haben Poliochni ausgegraben, zuerst von 1930 - 1936, und dann nach dem Krieg wieder von 1951 - 1956. Als die Ausgrabungen begannen, war die Archäologie also schon weit fortgeschritten, und so ist man hier von Anfang an mit aller Akribie vorgegangen und hat nicht nur nach spektakulären Einzelfundstücken gesucht. Sorgfältig hat man die einzelnen Schichten, die sich den geübten Augen der Archäologen zeigten, herausgearbeitet und am Ausgrabungsplatz kenntlich gemacht. Nach diesen Schichten ist auch die Aufstellung im Museum gestaltet. Man unterscheidet sieben Schichten, die man natürlich von I bis VII zählt, die man aber zusätzlich mit Farben gekennzeichnet hat:

Schwarz - Periode I - etwa 4000 - 3800 vor Chr.
Blau - Periode II - etwa 3800 - 3200 vor Chr.
Grün - Periode III - etwa 3200 - 3000 vor Chr.
Rot - Periode IV - etwa 3000 - 2600 vor Chr.
Gelb - Periode V - etwa 2600 - 2300 vor Chr.
Braun - Periode VI - etwa 2050 - 1900 vor Chr.
Violett - Periode VII - etwa 1900 - 1600 vor Chr.

Bei einem Rundgang wird man in der zeitlichen Reihenfolge vorgehen.

In der schwarzen Periode lebte man in eiförmigen Rundhütten. Das haben die italienischen Archäologen bei der zweiten Grabungsperiode festgestellt, als sie an zwei Stellen Tiefengrabungen machten. Die Hütten dieser Periode liegen 9 bis 12 Meter unter dem jetzigen Niveau. Man formte Tongefäße frei mit der Hand. Der Ton war sehr roh, mit Sand und kleinen Steinen vermischt.

In der blauen Periode werden die Häuserwände gerade, die Ecken rechteckig, man nähert sich dem Megaron-Stil (längliches Rechteckhaus mit einem Vor- und einem Hauptraum). Die Siedlung ist durch eine Art Stadtmauer umgrenzt. Die Werkzeuge sind aus Knochen und Stein, es gibt Steine für Steinschleudern, Steinhämmer (noch ohne Loch), man verwendet Obsidian und Pyrith.

In der grünen Periode vergrößert sich die Siedlung. Sie ist kreisförmig.

In der roten Periode erweitert sich der Umfang noch einmal und man verstärkt die Mauer mit Rundtürmen. Die Keramik ist vor allem Gebrauchskeramik, kaum besonderer Schmuck. Beachtenswert sind ein tönerner Kochtopf mit drei Füßen und eine Siebkanne.

Die gelbe Periode entspricht zeitlich Troja II (in Troja II fand Schliemann seinen berühmten Goldschatz). Auch in Poliochni machten die Archäologen in dieser Schicht einen Schatzfund, die Schmuckstücke, die man fand, sind allerdings im Museum in Athen. Die Siedlung hat öffentliche Gebäude (ein Bouleuterion) und gepflasterte Straßen. Die Qualität und die Formen der Gefäße verbessern sich. Beachtenswert ist der „Depas antikypellon“, ein (Trink)gefäß mit seltsamen zwei Henkeln und eine große Amphore mit zwei kleinen Henkeln, einem kleinen Ausguss knapp über dem Boden und Strichmustem.

Die braune Periode zeigt den Gebrauch der Töpferscheibe und die Gefäße wirken leichter. Zwischen der gelben und der braunen Periode ist ein Loch (siehe die Zahlentabelle oben). Man vermutet, dass ein größeres Erdbeben daran schuld ist.

Auch die braune Periode endet mit einem Erdbeben, auf sie folgt die violette Periode, mit der die Funde in Poliochni etwa um 1 600 enden. Die Siedlung wurde offensichtlich verlassen.

Im Obergeschoss des Museums finden wir dann all die Funde, die ab dem 11. Jhdt. gemacht wurden, es ist die geometrische, die archaische, die klassische, die hellenistische und die römische Zeit - das heißt, wir befinden uns weitgehend in der Zeit der Antike. Den größten Raum nehmen dabei die Funde von Hephaistia ein. Auch hier haben die Italiener gegraben und zwar an drei Plätzen: in der Nekropole, der Stadt und dem Heiligtum der „Großen Göttin“, unter der man wahrscheinlich Artemis zu verstehen hat. In ihrem Heiligtum fand man viele Weihegaben, Tonfiguren der verschiedensten Art, unter denen eine Gruppe von Sirenen und von Sphingen besonders auffällt. Aus der Nekropole sind es die Beigaben, die man den Verstorbenen mit ins Grab gegeben hat, von Schmuck bis zu Gegenständen des alltäglichen Lebens. Dass dabei auch manche Stücke sind, die nachweislich nicht aus Lemnos selbst kommen zeigt uns, welch regen Handel diese Insel getrieben hat. Athen, Korinth, Rhodos, Chios und andere mehr sind als Herkunftsorte sicher zu bestimmen.

In einem eigenen Raum waren bisher auch die größeren Plastiken ausgestellt, darunter ein kopfloser Löwe, den man dem Alkamenes zuschreibt, einem Schüler des Phidias. Insgesamt hat man an größeren plastischen Fundstücken auf Lemnos wenig gemacht. Man nimmt dies als Zeichen, dass auf der Insel keine eigene Bildhauerwerkstatt gewesen ist. In einem weiteren Raum hatte man die Funde mit Inschriften, vor allem Stelen aufgestellt.

Von zwei bedeutenden Stücken aber hat man bestimmt die Kopien auch in der neuen Aufstellung wieder gebracht, von dem Stein von Kaminia mit der Inschrift in griechischen

Buchstaben und in tyrrhenischer Sprache (Original in Athen) und vom Kopf der Athena Lemnia, einem großartigen Standbild der Göttin von Phidias, die in Athen auf der Akropolis stand, verlorengegangen ist und nur noch in römischen Kopien auf uns gekommen ist.

Das Kastro
Die Festung von Myrina, über der Stadt und dem Hafen gelegen, macht nicht nur das Bild von beiden so eindrucksvoll und schön, sie ist auch einen Besuch wert, für den man sich Zeit lassen sollte. Der Blick von oben, gleich nach welcher Seite, lädt den Besucher ein, sich doch etwas hinzusetzen und seine Phantasie ein bisschen spielen zu lassen. Dann nähert sich da von See her ein Schiff mit einem Mast und mit Rudern, beladen mit gerüsteten Männern. Und auf den Mauern der Festung erscheinen plötzlich lauter Frauen, die auch alle Waffen tragen und sich um ihre Führerin scharen - und wir versetzen uns in die Zeit, als Jason mit den Argonauten auf dem Weg nach Kolchis war und hier auf Lemnos eine Pause einlegte.

Oder wir sehen mittelalterliche Galeeren nahen mit der Flagge von Genua und der junge Gattelusi führt seine Frau, eine byzantinische Prinzessin, hinauf zur Burg, die er mit der Insel Lesbos vom Palaiologenkaiser als Mitgift bekommen hatte.

Oder es schwirren plötzlich türkische Bewaffnete um uns herum und blicken besorgt auf große, mehrmastige Schiffe unter vollen Segeln, die die russische Flagge fuhren.

Oder wir sitzen unter deutschen Soldaten, die ihre Maschinengewehre in Stellung bringen und Ausschau über das Meer halten.

Eine reiche Geschichte erzählen und die Mauern und Pfade hier oben und ich hoffe, dassinzwischen die oft schmalen und manchmal auch steinigen Wege nicht allzu sehr eingeebnet und mit Geländern und Verbotschildem versehen wurden. Schön aber wird es hier auf jeden Fall sein.

 

Heinz Hutzelmeier, Bayreuth

Wir möchten uns bei unseren Gruppenleiterinnen und Gruppenleitern sowie deren Teilnehmern ganz herzlich für die tollen und umfassenden Reiseberichte, Tagebücher, Gedichte und Gedanken zu den Reisen bedanken!