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Marokko – Reisebericht einer Studienreise im Mai 2019

Flug von Hamburg über Paris nach Casablanca

Aus der winterlichen Kälte Hamburgs in die sommerliche Hitze Marokkos!

 

Zehn Tage früher zu reisen, wäre das besser gewesen? Die Wetter-Prognose für Marrakesch im Mai zeigt eine gleichmäßige Tageshöchsttemperatur von 28°-30°. Das ist auch für Norddeutsche, ihre Körper und Gemüter, durchaus erträglich, zumal die Wärme in Marokko wenig Luftfeuchtigkeit hat. Leider fielen wir schon am zweiten Tag in den Souqs von Fes in ein Hitzeloch, das sich über Nordafrika ausgebreitet hatte. Am dritten Tag, südlich der Bergketten des Atlasgebirges, war die trockene Hitze auszuhalten. In den Oasen spendete der Schirm der Dattelpalmen Schatten. Aber ohne Schatten, etwa beim Gang über offene Plätze, brannte die Sonne schon um 10 Uhr erbarmungslos. In Zagora, einer Oase am Rande der Sahara ganz im Süden Marokkos, lag die Höchsttemperatur bei 40°. Das ist im Mai dort auch normal. Aber nördlich des Hohen Atlas war die diesjährige Hitzeglocke nicht normal. In der Medina von Marrakesch kam noch die dicke Luft des Basar-Gewimmels hinzu. Manche von uns haben dort auf ihren Smartphones 47° gemessen. Die Besichtigungen all der Schönheiten Marrakeschs wurden da leider zur Qual. Darüber aber später.

Was wollten wir eigentlich in diesem Land Afrikas? Ganz einfach, vor allem das moslemische Leben der Menschen kennenlernen, und zu sehen, wie Marokko vom Meer, vom Hochgebirge und von der Wüste bestimmt ist. Ist Marokko nicht ein Natur- Paradies? Nach Westen hin erstreckt es sich von Süd nach Nord fast 1000km am Atlantischen Ozean. Von der Meerenge bei Tanger, den sogenannten Säulen des Herkules, geht die Küste nach Osten am Mittelmeer entlang. Kein afrikanisches Land liegt so nahe an Europa wie Marokko. In diesem Land ist Französisch die Sprache und Schrift. Die gebildeten Marokkaner sprechen diese europäische Sprache, auch wenn ihre Muttersprache Arabisch oder Berberisch ist. Alle Völker in diesem Staat hält ein tiefes Nationalgefühl zusammen, das „Marokkanisch“ ist. Erst danach ist man Berber, Araber, Jude oder Schwarzafrikaner. Letztere waren einmal als Sklaven ins Land gebracht worden. Nun sind sie freie Bürger. 80% der Menschen fühlen sich als Berber. 300.000 Marokkaner sind jüdischen Glaubens, die gut in der Gesellschaft integriert leben und sich als Marokkaner fühlen. Auffällig war für mich, wie oft ich den Davidsstern an Hauswänden in den Medinas sah. Auf die Gleichheit der Religionen ist der liberale, gebildete Marokkaner stolz. Natürlich gibt es auch in Marokko islamische Fundamentalisten, die aber zur Zeit keine Machtbasis haben, Es gilt in der Gesellschaft als Aufstieg, sich Araber nennen zu dürfen. Unser Busfahrer, den wir gut in die Reisegruppe aufnehmen konnten, sagte, seine Großeltern seien Berber aus den Bergen gewesen, seine Eltern wären um der Arbeit willen nach Marrakesch gezogen, galten aber dort noch als Berber. Er fühle sich aber in der Multi-Kulti-Welt der Großstadt als Araber. Aber noch wichtiger ist: „Ich bin ein Marokkaner“. Der Wunsch nach Europa zu gehen, verblasst in der jüngeren Generation zunehmend. Obwohl viele ihrer Väter durch ihre Arbeit in Europa ihren Wohlstand aufbauen konnten und ihn zuhause in einem schönen Einfamilienhaus sichtbar machten, bleibt man jetzt Lande.

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Denn durch die staatlichen Aufbauprogramme und eine boomende Industrie sank die Arbeitslosenquote von 12% auf 8%. Zum Vergleich liegt diese Quote in Spanien bei 15%. Es klang in unseren Ohren schon staunenswert, dass heute Spanier zur Arbeit nach Marokko fahren. Die marokkanische Gesellschaft ändert sich vom Stammes- und Sippen-Denken und von der Großfamilie zur Kleinfamilie. Das liegt unter anderem am Familien-Haus-Bauprogramm der Regierung, hinter der der König als Ideengeber steht. Auf ihren König Mohammed V. sind die Marokkaner stolz. Wir sind ja kreuz und quer durch Marokko gefahren und was wir sahen war: Überall wurde gebaut, vor allem Einfamilienhäuser. Kaum sah man Wohnblocks. Auch der Straßenbau boomte. Die Armenviertel (Slums) sind inzwischen aus allen größeren Städten in Marokko bis auf Casablanca verschwunden. Überall sieht man neue Wohnviertel auf weiten Flächen, denn Land kostet in Marokko nicht viel. Alle neuen Häuser sind maximal zweigeschossig. Viele sind noch nicht bezogen. Der Staat baut nur Dach und Fach und die Versorgungsleitungen, also Wasser- Strom- Heizung- und Sanitäranschlüsse für diese Familienhäuser. Den übrigen Innenausbau wie Fenster, Türen und Fußböden, muss der Eigentümer selber bewerkstelligen. Dafür bekommt er einen Kredit. Die Häuser sind klein, doch ausreichend groß für eine Familie mit zwei Kindern. So entwickelt sich in Marokko eine Gesellschaft nach westlichem Muster Nun entsteht in Marokko aber das nächste Problem, die soziale Versorgung des Einzelnen unddamit der Gesellschaft. Es gibt kaum Versicherungen für Kranke, Arbeitsunfähige und die Alten, die bisher aus der Großfamilie versorgt wurden. Da steht der Staat vor großen Problemen. Einen Sozialstaat wie die Bundesrepublik gibt es dort nicht. Wir wissen, der ist sehr teuer und alles auf einmal geht nicht. Daher gibt es jetzt eine soziale Schielfagen. Beamte und Soldaten werden vom Staat versichert, alle anderen nicht. Da fallen viele, wenn sie ins Krankenhaus müssen und die Kosten nicht bezahlen können, ins soziale Abseits, vor allem, wenn die Großfamilie nicht mehr hilft oder gar nicht mehr da ist. So haben wir etliche von Krankheiten verstümmelte Menschen kriechend auf den Straßen gesehen. Die soziale Frage der Gesellschaft könnte sehr schnell zu einem Pulverfass werden wie derzeit in Frankreich (Gelbwesten).
Über diese und andere gesellschafts-politische Themen hat unser Guide Mustapha sehr anschaulich erzählt. Der Ramadan
Ein besonders anschauliches Thema war für uns der Ramadan, das ist die islamische vierwöchige Fastenzeit. Sie richtet sich nach dem Mondkalender und zieht deshalb durch das Sonnenjahr. In diesem Jahr begann der Ramadan am 6. Mai. Er beginnt, wenn der Mond nicht zu sehen ist (Neumond) und die Sonne untergegangen ist. Radikales Fasten am Tage, das ist der Inhalt des Ramadan. Der Ramadan ist für Moslems, ob sie gläubig sind oder nicht, eine Pflicht ab dem 15. Lebensjahr. Natürlich gibt es viele Ausnahmen wie Krankheit oder Schwangerschaft. Wir konnten den gesellschaftlichen Druck spüren, der auf den Menschen lag, besonders als die Hitze kam. Denn im Ramadan darf man von Sonnenaufgang bis -untergang nichts essen und nichts trinken. Unser Mustapha war ein junger stabiler Mann. Auch er und Abdullah wurden in der Tagesarbeit und der Hitze langsamer, aber sie hielten durch.


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Vor allem staunten wir über den Busfahrer, wie er Tagesetappen von manchmal drei Stunden am Stück durchhielt. Mustapha erzählte uns die Art des Vorgehens, dieses Leiden zu ertragen, um im Kopf klar zu bleiben. Alles ist Training, das schon die Kinder bekommen. Ramadan ist auch eine meditative geistige Haltung, nicht nur eine körperliche. Natürlich sind bei weitem nicht alle Leute dazu fähig und so mancher muss das Fasten abbrechen, was aber ein gesellschaftlicher Makel ist. Fasten als eine der fünf Säulen des Islams ist die auffälligste Bindung des Einzelnen in die Umma. Das ist die gesellschaftliche Grundordnung. Im Ramadan in einem moslemischen Land zu sein, offenbart dem Gast die tiefe Verwurzelung des Einzelnen in die religiöse Gesellschaft (Umma), ob man will oder nicht. Wir feiern in Deutschland am 23. Mai die Verabschiebung unseres Grundgesetzes von vor 70 Jahren durch den parlamentarischen Rat. Der erste Artikel, der füralle anderen als leitgesetz bestimmt, lautet. „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt.“ Die Würde des einzelnen Menschen steht über allen Gesetzen. So basiert die Gesellschaft auf dem Einzelnen. Diese Erkenntnis ist eine Errungenschaft unseres europäischen Geistes. Der Ramadan ist kein privates Fasten wie in unserer Fastenzeit die Aktion „Sieben Wochen ohne“. Der Ramadan ist ein gesellschaftliches Muss, jedenfalls in einem intakten moslemischen Land wie Marokko. Fasten ist eigentlich zur Besinnung da, zum Innehalten im Alltag und dann auch zur Entschlackung des Körpers. Leider wird aber der Ramadan zum gesellschaftlichen Korsett und vielleicht sogar zum Zwang, unter dem viele Menschen leiden. Meine Erlebnisse auf dieser Reise erzählen von einem Ramadan der gesellschaftlichen Zwängen, unter denen die Menschen leiden. Wie die extreme Hitze den arbeitenden Menschen zusetzte, die in der prallen Sonne Plätze fegten, war nicht anzusehen. Ohne trinken zu dürfen und gleichzeitig arbeiten zu müssen, kann nur etwas für sehr kräftige, junge Menschen oder „Heilige“ sein. In der Öffentlichkeit sahen wir am Tage in den Städten nur wenige Leute. Die meisten waren in ihren Häusern oder saßen rum. Der Rhythmus der Bewegung war eingeschränkt. Nur „Touris“ liefen. Aber die hatten Flaschen mit Wasser bei sich. Im Ramadan verschärfen sich die moslemischen Gesetze und Verbote. Alle Verbote muss der Moslem noch genauer beachten als sonst im Jahr. Dabei guckt jeder auf jeden, ob der andere nicht das Fasten bricht. Auch liegen nach zehn Tagen, die wir im Ramadan da waren, bei manchen die Nerven blank, besonders bei denen, die keine guten Fasten-Regeln haben. So erlebten wir, wie urplötzlich neben uns zwei Männer auf einander losgingen und sich würgten, bis einer seinen Dolch zog. Glücklicherweise wurde von zuspringenden Männern der vielleicht tödliche Stoß verhindert. So etwas kommt natürlich überall vor, auch unter Deutschen in Deutschland. Hitzköpfe können alle werden, besonders in den sozialen Medien! Unser Guide sagte, dies sei aber hier eine der negativen Auswirkungen, wenn man falsch fastet. Dass Mustapha als sehr gebildeter Mensch richtig fastet, war deutlich zu sehen, genau so unser Busfahrer. Unseren Guides konnten wir, je länger der Ramadan dauerte, immer mehr vertrauen. Bei der Hitze von vierzig Grad und mehr litten auch sie. Sie tranken nicht, aber versorgten uns ständig mit Wasserflaschen.

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Die Zwänge, die der Ramadan auslöst, erlebten wir am Verbot, Wein oder andere Alkoholiker zu trinken. Nun ist dies kein Staatsgesetz, sodass in Restaurants und Supermärkten es durchaus Wein zu trinken oder zu kaufen gibt. Eigentlich ist man stolz auf diese Freizügigkeit. Aber nicht im Ramadan! Hier wird der Alkohol zum Tabu. Wir wollten in der Mehrheit unserer Reisegruppe gerne zum Abendessen Wein trinken. Im Ricks-Cafe´in Casablanca (berühmt durch den Film), einen internationalen Restaurant im Stil eines Riad, lag noch am Abend vor Beginnn des Ramadan eine Weinkarte auf den Tischen. In unserem Riad in Fes am ersten Ramadan -abend wurde grundsätzlich kein Wein ausgeschenkt. Aber man würde es zulassen, so sagte man uns, wenn wir selbst gekauften Wein trinken würden. Wir hätten schon in Casablanca zum Kauf von Weinflaschen in einen Supermarkt gehen können. Der Ramadan begann ja erst am Abend mit dem Sonnenuntergang. Aber unsere Guides vertrösteten uns, da sie in Fes, einer der vier Königsstädte in Marokko, einen Supermarkt mit Weinverkauf kannten. Da würden wir vorbei fahren, bevor wir zum Riad in der Altstadt (Medina) kämen. Warum auch immer, die Fahrt von Meknes nach Fes am Nachmittag zog sich hin. Unser Bus hielt um 18.30 Uhr kurz vor Sonnenuntergang vor dem Supermarkt. Doch da gingen gerade die Rollläden herunter. Er hatte schon geschlossen. Unsere Guides vertrösteten uns auf den nächsten Tag, den wir in Fes verbringen und nächtigen wollten. Irgendwann in der Mittagszeit fuhren wir noch mal zu dem Supermarkt. Doch der war geschlossen. Da wurde uns gesagt, grundsätzlich sind alle Supermärkte, die Lebensmittel verkaufen, im Ramadan tagsüber geschlossen. Das sollte man wissen! Jetzt erkannte ich, was für ein sensibles Thema das Wein trinken im Ramadan bedeutet, auch für unseren Mustapha und der war ein frommer Mann! Schon das Anfassen einer Weinflasche gilt im Ramadan als Fastenbrechen. Auch das sollte man als Touri wissen! Das erlebte ich am ersen Abend im Riad in Marrakesch. Am Abend ging ich auf die neben unserem Zimmer liegende Dach-Terrasse, um die lauen Wind zu spüren nach der Hitze. Dort war ein junger Mann, sehr freundlich, wie übrigens alle Marokkaner, denen wir begegneten. Er baute schon am großen Tisch für uns 20 Personen, an dem wir später unser Dinner serviert bekamen. Wir unterhielten uns über die Hitze, über Hamburg auf englisch. Dabei fragte ich ihn, ob er mir ein Casablanca bringen könne. Das ist ein einheimisches Bier. Da zuckte er, sagte aber „Ja“. Doch würde er an meine Weitherzigkeit appellieren, erst in 15 Minuten. Warum fragte ich, in diesem Riad schenken sie doch Wein und Bier aus. Ja, aber erst, wenn die Sonne untergegangen ist und der Muezzin gerufen hätte. Ansonsten würde er das Fasten brechen.“ Mir wurde klar, schon das Anfassen und Weitergeben von Bierflaschen ist im Ramadan nicht erlaubt. Außerhalb des Ramadan wäre das Thema kein Problem. Der junge Mann bedankte sich für mein Verständnis. Ich setzte mich auf einen Sessel und schaute in die waagerechte Mondsichel. Nicht weit vom Riad wurde gerade ein Minarett beleuchtet, das vierkantig aussah wie ein Campanile in Italien. In ganz Marokko sehen die Minarette wie Glockentürme aus. Unser Guide bestätigte diese Beobachtung. Diese Form von Minaretts sei aus Europa und nur in Marokko seien sie so gebaut wie ein Glockenturm. Da brachte mir der freundliche junge Mann eine Flasche „Casablanca“.

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Die helle Seite des Ramadan ist das quirrlige Leben am Abend auf den Straßen. Verkaufsstände und Spielgeräte z. B. Rutschen und Karussells werden aufgebaut. Die Kinder toben drum rum. Die Frauen unterhalten sich und die Männer sind mit irgendwas beschäftigt. Bettler sieht man nicht, auch werden wir als Touris nicht angesprochen. Kriminelle Jugendbanden sind uns nirgends begegnet. Vor Diebstahl auf den Straßen und Plätzen wird nicht gewarnt. Öffentlich gibt es keinen Bierausschank, im Ramadan sowieso nicht. Es wird mäßig getrunken und gegessen in der Fastenzeit. Die Lebensgeister sind nach dem häuslichen Familienessen wieder da. Die marokkanische Gesellschaft wirkt am Abend freundlich und intakt. Es gibt auch keine Angst vor Terroristen. Marokko wird nicht erschüttert durch Anschläge wie in Algerien oder Tunesien und Ägypten ist weit weg. Auch als Reisender fühlt man sich nirgends unwohl oder bedroht. Doch dauernd leben möchte ich in diesem äußerlich so friedlichen und boomenden Land nicht. Dazu war allein die Hitze zu groß und die Zeit des Ramadan ist einengend. Die Riads und Kasbahs Mit dem Wort Riad (paradiesischer Garten) verband ich bei der Vorbereitung der Reise eine Märchenwelt von 1001 Nacht. Das wird auch mit Fotos im Internet so vorgegaukelt. Tatsächlich taucht man im Riad als Europäer in eine ganz andere Welt ein. Denn zunächst ist man irritiert. Manche von uns waren geschockt. Was sind Riads? Das arabische Wort Riad heißt Garten. Aber davon erlebt man als Gast nicht viel. Positiv ist es die Stille im Inneren des Hauses gegenüber dem Lärm draußen auf dem Platz und die schönen Formen der Säulen und Arkaden im Innenhof mit ihren arabesken Kacheln und Bildern. Aber Gärten sind die Riads nicht. Sie waren eigentlich Wohnhäuser von wohlhabenden Großfamilien am großen Platz der Medina. Seit langem sind diese reicheren Leute in die Grünanlage am Rande der Stadt gezogen, dort hin, wo die Luft frischer ist. Die Altstädte, wie man Medina übersetzen sollte, sind Handwerkerstätten und Souqs zum Einkaufen. In der Medina wohnen einfache bis arme Leute. Nun aber sind die leerstehenden Häuser der Reicheren umfunktioniert zu Kleinhotels. Meine Frau und ich fanden in dem Riad in Fes keinen Raum mehr zum Schlafen. Wir waren, das wussten wir, in ein ganz kleines Riad 200m weiter am großen Platz einquartiert. Dieses lag in einer Gasse hinter dem Platz. Beim Hineingehen in die dunkle Gasse– man wollte uns immer hinführen – sahen wir in die künstlich beleuchtenten winzigen Wohnräume der einfachen Menschen. Alles war sauber. Die Medinas sind keine Slums! Durch Klopfzeichen wurden wir in unser Riad hineingelassen. Über Stufen auf und ab gingen wir in einen kleinen fensterlosen Innenhof. Das Glasdach, durch das am Tage Licht einfiel, entdeckte ich erst am Morgen. Der Raum war sehr einfach möbliert mit einem Tisch in der Mitte und acht Stühlen. Also schloss ich messerscharf, gibt es wohl in diesem Riad acht Betten! Vier davon standen schon in unserer Kammer, die ein Fenster zum Innenraum hatte. In diesem Raum gab es auch ein Bad. Die Dusche funktionierte wunderbar. Das Wasser in der Duschwanne floss aber nicht ab. Nach dem ersten Schock über die Kleinheit des dunklen Raumes entdeckte ich ein Hochbett über dem Badezimmer.

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Auf zwei Leitern im 90° Winkel konnte man dieses "Obergeschoss" mit blumig gekachelte Wänden erreichen. Hier hatte ich viel Platz zum Träumen und Schlafen, aber nicht zum Bewegen. Das Doppelbett füllte den ganzen Raum. Zum Einsteigen brauchte ich ein paar gymnastischer Übungen. Ich war stolz auf meine Beweglichleit. Geschlafen habe da oben wie im Himmelbett, mal längs, mal quer. Wundervoll war die Matratze! Meine Frau schlief unten und hatte zwei Einzelbetten mit Zwischengang. Der übrige Raum unten war groß genug, um sich um sich selbst zu bewegen, also zwei Quadratmeter, um zur Tür des Bades und zur Tür zum Innenhof zu kommen. Zwei Nächte schliefen wir in diesem absolut stillen Riad mitten im Alltagsgewirr der Einheimischen. Als wir dieses Schlafdomizil am zweiten Tag in Fes um sechs Uhr morgens verließen und über den noch ausgestorbenen großen Platz unsere Trollys zum anderen Rias schoben, überkam mich eine leichte Wehmut nach der Geborgenheit in diesem so schön gekachelten Obergemach, denn auch die Decke war wundervoll bemalt.Wir fuhren na diesem zweiten Tag unserer Reise zwölf Sund von sieen bis Neunzehn Uhr mit Pausen in den Süden durch den Mittleren Atlas. In Dades, einem 1800m hoch gelegen Wüstendorf lag koch über der kleinen Oase unser Tagesziel, eine neu gebaute Kasbah. Der Schotterweg dort hinauf war abenteuerlich. Einen fantastischen Blick in die ocker-gelbe Wüste und auf den grünen Schirm der Dattelpalmen konnten wir von hier oben genießen. Dann wurde es leider schon dunkel. Nach diesem viel zu langen Reisetag gab es noch ein Zimmerproblem. Vier Leute von uns sollten sich ein Vierbettzimmer mit einem Bad teilen. Ausweichmöglichkeiten gab es nicht. Es wurde laut und ungemütlich. Am Ende siegte die Vernunft, denn jeder hatte ein Bett, wie auch immer. Die Gemüter beruhigten sich. Als ich als einziges männliches Wesen mich in mein Bett verkrochen hatte, dachte ich zurück an das kleine aber kuschelige Obergeschoss in Fes. Wie selig-ruhig war es doch dort unter dem mit Arabesken geschmückten Himmel gewesen. Kasbahs sind keine Privathäuser in der Medina einer Stadt, sondern sind ehemalige Burgen, sehr geeignet als kleine Hotels. Sie waren ürsprünglich Festungsanlagen von der algerischen Grenze bis an den Atlantik gegen Eindringlinge aus dem Osten oder aus der Wüste. Sie stehen auf Wüstenbergen aufgereiht wie die Burgen am Rhein. Die meisten sind so verfallen wie unsere romantischen Burgen in Deutschland. Einige sind aber zu Kleinhotels umgebaut. Sie sind ähnlich angelegt wie die Riads in den Städten. Um einen Innenhof reihen sich in zwei mit Arkaden geschmückte Etagen, von denen die Zimmer abgehen. Auch in den Kasbahs sind die meisten Zimmer fensterlos nach außen. Nur zum Hof gibt es natürliches, aber gedämpftes Licht. Die Kasbahs haben weite Innenhöfe mit Brunnen und Pflanzen. Diese Innenhöfe wirken eher wie Gärten als die Riads in der Stadt. Die Kasbas kann der Bus direkt erreichen, die Riads in der Medina sind nur zu Fuß, je nach Lage vom Bab, dem Tor, das hinein führt. In Fes und in Marrakesch mußten wir ca. 10 Minuten durch das Gewimmel der Einheimischen, die Eselskarren und Motorradfahrer bis zum Riad natürlich ohne Gepäck. In der Medina ist stickige Luft und 10 Grad wärmer als draußen.

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Vier-Sterne Hotel Reisen sind etws ganz anderes! Die Kasbahs sind für normale Touris angenehmer. Sie liegen schön und isoliert auf Bergen, sind aber trotzdem mit einem normalen Hotel nicht zu vergleichen. Wer glaubt, Kasbahs seien so schöne Anlagen wie die Paradores in Spanien, der dürfte enttäuscht werden. Die heutigen Kasbahs sind aus den Stoffen der umliegenden Natur sehr einfach gebaut. Komfort sucht man vergeblich. Einen Föhn gibt es bei den "Herbergseltern". Dafür ist man noch Gast im Sinne der Gastfreundlichkeit und wird persönlich bewirtet. Es ist schon etwas ganz Besonderes, einziger Gast zu sein. Mehr als 20 Leute kannn auch eine Kasbah nicht aufnehmen. Der Sonnenaufgang über dem Dades-Tal bleibt ein unvergessliches Erlebnis. Unser Vierbett-zimmer hatte Fenster, durch die wir vom Bett aus auf die beleuchteten Wüstenberge und die Oase schauen konnten. Wir erlebten einen Sonnen durchfluteten Morgen mit Bergblick in die Weite und in einen azur-blauen Himmel. Das Blau des Himmels sollte in all den Tagen, die wir in in Marokko waren, nicht verblassen. Unser Busfahrer fuhr uns ca. eine Stunde den Dades Fluss hoch in die Drei-Tausender des Hohen Atlas. Das Tal selbst liegt 1800m hoch. Wir hielten an vielen bizarren Bergformationen an, schauten auf die Oase herab, die dieses Tal mit ihrem Grün füllt und genossen den Kontrast zwischen der Ockerfarbe der Wüstenberge und dem satten Grün der Palmen. Dieser Anblick war schon eines der "Sehnsuchts-Ziele" dieser Reise. Schon deshalb sind wir in den Süden Marokkos gefahren. Dort kommt die trockene seidenweiche Luft der Wüste hinzu, wenn ein Windhauch uns umfächelt. Wir fuhren tief in die enger werdende Schlucht hinein. Nun waren wir im Hohen Atlas angekommen. Dann gings zurück über Dades nach Tinerhir, einer heute modernen Stadt. Die neuzeitlichen Häuser leuchteten in Rot und Ocker. Die Stadt ist weitläufig mit breiten Straßen und langen Einkaufszeilen. Die alte Medina mit ihren engen Souqs ist einer neuen gewichen. Hier hätte man normalerweise auch Wein einkaufen können ganz öffentlich. Aber der Ramadan machte das unmöglich. Das hatten wir endlich begriffen. Wir brauchten vor allen Wasser. Unsere Guides schleppten jeden Tag Unmengen von eingeschweißten Flaschen zur großen Kühl-Box im Bus. Wasser gabs in derWüste umsonst. Da hatte ich richtig gelegen bei meinen Überlegungen, wie wir durch heiße Tage kommen sollten. Ich hatte ein Getränke-Bujet geschaffen, in dem auch für Weineinkäufe gesorgt sein sollte. Nun wurde es zum Wasserpeichen! Ich verkündete laut den Slogan: "Je mehr ihr trinkt, um so billiger wird das Wasser für euch." So war am Ende der Reise, es ist kaum zu glauben, das Wasser-Trinken tatsächlich umsonst für jeden einzelnen von uns. Die Rechnung unseres Guide, die es natürlich gab, ließ sich wundersam leicht begleichen. Die schöne Stadt Tinerhir ist Ausgangspunkt für die Fahrt in eine östlich gelegene Schlucht in den Hohen Atlas, die Gorges du Todra heißt. In der Schlucht angekommen, gingen wir einen halben Kilometer zu Fuß am Flussbett entlang zwischen den 300m steil aufragenden Fels-Wänden. Ein ungeheuer schwindelerregendes Erlebnis beim Hochschauen. Das war der Lohn des Wanderns! Danach gings im Bus zurück nach Tinerhir zum Mittagessen in einem lauschigen Gartenlokal.

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Der Süden Die Oasen in der Wüste Am Nachmittag lag eine 250km lange Fahrt durch das südliche Wüstengebirge vor uns. Die ausbebesserte Straße führte von Tinerhir (1300m) hinauf zu einem 2100m hoch gelegenen Pass und dann auf einer hügeligen Hochfläche mit afrikanischen Tafelbergen und Vulkanen. Jetzt waren wir auf dem afrikanischen Kontinent angekommen. Die Fahrt ging zur Oasenstadt Zagora, die am Rande der Sahara liegt. Der erste Teil der Strecke war sehr reizvoll wegen der für uns unbekannten Tafelberge. Dieses Gebirge ist nicht wie der Hohe Atlas aufgefaltet also wie die Alpen, sondern durch Erderhebungen und scheinbar aufgesetzten Vulkane und große Lavaflächen bizarr und düster geformt. Nach einer Kaffeepause ging es nochmals zwei Stunden gegen die tief stehende Sonne auf dieser Wüsten-Hochebene auf wackeliger Straße. So wackelte der kleine Bus hin und her und auf und ab bis zum südlichsten Ruheort unserer Reise. Für solche Strecken hatte ich mir vorgenommen, Märchen aus 1001Nacht im Bus vorzulesen. In den ersten Stunden dieser sehr langen Fahrt erzählte Mustapha blumig und interressant über die marokkanische Esskultur, über Gewürze aller Art, Gerüche und Gerichte wie die Couscous. Wir konnten die Couscous jeden Abend in unseren Kasbahs und Riads bekommen. Beliebt waren auch die Tajine-Gerichte, die in Tongefäßen mit einem spitz zulaufenden Deckel serviert werden. Darin ist alles schmackhaft gegart, von Gemüse ohne Fleisch angefangen bis Hähnchen mit Backpflaume oder Ziegenfleisch. Ketchup als Beigabe ist nicht nach marokkanischem Geschmack. Nun zu 1001 Nacht Geschichten. Sie sind alle sehr lang, da Scheherezade, die Erzählerin ja überleben will. Viele dieser sogenannten Märchen sind sehr grausam oder bloße Horrorgeschichten, viele aber auch zarte Liebesgeschichten. Ich las nun eine der Mord-Geschichten, die sehr bekannt ist und vielfach verfilmt wurde: Ali Baba und die vierzig Räuber. Der Bus wackelte auf der holperigen Straße und das Mikrophon schepperte. So las ich langsaam und mit viel Betonung eine Stunde lang, bis einige von hinten riefen, sie verstünden nur die Hälfte. Aber immerhin war der erste Teil von "Sesam öffne dich" geschafft. Der reiche Bruder von Ali Baba war in die Falle geraten, weil er nicht Sesam, sondern "Gerste, öffne dich" sagte, als er aus der Schatzhöhle raus wollte. Eigentlich hatte ich für einige in den Wind geredet und wollte damit das Märchenlesen beenden, zumal die Mirkophon-Anlage zu wünschen übrig ließ. Auch bei unserem Guide klang sie nicht klarer. Der Bus war nicht mehr der jüngste, obwohl er für die Pistenfahrten in der Berg-Wüste genau richtig war und einen starken Motor hatte. Am Ende der Reise hatte unser ausgezeichneter Driver uns sicher 2600 km durchs Land gefahren. Abdullah, unser technischer Guide, hatte irgendwie das Scheppern des Mikro weg bekommen, so dass ich, nun auf Wunsch der Gruppe, das Märchen von Ali Baba und seiner klugen Morgiane auf zwei weiteren Etappen des Unerwegsseins zu Ende lesen konnte. Warum kommt man in Marokko überhaupt auf 1001 Nacht Geschichten? Wohl weil das Land so viel Romantik hat, wonach der Titel Märchen aus 1001 Nacht ja klingt. Der Tourismus wirbt damit, besonders für das Wohnen in den Riads. Im Riad in Fes z. B. hatten die Zimmer Namen der Märchen. Ein großen Zimmer hieß 1001Nacht. Die Ambivalenz dieser Werbung ist zu auffällig.

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Der Fluss, die Draa, entpringt im Hohen Atlas und führt zur Zeit der Schneeschmelze viel Wasser in und durch die Wüste. In der Trockenzeit ist ihr Bett nur ein Wadi, der allerdings durch die Sahara bis zur Mündung im Atlantik erkennbar ist. 150 km führt die Draa auch im Sommer genügend Wasser, so dass sie wie ein kleiner Nil ein immer fruchtbaren Landstreifen an ihren Ufern bildet. Hier wird geackert wie am richtigen Nil und vor allem sind hier Dattelpalmen-Plantagen angelegt, die auch Schutz gegen die Hitze geben. In Zagora sind mehrere solcher Dattelpalmen-Oasen. In einer lag unser Domizil, in den wir zwei Nächte schliefen. Es war ein wunderschön angelegter Oasen-Garten, in den Bungalows hineingebaut waren für zwei Personen. Das Restaurant war kein geschlossener Bau, sondern ein mit Tüchern gedeckte offene Terrasse. Inmitten des Gartens lag ein größeres Schwimmbecken. In dieser Anlage konnten wir uns erholen. Am liebsten wären wir hier drei Nächte geblieben. Diese Analge ist kein Riad und keine Kashbah! Wahrscheinlich war sie mal eine Fünf Sterne Anlage, aber jetzt doch ganz schön abgewohnt. Was macht man als umtriebiger Reisender in der Wüste und der Oase? Sehenswürdigkeiten gibt es am Ende der Welt nicht? Oder doch! Wir fuhren zu einem Wüsten-Kloster, um die dortige Bibliothek zu besichtigen. Die neu gebaute Klosteranlage lag ohne Palmen in der prallen Sonne. Drum herum war eine goldgelbene Sandwüste. Hier arbeiten die Mönche an Büchern, die sie gesammelt haben. Unter anderem entdeckte jemand aus der Gruppe eine griechische Gesammtausgabe der Werke des griechischen Philosophen Pythagoras, der das mystische Weltbild philosophisch entwickelt hat. Wir bestaunten auch viele Kaligraphien-Bücher in dem klimatisierten Bibliotheksraum. Nicht im Reiseprogramm war der Gang durch ein Lehmhöhlendorf am Rande der Wüste. Für mich war es ein Schock, diese Lebensweise, die ich nur "Hausen" nennen kann mit all dem Dreck und Gestank. Der gebückte Weg durch dunkle Gänge führte zu einer Töpferei und ihrem Verkaufsladen. Dort haben viele von uns die Gelegenheit genutzt, volkstümliche, von einheimischen Handwerkern getöpferte, Souvenirs zu erwerben.Danach war ich froh, wieder in unserer Oasen-Anlage zurück fahren zu können. Mit ziemlicher Übelkeit legte ich mich ins Bett. Glücklicherweise war ich am nächsten Morgen wieder gesund. Die übrigen 20 Mitreisende genossen den Abend, auch bei gutem marokkanischen Wein. Wir waren in einer internationalen Oasen-Anlage unter uns. Es waren nur wenige europäische Gäste noch dort. Die meisten Bungalows hatten wir belegt. Allen gefiel das Oasenleben. So beschlossen wir, am nächsten Tag erst am späteren Vormittag das Draa-Tal aufwärts zu fahren. Es lagen diesmal nur 200km vor uns. Allerdings verließen wir nach 100km das Oasen-Tal, um in endlosen Kehren über einen Gebirtgpass zu fahren, um in die Hochene von Quarzazate, die 1200m hoch liegt, zu kommen. Diese Hochebene war eine wüstenähnliche Landschaft. Es wurde mittags heiß. Es herrschte eine Hitze, wie wir sie an den Vortagen noch nicht kannten. Sie ließ uns nicht mehr los, bis zum letzten Tag vor der Abreise. Mittag aßen wir in der Wüste in einem künstlich aus dem Boden gestampften Feriendorf. Jetzt im Mai lag es meschenleer da. Wir wunderten uns, wer in dieser Anlage wohl Urlaub macht. Die Antwort war: Im Winter fährt man dorthin zum Skilaufen.

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Die Berge des Hohen Atlas sind ganz nahe. Sie winkten als Kulisse aus dem Norden. Auf den Drei Tausendern lag bei dieser erbarmungslos scheinenden Sonne noch Schnee, obwohl, wie der Guide sagte, es ein niederschlagsarmer Winter gewesen war und man schon jetzt um die Ernte fürchtet. Diese gewaltige Gebirgswand sollten wir am nächsten Tag überwinden, um wieder Laubäume und Grünland im Norden von Marokko zu sehen. Noch aber waren wir in der hier gelben Wüste, die so aussah, wie man sich die Wüste vorstellt. In dieser Wüste mitten in der baumlosen Hitze aßen wir bei 40° im Schatten. Der eine Kellner, der arme Mensch, gab sein bestes. Nach fast zwei Stunden bekamen die letzten von unserer Gruppe ihr Essen. Labsal oder Trostpflaster war der frisch gepresste Orangensaft. Ich beobachtete - selber noch nicht ganz wieder bei mir nach der üblen Nacht – diesen sich dahin schleppenden Mann. Nichts trinken dürfen in dieser Situation erschien mir wie Folter, die die moslemische Gesellschaft sich und der Einzelne ebenso sich selbst auf erlegt! Von der nahe gelegenen berühmten Kasbah, die ein Touristen-Magnet ist, hatte ich nicht viel und suchte nur nach einem Mauervorsprung, um mich darauf zu setzen. Der örtliche Guide erzählte von dem dort einmal residierenden Pascha mit ungetrübter Begeisterung, als habe er Marokko vor dem Untergang gerettet. Überall standen Kanonen aus Krupp-Stahl herum. Durch all die Gänge, über die Treppen und durch die Räume schoben sich die Touristen-Gruppen mit ihren laut erzählenden Guides. Von einer Sprech- und Höranlage für Gruppen habe ich in Marokko nirgends etwas wahrgenommen. Hier schrien die Guides noch ihre Stimmen heiser. Über all dem sank die Sonne hinter die Berge der Wüste. Wir fuhren durch die Stadt Quarzazate und wieder hinaus auf einen Wüstenhügel, auf dem unser neu gebaute Kasbah thronte und auf uns zu warten schien. Denn wie überall waren wir als Gruppe allein. In dieser etwas größeren Kasbah brauchten vier kein Vierbettzimmer. Jeder bekan sein Zimmer wie es gebucht war. Damit war aber auch diese Kasbah voll belegt. Es gab für einige, die ein Einzelzimmer gebucht hatten, leider nur sehr kleine, dunkle Kammern. Das war schade, denn die Kasbah war so interessant gebaut in der Einsamkeit der Wüste. Vor allem waren die „Herbergseltern“ zuvorkommend, wenn auch mansches etwas zu schnell ablief, wie die ungeordnete Zimmerschlüssel-Verteilung. Da kam wieder einmal Chaos auf. Das Abendessen mit Wein- oder Bier Ausschank wurde von der Wirtin serviert. Um das immer umständliche und zeitaufwendige individuelle Abrechnen der Getränke zu vermeiden, hatte ich, wie schon erwähnt, ein von etlichen gefülltes Bujet und konnte so in der Oase in Zagora am zweiten Abend und in dieser Kasbah die Rechnungen für alle bezahlen plus Trinkgeld. Den ersten Abend in Zagora hatte uns unsere Agentur ECC die Getränke spendiert. Alles ging zügig vor sich. Von der Behäbigkeit des Ramadan. war hier nichts spüren. Mir schmeckte das warme Essen wieder, das köstlich zubereitet war mit all den Gewürzen und Düften des Orients. Es war für jeden etwas da, auch für die Veganer. Schade war es, dass wir den wunderschön gestalteten Innenhof dieser privat mit eigenen Händen gebauten Kasbah nicht am späten Abend mit Leben füllten. Hier hätte ich gerne Ali Baba... weitergelesen oder schöne Musik gehört, die wir in CD`s bei uns hatten.

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Aber ich selbst war nach diesem heißen Tag in der Wüste viel zu geschafft, wie wohl die meisten von uns. Statt dessen setzten wir uns auf den kleinen Balkon und schauten in den Sternenhimmel der Wüste. Da bemerkte ich einen hellen Schein an östlichen Horizont. Der rote Planet ging in voller Pracht auf. Das war ein staunenswertes Natur-Schauspiel! Am nächsten Tag fuhr uns unser Bus-Fahrer in seinem gelenkigen Bus durch das südliche Vorland des Hohen Atlas hinauf zum Pass, der auf 2200m Höhe liegt. In ca. 1700m Höhe machten wir unterhalb der steil abfallenden Hänge Mittagspause. In dem dortigen Rastaurant war man auf Durchreisende eingestellt. Flott wurde auf der überdachten Terrasse für uns 21 Leute eine Tafel aufgebaut. Ein junger Mann mit viel Übersicht und mit Tempo bediente uns. Hier war der Gast wichtiger als der müde Ramadan. Es gibt in Marokko auch liberale Moslems, die den Ramadan nicht halten. Nach der Pause ging es in vielen Kehren hinauf zur Passhöhe. Ein wenig unterhalb des Passes hielt der Bus. Wir konnten austeigen. Nun waren wir auf der nördlichen Seite des Hohen Atlas und schauten in die grünen Hänge in der Tiefe. Dort oben aber im alpinen Hochgebirge schauten wir auch auf die bizarren Felsen und Gipfel. Leider begann dann eine anstrengende Abfahrt in die Tiefebene. Denn die Kehren reiche Gebirgsstraße wurde in voller Länge ausgebaut. So ging es mehr auf Schotterpisten als auf geteerten, ebenen Straßen abwärts. Erst am Abend waren wir in Marrakesch. Wir benötigten zwei Stunden mehr wegen der vielen Baustellen, um ins Tal zu kommen. Das für den Nachmittag geplante Besichtigunsprogramm war unmöglich einzuhalten und so entfiel es. Hinzu kam die Hitze, die zunahm, je näher wir auf Marrakesch zukamen. Wie schon am Anfang berichtet, lag über Marokko eine für Mitte Mai ungewöhnliche Hitzeglocke. Marrakesch In Marrakesch war unser Domizil für die drei letzten Nächte unserer Reise. Wir wohnten in der Medina in einem Riad. Vor dem Bab Agnaou (einem der Stadttore zur Medina) hielt der Bus. Wie schon geschrieben, ist Autofahren in den schmalen Ladenstraßen und Souqs nicht möglich, aber Motorräder sind erlaubt, die die Luft in der Enge verpesteten. Dazu kommen die breiten Eselskarren, die dem Fußgänger Geduld abverlangen, dazu die Gerüche am späten Nachmittag von den offenen Fleischtheken und dem Unrat, der sich im Laufe eines Tage auf den Straßen angesammelt hatte. So mussten wir ca. zehn Minuten mit unserem Handgepäck zum Riad gehen. Das war leider so unvorbereitet für uns undviele waren gereizt in dieser unerträglichen Hitze und Lage. Mancher mag an die Weite der Wüste und dem Alleinseins dort gedacht haben. Leider war ich auf diese Situation nicht vorbereitet. Riads liegen nun einmal in der Medina, im Arme-Leute-Viertel. Was also eine Medina wirklich ist, das wissen wir jetzt. Schlangenbeschwörer und Tänzer auf den Plätzen sind nicht das eigentliche Gesicht einer Medina. Aber das Nervige war vor allem die Hitze! Entsprechend heiß war es auch in unserem Riad. Meine Frau und ich und ein weiteres Ehepaar wohnten auf dem Dach. Im Zimmer war es sehr heiß. Es gab aber eine Klimaanlage.

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Trotzdem verließ ich schnell den Raum und hielt mich auf der Dach-Terrasse auf und genoss den schönen Blick über die Dächer der Stadt bis zum Minarett der Großen Moschee. Dieser gewaltige Vierkant-Turm stammt aus der Almohadenzeit, also dem 12. Jahrhundert, und ist zur selben Zeit wie die berühmte Giralda in Sevilla gebaut worden. Die Almoden waren ein Berber-Geschlecht aus den Hohen Atlas, dass ein Großreich über Marokko und Spanien regierte. Vier Mitreisende hatten ihre Schlafräume im Nachbar-Riad. Es sollte teuer und edel sein. Aber die Schlafräume waren so beengt und dunkel, dass mir gesagt wurde, in was für einem Loch ich sie da untergebracht habe. Die Abende unter freiem Himmel auf der Dach-Terrasse entschädigten aber für einige Unebenheiten. Dort oben wurde eine festlicheTafel zum Dinner aufgebaut, um die wir alle Platz fanden. Wegen des Ramadan wurde erst um 21 Uhr ein opulentes Abendessen serviert. Es war längst dunkel. Bei Kerzenschein tafelten wir. Wein wurde ständig nachgegossen und die Stimmung hob sich. Nun kam doch so ein Hauch von 1001Nacht auf in der warmen angenhmen Luft des Abends. Die Hitze war gewichen. Der Wein floss weiter, ohne dass ihn einer bestellt hatte. Mein Beutel für Getränke war schon leer. Als wir merkten, dass wir nicht im Schlaraffenalnd saßen, und der Wein was kostet, gab jeder, auch der, der gar keinen Wein getrunken hatte, etwas nach seinem Gutdünken in den Beutel. Das Wunder war, ich konnte damit am letzten Morgen die Rechnung begleichen. Man kann dieses Riad durchaus weiter empfehlen. Die Gäste müssen nur besser darauf vorbereitet sein.Wie schnell eine Hitzewelle den Nimbus einer sog. Märchenstadt rauben kann haben wir erlebt. Dass Marrakesch die schönste Stadt Marokkos sei, ja sogar von ganz Afrikas, konnten wir nicht nachempfinden.Wir erlebten nur ein heißes Häusermeer und ein Labyrinth von Straßen, in denen wir Schatten suchten und viele erschlaffte Menschen sahen, denen der Ramadan tagsüber das Trinken verbot. Vielleicht war es für uns in der Stille und der Weite der Wüste mit ihren vielen Oasen viel zu schön ergangen, als dass das so gelobte Marrakesch faszinierend auf uns wirken konnte. Leider sahen wir nur die Hälfte der schönen Bauwerke Marrakeschs. So ist unser Eindruck von dieser Königsstadt nicht vollständig. Wi hatten einen verständnisvollen Stadtführer, der das vorgesehene Besichtigungsprogrammm einfach zusammenstrich, was wir wegen der Hitze alle begrüßten. Am nächsten Vormittag holte er uns um 9Uhr aus unserem Riad ab und führte uns durch die Gassen zu den Saadier-Gräbern mit ihrer schönen maurischen Architektur und arabesken Ornamentik, die der Architektur der Alhambrah (Löwenhof) in Granada ähnelt. Dann ging es weiter durch die Medina zum Palais de Bahia und seinen sprudelnden Brunnen, Gärten und Schlossräumen. Hier war großer Touristen-Auflauf, als ob sich hier alle Kühle versprachen. Wir waren nicht die letzten Touris in Marrakesch in dieser Frühlings-Saison. Der Mai ist Hochsaison im Rundreise-Tourismus in Marokko, weil die Regenperiode jetzt zu Ende ist. Im Mai in Marrakesch liegen normalerweise die Mittagstemperaturen bei erträglichen 28° bis 30°! Doch das sollte man schon wissen: in der Medina ab Mittag heizt sich die Luft durch die menschliche Arbeit auf. Es wird schwül warm und die Temperatur kann sich zehn Grad mehr anfühlen.

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Schatten suchend gingen wir nach dem Aufenthalt in dem Palais zu unserem Bus, der am vereinbarten Ort auf uns wartete. Übrigens klappte die Organisation auf unserer Rundreise durch Marokko immer gut und pünktlich. Der Guide Mustapha hatte alles gut vorbereitet, wir wurden überall, wo wir ankamen freundlich erwartet und begrüßt Unser lieber Fahrer wartete schon. Er hatte die Klimaanlage, die gut funktionierte, auf Hochtouren laufen lassen. So konnten wir uns im Bus abkühlen. Dazu fuhren wir zu unserer Erholung ein wenig in der großen Stadt herum, um dann an einer langen Allee mit viel Grün und Palmen wieder auszusteigen. Wir waren an der Almohaden-Moschee aus dem 12. Jahrhundert, von der aber nur der große Turm steht. Von der Moschee selbst gibt es nur Grundmauer. Sie hatte eine doppelt so große Fläche mit ihrem Säulen- und Arkadenwald wie die große Moschee in Cordoba in Spanien, die im selben Stil gebaut ist. Hier allerdings sahen wir nur die Grünanlagen und gingen ohne etwas von den alten Mauern zu sehen die gerade Straße hinunter, die auf dem berühmten Platz Jemaa el Fna mündet. Nun mussten wir ohne Schatten und Grün über diesen riesigen Platz gehen, der öde da lag,weil auf uns aud der anderen Seite ein Restaurant wartete, in dem wir zur Mittag angemeldet waren. Schön war es nicht, aber wir bekamen im Obergeschoss einen klimatisierten Essraum, sehr schlicht mit einfachster Möblierumg. Hier konnten wir uns von der Hitze erholen, und das Essen genießen. Das war wie immer schmackhaft. Der Stadtführer hatte mir schon am Morgen vorgeschlagen, auf das weitere Besichtigungsprogramm in der Medina zu verzichten und zum Majorelle-Park zu fahren, um unter Palmen und vielen exotischen Bäumen und Pflanzen lustzuwandeln, auszuruhen und im Cafe´ uns zu erfrischen, ein Berbermuseum zu beischtigen und die ersten Seerosen auf dem großenTeich anzusehen, Erinnerungen an die Reise in Frankreich nach Giverny zu Monets berühmten Seerosenteich wurden am Seerosenteich wach. Diese Programmänderung war goldrichtig. Nach langem Verweilen im Park gings zurück zur Medina. Beim Bab Agnaou stiegen wir aus und gingen durch das Stadttor in eine Apotheke. Dort hörten wir einen Vortrag über Heilkräuter, die uns auch gezeigt wurden. Es blieb natürlich nicht aus, dass man diese auch kaufen konnte, wovon meine Gruppe Gebrauch machte. Das Ganze dauerte eine Stunde und damit war der Nachmittag mit gutem Programm gefüllt, ohne Schlösser und Medersen. Ich glaube, niemand hat diese schönen Gebäude vermisst. Wie sehr doch Hitze lähmen kann! In Hamburg froren die Menschen in fast winterlichen Kälte, ungewöhnlich für Mitte Mai. Das Programm für den zweiten Tag in Marrakesch wurde nun auch gestrichen. Statt dessen fuhren wir mit unserem Bus auf einer Autobahn 250km nach Westen zur Atlantischen Küste. In drei Stunden hatten wir in einer Richtung dieStrecke geschafft. Auf der Rückfahrt konnte ich im gut gekühlten Bus das Märchen von Ali Baba un den vierzig Räuber zu Ende lesen und eine zusammenfssende theologische Besinnung über das Paradies und dem daraus abgeleiteten Reich Gottes halten. Über die verschiedenen Paradiesvorstellungen hatte ich jeden Morgen im Bus geredet, natürlich auch die Weltbilder vom Paradies in der Bibel, im Koran und in Altägypten. Die Morgen-Andachten gehören zum Ritual auf meinen Reisen.

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Schon weit vor Essaouira, einer Hafen- und Fischerstadt umhüllte uns der Seenebel. Als wir am Hafen, im Gewirr der Fischer und der Schreie der Möwen und der schwarzen Händler aus dem Bus ausgestiegen waren, froren wir im kühlenden Seewind ohne Jacken. Das Meer war grau, die Brandung lud zum Baden nicht gerade ein. Das Wasser hatte vielleicht etwa 21°. Eigentlich wollte wir baden. Doch wir machten mit Mustapha erstmal ein Stadtrundgang, zunächst durch den Fischerei-Hafen, dann durch die eleganten Einkaufsstraßen dieses internationalen Badeortes mit französischem Flair. Da es schon Mittag geworden war, entließ uns Musapha zum Bummeln und Mittagessen. Es war in der Stadt ein Treffpunkt abgemacht, wo wir uns um drei Uhr wieder einfanden. Leider lagen wieder drei Stunden Busfahrt vor uns. Zum Strand gingen gar nicht mehr alle und nur einige wenige wagten sich in die harmlose Brandung. Mit dem Ausflug an den Atlantik endete die Rundfahrt durch Marokko. Auf der Dach-Terrasse unseres Riads erlebten und genossen wir einen wunderschönen Abend mit dem Gefühl, ein wirkliches, ein elementares Eintauchen in eine andere Welt erlebt zu haben, auch wenn man mit Märchen und Paradiesen nicht unkritisch umgehen sollte. Zusammenfassung Marokko ist ein lebensfrohes, aufstrebendes moslemisches Land. Wir bereisten es in einer extremen Zeit, nämlich in der Fastenzeit, dem Ramadan. Tiefer kann man in eine moslemische Gesellschaftsordnung nicht hinein schauen als im Ramadan, denn wir wollten die Menschen in diesem intakten, friedlichen Land und seine moslemische Lebensorndnung kennen lernen und nicht nur ihre alte Kultur. So war der Ramadan genau die richtige Zeit gewesen. Marokko ist ein so schönes Land mit seinen freundlichen, einfachen Menschen, wie auch mit seinen Naturerscheinungen. Es war also auch eine Natur-Reise und kein Eintauchen in die Geschichte des Landes, sondern ein Eintauchen in seine Gegenwart. Natürlich gibt es keine Gegenwart ohne Vergangenheit. Diese Symbiose erlebten wir in den Riads und Kasbahs. In der marokkanischen Natur war es die Einheit die von Wüste und Oase. Wo keine Oase ist, ist die Wüste ein Meer aus Steinen. Wo in der Wüste Wasser fließt und eine Oase ist, da wird die Wüste zum Gold-Gelben Staunen. So war diese Reise vor allen schön wegen des Naturbildes von der Einheit des Grünlandes mit der Wüste. Wir sind wieder zurück, sehr beeindruckt von den Erlebnissen. Es war eine Rundreise von Casablanca am Meer über Rabbat zu den Königsstädten Meknes und Fes. Danach kam die zu lange Fahrt in den Süden durch das Mittlere, sehr grüne Altasgebirge, in dem die Zedern wachsen, die wir gesehen und angefasst haben. Nach dem Grün südlich eines Passes begann die Einöde der Gebirgswüste, die im Draa-Tal in Zagora in den Oasen endet. Von dort ging es wieder nach Norden das Draa-Tal aufwärts und dann hinauf zu den Viertausendern des Hohen Atlas und hinüber und hinunter in die Königsstadt Marrakesch und von dort noch einmal ans Meer nach Essaouira. Am Ende durchwarteten wir einen langen Rück-Reise-Tag von Marrakesch mit Air France über Paris nach Hamburg. Ich bin dankbar für diese grandiose Reise 2600km durch Marokko voller Überraschungen.

Hartmut Nielbock, Leiter der Reisegruppe Dies habe ich geschrieben in Seth vom 20. -29.Mai 2019

Wir möchten uns bei unseren Gruppenleiterinnen und Gruppenleitern sowie deren Teilnehmern ganz herzlich für die tollen und umfassenden Reiseberichte, Tagebücher, Gedichte und Gedanken zu den Reisen bedanken!