Blog Reiseberichte

MEDITATIONEN zur BERGPREDIGT

Eine Kulturreise des Paulusseminars nach Kreta

Zitadelle von Heraklion, Kreta

Studienreise des Paulusseminars Essen-Heisingen - Gruppe Dr. Schendel
nach KRETA vom 17-28. Oktober 2004

„Als er aber das Volk sah,ging er auf einen
Berg und setzte sichUnd es begab sich,
als Jesus diese Rede vollendet hatte,daß
sich das Volk entsetzte über seine Lehre;
denn er lehrte sie mit Vollmacht und nicht
wie ihre Schriftgelehrten“ (Mt 5,l;7,28f).

Im Laufe unseres Lebens dringen unzählig viele Stimmen an unser Ohr. Viele hören wir gern, andere hingegen können wir nicht ertragen: poli­ tische, ideologische, religiöse, weltliche.Manche könnten wir nicht er­ tragen, wenn da nicht eine andere Stimme wäre. Wir kennen sie alle,aber kennen wir sie wirklich? Ob i n der Kirche oder weit außerhalb.

„Diese Stimme ist leise,nicht gewalttätig,ruhig und unüberwindlich:
was du nicht trägst,ertrage ich. An deine Stelle trat ich. Vor Gott.
Ich trage die Rätsel des Chaos.
Ich trage die Rätsel der Geschichte.
Ich trage dich,der du dir Rätsel bist.
Ich trage deine Sünden ans Holz auf Golgatha.
Ich habe dich zum Träger meines Namens gemacht.
Du bist frei, unendlich wertvoll und einmalig.
Du hast Würde.
Der Morgen gehört dir. Mein Ostermorgen.“

(Peter Beier, „Die Wahrheit braucht keine Dome.Predigt anläßlich der Wiederingebrauchnahme des Berliner Doms,6. Juni 1993)

Wo vernehmen wir diese Stimme authentisch und kompetent? In unserer lieben Bibel,im Neuen Testament. Dort verbirgt sich das Evangelium in der großen Reihe der menschlichen Zeugen: bei den Evangelisten, bei Paulus und den anderen Aposteln. Doch nicht immer ist es verborgen. Oft leuchtet es hell und klar auf wie das Licht am ersten Ostermorgen.

In den Evangelien in den Gleichnissen Jesu. Bei Paulus in der Lehre von der Rechtfertigung des Gottlosen. Und bei seinem und unse­rem lieben Herrn Jesus in seiner sogenannten Bergpredigt, wie Matthäus sie nennt oder in der bei Lukas so bezeichneten Feldrede .

Während unseres Aufenthaltes auf Kreta in der herbstlichen Zeit wollen wir gemeinsam über die große Vision der Bergpredigt nachdenken. Nicht in gelehrten Abhandlungen, nicht in religionsgeschichtlichen Vergleichen,nicht in philologischen und theologischen Spitzfindigkeiten ihrer fast unendlichen Zahl der Ausleger - nein, wir stellen uns ihren Herausforderungen mit der Kernfrage an jeden von uns:
Ist sie Utopie oder Leitfaden für unser Leben?

Die Stimme spricht uns ruhig und unüberwindlich an:

„Ihr seid das Salz der Erde. I h r s e i d das Licht der Welt.“
(vgl Mt 5,13f)
Nicht ihr sollt Salz der Erde,Licht der Welt sein, sondern ihr s e i d
es. Sie spricht im Indikativ,nicht im Imperativ.Das sind zwei Bilder mit einer ungeheuren Zeichenkraft für unser Leben. Überall auf der Welt hat das Salz eine lebenserhaltende Wirkung,Es bewahrt vor Verfall. Aber es reinigt und heilt ebenso. Das jodhaltige Salz hilft uns in man­ cherlei Krankheit und Verwundung. Es brennt und desinfiziert somit.

Die Gabe von Brot und Salz wird beim Einzug in ein neues Umfeld dargereicht: beim Einzug in ein neues Haus,in ein neues Land,ja selbst Feinde wurden so begrüßt. Im Mittelalter wurden ganze Straßen nach diesem unverzichtbaren Lebensmittel genannt: der Hellweg,Orte haben ihren Namen vom Salz, zB Bad Salzuflen usw.Salz ist Zahlungsmittel gewesen und spielte seit alters eine wichtige Rolle in der Opferliturgie. „Alle deine Speiseopfer sollst du salzen und dein Speiseopfer soll niemals ohne das Salz des Bundes deines Gottes sein; bei allen deinen Opfern sollst du Salz darbringen“ (3Mose 2,13). Beim Abschluß eines Bundes oder Veriages verwendete man im Judentum das Salz (vgl 4Mose 18, 19). So ist das Salz zum Symbol der Thora geworden. Wir könnten die Bitte ums tägliche Brot ergänzen: gib uns unser täglich Brot und unser täglich Salz.

Das Bild vom Licht ließe ein schier unendliches Meditieren zu.-
Wir habentfieutejglücklich Kreta erreicht. Das griechische Licht hat uns empfangen. Alle Länder des Mittelmeers wetteifern seit „ewigen Zeiten“ um das Licht.Wo ist es am schönsten,am klarsten,am ältesten und am jüngsten zugleich? In Ägypten,in Kleinasien,in Palästina,in Italien,in Süd- frankreich,in Spanien oder in Nordwestafrika ?

Die Griechen freuen sich am Licht, am „strahlenden Licht der Sonne“
(Ilias l,605) seit alters. Das Licht ist nichts selbstverständliches, sondern eine Gabe der himmlischen Welt.Wolken und Dunkelheit sind dem Men­ schen beschieden,nicht aber den Göttern So ist der Olymp „der Götter sicherer Wohnsitz,...den kein Sturm erschüttert,nimmer ein Regen feuch- tet,nie der Schnee bedeckt; beständige Heitre wölbt sich ohne Gewölk und deckt ihn in schimmernde Helle“ ( Odyssee 6,42ff).

Je mehr der Mensch dem Wechsel von Licht und Dunkel unterworfen ist,desto mehr freut er sich-so auch wir hier in der östlich ausgerichteten griech.-orthod. Akademie- am Licht der Morgenröte,der aufgehenden Sonne: „O schönstes Licht der Sonne...“ ( vgl Sophokles,Antigone loofi). Die Freude am Licht,“im Lichte sein und das Licht schauen“ heißt leben. Wenn der Hades, der Tod naht,“kriecht -für den antiken Griechen- „Nacht­ dunkel auf die Augen“.Die Stätte der Toten ist „das sonnenlose Haus“ (vgl Euripides,Alkestis 437).“Dunkel umhüllte seine Augen- grauenvolles Dunkel packte ihn“ so beschreibt Homer das Sterben seiner Kämpfer (vgl Ilias 5,47 u.ö.).

Licht und Dunkelheit sind bedeutungsträchtige Metaphern. Schauen und Er­ kennen nicht weniger.Bei den Griechen hat das Auge den Vorrang vor dem Ohr. Schon für Heraklit sind die Augen zuverlässigere Zeugen als die Ohren (vgl Fr B lola Diels). Anders in der jüdischen Tradition. Von dort her ist uns allen das Psalmwort geläufig:“Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege“(l 19, lo5).Oder im Ps 19,9 heißt es:,,Die Gebote des Herrn sind rein und erleuchten die Augen“. Leben vor Gott ist Licht (vgl Ps 56,14) oder Ausstrahlung von Gott her (vgl Jes 42,16).

In dieser Tradition spricht zu uns die Stimme Jesu ,der von sich sagt:
„Ich bin das Licht der Well; wer mir nachfolgt,wird nicht
wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Le -
Lebens haben“ (Joh 8,12).
Jesu Identität ist klar und eindeutig. Und unsere Identität auch nach

Jesu Stimme und Wort: Ihr seid das Salz der Erde,ihr seid das Licht der Welt. Jesus spricht uns unsere Identität zu. Doch wir zweifeln. Salz und Licht,nachdem wir die bedeutungsschweren Sätze der Tradition vernom­ men haben? Wir salzen die Erde und erleuchten die Welt?? Ja, sagt Jesus zu uns: das seid ihr trotz eurer Zweifel,eurer Fehlerhaftigkeit und Schuld,eures Versagens und eurer Gottvergessenheit! Und er sagt es nicht zu Gerechten und besonders Frommen,etwa nur zu seinen Jüngern und später zu Nonnen und Mönchen in der Kirchengeschichte,besonders her­ vorstechenden GIaubensmenschen,nein,er sagt es zu uns hier und heute. Ja, w i r, die wir doch oft gar nicht mehr wissen, mit welchem Licht wir leuchten können und was eigentlich unsere Salzigkeit ist. Seine Worte gelten also nicht nur Vollkommenen,sondern uns allen.

Seine Stimme, ruhig und unüberwindlich, macht uns zu Salz und Licht. Auf welche Weise,das sagt uns Jesus in seiner Bergpredigt. Und nicht nur uns, sondern der ganzen Gesellschaft des 21.Jh's. Seine Worte sind wie ein Leuchtfeuer. Wie ein Leuchtturm für Schiffstaufe,die keine Orien­ tierung mehr haben.

Oder anders gesagt: Seine Bergpredigt gleicht einem Juwel. Es ist in der Geschichte bis heute immer wieder in neue Rahmungen eingefaßt wor­ den. Und wie es bei Edelsteinen oft der Fall ist,bleibt deren Ursprung in geheimnisvollem Dunkel. Immer wieder haben andere Hände an ihnen ge­ arbeitet und geschliffen. Je nach Beleuchtung schimmern sie mal in dieser mal in jener Farbe. Aber sie bleiben lebendig und verfehlen ihre Wirkung in den verschiedenen Zeiten der Betrachter nie. Immer neu inspirieren sie. Möge es auch uns so gehen.

„Selig sind,die da geistlich arm sind,denn ihrer
ist das Himmelreich“ (vgl Mt 5,3ff in der Lutherübersetzung).

Mit dieser sog. 1. Seligpreisung beginnt nach der matthäischen Tradition die Bergpredigt. Die acht Seligpreisungen glänzen im Licht wie die acht Seiten eines Juwels, dem wir gestern die Bergpredigt verglichen haben. Es heißt ja nicht: selig sollen oder werden sein...,sondern Jesus sagt:
„Selig s i n d , die da Leid tragen, die Sanftmütigen,die da hungert und
dürstet nach der Gerechtigkeit,die Sanftmütigen,die reinen Herzens sind,
die Friedfertigen,die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden.“

Er stellt keine Bedingungen,vielmehr spricht er die Hörenden frei und verleiht allen,von denen er redet, eine eigene Würde. Ihr s e i d es! Johannes Brahms komponierte in den Jahren 1861-68 „Ein deutsches Re- quiem“.Er läßt es mit der zweiten Seligpreisung Jesu: „Selig sind,die da Leid tragen“ beginnen.Es ist der erste Satz,den der Chor singt.Es folgt:
„Denn sie sollen getröstet werden“(Mt 5,4). Wir, die wir alle Leid tragen, werden und sollen getröstet werden. Von dieser Verheißung kann unser 21.Jh, das schon in den ersten Jahren von unendlichem Leid geprüft wor­ den ist, sehr viel vertragen.

Aber wen meint denn nun Jesus mit den „geistlich Armen“ in seiner ersten Seligpreisung? Schon zu Jesu Zeiten sind die Armen nie im nur übertragenen Sinne verstanden worden. Die sozial Armen waren immer gemeint,aber eben nicht nur. Die Kirche hat das oft vergessen.Aber die „Armen oder Demütigen des Geistes“ im Judentum sind die,denen ein zerschlagener Rücken dennoch eine aufrechte Haltung schenkt. Was soll das heißen? Die Armen sind nicht die Naiven,Ungebildeten und Dummen.Die geistlich Armen halten Gott gegen­ über die Hände wie Bettelnde auf. Sie verschließen die Hände nicht zur Faust, sondern öffnen sie. Dann werden sie das hineingelegt bekommen,was Leben eröffnet.Sie erfahren etwas vom Geheimnis Gottes als dem Grund unse­ res Lebens, ja vom Himmelreich, wie es Jesus nennt. Gottes Barmherzigkeit füllt ihnen die geöffneten,leeren Hände. Die zur Faust verschlossene Hand ist ein sprechendes Bild.Die zum Beten gefaltetete Hand kann das Schwert,d a s Symbol für die Gewalt, nicht mehr umfassen.

Martin Luther,der Augustiner-Bettelmönch, der so reiche geistig-geistliche Ga­ ben empfangen und sie der Menschheit weitergereicht hat, schließt die letzte Niederschrift seines Lebens am 16.2.1546 mit den Worten im Sinne Jesu vom Beginn seiner Bergpredigt: „Wir sind Bettler.Das ist wahr.“ (WA 48;241,2ff)

„Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen ver­
folgt werden. Denn ihrer ist das Himmelreich“
(Mt5,10).

„Wir haben es 1989 gewagt.Und wir hatten auch gar keine andere Chance, als die Bergpredigt wörtlich zu nehmen. Der Ruf „Keine Gewalt!“ wurde zu ihrer kürzesten Zusammenfassung und aus dem Volk geboren.“ Dies sind Worte von Christian Führer, evangelisch-lutherischer Pfarrer an der Nicolaikirche in Leipzig. Und ich möchte ihn, weiterhin zustimmend, zitieren:“Für mich ist es ein Wunder. Menschen,auf die eingeknüppelt wurde, die mit Hunden und hinter Polizei Schilden gejagt wurden- in einem herme­tisch durch eine Mauer abgeriegelten Land-, haben sich nicht gewaltsam ge- wehrt.Ein ungeheurer Vorgang. Wann wäre uns jemals eine Revolution ge­ lungen? Die Einheit Deutschlands: dieses Mal ohne Krieg und Sieg und De­ mütigung anderer Völker.Daß Gott seine schützende Hand über uns alle- Christen wie Nichtchristen,Basisgruppen und Polizisten,Regimekritiker,Ge­ nossen, Ausreisewillige und Stasi-Leute (in den Panzern und auf der Straße)- gehalten hat,daß er uns die friedliche Revolution gelingen ließ nach so viel brutaler Gewalt,die im 2o.Jh von uns in Deutschland ausging,das kann ich nur mit dem Wort Gnade bezeichnen.Gnade an dieser Kirche,an den Menschen,am ganzen Land. Kurz,die Bergpredigt,die Gestalt angenommen hat.“

Dieses Erstaunen erfaßt uns sicher alle,wenn wir darüber nachdenken,was vor 15 Jahren geschah; auch wenn wir die Ereignisse nicht so interpretieren wie Pfr.Führer. Ich sehe es jedenfalls ebenso wie er. Denn Gott kann seinen Geist wirken lassen,frei, wo E r will. Sagt nicht Jesu leise,ruhige und unüberwindli­che Stimme in Joh 3,8: “Der Wind bläst,wo er will,und du hörst sein Sausen wohl;aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er fährt. So ist es bei jedem,der aus dem Geist geboren ist“ ? Gottes Pfingstgeist ist nicht nur ein Bekenntnistück aus dem 3.Artikel des Glaubensbekenntnisses,sondern seine Wirksamkeit in unserer Wirklichkeit.

Heute ist diese friedliche Revolution und mit ihr die Bergpredigt fast wieder in Vergessenheit geraten. Aber sie ist für unsere Welt und Gesellschaft,für uns Men­ schen heute eine Vision von ungeheurer Bedeutsamkeit. Jesu Stimme, die von der Kirche so oft in ihrer Geschichte nicht mehr genügend wahrgenommen wor­ den ist, meldet sich immer wieder nicht gewalttätig,aber unüberhörbar zu Wort. Haß und Gewalt ist das Gefährlichste auf der Welt; war und ist die größte und bleibende Bedrohung der Menschheit. S eine Stimme möchte die Gerechtigkeit, den Frieden und die Bewahrung der Schöpfüng immer wieder neu in unser aller Herzen verwurzeln.

„Selig si nd, die da hungert und dürstet nach der
Gerechtigkei1; denn sie sollen satt werden“ (Mt 5,6).

Gerechtigkeit - was ist das? In Griechenland und in Israel hat man beson­ders intensiv nach Antworten gesucht. Jesus antwortet konkret: wer danach hungert,daß die Hungrigen essen,der wird satt werden. Wer danach dürstet, daß die Durstigen trinken,wird seinen Durst löschen können. Wer danach hungert und dürstet,daß die Menschen ihre Würde bewahren könnender wird seine eigene Würde empfangen.Wer andere tröstet,findet Trost in sei­ nem eigenen Elend. Wer zur Freiheit anderer beiträgt,wird selbst ein freier Mensch werden.

Gerechtigkeit heißt nicht: jedem das Seine oder jedem das Gleiche oder je­ dem nach Verdienst oder Bedarf. Gerecht ist der Mensch,der einem anderen Menschen und dem,was er sagt und tut oder nicht tut, gerecht wird. Gerecht ist der Mensch, der das Unrecht an dem anderen Menschen erkennt und zu ändern versucht. Jesus hat besonders den Schwachen und nicht den Starken im Visier,nicht den Reichen,sondern den Armen, nicht den Freien, sondern den Menschen in Knechtschaft. Jesus ist parteilich für die Menschen, die u n t e n sind.

In demselben Kapitel 5 verschärft er das : „Ihr habt doch gehört,daß gesagt ist (2.Mose 21,24):'Auge um Auge,Zahn um Zahn' .Ich aber sage euch,daß ihr nicht widerstreben sollt dem Übel. Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dann biete die andere auch dar“(V.38f). Friedrich Nietzsche hat das die „Sklavenmoral Jesu“ genannt. Und heute möchte man meinen, daß Jesus nun endgültig den Boden unter den Füssen verliert. Er schlägt hier doch ein Verfahren für weltfremde Träumer vor.Zeigt nicht zB Israel/ Paläs­ tina heute oder die gesamte Freiheitsgeschichte Kretas und Griechenlands,daß Kain gegenüber Abel in jedem Fall recht hatte?

Ja und nein.Der Realist kann nur Ja sagen.Aber wer sich auf Jesu-Weg einläßt, erkennt,daß der Verzicht auf Rache, die Gewaltlosigkeit der Weg für den ist, der die Sinnlosigkeit der Gewaltspirale erkannt hat. Daß dies ein wirklicher Weg ist, können wir am Leben von Mahatma Gandhi, Martin Luther King oder Nelson Mandela lernen. Jesus ist zu seiner Zeit den Weg der Gewaltlosigkeit gegangen,obwohl die Einflüsterungen, es mit Gewalt zu ver­ suchen, nicht geringer gewesen sind als zu unserer Zeit. Sie lauerten überall. Herauszutreten aus dem Kreise derer, die das tun,was alle tun, ist ungeheuer schwer. Schnell gilt man als verrückter Anarchist,Spinner,Weltfremder oder Idealist. Der Weg der Gewalt ist nicht der Weg der Zukunft. Es ohne Gewalt zu versuchen, ohne Gewalt zu denken, ist der Weg in die Zukunft.

„Darum sollt ihr nicht/und sagen: was werden/Wt
wir essen? Was werden wir trinken? Womit wer­
den wir uns kleiden?“ (Mt 6,31)

Wir müssen uns diesen Fragen auf unserer Studienreise auf Kreta hier und heute- Gott sei Dank- direkt nicht stellen. Wir gehören zu den Wohlhaben­ den, nicht zu den Armen. Aber es ist nicht immer so gewesen.Die Notzeiten haben wir nicht vergessen. Und wir wissen auch sehr genau, wie es mit den Antworten auf diese Fragen in unserer Welt bestellt ist.
Jesus spricht in Mt 6 vom Almosengeben,vom Beten,vom Fasten und von der S o r g e. Und da haben wir's schon.Die Sorge können wir uns nicht einfach abgewöhnen. Sie gehört zum Leben jedes einzelnen von uns unab­ dingbar hinzu. Die Sorge hat ja nicht nur eine negative Qualität, im Gegen- teil.Eine Mutter oder ein Vater zB,der sich nicht um seine Kinder Sorgen macht,nicht für sie s o r g t, ist wohl eher miserabel.Eine Gesellschaft kann ohne die Sorge von Verantwortlichen nicht bestehen.Das wissen wir auch.Eine Spaßgesellschaft ist auf die Dauer nicht lebensfähig.
Jesu spricht ruhig zu uns: „Sorgt nicht um euer Leben...! Seht doch die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht,sie ernten nicht,sie sammeln nicht in die Scheunen; und eurer himmlischer Vater ernährt sie doch.Seid ihr denn nicht vielmehr als sie? Und warum sorgt ihr euch um die Kleidung? Schaut doch die Lilien auf dem Felde an,wie sie wachsen... Salomo in aller seiner Pracht ist nicht gekleidet gewesen wie eine von ihnen.“(vgl 6,25 ff)

Was meint er? Hört auf mit dem Sorgen? Ist Jesus so naiv? Gerade wir heut­ zutage! Hören wir denn nicht ständig in der Globalisierungsdiskussion von der gerechten Verteilung der Güter in dieser Welt? Die knapper werdende Lebensressource Wasser wird Kriege in der Zukunft auslösen.Die Weltbe- völkerung wächst so rasant,wie sollen diese Menschen alle ernährt werden?

Jesus wußte es: seiner und unserer Zeit mangelt es nicht an Sorge. Seiner und unserer Zeit mangelt es an Mut, Zuversicht und Hoffnung, also um eine Art Sorglosigkeit. Es ist damit eine andere Art gemeint, den Heraus­ forderungen der Zukunft zu begegnen. Wenn wir nicht gegen die Sorge ange- hen,dann wird sie uns den kühlen,klaren Blick für die Bewältigung der Proble­ me verstellen,ihn uns verdunkeln. Jesus möchte also letztlich unseren Glauben wecken. Glauben, daß „euer himmlischer Vater weiß, daß ihr all dessen bedürft“(6,32). Gott hat seine Hand im Spiel. Aus welchen Gründen hätte er eigentlich eine so unendliche Geduld mit seiner Welt und ihrer Erhaltung trotz allem aufbringen sollen?

„Es werden nicht alle, diezumir, Herr, Herr sagen,
in das Himmel reich kommen, sondern die den
Willen tun meines Vaters im Himmel “(Mt 7,21).

Kann man mit der Bergpredigt Politik machen? Ja und Nein! Die 111 Ver­se aus Mt 5-7 sind keine Handlungsanweisungen für Politiker. Aber es sind auch keine theoretischen Erörterungen, sondern Praxisanweisungen. Ein gro­ ßer Berufspolitiker wie Otto von Bismarck verneinte unsere erste Frage und viele seiner großen oder kleinen Nachfolger auch. Hans Apel,früherer Vertei­ digungsminister, spottete:“Die Bergpredigt ist in ihrer Totalität nur für Bettel- mönche praktizierbar“ Anders der große Max Weber.In seinem Vortrag von 1919 „Politik als Beruf1 meinte er, mit der Bergpredigt sei nichßpaßen. Sie sei „kein Fiaker,den man beliebig halten lassen kann. Ganz oder gar n i c h t, das ist ihr Sinn...“ Freilich Politik ließe sich nicht mit ihr machen.

Anfang der 8oziger Jahre gewann Jesu Stimme tagespolitische Brisanz im Zusammenhang mit dem sog. Natodoppelbeschluß.Mitterstreckenraketen sollten in Deutschland als Antwort auf die sowjetischen SS2o Raketen sta­ tioniert werden. Jesu Stimme kam im Bundestag zu Gehör,wurde in der der Bild-Zeitung zur Kenntnis gebracht.Helmut Schmidt,der Bundeskanzler ent­ gegnete der Friedensbewegung mit Bismarcks Position. Der ev.Pfarrer aus Berlin und Berlins früherer Oberbürgermeister Heinrich Albertz konterte: Warum versuchen die Politiker es nicht mit der Bergpredigt? Wörtlich:“Je älter ich werde,deso mehr bin davon überzeugt: diese Welt wird auch in ihren Machtstrukturen nur überleben,wenn sie sich Schritt für Schritt den Grundwerten der Bergpredigt annähert.“

Ja, Jesu Vision des Zusammenlebens der Menschen basiert letztlich auf ihrer Gottesbeziehung. Wer „Vater im Himmel“ sagen kann,dem kehrt sich man­ ches total um. Manche sich wichtig gebärdende Macht verliert an Bedeutung: Karriere,Erfolg, Anerkennung erhalten einen anderen Stellenwert. Das macht frei und unabhängig.

Auch die sog.Logik der Gewalt,die Gegengewalt produziert, die scheinbare Haupttriebkraft unseres 21. Jh's,kann in andere Relationen kommen. Ist das wieder naiv gedącht? Das Machtspiel der Völker und die Überwindung des internationalen Terrorismus wird nicht mit den Mitteln des Krieges und der Gewalt zu lösen sein. Frieden,Freiheit,Armut und Reichtum, sozial gesteuer­ te Globalisierung brauchen andere Steuerungs-und Logikquellen.

„Als er das Volk s a h, g i n g er auf einen Berg und
setzte sich; und seine Jünger traten zu ihm. Und
er tat seinen Mund auf, lehrte s i e ...“ (Mt 5,lf).

Die Bergpredigt Jesu fasziniert auch andere Weltreligionen wie den Buddhismus und den Hinduismus. Auch Buddha hält Predigten auf einem Berggipfel,umgeben von Mönchen,Nonnen und Jüngern. Besonders eine der Seligpreisungen spricht Buddhistinnen und Buddhisten an.“Selig sind die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.“(Mt 5,4) Die Leid­ situationen des Menschen Armut, Alter,Krankheit und Tod waren für den jungen Prinzen Siddharta Gautama existentieller Anstoß, Auswege aus dem Leid zu suchen. Nach mehrjähriger Suche und Meditation gelangt er zur Erleuchtung. Sie (Buddha heißt ja der Erleuchtete) war für Gautama eine befreiende Erfahrung.Er erkannte die menschliche Gier als Ursache für das Leiden. So fühlte er sich vom Leiden befreit und lehrte dies über Jahrzehnte und handelte demgemäß.

Die buddhistische Nonne Ayya Kema hat ebenso wie der Dalai Lama die Liebe als den Kem der Gemeinsamkeit der Religionen in ihren Büchern herausgearbeit. Ayya Kema war als Jüdin in Deutschland ge­ boren und ist 1938 vor Nazideutschland geflüchtet. Vor Ende ihres Le­ bens ist sie nach Deutschland wieder zurückgekehrt, (vgl A.Kema: Das Größte ist die Liebe,Knauer Taschenbuch; Dalai Lama,Das Herz aller Religionen ist eins,Goldmann Taschenbuch)

Die Barmherzigkeit („Selig sind die Barmherzigen,denn sie werden Barm­ herzigkeit erlangen“-Mt 5,7) entspricht einem buddhistischem Ankerwort „M e 11 a“, das meistens mit „liebende Güte“ übersetzt wird. Die „Metta- Sutra“ ist eine der berühmtesten und beliebtesten Lehrreden Buddhas. Metta,das Mitgefühl mit allen Lebewesen,Friedfertigkeit,Barmherzigkeit und Güte ist Jesu Seligpreisungen vergleichbar. Und die Vögel unter dem Himmel,die Lilien auf dem Felde, die Jesus zur Vertiefung seiner Worte nennt,sind mehr als nur Vergleiche. Wie im Hinduismus ist nicht der Mensch Herrscher über die Schöpfung, sondern ein Wesen unter den vielen Geschöpfen. Jesus zieht also Grenzpfähle wieder aus dem Bo­ den heraus,die jüdische Traditionen zu Unrecht gesetzt haben in der Aus­legung der Schöpfüngsberichte von 1 .Mose. Auch Mahatma Gandhi liebte Jesus. 1946 äußerte Gandhi: „Jesus besaß eine große Kraft,die Kraft der Liebe,aber seine Lehre wurde entstellt...Sie wurde die Religion der Köni­ ge“ Wir wissen,daß der Hindu Gandhi,der die Gewaltlosigkeit wie Jesus praktizierte, wie jener der Gewalt im Jahre 1948 zum Opfer fiel.

„Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun,
das tut ihnen auch! Das ist das Gesetz und die
P r o p h e t e n“ (Mt 7,12;Lk 6,31; vgl Mt 22,36 ff; Röm 13,8ff;Gal 4,14).

Das ist die sog. Goldene Regel (reguła aurea). Im apokryphen Buch Tobias der hebräischen Bibel, unserm AT,steht sie in der uns geläu­ figeren Form: „Was du nicht willst,daß man dir tu,das fug' auch keinem andern zu“ (4,16). Im späten Judentum drückt sie Rabbi Hillel (6o v -1 n Chr) so aus: „Tue anderen nicht,was du nicht willst,daß sie dir tun“
(Sabbath 31a).

Hans Küng,der katholische Reformtheologe,der im vorigen Jahr seinen 75.Geburtstag gefeiert und den 1 .Teil seiner spannenden Biographie unter dem Titel „Erkämpfte Freiheit“ (Piper Verl.München) vorgelegt hat, baut sein gesamtes „Projekt Weltethos“ auf dieser in allen Weltreligionen vorkommenden ethischen Regel auf. (vgl u.a. sein großes Werk
„Weltethos für Weltpolitik und Weltwirtschaft“, Piper Verl.München, 1997)

Im Islam lautet sie so:“ Keiner von euch ist eine Gläubiger, solange er nicht seinem Bruder wünscht, was er sich selber wünscht“ (40 Hadithe von an - Nawawi 13).

Im Buddhismus: „Ein Zustand, der nicht angenehm oder erfreulich für mich ist, soll es auch nicht für ihn sein; und ein Zustand, der nicht ange­ nehm oder erfreulich für mich ist, wie kann ich ihn einem anderen zumuten?“ (Samyyutta Nikaya V,353.35-354.2)
Im Hinduismus: „Man sollte sich gegenüber anderen nicht in einer Weise benehmen,die für einen selbst unangenehm ist; das ist das W e s e n der M or a 1 “ (Mahabharata, XIH. 114.8).
Und bei K o n f u z i u s (ca 551-489 vChr) heißt sie ähnlich wie im Juden­ tum: „Was du selbst nicht wünscht,das tue auch nicht anderen Menschen an“ (Gespräche 15,23).

Das ist nur ein Ausschnitt aus den großen religiösen und ethischen Traditi­ onen der Menschheit.Man kann ohne Schwierigkeit noch viel konkretere Maximen anführen. Die Stimme Jesu hat ja zu uns schon in diesen Tagen gesprochen, „leise,nicht gewalttätig, ruhig und unüberwindlich“ (Peter Beier).

Hans Küng belehrt uns, daß schon in der Menschenrechtsdebatte des französischen Revolutionsparlaments von 1789 die Forderung erhoben wurde: Wenn man eine Deklaration der R e c h t e des Menschen pro­
pagiere,dann müsse man auch eine Deklaration der P f l i c h t e n des Menschen propagieren.Nur mit Rechten könne es nicht funktionieren.

Und da treffen sich in der Gegenwart und jüngsten Vergangenheit Hans Küng und ein Mann der Politik,der sozialdemokratische Altbun­ deskanzler Helmut S chmidt, der jetzt 85 jährige Mitinitiator der „Allgemeinen Erklärung der Menschenpflichten“ Ein Vorschlag- herausgegeben von H. Schmidt, Piper Verl,München 1997.

Für den 5o. Jahrestag der UN-Menschenrechtserklärung von 1948-also für das Jahr 1998 - sollten ethische Standards entwickelt werden, die auf der einfachen Grundforderung basieren sollten: jeder Mensch
muß einfach menschlich behandelt werden, sowie es die G o l d e n e Regel sagt. Und so isHölgendermaßen dazu gekommen,daß diese Regel auf der WELTAGENDA steht. Ein Jahr vor dem Jubiläum 1997 ist die Allgemeine Erklärung der Menschenpflichten vorgelegt worden. Von den promenten Unterzeichnern nenne ich nur einige Namen: Helmut Schmidt,Jimmy Carter, Valery Giscard d'Estaing,Felipe Gonzales,Shimon Peres,Pierre Trudeau,Franz Vranitzky. Von den beratenden Experten ist Hans Küng der bekannteste,von den Befürwortern sind Henry Kissinger, Teddy Kolleider jetzt weit über 9ozigjährige,frühere Bürgermeister von Jerusalem, der ehemalige Generalsekretär des Weltkirchenrates in Genf Konrad Raiser und der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker allen bekannt.

Im Jahr 2ool,also drei Jahre nach dem Uno-Jubiläum, lo.Dez., dem Tag der Menschenrechte, ist ein Buch des Mutes, des Zuspruchs und des Opti­mismus erschienen mit dem Titel: „Brücken in die Zukunft. Ein Manifest
für den Dialog der Kulturen “ (Original „Crossing the Divide.Dialogue among Civilisations“), S.Fischer Verl.,Frankfürt/M. Eine Gruppe bekannter Persönlichkeiten wie Jacques Delors,Frankreich; Nadine Gordimer, Südafrika; Prinz El Hassan bin Talal, Jordanien; Hayao Kawai,Japan;Hans Küng, Schweiz; Giandomenico Picco,Italien;Song Jian,China;Richard von Weizsäcker,Deutsch­ land; Jaraf Zarif,Iran u.a. sind der Initiative von Kofi Annan,Generalsekretär der der Vereinten Nationen, gefolgt und haben über die „gemeinsamen Werte,die uns alle in der internationalen Völkergemeinschaft miteinander verbinden“(Joschka Fischer) gesprochen. Daraus ist dieses Manifest entstanden,das sich wie eine intemationale,höchst interessante und aktuelle Auslegung der Goldenen Regel liest.Man sollte es lesen und beherzigen.

„W enn dich jemand nötigt, eine Meile mitzuge­
hen,so geh' mit ihm zwei“ (Mt 5,41).

Jesus wußte, daß es für den römischen Besatzungssoldaten verboten war, einen anderen, einen Juden zB, zu zwingen, sein Gepäck länger als eine Meile zu tragen.Trag es doppelt so lange. Während dieser weiteren Strecke könnte sich ein Gespräch zwischen zwei Feinden entwickeln,welches zur „Entfeindung“ beiträgt. Für Jesus ist die F e i n d e s l i e b e der Ernstfall. Er predigte sie nicht nur, sondern er lebte sie. Bis ihn der Weg an das Kreuz führt. In der Engelverkündigung zu Weihnachten heißt es: Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden. Jesus legte mit seinen Wor­ ten und Taten diese Engelbotschaft aus.Diese Botschaft können fortan bis zum heutigen Tag Menschen in aller Welt, in bald allen Sprachen hören, le- sen,sie annehmen oder verwerfen.

Auge um Auge,Zahn um Zahn oder Vater,vergib ihnen,denn sie wissen nicht, was sie tun ?? (vgl Lk 23,34). In Afghanistan und im Irak standen und stehen sich Menschen gegenüber,die nicht in erster Linie extremisti­sche Terrorristen sind. Der Terror allerdings ist die größte Herausforde­rung und der Ernstfall für eine christliche oder nichtchristliche Haltung in bald allen Nationen dieser Erde. Gott sei es geklagt.
Unter dem Vorwand, das Böse zu bekämpfen, ist in der Geschichte aller Religionen ungeheuer viel Unrecht und Böses geschehen und geschieht bis heute. Aber es kann heute so wenig wie früher angehen, die Welt
in Böse und Gute zu teilen. Jesu Stimme widerspricht vehement. Unser al­ler Schuldigsein ist so wenig wie die Sorge oder die Angst von uns Men­ schen, von allen Menschen zu trennen. „Vergib uns unsere Schuld wie
auch wir vergeben unseren Schuldigem“ betet Jesus mit seinen Jüngerinnen und Jüngern in der Bergpredigt (vgl Mt 6,9ft).

Robert B o w m a n flog einst im Vietnamkrieg lol Einsätze als US-Pilot. Später studierte er Theologie und wurde Bischof einer freien altkatholischen Friedenskirche in den USA. Er schreibt: „Jesus war ein Revolutionär-aber seine Revolution richtete sich nicht gegen römisches Recht,vielmehr gegen das verfremdete Bild von Gott,das weit verbreitet war. Er will auch uns drastisch verändern in unserem Gottesverständnis,und er lehrt uns,wie Gott es will,daß wir handeln.Und Gott,so ist es offensichtlich,will,daß wir so handeln wie Jesus.Er will,daß wir die Dinge beim Namen nennen und in gewaltloser Weise Widerstand leisten gegen die Imperialisten unserer TageVor allem aber fordert Jesus von uns Verzicht auf G e w a 1 tl“ (vgl Publik-Forum
Nr.l,2oo4,S.26f).

„Und es begab sich, als Jesus diese Rede vollen­
det hatte, daß sich das Volk entsetzte über seine
Lehre; denn er lehrte sie mit Vollmacht und
nicht wie die Schriftgelehrten“ (Mt 7,28f).

Macht, Ohnmacht, Vollmacht. Drei sprachlich verwandte Worte von gegensätzlicher Natur. Es gibt wohl niemanden unter uns, der nichts von Macht verstünde.Nicht in dem Sinne,daß er selbst ein Macht-Mensch wäre, vielmehr so, daß er tagtäglich in den Medien die Macht und Gewalt im negativen Sinne vor Augen geführt bekommt.Unser Mitleiden mit der Gewalt in der Welt kann da nicht mehr Schritt hal­ten.

Wer von Ohnmacht einen unauslöschlichen Eindruck gewinnen mag, der blicke auf das Lebensende Jesu Christi in Jerusalem. Er schaue auf zum Kreuz Jesu,dem „Anfänger und Vollender des Glaubens“ (Hebr 12,2).

Wer etwas von Voll macht verstehen möchte,die in der Tat mit Macht zu tun hat, der schaue auf das Leben Jesu, unseres Herrn,höre sei­ ne „leise,nicht gewalttätige,ruhige und unüberwindliche Stimme“, medi­ tiere tagtägliche seine Worte und sein Handeln,wie es Martin Luther King von uns Christen erwartet. Seine Bergpredigt und seine Gleichnisse vom Reich Gottes,seine Taten,durch die er sich einsetzte für die Armen und Kranken, für die Erniedrigten und von der Gesellschaft Beleidigten,für deren Randsiedler und für die von bösen Dämonen Geplagten, für Zöll­ ner und Sünder, für die Rechtlosen, für Frauen und Kinder,für die ver­ achteten Heidinnen und Heiden,die anders gläubigen Samaritaner und die Militärs der römischen Besatzer.

Sein R e i c h ist nicht von dieser Welt. Aber Gottes Reich nimmt durch Jesus Christus hier auf dieser Welt seinen Anfang.Die Vollendung steht aus,aber sie wird kommen. Gottes Herrschaft,ohne Schmerz,
Schuld und Tod. Jesus verglich das Werden des Reiches mit einem klei­ nen Senfkom,das in die Erde gelegt zum Baum heranwächst, in dessen Zweige die Vögel des Himmels wohnen (vgl Lk 13).

Die Vision der Bergpredigt Jesu hat uns auf Kreta begleitet. Die Frage des Beginns unseres Nachdenkens aber bleibt für jeden uns bestehen: Ist sie U t o p i e oder Leitfaden für unser Leben?

Dankgebet während der Rückfahrt im Bus von Düsseldorf nach Heisin- gen gesprochen nach der Rückkehr von der Studienreise des Paulusseminars nach K r e t a mit 42 Teilnehmenden der Gruppe Dr.Schendel am 28. Oktober 2oo4

Ewiger Gott,allmächtiger,gütiger,barmherziger Vater!
„Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott,auf den ich hoffe“(Ps 91,1-2).

So haben wir zu Beginn unserer Reise gebetet. Wir haben unsere Zuver­ sicht im Blick auf unsere gemeinsame Studienreise nach Kreta auf D i c h gesetzt.Unter dem Schatten deiner Flügel wir wir tausende km geflogen, viele km mit dem Bus gefahren, wir sind gelaufen,gestiegen,geschwom- men und haben gefährliche Situationen meistem können.
Das große und landschaftlich so schöne K r e t a ist uns durch die Gast­ freundschaft seiner Bewohner nahegekommen. Wir haben deine Kirche im Südosten Europas, die griechische Orthodoxie, besser kennen und ver­ stehen gelernt. Uns ist klarer geworden,wie unsere europäische Kultur auch starke Wurzeln auf dieser Insel hat. Für all dies sind wir dankbar.

„Du hast deinen Engeln befohlen, daß sie dich behüten auf allen deinen Wegen und daß sie dich auf Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest“-so sprachen wir mit dem Psalmsänger.
Wir sind unversehrt wieder in unser heimatliches Land zurückgekehrt, bereichert und beschenkt. Wir danken dir für alle Gemeinschaft,für alle Bewahrung als „Gemeinde unterwegs“. Wir danken für alle Freude und Entspannung,für allen Genuß des gemeinsamen Essens und Trinkens,für alles,was zum Leben und zum Glück hinzugehört.

Unsem Dank und unsere Bitten legen wir hinein in das Gebet unseres Herrn: Vaterunser...

Segensbitte
Amen.

Wir möchten uns bei unseren Gruppenleiterinnen und Gruppenleitern sowie deren Teilnehmern ganz herzlich für die tollen und umfassenden Reiseberichte, Tagebücher, Gedichte und Gedanken zu den Reisen bedanken!