vom 25. April - 9. Mai 2010
Eine Reise im Iran ist ein Erlebnis von außergewöhnlicher Intensität, weil sie von Begegnungen mit den Menschen geprägt ist, wie man sie nicht erwartet hat. Den Persern sieht man in ihrer Haltung und ihren Gesichtem ihre 2500 Jahre lange Kulturgeschichte an. Sie sind keine Semiten, also keine Araber. Sie sind auch kein Turkvolk, sondern gehören zur weißen Rasse der indogermanischen Iranier. In keiner Zeit ihrer Geschichte ging von ihnen ein Angriffskrieg auf andere Völker aus. So sind die Perser auch nie zu Barbaren geworden, die andere Völker unterdrückt oder ausgerottet haben. Im Gegenteil, sie wurden von anderen Völkern angegriffen und unterdrückt, u. a. von den Griechen (Alexander), von den Turkvölkern (Seldschuken und Ghazniden), von den Mongolen, den Arabem, den Russen und den Engländern. Doch haben die Perser sich immer mit ihrer Geisteskraft und Kultur ihre Identität bewahren können. Ja, sie verstanden es, die von außen eindringenden Völker in ihre Kultur zu integrieren, zu „persianisieren“.
Das geschah auch mit den Arabem, die ihnen zwar die neue Religion des Islam brachten, aber kulturell von ihnen lernten z. B. in den Naturwissenschaften und der Philosophie. Der persische Geist hat auch in der Zeit des Kolonialismus die oberflächliche Zivilisation des britischen Empire nicht angenommen.
Wir sprechen heute vom persischen oder iranischen Kulturkreis, der die Grenzen des heutigen Staates Iran weit überschreitet. 120 Millionen Menschen denken und sprechen „persisch“. Davon leben nur 70 Millionen in Iran. Ein Ziel der Reise mit meiner 24 köpfigen Gruppe war es, das Wesen dieser Kultur aufzuspüren, das uns Europäern so fremd erscheint. Zunächst aber war unsere Reise gefüllt mit fantastischen Bildern der Natur, die uns die Frühlingssonne mit ihrer Leuchtkraft und ihrem Grün präsentierte. Über den großen Städten erhoben sich die 4000m hohen, Schnee bedeckten Gipfel des Zagrosgebirges bzw. des Elborzgebirges.
In den Städten sahen wir keine Bilder des „Bösen“. - natürlich wissen wir um die Verletzungen der Menschenrechte im Iran. Wir sahen aber keine unfrei gebrochen wirkende Menschen, die rückratlos, ängstlich durch die Straßen huschten, sahen keine randalierende Jugendbanden und keine herunter gekommenen bettelnden Gestalten in den Straßen der Großstädte. Wir sahen auch keine streunende Hunde und Katzen. Wir sahen nur normale, aufrechte Menschen mit einer selbstbewussten Ausstrahlung in Haltung und Gesichtsausdruck. Und dies besonders sahen wir an den Mädchen und Frauen! Die Menschen gingen wie in Europa normal ihren Geschäften nach oder bummelten in Grüppchen in den vielen Parkanlagen und Boulevards der Städte. Die großen Millionenstädte Maschad, Shiraz, Jazd und Isfahan haben grüne Lungen wie Hamburg. Nur Teheran als Megastadt von 16 Millionen Einwohnern erscheint wie der Moloch eines bis an den Horizont ausgedehnten Häusermeeres, das sich von den Hängen des über 5000m hohen Elborzgebirges nach Süden zieht. Wir erlebten - paradox wirkend für den Leser der deutschen Zeitungen - ein Land im Frieden, ohne Aufmärsche von staatlichen, paramilitärischen Verbänden. Die Bevölkerung sammelt sich seit den blutigen Zusammenstößen am letzten Ashuratag Anfang dieses Jahres auch nicht mehr zu Demonstrationen gegen das Regime. Die Menschen haben zurzeit die Großdemonstrationen eingestellt, da die Macht und Brutalität der staatlichen Behörden erschreckend ist. Niemand will ins Visier des Staates gelangen. Denn wehe dem, der im Gefängnis verschwindet. Dafür breitet sich eine friedliche und stille „Revolution“ von unten aus.
Für uns wurde diese Reise zu einem „west-östlichen Diwan“ von Mensch zu Mensch, von Volk zu Volk von westlicher zu östlicher Kultur, zu einem Brückenbau zwischen Orient und Okzident. Darum sollte es am Ende dieser Reise gegangen sein!
Das Unterwegssein in diesem Land erweiterte unser geringes Wissen und veränderte unser einseitiges europäisches Denken. Unsere Ignoranz im Westen tut angesichts dieses kulturell so hoch stehenden Volkes weh und wirkte auf mich beschämend, wenn wir recht überheblich von unserer Freiheit reden und glauben, wir hätten die Wahrheit und den Weg für die Völker der Welt gefunden. Deshalb habe ich die geistige Trennung zwischen beiden Welten als schmerzlich empfunden. Wenn aber Menschen sich menschlich und in Augenhöhe begegnen und mit einander redeten, würde sich sehr schnell diese Trennung, die ja zunächst auf Fremdheit beruht, verlieren. Wir Europäer stehen den Persern geistig viel näher als den Arabern oder den Türken.
Diese Reise sollte nicht zu einem „Durchrasen“ zu den kulturelle Höhepunkten des Weltkulturerbes Persiens werden. Wir wollten die vor uns liegenden 4000 Kilometer durch Persien nicht einfach „herunterklotzten“. So wurde auch der lange Weg voll gefüllt mit überraschenden Erlebnissen. Wo wir auch anhielten und ausstiegen, wurden wir begrüßt, einmal sogar mit einem Hubkonzert der Autofahrer oder mit Winken und rufen der Leute aus vorbei fahrenden Autos oder Bussen. In den Parks und an den Mausoleen wurden wir umringt von jungen Leuten. Überraschend war, dass diese nach einem kurzen Gespräch ihre Poket- Kameras hervor holten und fragten: „Can we take a picture from you?“ Sehr beeindruckend aber waren ihre leuchtenden, lebendigen Augen. Man spürte, wie wichtig für sie diese Begegnungen mit uns waren.
Wir fuhren in einem ziemlich neuen Reisebus mit 45 Plätzen. Für uns 24 Leute gab es viel Platz, auch einmal die Beine hoch zu legen. Das war sehr angenehm.
Auf dieser Reise verwirklichte sich der zur Banalität gewordene Satz: „Der Weg ist das Ziel“.
Woher aber kommt unser Feindbild, das wir in Europa gegen dieses Land und Volk haben? Es ist nicht erst mit dem 11. September 2001 entstanden. Die El-Kaida ist nicht persischen, sondern arabischen Ursprungs! Sie wird vom iranischen Boden fern gehalten. Es gibt eine tief sitzende Abneigung der Perser gegen die Araber. Schließlich waren diese ihrer Eroberer. Die Araber versuchten den Persern ihre Identität zu nehmen. Überall im Orient wurden von ihnen die Völker „arabisiert“, nur das persische nicht. Die Ägypter und Syrer gelten heute als Araber.
Zurück zur frage, woher kommt unser europäisches Feindbild? Zum einen, weil wir über die Geschichte und Kultur Persiens kaum etwas wissen, dafür aber um so mehr Vorurteile haben. Zum anderen liegt es an den Alten Griechen, die bereits das Feindbild vom „bösen Perser“ geprägt haben. Besonders ihre Geschichtsschreiber z. B. Herodot haben es uns überliefert. Das griechische Feindbild sitzt tief in uns und wirkt bis heute noch nach. Herodot berichtet, dass die Perser keinen Sinn für die Freiheit hätten, sondern gerne geknechtet unter einem Willkürherrscher lebten. Herodot und danach auch Alexander der Große hatten die persische Hochkultur, die zu ihrer Zeit von Darius dem Großen aufgebaut worden war, nicht verstanden. Sie bezeichneten sie als Barbarei. Die Griechen waren geleitet von dem Dünkel, den wir heute noch haben, sie hätten die Freiheit erfunden. Es fragt sich bei der Freiheit immer nur, welche? Die Griechen und damit die übrigen Europäer sind heute stolz darauf, dass sie die europäische Freiheit bei den Thermopylen gegen die Barbaren verteidigt haben. Auch die deutsche Brust weitet sich, wenn Leonidas, der Spartaner, rezitiert wird, der sich an den Thermopylen für die Freiheit Europas geopfert hatte: „Wanderer kommst du nach Sparta, so verkündige dort, du habest uns hier liegen gesehen“. Heute geistert in unseren europäischen Köpfen eine noch viel größere Angst vor den bösen moslemischen Persern, die die Herrschaft über das freie Europa antreten wollen und deswegen die Atombombe bauen. Wir aber erlebten in den Begegnungen die persischen Menschen als ein hochkultiviertes, zivilisiertes und ein sich nach Freiheit sehnendes Volk.
Die vielseitigen täglichen Begegnungen ließen uns erkennen, wie anders, als wir im Westen annehmen, die Perser sind, wie viel menschlicher sie denken und fühlen, wie viel Zartheit, Poesie und Freundlichkeit in ihnen steckt und vor allem wie viel Sehnsucht nach Freiheit! Dieses Volk hat viele Demütigungen im 19. und 20. Jahrhundert durch uns Europäer erfahren! Vielleicht ist es gerade deshalb ein so stolzes Volk geblieben, das lieber tot als unfrei sein will. Sie haben uns gebeten, wir sollten diese Botschaft in den Westen mitnehmen, um ein wenig den Grabens zwischen Orient und Okzident zu überbrücken. Sie seien keine Al-Kaida- Terroristen, die Selbstmordattentate verüben wollen! Sie seien auch keine wild gewordenen Hottentotten! Sie leider selbst unter den unkultivierten öffentlichen Auftritten ihres Präsidenten.
Die Angst und das Misstrauen vor einander sind die tiefere Ursache für die schrecklichen Kriege im gesamten Orient. Die Staaten des Mittleren Orients, Irak und Afghanistan mit ihren einmal hohen Kulturen, sind nicht nur durch sich selbst, sondern auch durch „unsere“ Bomben ins Chaos und in die Armut zurückgefallen. Nur der Iran ist bisher verschont geblieben. Wer ein Feindbild gegenüber den Persern hat und es überwinden will, der sollte eine Reise zu ihnen und zu ihrer blühenden Kultur machen.
Aber Persien hat nicht nur eine ehrwürdige 2500 jährige Vergangenheit, sondern auch eine bemerkenswerte Morallehre und eine moderne Zivilisation. Diese hohe Moral ist nicht mit der Scharia gleich zusetzen. Die Kinder werden mit dem obersten persischen moralischen Wert zur Wahrheit und Ehrlichkeit erzogen. Die persische Ethik lehrt den Kampf gegen Lug und Trug. Darin zeigt sich der Einfluss von Zarathustras Lehre. Unser jüdisch-christliche Gebot, „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden!“ hat in Persien einen Stellenwert wie in der Katholischen Kirche Roms das sechste Gebot, in dem es um die Sexualmoral geht. Danach kommt das Böse in der Welt aus dem sexuellen Verlangen von Mann und Frau und dem Geschlechtsverkehr. Dieser ist die Ursache der Sünde ist. Deshalb soll der katholische Priester ein eheloses Leben fuhren.
Das vierte Gebot von der Familie, d. h. vom Ehren der Eltern, besonders der alten, ist den Persern sehr wichtig.
Denn die Familie ist der Hort des Lebens. Sie bietet für den Einzelnen einen sicheren Platz in der Gesellschaft. Wie wertvoll die Familienbande für die Perser sind, wurde mir deutlich in den Gesprächen mit ihnen auf dem Flughafen von Hamburg nach Teheran. Die meisten Reisenden besuchten ihre Familien im Iran. Das ist ihr großes Bedürfnis. Zweimal die Woche starten von Hamburg große iranische Airbusse nach Teheran. Was die Menschen in den Staat der Mullahs zieht, den sie einmal aus politischen Gründen schmerzhaft verlassen hatten, ist eben diese ihre Familie. Es ruft sie nicht der lange Arm des iranischen Präsidenten Achmedanishad!
In Persien haben die Menschen im Raum und in der Kraft der Familie, so schien es mir, eine Parallelgesellschaft zum Staat aufgebaut. Besonders die Jugend empfindet den Druck der diktatorischen Ordnung immer unerträglicher und sucht Nischen der Freiheit. Für sie ist die Familie noch nicht der Ort der Unfreiheit! Das Auftreten und die selbstbewusste Haltung der jungen Menschen, mit der sie auf uns zukamen, waren beeindruckend.
Was ich gegenüber meiner Vorreise im letzten Jahr beobachtete, war eine stille „Revolution“ gegen den Staatsapparat. Die Jugend sucht nach dem massiven Eingreifen der staatlichen Behörden seit dem letzten Ashuratag sucht andere friedliche Wege zur Aushöhlung der staatlichen Autorität. Deshalb erlebten wir das Land so friedlich. Friedlich war es auch schon am Nouruztag (21. März d. J.), dem Neujahrfest geblieben, das in den Familien wie bei uns Weihnachten eine Woche lang gefeiert wird. Man erzählte uns, die Menschen wären am Tag der Lichter auf die Dächer ihrer Häuser gestiegen, hätten dort ihr Feuerwerk abgebrannt und gerufen: „Allah ist groß!“ Die Wächtertrupps auf ihren Motorrädern und mit ihren Knüppeln, die unten in den Straßen waren und auf die Demonstranten warteten, seien „erfolglos“ durch leere Straßen gefahren.
Besonders die jungen Mädchen zeigten sich uns in geradezu aufreizender selbstbewusster Haltung, auch in ihrer Kleidung, nämlich in kurzärmlichen Jacken und in Sandalen ohne Strümpfe (offiziell alles verboten). Das Kopftuch hatten sie, um ihr wunderschönes Haar zu zeigen, nur auf den Hinterkopf gelegt. Viele kleideten sich ganz in Weiß, auch wenn die schwarze Kleidung immer noch das Straßenbild beherrscht. So hatten wir den Eindruck von einer Haltung der stillen Opposition, die sich in den Grauzonen der Gesetze des Staates einzunisten scheint.
Die Perser sind Moslems, aber auf ihre Art. Ihr hoher und starker Geist hat auch den Islam „persianisiert“. Durch ihren Glauben an die kommende Erlösungskraft des 3. Imam Hussein, des Enkels des Propheten und im Gedenken an sein ungerechtes Leiden und Sterben, so wie der Hoffnung auf den wiederkehrenden 12. Imam, dem Madhi, haben sie ein anderes Zeit- und Geschichtsbewusstsein als die sunnitischen Moslems. Sie sind eben Schiiten, anders als die Araber und Türken. In diesem schiitischen Glauben spiegelt sich das eigenständige Wesen dieses Volkes, das es spätestens seit Darius dem Großen in sich trägt.
Woher kommt dieser besondere Geist der Perser, der nicht mit dem üblichen Islambild gleich zu setzen ist? Welcher Geist bestimmt das Wesen aller iranischen Völker?
Die Antwort finden wir tief in ihrer Geschichte. Ihre geistige Kraft personifiziert sich in der Gestalt ihres großen Religionsstifters Zarathustra, der den einen Gott, Ahura Mazda, offenbarte, der Himmel und Erde als gute Ordnung geschaffen hat. Er verkündet seinen Willen, dass er auf der Erde ein Reich des Friedens und der Gleichheit aller Völker schaffen will. Daran soll der Mensch mitarbeiten. Diese Mitverantwortung geschieht dort, wo der Mensch gegen Lug und Trug, gegen die Scheinheiligkeit und Heuchelei kämpft. Die Heuchelei und Halbwahrheit wiederum, so sagt es Zarathustra, kommen aus der Gier. Der innere Kampf des Einzelnen richtet sich also gegen die Begierde und Habsucht. Das Reich der Gerechtigkeit und des Lichtes ist eine Herzensangelegenheit und beruht auf einer tiefen Sehnsucht nach Vollendung des Reiches Gottes. Dieses Reich ist noch nicht da, es wird aber kommen, dank des schöpferischen Geistes Gottes.
Diese geistige Kraft war schon da, als die iranischen Völker um 1500 v. Chr. noch Reitemomaden in der asiatischen Steppe waren. Schon damals und dort glaubten sie, dass der weite Himmel über ihnen den weisen Schöpfergott (Mazda) abbildet, der ihnen das Gesetz des Handelns gegeben hat. Der Himmel ist die geistige Licht-Kraft des Kosmos. Sie nannten ihn einfach Mazda, der Herr. Zarathustra fügt dann noch das Wort „Ahura“ hinzu. Das heißt Der Weise.
In der Religionsgeschichte nennt man diesen nomadischen Gottesglauben an den Herrn des Himmels Mazdaismus.
Auf diesem Mazdaismus beruht die tief durchdachte Religion Zarathustras. Dieser Prophet lebte wohl kurz nach der ersten Einwanderungswelle iranischer Völker in den Mittleren Orient um die Jahrtausendwende vor Christus. Zarathustra kam nicht aus dem Stamm der Perser, sondern aus dem arischen Stamm der Baktrier, der heute noch mit einer gewissen Autonomie ausgestattet im Nordwesten von Afghanistan lebt. Dieses iranische Volk ist besonders stolz und wollte sich nicht Alexander dem Großen beugen. Es wurde von Alexander grausam besiegt und nach dem fürchterlichen Blutvergießen „gräcisiert“. Die Seleukiden holten eine griechische Oberschicht ins Land. Doch haben die Baktrier nach und nach mit ihrer iranischen Kultur dieses griechische Joch wieder abgeschüttelt, so dass nur noch ein paar griechische Mauern und Münzen übrig geblieben sind. Das persische Wesen hat in Baktrien durch Zarathustra Gestalt und geistige Kraft bekommen! Das Wesen der Perser ist allen arischen Völkern im mittleren Orient gemein.
Zarathustra lehrte den Glauben an den Einen Gott, der keine Opfer braucht. Er lehrte wie die Propheten Israels eine ethische Religion des entschiedenen Handelns gegen die Mächte der Lüge. Jesus sagt: „Deine Rede sei Ja, ja und Nein, nein!“ Glaube heißt bei Zarathustra und bei Jesus, den Willen Gottes tun d.h. Gutes tun. Der Kampf gegen das Trügerische und Halbwahre spielt sich im Inneren, also im Geist des Menschen ab, damit er durch gutes Denken, gutes Reden und Handeln die Gier von seinem Herzen fernhalte. So gereinigt kann der Mensch an der vom Schöpfer gut angefangenen Weltordnung mitwirken. Diese Ordnung hat globale Weite, in der alle Völker frei ihre Kultur und Religion leben können. Zarathustra nennt diese Weltordnung Gathu. So steht es in seinen Gesängen den sog. Gatas in den heiligen Büchern, die man Awesta nennt. In diesem Gathu ist die Vielfalt der menschlichen Kulturen zuhause. Dieses Reich wird sich am Ende der Geschichte vollenden. Doch gibt es keinen dualistischen Kampf zwischen den Mächten des Himmels und der Hölle, sondern einen geschichtlichen und damit evolutionären. Denn es gibt nur einen einzigen Gott, Ahura Mazda.
Zarathustra spaltet also den Kosmos nicht in zwei absolut gegensätzliche Reiche auf - das macht erst der Manichäismus -: die angeblich gegen einander kämpfen. Allein Ahura Mazda ist der Herr des Himmels und der Erde. Wir haben von der ursprünglichen Lehre des Zarathustra in unseren Schulen nichts gesagt bekommen, sondern nur etwas vom furchtbaren Kampf der Mächte des Lichtes gegen die Mächte der Finsternis gehört. Aber es ist mit Zarathustra ähnlich gelaufen wie mit Jesus: seine eigentliche Lehren sind verschüttet worden und werden heute nur mühsam wieder ausgegraben.
Die Sehnsucht nach dem Reich der Gerechtigkeit - denn die Gerechtigkeit ist die Erfüllung des Handelns für eine sich vollendende Zukunft - ist auch bis heute im schiitischen Glauben der Perser enthalten. Der Mahdi wird kommen und am Ende der Zeiten das Reich der Gerechtigkeit errichten.
Ich stelle nun die These auf, dass das Wesen der Lehre Zarathustras auch heute noch das persische Denken unbewußt bestimmt. Der schiitische Glaube ist die ins Islamische verwandelte Form des Zarathustraglaubens. Hierin, in der Sehnsucht nach dem Reich und seiner Vollendung, liegt der Kern des persischen Wesens.
Nun wollen wir auf die Reise gehen, die uns 4000 km durch dieses Land und seine grandiose Natur geführt hat.
Am Anfang der Reise stand die Aschewolke des isländischen Vulkans am europäischen Himmel, die tagelang dort hing und die den gesamten Flugverkehr lahm legte. Doch drei Tage vor dem Abflugtermin, dem 25. April, kam die Entwarnung.
Wir landeten an diesem Tag nach einem knapp fünfstündigen Non stopp Flug sehr angenehm in Teheran. Wir wurden ohne jede Schikane, im Gegenteil, sehr freundlich und schnell durch die Pass- und Zollkontrollen geschleust. In der Vorhalle trafen wir unseren persischen Guide Mohammad, den ich schon von meiner Vorreise im vergangenen Jahr her kannte. Er führte uns zu unserem Reisebus, der für 14 Tage unsere zweite Heimat werden sollte. Um 23 Uhr bezogen wir unsere Zimmer im „Ferdowssi“-Hotel.
Ferdowssi ist der größte persische Dichter, der um 1000 n. Chr. lebte. Er schrieb das monumentale Epos der Geschichte Persiens und schuf dabei die heute noch gesprochene neupersische Sprache, die er aus dem Pahlewi ableitete. Dieses Pahlewi wurde vom Arabischen nach der Eroberung Persiens fast verdrängte. Diese sog. mittelpersische Sprache war in der Sasanidenzeit um 250 n. Chr. aus dem Altpersischen geschaffen worden. Das Neupersisch ist von Ferdowssi als Kunstsprache geschaffen worden und entwickelte sich rasch zur Volks- und Amtssprache im gesamten persischen Kulturkreis. Ferdowssi lebte im hochkultivierten Osten des persischen Großreiches und bewahrte die Perser vor der Arabisierung ihrer Kultur.
Ferdowssi gilt als Integrationsgestalt des Persertums schlechthin. Sein Grab wird in Tus, seiner Geburtsstadt, in Chorassan, nahe dem größten aller Heiligtümer der Schiiten Maschad. wie ein Heiligtum verehrt. In Maschad übrigens steht das Mausoleum des 8. Imam. Es ist einer ihrer wichtigsten Wallfahrtsorte. Leider fuhren wir weder nach Tus noch nach Maschad. Beide Orte liegen 1000 km östlich von Teheran.
Auf unserer Reise fuhren wir in die Gegenrichtung zu den Stätten der ersten Großkönige des Achämenidenreiches, das von Kyros II. 550 v. Chr. gegründet worden war. Wir wollten den Ort sehen, an dem Darius der Große sein Reichsgesetz in eine Felswand meißeln ließ, das als erste Charta der Völkergemeinschaft gilt. Sein Data, so nennt er das Gesetz, das er von seinem Gott Ahura Mazda erhalten hatte, steht hoch oben in Keilschriftbuchstaben geschrieben in den damaligen Weltsprachen Persisch, Elamisch und Babylonisch. Der Ort heißt heute Bisotun. Er liegt an der Seidenstraße, die von der Mittelmeerküste bis nach China reicht.
Bevor wir diesen denkwürdigen historischen Ort des Jahres 522 v. Chr. erreichten, kamen wir zunächst nach Hamadan, das 350 km von Teheran in Westen liegt. Dort sahen wir zwei Felsinschriften aus der Zeit des Großkönigs Xerxes, auf denen die Regierungsprogramme von Darius und Xerxes in Stein gemeißelt sind. Die Tafeln prangen hoch an einer Felswand nahe einem Wasserfall, der sich aus den Schneefeldem der 4000er Gipfel speist. Hier begegnen sich die grandiose Natur des Gebirges und die bedeutendste Epoche der persischen Geschichte. Die Kette der im Frühling schneebedeckten Bergriesen bildet eine wunderschöne Kulisse, vor der in einer weiten Ebene Hamadan liegt. Sie war unter dem Namen Ektabana Residenzstadt des Mederreiches von 700 v. Chr. bis 550 v. Chr. und diente auch den persischen Achämeniden, die die Nachfolger der Meder wurden, als Sommerresidenz und immer dann, wenn es in Susa im Zweistromland zu heiß wurde.
In Hamadan steht das Mausoleum von Esther und Mordechai. Die Geschichte der Jüdin Esther reicht zurück in die Achämenidenzeit, als die persischen Könige dem jüdischen Glauben gegenüber sehr aufgeschlossen waren. Die Geschichte der Esther als der Frau des achämenidischen Königs Artaxerxes III. steht in der Bibel im Buch Esther und spielt in der Residenzstadt Susa des altpersischen Reichens um 350 v. Chr. Auf der Fahrt von Teheran nach Hamadan habe ich diese lange spannende Story erzählt, in der ein Pogrom an Juden durch Esther verhindert wird. Das Grab der Esther ist heute ein jüdisches Heiligtum und steht unter dem Schutz des islamischen Staates seit Jahrhunderten.
Wie geschichtsträchtig dieser Ort an der Seidenstraße ist, zeigt der Rest einer Löwenskulptur aus der Zeit Alexander des Großen, der auf seinem Eroberungsfeldzug in Hamadan Station gemacht hat. Der Löwe liegt heute auf einem Sockel in einem kleinen Park hoch über der Stadt. Dort hatten wir die ersten intensiven Begegnungen mit den Einheimischen. Diese Begegnungen wurden uns wichtiger als der kaum erkennbare Löwe.
Hamadan ist auch in der frühen islamischen Zeit um 1000 n. Chr. Zentrum der aufblühenden persischen Kultur, besonders durch J/i Ibn Sina, den berühmten Arzt und Philosophen, der das Christliche Abendland mit seinen medizinischen und philosophischen Erkenntnissen befruchtet hatte. In Europa ist er bekannt unter dem Namen Avicenna. Hamadan ist der letzte Ort des Wirkens dieses Mannes, der ein langes Wanderleben durch das damalige unruhige Persien geführt hatte. In Hamadan starb er 1037 n. Chr. Stolz zeigt die Stadt sein Mausoleum in mitten eines Parks im Zentrum der Stadt.
Avicenna gilt als Begründer der säkularen Naturwissenschaft, die nicht von der Religion beeinflusst war. Seine medizinischen Erkenntnisse sind heute noch Grundlage des Medizinstudiums in Europa. Das moderne Museum mit der Grabanlage von Avicenna zu sehen, war ein Ereignis, wenn man weiß, dass das Licht der Erkenntnis allein aus der reinen Vernunft im Orient durch Avicenna geboren wurde. Der biographische Roman über dieses Genie mit dem Titel „Straße nach Isfahan“ ist sehr lesenswert!
Am nächsten Tag erreichten wir mittags wieder einen gewaltigen Gebirgszug, der die Hauptstadt der kurdischen Minderheit in Iran Kermanshah umgibt, das von Hamadan aus ca. 200 km weiter westlich im Zagrosgebirge liegt. An den steilen Hängen der zerklüfteten Gebirgswände entlang führte im Altertum eine Passstraße, die das Zweistromland mit dem persischen Hochland verband, die in die asiatische Steppe weiterführte. Es ist eine Straße der Eroberer, der Händler, der Soldaten und der Philosophen. Man nennt sie die Seidenstraße. An einem der Gebirgshänge hat Darius der Große auf die geglättete senkrechte Felswand seinen Sieg über seine Feinde einmeißeln und sein Gesetz verewigen lassen. Diese „Tafeln“ sind heute Weltkulturerbe.
Das „Data“ des Darius lesen wir heute wie die erste UNO-Deklaration der Menschheitsgeschichte. Unterhalb dieser Felswand entspringt ein quellklares Flüsschen, das die Hochebene zwischen den Gebirgszügen zu einem natürlichen Park macht. „Paradies“ nennen die Perser solche Gärten mit einem Flüsschen, das zu einem Wasserbecken angestaut ist. In solchen Paradiesgärten bieten hohe Bäume Schatten für die Reisenden.
Hierher kommen die Perser mit ihren Familien oder die Lehrer mit ihren Schulklassen. Hier lagerte man sich schon immer im grünen Gras und hörte den Gesang des Baches und der Nachtigall, so auch wir hier im Bewusstsein dieses geschichtsträchtigen Ortes und ließen uns von unseren Guides mit einem Picknickessen verwöhnen.
Vor unserem geistigen Auge zogen die Völker aller Zeiten an diesem Platz vorbei auf der Suche nach guten Geschäften und nach dem Glück.
Wir träumten den Traum von der Begegnung des Himmels mit der Erde. Es war der Traum des Darius, der nicht ein irdisches Imperium zu seinem eigenen Ruhm bauen wollte, sondern ein kosmisches zur Ehre Gottes, das Himmel und Erde verbinden sollte. Es war seine Reichsidee zum Wohle der Völker der Welt. Zur Verwirklichung dieses Traumes hatte Darius den Ruf seines Gottes Ahura Mazda vernommen.
Darius war kein Willkürherrscher, sondern arbeitete an einem göttlichen Auftrag, nämlich der Welt ein menschliches Angesicht zu geben. Dies geschah auch mit der Idee von der kulturellen Autonomie der Völker. Dafür wird er von den Propheten Israels als Werkzeug Gottes auf Erden gewürdigt. Diese Propheten traten zur selben Zeit auf wie Darius und verkündeten z. B. das Friedensreich der Völker. Darius verwirklichte konkret ein Weltreich, in dem Frieden und Wohlstand herrschten, für alle 28 Völker, die damals zum Kulturkreis zählten. Diese Völker folgten freiwillig dieser Idee, denn sie erlebten keine Unterdrückung, sondern freie Entfaltung ihrer Religion und Kultur. Sie wurden nicht zu einer „Multikulti- Masse“ und zu einem Einheitsvolk zusammen geschmolzen, wie Alexander der Große dies mit seiner hellenistischen Idee gewollt hatte. Als gewalttätiger Eroberer zerstörte er leider die so fein gesponnene Reichsidee des Darius. In dessen Reich gab es keine Sklaven und keine unterdrückten Frauen wie in Athen, wo die Freiheit nur für die Männer der Oberschicht galt. Darius ließ einen gerechten Lohn für entsprechende Leistung austeilen und schuf soziale Einrichtungen, wie es die Tontäfelchen von Persepolis bezeugen.
Diesen Traum kann man träumen, wenn man unter der riesigen Felswand sitzt und mit anderen, auch fremden Menschen das Brot teilt. An diesem Ort also entspringt der Geist wie eine Quelle, aus der die Menschenrechte fließen. Diesen Geist trägt die persische Kultur seit 2500 Jahren in sich.
Das Land tat sich vor uns auf in seiner blühenden Frühlingspracht. Schon hier in Bisotun sahen wir im Geiste Persepolis und das Grab des Kyros. Wir lagerten lange im saftigen Gras. Kermanshah ist nicht nur der besondere Ort einer fantastischen Reichsidee. Es ist auch ein Ort des Leidens und des Krieges. Hier am Wege nach Westen zum schiitischen wichtigsten Wallfahrtsort Kerbala ist die Passionsgeschichte von Hussein in einer Tekiye dargestellt. Tekiye nennt man einen großen Platz mit einem Gebäude in der Mitte, auf dem die Passionsspiele für Hussein aufgeführt wurden. Hussein war der Enkel des Propheten und der 3. Imam, der bei Kerbala am Euphrat als Märtyrer starb. Sein Mausoleum steht heute im Irak. Die Geschichte des Hussein sieht man in Bildern im Inneren der Tekiye auf Fayencekacheln. Leider war das Haus, das heute ein Museum ist, an diesem Tage geschlossen, so dass wir nur die Bilder am Eingangsportal sehen konnten. Dafür gab es Gespräche mit den Menschen rund um den Platz.
Die andere Leidensgeschichte der Perser ist noch gegenwärtig und hängt mit dem Krieg zwischen dem Irak und dem Iran zusammen, der acht Jahre auf persischem Boden tobte, besonders hier um Kermanshah. Dieser Krieg war von Saddam Hussein in Bagdad mit Unterstützung der Amerikaner angefangen worden. Die Amerikaner und Engländer wollten mit diesem Krieg die Diktatur der Mullahs stürzen. Der Krieg, der auch mit Giftgas und Landminen geführt worden war, hat Millionen jungen Persern das Leben gekostet. Viele Städte wurden durch ständigen Raketenbeschuss zerstört. Am schlimmsten traf es Kermanshah. Dieses Großstadt ist jetzt nach 12 Jahren an anderer Stelle wieder auf gebaut worden. Das alte Zentrum steht noch um die Tekiye, die als Mahnmal gegen die Schrecken dieses Krieges angesehen wird. Nach den bösen Erfahrungen dieses Krieges sagt das persische Volk ähnlich wie wir Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg: „Nie wieder Krieg!“ Der dritte Reisetag im Lande war der längste von allen. Doch auch die Strecke von 500 km durchs Gebirge und dann durch die mesopotamische Tiefebene haben wir kurzweilig gestalten können. Wir hatten auch Glück mit dem Wetter. Wie schon an den beiden ersten Tagen war der Himmel klar und strahlend blau. Bei einem kühlenden Wind konnten wir es auch in der Sonne gut aushalten.
Auf der Passhöhe hinter Kermanshah, die etwa bei 2000 m Höhe lag, machten wir die erste Pause, um den Blick in die Weite der Täler und Berge zu genießen im Grün der Frühlingslandschaft.
Das tägliche Ritual im Bus während der Fahrt hatten folgenden Ablauf: Ein Morgengruß von unserem Guide Mohammad mit einem Gedicht eines der großen persischen Dichters, etwa Rumi, Hafis oder Chaijjam. Danach feierten wir mit Liedern, Psalmgebeten, Jesusworten und meinen Gedanken zum Glaubensbild des historischen Jesus unsere Morgenandacht. Nach einer Pause erzählte der Guide Mohammad etwas über Land und Leute oder sagte etwas zur politischen Lage im Iran. Auch eine Gymnastikstunde gehörte zum Programm. Frau Edeltraud Dikty lockerte unsere Gliedmaßen nach der Methode „Feldenkrais“. Als Belohnung gab es Tee, Gebäck und Melonen. Wasser in Flaschen hatten wir im Kühlschrank des Busses. So waren wir beschäftigt bis zum Mittagessen in einem Restaurant oder bei einem Picknick unter schattigen Bäumen. Manchmal wurde auf den längeren Strecken ein Märchen gehört oder ein Film über Persien z. B. Persepolis oder Isfahan gesehen oder wir hörten persische Musik. Auch die verdiente Mittagsstunde mit einem stillen Schläfchen gab es!
An diesem sonnigen Tag, der uns von Kermanshah im Norden nach Ahwaz im Süden Mesopotamiens führte, erlebten wir die Pracht des Frühlings, zunächst in den Gebirgstälern, in denen sich die grünen Weizenfelder im Winde wiegten. Im heißen Süden war das Getreide bereits gelb und die Mähdrescher mähten das reife Korn. Mesopotamien ist eine Kornkammer. So weit das Auge reicht, sieht man Weizenfelder.
Nach der Natur kam dann die Kultur wieder an die Reihe. Wir fuhren in der mesopotamischen Ebene zur alten Residenzstadt Susa. Hier regierten im 3. und 2. Jahrtausend vor Christus die Elamer, ein Volk, das mit den Sumerern eine städtisch-bäuerliche Kultur entwickelt hatte. Später wurde Susa die Hauptstadt des Perserreiches. Hier lebten in achämenidischer Zeit viele Juden. In Susa steht das Mausoleum des Propheten Daniel. Ich erzählte im Bus seine Lebensgeschichte und las seine Visionen vom den vier Reichen, die kommen und gehen werden, bevor das endzeitliche Reich anbrechen wird, wie sie im Buche Daniel im Alten Testament aufgezeichnet sind.
Das Mausoleum ist heute ein islamisches Heiligtum. Die Frauen mussten hier ein Chador- Tuch umlegen, aber nicht unbedingt in schwarz, sondern in weiß oder farbig, so wie sie im Hof des Heiligtums hingen.
Danach gingen wir durch die heutige Stadt, in der viele Araber wohnen wie überall im Süden des Iran. Kuwait ist nicht weit! Die Ausgrabungsstätte des alten Susa war ziemlich enttäuschend. Wir stellten uns also mit dem geistigen Auge vor, an einem der ältesten Orte der menschlichen Kulturgeschichte zu stehen. 6000 Jahre vor Chr. gab es hier schon eine Siedlung! Reste der Residenzstadt des Königs Darius sind hier ausgegraben. Von hier aus war das riesige persische Reich der Achämeniden einmal verwaltet worden.
Es wurde schon Abend, als wir endlich den uralten Stufentempel von Chogha Zanbil (1200 v. Chr.) erreichten, der heute einsam in der Landschaft liegt wie eine ägyptische Pyramide in der Wüste. Die Abendsonne gab dem wieder erstandenen Tempel starke Konturen.
In seinem rötlichen Backstein zeigte er sich uns im kühlenden Abendwind von seiner schönsten Seite. Zu seinen Füßen ohne vom Lärm anderer Gruppen gestört zu werden, bewirteten unsere Guides uns mit heißem Tee und mit Melonen. Links vom Tempel ging die Sonne unter. Leichter kühlender Wind fächelte die Tageshitze Mesopotamiens fort. Diese stille Abendstunde gehörte zu den schönsten Naturerlebissen der Reise.
Wir waren erst spät in unserem Hotel in Ahwaz. Dort warteten schon lange die beiden Nachgereisten, Marlies Stegmann und Rita Wagner, die uns empfingen. Diese beiden mutigen Damen hatten eine ziemlich komplizierte Hinreise auf sich genommen, um Persien auch sehen zu können.
Der 5. Tag der Reise war noch einmal so lang wie der voran gegangene von Kermanshah nach Ahwaz. Er führte durch die Ölfelder von Mesopotamien nach Süden. Überall sahen wir die Fackeltürme mit ihren Flammen. Dann ging es wieder hinauf ins südliche Zagrosgebirge. Auf der Fahrt verwandelten sich die gelben Weizenfelder wieder in grüne zurück. Wir entgingen allmählich der schwülen Luft Mesopotamiens, dessen Dörfer und Städtchen arabisch wirkten wie in Ägypten, armselig, laut und dreckig. Auf dem Wege zur alten Residenzstadt der persischen Könige der Sasanidenzeit hielten wir unser wohl urigstes Picknick ab in einem verwilderten Garten unter schattigen Bäumen, deren Äste tief herabhingen, so dass wir in Grüppchen je einen Baum umrundeten. Unter uns brauste ein Gebirgsfluss, hinter dem sich im Osten eine bizarre Felswand erhob. Im Westen, aus dem wir gekommen waren, baute sich während des Essens eine dunkle Gewitterwand auf. Unsere drei Guides hatten für uns 27 Junggebliebenen viele schmackhafte Sachen eingekauft, die nun vom Bus heran geschleppt wurden. Mit allem waren wir versorgt, nur Rotwein gab es nicht. Alkohol ist im Iran streng verboten. Wir waren nun schon eine richtig gute Truppe geworden, in der ein guter Geist aufkam. In diesem Geist wurde an diesem Tag fröhlich Geburtstag gefeiert. Das Geburtstagskind war Gisela Kalcher. Abends im Hotel in Shiraz gab es, von Mohammad spendiert, für alle noch Torte, Kaffee und Tee. Gisela genoss diesen Tag und wird sicher diesen besonderen Geburtstag nicht vergessen.
Es gab aber wie jeden Tag auch ein Kulturprogramm. Am Nachmittag erreichten wir die Ruinen der Residenzstadt des zweiten sasanidischen Perserkönigs Shapur I. (240 -272 n. Chr.) Diese Stadt wurde von Römern für ihn gebaut, die der römische Kaiser Valerian nach einer verlorenen Schlacht dem persischen Schah entsenden musste. Auf einem riesigen Relief auf einer Felswand bei Bishapur ließ Shapur I. sich in Siegerpose hoch zu Ross darstellen. Vor ihm sieht man kniend den römischen Kaiser Valerian. Shapur I. hatte das persische Reich wieder stark gemacht und hielt den Expansionsdrang der Römer in Schach. Mit ihrer Niederlage unter Valerian beginnt in der Mitte des 3. Jhds. nach Christus auch der Niedergang des römischen Kaiserreiches im Zweistromland. Mit Persien wurde in einem Friedensvertrag der Euphrat als Grenze zwischen den beiden Weltreichen festgelegt. Doch gab es ständig Kriege bis zum Sturm der arabischen Reiterheere in der Mitte des 7. Jhds. n. Chr. Im Jahre 650 n. Chr. wurde das persische Sasanidenreich und damit die antike Geschichte der persischen Großreiche beendet, nämlich die der Achämeniden, der Parther und der Sasaniden. Diese persische Shah in Shah- Zeit dauerte 1100 Jahre von 550 v. Chr. bis 650 n. Chr., nur unterbrochen durch die Episode der griechischen Seleukidenherrschaft nach Alexander.
Die Sasaniden knüpften kulturell an die Zeit des Darius und Xerxes an. Sie schufen ihr Reich gegen den Hellenismus nach dem Modell des Altpersische Reiches des Darius, erhoben die Zarathustrareligion zur Staatsreligion und erneuerten die persische Sprache und Kultur. In ihrer Glanzzeit zerbrach das Imperium Romanum in zwei Teile. Der letzte gesamtrömische Kaiser Theodosius hatte 395 n. Chr. das Christentum zur Staatsreligion erhoben.
Beide Religionen entwickelten einen intoleranten Absolutheitsanspruch und veränderten den ursprünglichen Geist der beiden Religionsstiftern Jesus und Zarathustra. Diese nun sehr dogmatisch geprägten Religionen schufen einen Graben zwischen dem christlichen Rom und dem zarathustrischen Persien, der sich im Mittelalter vertiefte als Kluft zwischen dem christlichen Abendland und dem moslemischen Morgenland. Seit diesen Tagen wurden im Namen der Religion Krieg und Schrecken in der Welt legitimiert. In der Antike hatte die Menschheit keine Religionskriege gekannt. Erst heute versuchen wir die Feindbilder wieder abzubauen.
Krieg müsste kein Schicksal der Menschheit sein, wenn wir Menschen nur anfingen Brücken zu bauen und den ersten Schritt zum Anderen, zum Fremden zu machen! Doch wir Europäer machen auch nicht diesen ersten Schritt. Im Gegenteil! Ich hörte zuhause nach der Reise: „Ein Glück, dass Ihr wieder da seid! Ihr glaubt gar nicht, wie viele Sorgen wir uns um Euch gemacht haben!“ Große Erleichterung mit erhobenem Zeigefinger: „ Was wolltet Ihr bloß in solche einem feindlichen, fremden Land! Es gibt doch genug andere Gegenden der Erde, die nicht so gefährlich zu bereisen sind!“ Hinter den wohl meinenden Worten hörte ich die politische, westliche Maxime: „Der Boykott gegen den Iran und die Perser ist gut und richtig.“ Das denken ca. 70 % aller Deutschen.
Als ich mitten in Persien in den Ruinen der sasanidischen Residenzstadt stand, einem weltgeschichtlichen Ort, stimmten diese Gedanken mich sehr traurig. Schon damals stießen zwei Weltreiche auf einander, die die Gegensätze durch Kriegshandlungen zu lösen versuchten. Seitdem ist die Religion zur Untermauerung des Feindbildes missbraucht worden, so dass die säkularisierte Menschheit tatsächlich glaubt, die Religion an sich sei schuld an den Kriegen der Völker. Ich habe gerade auf dieser Reise gelernt, dass die ursprüngliche Zarathustrareligion und das ursprüngliche nicht verstaatlichte Christentum richtungweisend seinkönnen, eine Brücke zu bauen für eine globale Gesellschaft der Völker.
Das Symbol einer solchen weltweiten Gesellschaftsordnung sahen wir bereits am folgenden Tag. Das war die Idee von Persepolis.
Persepolis ist vor allem als Versammlungsort der Völker so bedeutend. Es ist eine grandiose Idee des persischen Großkönigs Darius I. gewesen, der diese „heilige“ Stätte als Ort der Gemeinschaft aller Völker um 500 v. Chr. errichten ließ. Die Ruinen von Persepolis selbst sind für manchen Reisenden enttäuschend und haben wenig Aussagekraft. Die Lage dieser riesigen Terrasse von 500 m mal 150 m mit seiner Apadana, wie man die Audienzhalle des Darius des Großen nennt, besticht das Auge des Besuchers erst, wenn dieser vom Grab des Artaxerxes III. herab auf sie schaut. Diese Terrasse ist künstlich am Hang einer Bergwand mit einem weiten Blick über ein Hochtal aufgeschüttet. 15 m hoch sind allein die Stützmauern aus gewaltigen Quadern aufgerichtet. Darüber stehen heute noch 9 von ehemals 36 Säulen, die 20 m hoch in den Himmel ragen. Aufrecht steht noch das sog. Tor der Völker, durch das die Delegationen am Festtag, dem Neujahrsfest am 21. März schritten. In dieser ersten Woche eines neuen Jahres versammelten sich die Vertreter der 28 Völker, die im Reich des Großkönigs vereinigt waren, um dem Großkönig die von Gott gegebene Ordnung der Welt zu bestätigen. Symbolisch trugen 28 Repräsentanten der Völker ein Gestell, das sich Gathu nannte vom Hundert-Säulensaal auf die Apadana, auf dem der Thron des Königs stand. Gathu ist ein Begriff Zarathustras aus der Awesta, Das Gathu, ein Holzgestell, stellt die kosmische Ordnung von Himmel und Erde dar. Der Großkönig und die Könige der Völker verpflichteten sich, diese Ordnung zum Wohle und zum Frieden aller Völker zu erhalten. In ihrem Zug hinauf brachten die Vertreter der Völker Zeichen der Freundschaft.
Der Zug der Repräsentanten ist heute noch in großartigen heraus gearbeiteten Reliefbildem an den Wangen der Freitreppe, die zur Apadana hinauf führt, zu sehen. Diese Darstellungen sind der künstlerische Höhepunkt von Persepolis. Auf der Terrasse gab es noch das Schatzhaus, in dem die Geschenke der Besucher gelagert und verwaltet wurden. In diesem Schatzhaus hat man die Tontäfelchen gefunden, die von der sozialen Ordnung dieses Großreiches berichten. Es gab weiter zwei Paläste, die im Hintergrund der Apadana lagen, die von Darius und Xerxes gebaut worden waren. Die späteren Großkönige haben nicht in Persepolis gewohnt. Auch Darius hat hier nur gelegentlich residiert. Er lebte vor allem in der Hauptverwaltungsstadt des Riesenreiches. Das war Susa. Persepolis war keine eigentliche Residenzstadt gewesen. Persepolis war auch keine Kultstadt. Es gab dort keine Tempel oder Opferstätten. Denn diese waren wider den Geist Ahura Mazdas, dem unsichtbaren Gott, der keine von Priestern dargebrachten Brandopfer wollte. So die Lehre von Zarathustra. Wer unbedingt opfern wollte, durfte allerdings ein Dankopfer bringen, das auf den Täfelchen von Persepolis „Lan“- Opfer genannt wird. Dazu benötigte man aber keinen Priester. In Persepolis gibt es keine Darstellung von aktiven Priestern.
Alles spricht dafür, dass Persepolis der Begegnungs- und Versammlungsort der Repräsentanten der Völker war, ein durchaus heiliger Ort. Persepolis sollte das Abbild der Weltordnung sein, wie es im christlichen Abendland die Kathedrale war, die den Himmel auf Erden abbildet. In Persepolis waren die beiden Teile des Kosmos, Himmel und Erde, verbunden. In diesem Geist war auch das Weltbild des Darius des Großen zu sehen, das er auf der Grundlage der Lehre von Zarathustra politisch umgesetzt hatte. In Persepolis fanden möglicherweise dramaturgisch gestaltete Theater- und Prozessionsspiele statt, wie man sie konstruierten kann aus den vielen Reliefdarstellungen im Hundertsäulensaal, im Schatzhaus und im Tripylon.
Heute ist Persepolis zum weltlichen Wallfahrtort der Perser geworden, die hier ihre Identität suchen. So erlebten wir Persepolis als eine der wenigen ausländischen Gruppen im Pulk der iranischen Familien und Schulklassen. Leider spürten wir nur wenig von der Größe dieses Ortes im Geschiebe der Menschenmassen.
Ich selbst war darüber etwas enttäuscht. Es war wohl ein Fehler gewesen, am Freitag, dem moslemischen Sonntag, nach Persepolis zu fahren.
Ruhiger war es bei der Felswand e Rostam, in der hoch oben die Königsgräber der Achämeniden angelegt sind, die nicht zugänglich sind. Es gibt in ihnen auch nichts mehr zu sehen. Die äußeren Reliefs an den geglätteten Felswänden zeigen alle das gleiche Bild, nämlich den Eintritt des verstorbenen Königs in den Himmel, den Ahura Mazda darstellt. Ahura Mazda wird dargestellt als bärtiger Mann in einer geflügelten Sonnenscheibe. Nach dem Mittagessen in einem Gartenrestaurant an einem Teich unter schattigen Bäumen fuhren wir zurück nach Shiraz. Persepolis hatte mit seiner vierstündigen Besichtigung viel Kraft gekostet. So machten wir erstmals Siesta auf unseren Zimmern.
Am späten Nachmittag fuhren wir zur weiteren Entspannung zu einem berühmten Park mit dem Namen Baq-e Eram. Dort bummelten wir zwischen den Rosenbeeten in der Abendsonne und unter uralten hohen Zypressen.
Shiraz ist eine südländische Stadt, auch für die Perser aus Isfahan oder Teheran. Dass Leben spielt sich draußen unter den freien Himmel ab. Auch in diesem Park kam es zu Begegnungen mit Menschen, die alle ein offenes und lebensfrohes Gesicht zeigten. Die kultivierte Art dieser Menschen besticht und erstaunt, da wir ja, wie mancher hier meint, zu „Hottentotten“ gefahren wären.
Am späten Abend fuhren wir in die Innenstadt zum Essen und zum Bummeln. Außerdem wollten wir das nachts erleuchtete Mausoleum des schiitischen Heiligen „ Shah Cheraq “ in seiner Farbenpracht erleben. In seiner Hofanlage glaubte man an einem Ort aus einem Märchen von TausendundeineNacht zu sein.
Im Süden Persiens ist es wie im Süden Italiens. Das Leben beginnt erst am Abend. Die Straßen sind voller Autos und auf den Boulevards promenieren viele Menschen, und schauen sich die Auslagen der Läden an, die erstaunlich westlich dekoriert sind.
Wie lange noch werden die Menschen im Iran in ihrem relativen Wohlstand und im Frieden leben können? Werden auf die wunderschönen Innenstädte des Landes bald Bomben fallen, wie es einige Deutsche in der evangelischen Gemeinde in Teheran befürchteten? Doch hier in Shiraz spürten wir von solchen Sorgen nichts.
Am nächsten Tag besuchten wir die farbenfrohen Orte dieser Stadt. Man nennt Shiraz auch die Stadt der Dichter und der Rosen. Zunächst wanderten wir in der Innenstadt zur sog. Rosenmoschee, deren Vier-Iwanen-Hofanlage mit Fayencekacheln dekoriert ist. In einem rosaroten Grundton leuchten die Farben der Wände des Innenhofes. Beim Nähertreten erkannten wir eine Fülle von Blütenzweigen, vor allem die Rosen. Hier konnte das Auge schwelgen und auch die Fotographen unter uns. Danach besuchten wir ein Herrenhaus, das inmitten eines Gartens namens Baq-e Narenjestan liegt, durch den sich ein schmaler Wasserkanal mit kleinen Springbrunnen besetzt zog. Rechts und links von ihm blühten üppig Löwenmäulchen und Rosen. Auch die märchenhaft-orientalischen Miniaturbilder an den Wänden des Eingangsportals, gebildet aus kleinen mosaikartigen Fayencestückchen, verzauberten das Auge.
Danach wanderten wir durch die Innenstadt zum Vakil-Basar. Jeder hatte hier Zeit für sich zum Bummeln und zum Einzukaufen, ob es Münzen, Kopftücher oder andere Mitbringsel waren. Treffpunkt für alle war ein kleines Restaurant. Dann fuhren wir mit unserem Bus zur längeren Mittagspause in unserem Hotel, das am Rande der Innenstadt lag. Ich hatte damit gerechnet, dass es in Shiraz am 1. Mai schon sehr heiß sein würde. Doch wir hatten Glück mit dem Wetter auf der ganzen Reise. Es ging ein kühler Wind im sonnigen Shiraz, das auf einer Höhe von 1700 m liegt am Hang des Zagrosgebirges.
Am Nachmittag fuhren wir zu den Mausoleen der großen persischen Dichter Sa ’adi und Hafis. Deren Gräber liegen in sehr gepflegten Parkanlagen. Jetzt im Frühling stehen diese monumentalen Grabanlagen inmitten blühender Rosensträucher. Die Gedichte der im 13. und 14. Jahrhundert lebenden Lyriker sind auch der Jugend heute noch bekannt. Sie werden an diesen Stätten laut gesprochen.
Besonders stark wird das Hafisgrab besucht als Stätte geistiger Freiheit, die mit seiner Person verbunden ist. Hier kam es auch zu besonders intensiven und fröhlichen Begegnungen mit jungen Iranern und Iranerinnen. Die Frau im Iran ist nicht ins Haus eingesperrt, wie mancher in Europa so meint. Die jüngere Generation der Frauen hat wie die Männer eine gute Schulbildung, viele haben auch studiert und stehen beruflich mitten im gesellschaftlichen Leben. Sie fahren mit dem eigenen Auto zur Arbeit und machen auch allein ihre Einkäufe. Sie treffen sich mit Freundinnen in der Freizeit in einem Restaurant oder in den Parks. Zuhause fuhrt die Ehefrau sowieso das Regime, wie unser Guide Mohammad etwas seufzend sagte. Man spürte den jungen Frauen und Mädchen einen westlich geprägten Lebensstil an. Die Frau ist auf Grund der Ehegesetze nicht rechtlos, wie mancher hier meint. Sie kann durchaus von sich aus die Ehescheidung betreiben. Die junge Perserin will zwar die Ehe, aber nicht mehr viele Kinder. Eins, zwei Kinder reichen, zumal sie nach der langen Berufsausbildung ähnlich alt ist, wenn sie heiratet, wie die junge Frau bei uns in Europa. Man kann also hochrechnen, wann dieses heute junge Volk ähnlich vergreist wie wir. Unsere Meinungen vom Leben der Frau in Persien beruhen auf klischeehaften Feindbildern, geschürt durch Einzelfälle von unterdrückten Frauen, die es auch bei uns gibt (Vergewaltigung und Körperverletzungen durch brutale Schläge der Männer), die bei uns als typisch islamisch in Büchern und Filmen geradezu genüsslich breit getrampelt werden. Etwas anderes sind dagegen die rigiden Moralauffassung der Mullahs und der älteren Bevölkerung auf dem flachen Lande und der ungebildeten arbeitslosen Schicht (ca. 15%), aus denen man die knüppelnden Wächter und paramilitärischen Verbände macht. So hatte schon Hitler seine SA und SS aufgebaut und auch das Arbeitslosenproblem gelöst! Dumm gehalten, sind solche Menschen eine willige Masse für Diktatoren! Schon die bewaffneten Mitglieder der Kreuzzüge im Mittelalter wurden aus dem Stand der Mittellosen und Ungebildeten rekrutiert.
Entsprechend hausten diese Banden dann als Sieger im Orient wie die Waffen- SS im 2. Weltkrieg in der Sovietunion. Ich sage dies so dezidiert wegen unserer deutschen Entrüstung: „Wie kann man nur in den Iran fahren!“
Zurück zu unserer märchenhaften Reise durch Persien!
Ich betone noch einmal, im Vordergrund der tatsächlichen Erlebnisse auf dieser Reise standen unsere Begegnungen mit der jungen Menschen, die uns sagten, der Iran werde nach der Herrschaft der Mullahs ein blühendes freies Land werden. Die schiitische Sehnsucht nach Freiheit und Gerechtigkeit steckt seit alters her tief in diesen Menschen.
Am 8. Tag unserer Reise verließen wir Shiraz. Über zwei hohe Pässe quer durchs Zagrosgebirge ging es an den Rand der Zentralwüste Persiens nach Jazd, einer Oasenstadt. Auf dem Wege machten wir Station in Pasargade, der Hauptstadt des ersten Großkönigs Persien Kyros, der ein Weltreich geschaffen hatte. An seinem Grabmal feierten wir „open air“ einen Brot-Gottesdienst in einfacher Art und Weise, wie es wohl Jesus am See Genezareth getan hatte, als er 5000 Menschen satt gemacht hatte, von denen niemanden nach seiner Konfessions- oder Religionszugehörigkeit gefragt worden war. Dies taten wir auch im Blick auf das ökumenische Abendmahl, das auf dem Kirchentag im Mai dieses Jahres in München immer noch nicht zur Versöhnung der Gegensätze gefeiert werden darf. Auch diese dogmatisch begründete Trennung wird eines Tages fallen!
Der persische Großkönig Kyros steht für den Gedanken der Einheit in der Vielfalt, anders gesagt, des autonomen Gestalten einer gemeinsamen globalen Welt. Kyros schuf keinen Völkermischmasch wie später Alexander der Große mit seiner Idee vom Hellenismus. Kyros selbst machte den berühmtem Kniefall vor dem Standbild des babylonischen Gottes Marduk nach der gewaltfreien Eroberung des ehrwürdigen Reiches. Er selbst baute seine neue Gesellschaft nach der Lehre Zarathustras und des Gottes Ahura Mazda auf. Ich betone, er zerstörte nichts, sondern baute auf. Kyros entließ auch das Volk Israel aus der sog. babylonischen Gefangenschaft. Viele Juden aber blieben als Ratgeber oder in der Wirtschaft freie Bürger unter diesem toleranten Herrscher. Er war ein wirklicher Befreier. Er schaffte die Sklavenwirtschaft ab, und schuf ein System der bezahlten Berufsstände.
An seinem Grab einen christlichen Brot-Gottesdienst zu feiern, sollte ein Zeichen sein für die Überwindung von Grenzen zwischen Christen und Moslems. Denn das Abendmahl hat versöhnende Kraft!
Am selben Ort haben wir, wie so oft unterwegs, auch ganz alltäglich gegessen, also Picknick gemacht. Von Westen hatte uns hier am Grabmal des Kyros das Regenwetter eingeholt. Es fing schon während des Gottesdienstes an zu stürmen und beim Picknick auch noch an zu regnen. Zum Glück waren wir am Vormittag, noch bei Sonnenschein, von Edeltraud Dikty nach der Methode Feldenkrais für den Rundgang durch die Ebene der ehemaligen Residenzstadt getrimmt worden.
Unsere Fahrt ging weiter nach Nordosten und wir entfernten uns von dem Regengebiet, das über den nächsten Gebirgskamm nicht mehr hinüber kam. In Abarkuh, das an einem Kreuzungspunkt zweier alter Handelsstraßen und am Rande einer kleineren Wüste liegt, schien schon wieder die Sonne. Unter einer 1000jährigen Riesenzypresse war Teepause. Es gab süßes Gebäck und eine Scheibe Honigmelone. Von einem Hügel mit einem Grabturm der Seldschuken genossen wir den weiten Blick über die Stadt, den Kranz der Berge im Westen und in die Weite der Wüste hinein, durch die wir nun zwei Stunden lang fahren sollten. In dieser Fahrt schauten wir uns einen DVD- Film über Persepolis an, wie es früher einmal ausgesehen hat. Dabei waren die virtuellen Rekonstruktionen besonders interessant. Gegen Ende des Films fuhren wir wieder durch einen bizarren Gebirgszug mit schneebedeckten Gipfeln, die über 4000 m hoch waren. Die Abendsonne tauchte die Felsformationen in rötliches Licht. Am Fuße eines der 4000er Gipfel liegt Jazd, 1200 m hoch. Um 18 Uhr erreichten wir unser Hotel.
Die Stadt im Schatten ihrer Alleen macht einen sehr gepflegt und ruhigen Eindruck. Sie ist eine der größten Universitätsstädte Irans. Sie lebt von der Seidenverarbeitung und der Textilindustrie. Heute profitiert sie auch durch die ausgebaute Transitstraße nach Indien. Jazd ist die Stadt der Zarathustrier. Die Menschen gelten hier als die verlässlichsten und ehrlichsten in ganz Persien. Auch in dieser mehrheitlich islamischen Stadt gilt die alte Weisheit von Zarathustra, dass die Wahrheit der oberste Wert der Gesellschaftsordnung ist. In Jazd brennt das ewige Feuer als Symbol des ewigen Lichtes und der Reinheit der Elemente. Wegen der Reinerhaltung der vier Elemente der Schöpfung haben die Zarathustrier ihre Toten nicht erdbestattet, da die Leichen die Erde verunreinigen. Sie bauten sog. „Türme des Schweigens“, auf die sie die Leichen einbalsamiert zum Fraß für die Geier trugen. Heute ist diese Bestattungsart im Iran verboten. Wir stiegen zu solch einem Turm des Schweigens hinauf, der am Stadtrand von Jazd liegt und ließen uns die Trauerzeremonie der Zarathustrier erklären.
Die enge Altstadt ist aus Lehmziegeln gebaut. Sie wird zurzeit in dieser alten Bauart restauriert. Man lebt nach innen. Wir besichtigten den Hof einen Bürgerhauses mit einem Blumen umstandenen, großem Wasserbecken. Dort wird durch ein ausgeklügeltes Wind- Wassersystem kühle Luft angesaugt ohne Energiekosten. Die modernen Häuser brauchen teure Air Condition. Noch sind die Energiekosten im Iran sehr billig.
Überall in der Altstadt sieht man aber die Windtürme, deren Art es ist, im Sommer zu kühlen und im Winter zu heizen. Vom Dach eines Hauses sahen wir die vielen Windtürme und die Lage der Stadt vor der Kulisse der 4000er Gipfel, die noch schneebedeckt waren. Vom Gebirge her bekommen Mensch und Natur ihr Wasser. Nach den uralten Methoden aus der Achämenidenzeit (500 - 300 v-Chr.) ist die Zivilisation in der Wüste durch ein unterirdisches Kanalsystem möglich. Heute bekommen fast eine Million Menschen durch dieses Kanalsystem Trinkwasser aus den Bergen. In Jazd am Rande der Wüste regnet es nur selten. Allein die Stadt Jazd als Hauptstadt der gleichnamigen Provinz hat 350 000 Einwohner.
Die Schönheit dieser Stadt ist aber die Portalwand der Freitagsmoschee mit zwei schlanken Minaretten aus dem 14. Jhd. Sie ist ganz in Blautönen verkachelt mit herrlichem Mosaikschmuck. Die elegante schmale Portalwand mit ihren beiden schlanken hohen Minaretten gehört zu den schönsten Architekturelementen persischer Moscheebaukunst. Auch in Jazd sind die Parks eine Oase der Ruhe und der Begegnung. Wir picknickten in einem dieser Parks - wieder bei sehr schönem Wetter mit angenehmen Temperaturen, - unter hohen Bäumen. Das „Open Air Buffet“ hatten unsere Guides an einem Wasserbecken mit Springbrunnen aufgebaut. Beim Essen kam es zu Gesprächen mit den Einheimischen. Am Nachmittag wurde im Hotel eine Geburtstagsteestunde mit Torte von unserm Guide vorbereitet. Für mich als Geburtstagskind bleibt Jazd in bleibender Erinnerung.
Am nächsten Tag, dem lo. unserer Reise ging es weiter mit all den Ritualen im Bus, denn wir hatten fünf Stunden Fahrt vor uns. Ziel war das Abbasi-Hotel in Isfahan. Unterwegs war große Rast in der Stadt Nain, die aus der Sasanidenzeit stammt. An einem Reinigungsbrunnen der aus dem 10. Jhd. stammenden Freitagsmoschee war wieder Picknick angesagt. Doch zuvor gab es Kulturarbeit, nämlich die Besichtigung der Mauern, Bögen und Kuppeln der Moschee und eines großen Bürgerhauses aus dem 18. Jhd., das heute Museum ist. Auffällig war auch hier wieder, wie angenehm kühl und leise es in den beiden Innenhöfen und im Garten war. Dort hatten die Pistazien schon die Früchte gebildet. Aber erst im September ist ihre Erntezeit. Auf der Straße nach Isfahan sahen wir den ersten Teil eines Dokumentarfilmes über die Stadt und ihrer Entwicklung.
Wir waren am frühen Nachmittag im Abbasi-Hotel angekommen. Am Nachmittag konnten wir dort im gärtnerisch wunderschön gestalteten Innenhof mit Wasserkanälen und leisen Springbrunnen und in einem nahe gelegenen Park die märchenhafte Schönheit Persiens genießen. Am Abend ist der Innenhof zauberhaft beleuchtet. Man sitzt im weiten Rund und lässt sich Tee und Gebäck bringen und nimmt eine Stimmung in sich auf, die man „orientalisch pur“ nennen könnte. Doch die gesamte Anlage ist modern renoviert.
Am nächsten Tag schien die Sonne vom strahlend blauen Himmel. Wir fuhren zum großen Fluss mit seinem „lebenden Wasser“. Das ist der Name des Flusses. Vor einer der alten Brücken aus dem 17. Jhd. stiegen wir aus, um auf der Uferpromenade das Licht, die Blumen und die wunderschöne Brücke zu bewundern, die ein Treffpunkt der Menschen am Abend ist. Dann fuhren wir in die Altstadt zur Freitagsmoschee und zum Seldschukenbasar. Die Moschee ist eine Vier-Iwanen Hofanlage mit einer Fläche von 170 m mal 140 m. In diesem Hof können sich mehr als 10000 Beter versammeln. Wir erlebten den Hof menschenleer. Besonders beeindruckend war die arabeske Stuckarbeit an der alten Mehrab aus dem 14. Jhd. der Mongolenzeit. Auch diese Eroberer, die die Miniaturmalerei nach Persien zurückbrachten, ließen sich in der Timuridenzeit „persianisieren“. Die Timuriden regierten über ein persisches Großreich von 1250 - 1500. Ihre Residenz hatten sie in Samarkand, einer der ältesten Städte im Nordosten Irans. In ihrer Zeit blühte die persische Dichtkunst eines Hafis oder Sa'adi.
Die Architektur der Freitagsmoschee, die unter den Seldschuken entstand, wurde jetzt zur Vollendung gebracht. Besonders schön leuchten nun die ornamentalen Schriftbänder. Unsere Augen schwelgten in den vielfältigen Formen der Kaliographie. Auch die farbenfrohen Fayencekachelbilder des in der Sonne leuchtenden Innenhofes gehören zu den überwältigenden Kunstwerken der islamischen Welt. Dasselbe gilt für einen der mächtigsten Kuppelräume, der mit seiner Spannbreite von mehr als 50 Metern ein architektonisches Wunderdwerk aus der Seldschukenzeit ist, gebaut in den Jahren 1086/87 von dem berühmten persischen Architekten und Wesir der Seldschuken Nezam of Molk. Die Leichtigkeit dieser soweit gespannten Kuppel fasziniert. Dabei ist sie aus sprödem Backstein gebaut worden. Noch mehr aber staunten wir am Nachmittag dieses TOP-Tages dieser Reise über die in eleganten Blautönen strahlende großen Moschee des Schahs Abbas I. am Imam-platz. Dieser Schah hat in Isfahan ein neues Residenzzentrum am Anfang des 17. Jhds. schaffen lassen. Abbas I. regierte ein persisches Großreichen von 1587 bis 1629. Er gab dem Land eine stabile Geschlossenheit und eine Epoche des Friedens. Sein Reich umspannte den gesamten persischen Kulturkreis vom Euphrat im Westen bis Samarkand und Baktrien in Osten. Er machte die Schia zur Staatsreligion. Bis heute sind die iranischen Völker seines Großreiches Schiiten. Das persische Schiitentum reicht auch heute noch vom Euphrat, wo die beiden wichtigsten schiitischen Heiligtümer stehen, nämlich das Mausoleum in Nedschef von Ali, dem Schwiegersohn des Propheten, und das Mausoleum von Hussein, dem 3. Imam, in Kerbala, bis nach Samarkand im heutigen Turkmenistan.
Man kann die Zeit der Safawiden von 1520 -1720 das goldene Zeitalter eines von äußeren Mächten freien und starken persischen Großreiches nennen, dessen Blüte auch das barocke europäische Abendland bestaunt hat, z. B. von dem deutschen Reisenden Olearius. Europa zerfleische sich im 16. und 17. Jahrhundert in Bruderkriegen z. B. dem 30jährigen Krieg. Heute bestaunen wir die Imam -Moschee von Abbas I. und seine Privat -Moschee, die den Namen ihres Architekten trägt Lotfollah -Moschee. Sie steht am großen Platz wie auch der Palast von Abbas L, den man J/z Qapu -Palast nennt. Diese drei Gebäude zählen zu dem bestaunenswertesten im Orient. Wir hatten viel Zeit und konnten dort bis zum Sonnenuntergang bei angenehmer sommerlicher Temperatur verweilen. Der Wunsch in unserer Gruppe war groß, am nächsten Tag hierhin noch einmal zurück zu kehren, nachdem wir die weite Hofanlage (524 m mal 162m groß) von der Abendsonne so schön beleuchtet gesehen hatten. Das war auch schon so im Programm vorgesehen, zumal der Fußweg vom Abbasi-Hotel zum großen Platz unter schattigen hohen Bäumen nur angenehme 10 Minuten lang war. Die Innenstadt mit dem Fluss, den Parks und den Boulevards südlich vom großen Imam-Platz gehört schon zu den attraktivsten Stadtbildern der Welt. Und mitten darin das Abbasi-Hotel mit seinem weiten Innenhof, den wir in den Mittagspausen und in den Abendstunden in Ruhe genießen konnten. Wir durften in diesem Märchen-Hotel immerhin drei Tage leben und zwischen Rosenbeeten, Wasserbecken und leise sprudelnden Springbrunnen lustwandeln bzw. Tee trinken.
Am letzten Tag, es war unser 12. Reisetag, fuhren wir morgens früh zum Gartenpalast von Abbas II., der den Namen „Chehel Sotun“ trägt, auf Deutsch „Vierzig-Säulen-Palast“. Die zwanzig Säulen des Portikus spiegeln sich in einem großen Wasserbecken. So sieht man spiegelbildlich vierzig Säulen. Hier kam es zu Begegnungen mit persischen Schülern und Jugendlichen, die uns umringten und mit uns fotografiert werden wollten. Im Palast machten sie dann aber einen fürchterlichen Lärm, gegen den unser Guide vergeblich anredete. So mussten und konnten wir uns die vielen Gemälde und Miniaturmalereien besser allein ansehen. Danach war Teepause im Teehaus im Park dieses Schlosses. In diesem romantischen Gartenteehaus rauchte Mohammad Wasserpfeife und andere von uns durften auch ein paar Züge machen.
In einem Pulk von Schülern verließen wir den Park und zogen hinüber zum großen Platz, wo jeder von der Gruppe diese fantastische Hofanlage in Ruhe anschauen konnte.
Bis in die Nachmittagsstunden war also Freizeit, um einmal privat Essen gehen zu können oder im Hofgarten des Abbasi-Hotels Tee zu trinken und die Rosen um die Springbrunnen henim zu genießen.
Am Nachmittag fuhren wir über den großen Fluss in den Süden der Stadt, wo das armenische Viertel liegt. Für den Bau all der schönen Gebäude und Straßen in Isfahan benötigte Abbas I. geschickte Handwerker. So holte er sich die Armenier, ließ sie ein eigenes Stadtviertel aufbauen und garantierte ihnen Religionsfreiheit und den Bau von Kirchen. Das gilt legitimiert durch den Koran, auch heute noch. Wir wollten diese prächtigen Kirchen sehen, die innen mit Bildern der Heilsgeschichte Jesu Christi geschmückt sind. Diese Kirchen haben Glockentürme, die zum Gottesdienst rufen. Wer sein Feindbild gegenüber Persien hat, wird dies nicht glauben wollen.
Wir stellten fest, dass die Religionsfreiheit im Iran besser gehandhabt wird als z.B. in der Türkei. Im Hof der christlichen Kathedrale steht ein Mahnmal, das an den Genozid der Armenier durch die Türken im Ersten Weltkrieg erinnert. Er geschah mit der still schweigenden Billigung des deutschen Kaiserreiches, das mit den Türken verbündet war. Das Mahnmal und die Ausstellung zu diesem furchtbaren Geschehen des Jahres 1915 führten unter uns zu einer Diskussion, ob die Türkei in die EU aufgenommen werden sollte. Diese Bilder und unser Wissen um die Weigerung der Türken, die Vertreibung und den Mord an 1,5 Millionen Armeniern als Völkermord anzuerkennen, brachten die Befürworter für die Aufnahme der Türken in die EU ins Schwanken, auch wenn die Türkei im Fußball schon zu Europa gehört.
Wir stellten fest, dass es im Iran keine solche Pogrome gegen Minderheiten oder gegen Juden und Christen gegeben hat, in der Türkei aber immer wieder Christen verfolgt und diskriminiert werden. Die christlichen Armenier leben in der Islamischen Republik Iran gleichberechtigt wie jeder andere Bürger. Als Christen zahlen sie keine zusätzliche Kopfsteuer. Dasselbe gilt auch für die Minderheit der evangelischen, katholischen oder assyrischen Christen im Iran.
In einer anderen armenischen Kirche erlebten wir eine Hochzeitsgesellschaft, die sich zur christlichen Trauung im Kirchhof versammelte. Die Glocken läuteten und das Brautpaar wurde in die Kirche geführt.
Eine ganz andere religiöse Minderheit sind die Zarathustrier. In Isfahan gibt es eine ihrer Gebetsstätten. Sie liegt im armenischen Viertel der Stadt. Dorthin waren wir vom zoroastrischen Priester zu einem Vortrag eingeladen worden. In einem gottesdienstlichen Raum, in dem das ewige Feuer brennt, versammelten wir uns um ihn. Er erzählte uns etwas über den zoroastrischen Glauben und wie er heute praktiziert wird. Er betonte die drei Grundsätze der Lehre Zarathustras: „Du sollst gut denken, gut reden und gut handeln!“ Die Zarathustrier haben den Islam nicht angenommen. Viele von ihnen sind nach Indien ausgewandert, die in Bombay als Parsen leben. In Iran werden die Zarathustrier nicht verfolgt, da auch sie an den einen Gott glauben und heilige Schriften haben, also Leute des Buches sind. In den Gottesdiensten werden Abschnitte aus den heiligen Schriften gelesen. Es gab leider kein weiters vertieftes Gespräch, so dass wir etwas unbefriedigt aus dem Tempel weggingen.
Nach dem Abendessen versammelten wir uns in einem Raum unseres Hotels, um schon jetzt einen ersten Abschied zu feiern. Wir wollten unserem Guide Mohammad danken. Es wurden aus der Gruppe heraus schöne Reden gehalten und Gedichte rezitiert.
Am nächsten Morgen in aller Frühe ging es auf die Straße von Isfahan nach Teheran. Aber auch auf dieser langen Strecke galt das Motto, der Weg ist das Ziel. Wieder machten wir unsere Gymnastikpause, diesmal an der Straße irgendwo im Gebirge im Gehupe der vorbeifahrenden Perser.
Auf der langen Fahrt am Vormittag hörten wir von Mohammad persische Gedichte, ich las Jesusworte und erklärte die jesuanische Theologie. Dazu sangen wir unsere Lieder, die nun jeder mitsingen konnte.
In Natanz, einer Oasenstadt, die in sattes Grün gekleidet war, machten wir Station, um eine uralte Moschee aus den 10. Jhd. und eine ebenso alte Töpferei zu besichtigen. Im Vier- Iwanen- Hof der Moschee erklang zart und doch füllig ein deutsches Volkslied, von unserer Gruppe gesungen. Um einen tiefen Brunnen hatten sich alle versammelt und ohne ein Kommando füllte sich der Hof der Moschee mit einem Liebes- und Abschiedlied. Ich stand etwas abseits und genoss diesen zarten und doch vollen Klang und ich fühlte sehr befriedigt: „Nun ist aus all den 24 Individualisten eine Gemeinschaft geworden. Nun sind sie „Grupis“! Das wünscht sich ein Reiseleiter, der die Gemeinschaft unter Menschen fordern möchte. Unter Platanen nahe bei der Moschee wurde danach diese Gemeinschaft weiter gestärkt durch eine Teepause mit Feigen und Melonen.
Eigentlich wollten wir mittags in freier Natur noch einmal Picknick machen. Aber wir hatten nichts dafür eingekauft und so entschieden wir, das dafür vorgesehen Geld, das schon am Anfang der Reise dafür eingesammelt worden war, zum Essen in ein Restaurant zu tragen. Übrigens hielten sich die Nebenkosten für Essen und Trinken sehr in Grenzen.
Von Natanz fuhren wir zum Mittagessen nach Kashan, einer früher wohlhabenden Kaufmannsstadt an der Handelsstraße von Nord nach Süd durchs persische Hochland. Dort schauten wir uns ein heute als Museum hergerichtetes Kaufmannshaus mit einem wunderschönen Innenhof an. In diesem Hof war es wieder angenehm kühl, was wohl auch an dem von Rosen umstandene Wasserbecken lag. Dort wuchsen auch Granatapfelbäume. Sie standen jetzt in voller roter Blütenpracht.
Wir erlebten einen warmen, sonnigen Frühlingssonntag. Die Teheraner gehen offensichtlich auch wie die Europäer nicht zur „Kirche“, sondern verlassen schon morgens ihre unwirtliche Megastadt und fahren in die Natur zum Wandern oder zu Stätten ihrer großen Kulturgeschichte z.B. nach Kashan. So erlebten wir das von unserem Guide ausgesuchte Restaurant voller Menschen, die meisten waren jung. Besonders die jungen Mädchen zeigten sich in frohen Farben ihrer Kleidung und Schönheit. Das obligatorische Tuch saß so locker auf dem Kopf, so dass ihr prächtiges Haupthaar sichtbar war.
Kashan mit seinen vielen Sehenswürdigkeiten war für uns leider nur eine Durchgangsstation auf dem Weg nach Teheran, das zweihundert Kilometer oder vier Stunden nördlich liegt. Nach einer Siesta schauten wir uns auf der Busfahrt den schon zum Teil gesehenen Film über Isfahan an und schwelgten in den Erinnerungen der Vortage vom großen Fluss, dem großen Platz und dem Abbasi-Hotel. Dann aber brachen wir den Film ab, denn beim Blick nach draußen überwältigte uns die gewaltige Kette des Elborzgebirges, die im Norden schneebedeckt in der Abendsonne leuchtete. Diese Kette hat eine Höhe von ca. 5000 Meter. Wir hatten eine fantastische Fernsicht an diesem sonnigen Sonntag. So sahen wir dieses seltene Schauspiel. Majestätisch wurde diese Bergkette im Osten durch den erloschenen.
schneebedeckten, 5671m hohen Vulkankegel namens Damavand überragt. Sein Anblick in der Abendsonne war von erlesener Schönheit. Mit diesem Bild vor Augen fuhren wir auf Teheran zu bis die Sonne versank und die Berge in der Dämmerung versanken. Wir fuhren am internationalen Flughafen vorbei und sahen ein wenig später das beleuchtete gewaltige Mausoleum von Khomeini. Der Sonntagsverkehr verdichtete sich so ähnlich wie vor den Toren Hamburgs, wenn sonntags die Ausflügler von der Ostsee heim fahren.
Es ging also „stopp and go“ in diese Metropole des Landes hinein. Ein langer aber lebendiger Reisetag ging mit einem Buffetessen im Ferdowssi-Hotel zu Ende. Auch ohne Alkohol gab es noch viel zu lachen. Denn unsere Zimmer waren winzig klein und mit merkwürdigen Möbeln zugebaut. Die Enttäuschung über diese Zimmerchen - nachdem wir ja drei Nächte zuvor im Abbasi-Hotel gelebt hatten - wich einem allgemeinen Gelächter.
Am 14. und letzten Tag im Lande standen noch zwei wichtige Besuche auf unserem Programm: am Vormittag gehörte der elamischen Kunst Mesopotamiens und die der altpersischen Epoche im Nationalmuseum so wie dem Glas- und Keramikmuseum in Teheran. Am Nachmittag fuhren wir zur deutschen evangelischen Kirche, um dort mit Mitgliedern der Gemeinde ein Gespräch zu fuhren.
Für viele von uns erfüllten sich die Erwartungen an diesen Tag nicht ganz. Es wurde deutlich, dass die schönsten und wertvollsten Werke der antiken persischen Kunst im Ausland sind, besonders im Louvre, im Britischen Museum und in St. Petersburg. Die Räume der islamischen Kunst waren zurzeit geschlossen. Das Glasmuseum in einer alten Villa aber erfüllte alle Erwartungen.
In der deutschen Gemeinde im Norden Teherans wurden wir herzliche begrüßt von Frau Löhle, die die Frauenarbeit in der Gemeinde vor vielen Jahren aufgebaut hatte, und Pastor Koll, der seit einem halben Jahr mit seiner Frau die Gemeinde führt. Leider waren nicht so viele deutsche Frauen zu dieser Begegnung gekommen, wie ich es im vergangenen Herbst erlebt hatte. So hielt nach einem wohlschmeckenden Essen Pastor Koll einen Vortrag über das Leben der Christen in Iran. Im Gruppengespräch gab es viele neue Erkenntnisse.
Mir wurde besonders deutlich, dass die Stimmung in der Gemeinde nicht so positiv war wie im vergangenen Herbst. Im Gespräch damals spürte ich sehr viel mehr Lebensfreude bei den Frauen, die als Deutsche mit einem Perser verheiratet im Iran leben. Das liegt an der gegenwärtigen politischen Lage, die wir all die Tage zuvor überhaupt nicht gespürt hatten. Ich hatte schon den Rückzug der Menschen ins Private genannt. Es fanden seit dem Ashuratag keine Großdemonstrationen mehr statt.
Doch empfinden wohl die Ausländer im Lande die diplomatische Spannung intensiver, die zwischen dem Westen und dem politischen Establishment des Iran herrscht und zurzeit weiter aufgebaut wird.
Pastor Koll hielt zum Schluss der dreistündigen Begegnung eine Abendandacht und sprach von der kleinen Kraft der Christen. Er stellte in den Mittelpunkt seiner Gedanken das Pauluswort. „Gott ist in den Schwachen mächtig.“ Dabei betonte er das Wort „Macht“, die wir als Christen gewaltfrei haben. Gott ist nach der Geschichte des Propheten Elia nicht zu finden im Feuer, nicht im Sturm, nicht in Blitz und Donner, sondern im Hauch des leisen Windes. Die Kräfte des Geistes sind also leise, zart, und voller Schönheit, aber leider auch zerbrechlich. So bekam der Abschied einen leicht melancholischen Hauch.
Beim späten Abendessen verflog dieser Schatten wieder. Denn die hellen und staunenswerten Seiten, vor allem die Begegnungen mit so vielen freundlichen Menschen und die gute Stimmung in der Gruppe überstrahlten alles, was wir auf dieser Reise erlebt hatten.
So feierten wir fröhlich Abschied von unseren drei Guides und von George, einem armenischen Freund meines Schwagers Hans-Karl. Es wurde viel gelacht.
Am nächsten Morgen war dann wirklich Abschied von Persien. Einige von uns wären gerne noch geblieben und ans Kaspische Meer gefahren. Es wurde nämlich erzählt, dass der isländische Vulkan eine neue Aschewolke nach Europa geschickt hätte. Und das stimmte ja auch. Der Münchener Flughafen war an diesem Sonntag, den 9. Mai, deswegen geschlossen worden. So hoffte der eine oder andere, dass der Flug auch nach Hamburg um ein paar Tage verschoben werden würde.
Es war eben eine unglaubliche schöne und gelungene Reise!
Doch dann waren wir froh, dass der iranische Airbus uns auf einem Umweg über Nord-Polen und die Ostsee, von Norden kommend, nach Hamburg brachte und dort ganz sanft unter dem Applaus der Reisenden landete. So angenehm und unkompliziert wie wir schon hin gereist waren, waren wir auch zurück gekommen. Es lag ein großer Segen auf dieser Reise, der wie ein Bogen sich über uns von Isfahan nach Hamburg wölbte.
Ich habe erkannt, es gibt auch einen Bogen zwischen Jesus und Zarathustra und ihrer beiden Reich-Gottes-Botschaften. Deshalb war der historische Jesus mir auf dieser Reise so wichtig! Er war das Thema der morgendlichen Andachten im Bus gewesen. Leider habe ich sie, obwohl nach den biblischen Texten vorbereitet war, nur spontan beim Reden entwickelt, wie immer auf solchen Reisen. So gibt es diese Reden leider nicht schriftlich. Doch ist mir dieses Thema so wichtig geworden, dass ich dazu gerne als Nachtrag eine theologische Besinnung schreiben möchte. Denn unsere kirchliche Dogmatik hat die Verkündigung des historischen Jesus beinahe ganz verschüttet.
Diese Reise hat mir die Augen geweitet für einen Zusammenhang aller Religionen und Kulturen. Diesem müssen wir um der Zukunft der Welt willen nachgehen und viele alte Mauern und Zäune einreißen. Das ist ein Auftrag an die Theologie und die anderen Geisteswissenschaften.
Hartmut Nielbock
Seth 10.6.2010