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Äthiopien: ruhmreiche Vergangenheit! - ungewisse Zukunft?

Reisebericht und Rückblick einer Kulturreise und Begegnungsreise nach Äthiopien

Nach gründlicher Vorbereitung auf das Land mit seiner Geschichte machte sich die Gruppe von 14 Personen unter der Leitung von Pfr. Heimburger in der 2. Oktoberhälfte auf, um Äthiopien zu erleben. Die Studienreise zielte vor allem darauf ab, sein reiches kulturelles und kirchliches Erbe zu erkunden, die eng miteinander verbunden sind, seit Äthiopien als drittes Land weltweit im Jahr 345 das Christentum offiziell angenommen hat.

Allen Mitreisenden war jedoch klar, dass dies keine „Genuss-Reise“ im engeren Sinne werden würde, sondern dass die Begegnung mit den Menschen dort, mit ihrer Lebensweise und ihren Lebensbedingungen, die sich oft sehr grundsätzlich von dem uns vertrauten unterscheiden, eine Herausforderung darstellt. Uns war auch bewusst, dass es im Land sowohl interne Konflikte wie auch externe Konflikte mit den Anrainerstaaten gibt.

Nach dem Reisesegen und einem angenehmen nächtlichen Direktflug von Frankfurt nach Addis Abeba wartete dort als erstes ein Besuch der deutschen evangelischen Gemeinde auf die Gruppe. Seit mehr als 40 Jahren engagiert sich die Gemeinde für die Schulbildung bedürftiger Kinder aus der Umgebung. Mit Erfolg: ungefähr 370 Jungen und Mädchen, darunter 71 Behinderte, werden insgesamt täglich unterrichtet und erhalten so eine solide Grundlage für eine spätere Ausbildung.

Im ehemaligen Palast des Kaisers Haile Selassie, heute Sitz des Ethnologischen Museums der Universität, wurden wir durch viele Exponate auf die unterschiedlichen kulturellen und künstlerischen Traditionen der mehr als 80 verschiedenen Volksgruppen eingestimmt.

Während eines einstündigen Inlandsfluges in den Norden nach Bahri Dar am Tana-See, dem größten des Landes, konnten wir die Schönheit der Berglandschaft (um die 2000 m hoch) bewundern: eine seit Jahrhunderten kultivierte Landschaft mit unzähligen kleinteilig parzellierten Feldern, Weiden, tiefen Canyons, weit zerstreuten Siedlungen, kaum von Straßen zerschnitten. Beeindruckend waren die anschließende Busfahrt zu den ca. 50 m hohen Wasserfällen des „Blauen Nil“ und später der Besuch der ersten „Rundkirchen“. In dieser Gegend stammen sie aus dem 13./14. Jahrhundert, haben oft noch strohgedeckte Dächer und sind im Innern mit farbenfrohen Bildern verziert, die biblische Szenen zeigen.

In Gondar, der ehemaligen Hauptstadt im 17.-19. Jahrhundert, haben die jeweiligen Herrscher ihre Paläste ab 1632 nebeneinander errichtet. Der „Burgbezirk“, heute UNESCO-Weltkulturerbe, zeugt eindrucksvoll vom Reichtum der Stadt und ihrer Herrscher, die dort ein prunkvolles Leben führten, vergleichbar dem an europäischen Höfen. Erst später – es gibt nirgendwo die Möglichkeit, eine Zeitung zu kaufen, auch ein Internetzugang ist schwierig - erfuhren wir, dass es in der Umgebung erst vor kurzem bewaffnete Auseinandersetzungen gegeben hatte, bei denen 20 Menschen getötet wurden.

Die lange Stunden dauernde Fahrt mit einem Kleinbaus nach Axum machte uns physisch deutlich, wie groß Äthiopien ist – und wie sehr die Infrastruktur einer weiteren Entwicklung bedarf. Die Straße gehört nicht nur den motorisierten Fahrzeugen, sondern dient auch den Menschen als Weg zu den Wasserstellen, zur Schule, zur Arbeit auf den Feldern. Es laufen Herden von Ziegen, Rindern, Eseln und – andernorts – auch Dromedaren auf ihnen entlang. Esel und Dromedare sind abseits der ausgebauten Straßen noch immer die unverzichtbaren Transportmittel. Überraschend ist die Vielzahl von Jungen und Mädchen, die aus kleinen Dörfern oft kilometerweit zur Schule unterwegs sind. Die Frage drängt sich einfach auf, welche weiteren Ausbildungs- und Berufsperspektiven diesen jungen Menschen geboten werden können. Immerhin ist knapp die Hälfte der ca. 100 Mio. Einwohner jünger als 15 Jahre.

Kurz vor dem Übergang in die Provinz Tigray, die an Eritrea grenzt, erlebten wir verstärkte Straßenkontrollen durch Militär, die wir aber als Touristengruppe problemlos passieren können. Wir kamen auch an einem großen Flüchtlingslager vorbei, das hier für Tausende eritreische Flüchtlinge errichtet wurde. Seit der Beilegung des Grenzkonfliktes zwischen beiden Nachbarn im September 2018 durch den aktuell amtierenden Premierminister Abiy Ahmed, für den er mit dem diesjährigen Friedens-Nobelpreis ausgezeichnet wurde, beginnen die Flüchtlinge, wieder zurück in ihre Heimat zu gehen.

In Axum, der heiligen Stadt der orthodoxen Christen und Krönungsort der äthiopischen Kaiser vom 13. -19. Jahrhundert, wird der Überlieferung nach die Bundeslade des biblischen Volkes Israel mit den 10 Geboten, die Moses von Gott empfangen hatte, neben der Kirche der hl. Maria von Zion aufbewahrt. Reich verzierte monolithische Stelen, die größten bis 30 m hoch, kennzeichnen den Friedhof der Könige (2. – 4. Jahrhundert n. Chr.) und sind Wahrzeichen für deren Macht und Größe.

Zum Abschluss unserer Erkundungsreise besuchten wir die auf 2600 m Höhe liegende Stadt Lalibela, das „Neue Jerusalem“ der orthodoxen Christen. Dort fasziniert ein Komplex aus 10 Kirchen und Palästen, die alle ab dem Beginn des 13. Jahrhunderts erbaut wurden. Sie ähneln einer Burganlage, deren einzelne Gebäude durch Tunnel oder Passagen miteinander verbunden sind. Das Einzigartige an ihnen besteht darin, dass sie von oben nach unten aus dem Gestein herausgearbeitet wurden. Sie wurden also nicht durch „Aufbauen“ von Material errichtet, sondern durch „Wegnehmen“. Etwas abseits von den anderen Kirchen liegt die dem heiligen Georg geweihte Giyorgis Kirche, die wegen ihrer Kreuzform die wohl weltweit bekannteste Felsenkirche ist. Wie vielen anderen Besuchern ist es auch uns ergangen, es ist unmöglich, nicht von diesen Meisterleistungen der Architektur in den Bann gezogen zu werden.

Was neben den vielen einzelnen Eindrücken bleibt ist die Erfahrung, dass die Menschen trotz schwieriger Lebensumstände freundlich und offen für Begegnungen sind, den Kontakt suchen und – vor allem jüngere – uns Touristen auf Englisch und manches Mal sogar mit einigen Worten Deutsch ansprechen. Nicht nur in der Hauptstadt Addis Abeba, sondern auch in den anderen Städten ist ein Bauboom sondergleichen zu sehen. Die landschaftliche Schönheit der Bergwelt, das „Grüne Dach Afrikas“, ist unvergesslich, ebenso auch die für uns ungewohnte und deshalb umso beeindruckendere sichtbare Volksfrömmigkeit.

Dr. Bernhard Rami

Wir möchten uns bei unseren Gruppenleiterinnen und Gruppenleitern sowie deren Teilnehmern ganz herzlich für die tollen und umfassenden Reiseberichte, Tagebücher, Gedichte und Gedanken zu den Reisen bedanken!