Der Luther-Weg - Gruppenreise und Pilgerreise
Auf den Spuren Martin Luthers
und der Reformation
vom 1. – 10. Oktober 2021
Reisetagebuch
Studienreise der Ev. Kirchengemeinde Eppendorf-Goldhamme
in Zusammenarbeit mit der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/ Bethel und mit Unterstützung des Ev. Erwachsenenbildungswerks Westfalen und Lippe e.V. – Kirchenkreis Bochum
Herausgegeben von Dieter Peter und Günter Ruddat in Zusammenarbeit mit
Michael Baudzus, Christiane & Thomas Fuchs, Margret Höflinger, Annette Kaemper- Baudzus, Hanna Königs, Monika Loock-Weber, Klaus Patzke, Marlies Zimmermann
Bochum, im März 2022
Editorial – Vorwort
Seit den 1980er Jahren führen Günter und Kriemhild Ruddat Gruppenstudienreisen durch. Hier einmal zur Erinnerung, wo wir schon waren:
Von Leverkusen aus:
1) 1981 Israel/ Palästina mit Sinai
2) 1984 West-Türkei (von Ephesus bis Tarsus, Kappadokien, Ankara und Istanbul)
3) 1987 Ägypten mit Sinai
4) 1990 Griechenland
Von Bochum aus:
5) 1995 Italien (von Sizilien über Liparische Inseln und Neapel / Capri nach Rom)
6) 1998 Jordanien – (Ost-) Libanon - Syrien
7) 2001 Andalusien
8) 2005 Ost-Türkei (Trabzon – Erzurum - Kars – Ararat - Wan – Mardin – Urfa – Nemrud Dag – Antakya - Adana) (von 2004 wg. Irak-Krieg verschoben)
9) 2008 Zypern (Nord- und Süd-Zypern)
10) 2011 Portugal mit Galizien (von der Algarve nach Santiago d. C.)
11) 2014 Irland mit Nordirland
12) 2017 Baltikum
13) 2019 Armenien
14) 2021 Der Luther-Weg - Auf den Spuren der Reformation (von 2020 wg. der Corona-Pandemie verschoben)
15) 2023 Schottland - statt Äthiopien
Schon länger bestand der Wunsch, auch einmal eine Studienreise „Auf den Spuren der Reforma- tion“ im Osten Deutschlands zu gestalten. Angesichts des Reformationsjubiläums 2017 sollte die Reise erst 2020 - mit Abstand zur Armenien-Reise (September 2019) - durchgeführt werden, weil dann auch die meisten Reformationsstätten renoviert und nicht mehr so überlaufen wären. So begann die Vorbereitung im Januar 2019. Das traditionelle Vorbereitungswochenende konnte noch Anfang März in der Ev. Tagungsstätte Nümbrecht-Überdorf stattfinden. Dann aber holte uns die Corona-Pandemie ein und die geplanten monatlichen Seminarabende mussten erst einmal ausfallen. Glücklicherweise konnte die Reise dann auf einen Termin, ein Jahr später, verschoben werden. Wegen der wechselnden Lockdowns fanden die Vorbereitungsabende nur sehr einge- schränkt statt.
Die Aufzeichnungen und Fotos verschiedener Reiseteilnehmer*innen sind Grundlage dieses Ta- gebuchs, ergänzt durch weitere Informationen.
Im Anschluss an die Reise gestaltete Günter ein Gottesdienst rund um die Lutherrose am Refor- mationstag 2021, es fanden verschiedene Nachtreffen statt, etwa auch zwei Lichtbildervorträge für die Gemeinde und ein mehrfach verschobenes Abschlusstreffen Anfang April 2022.
Die ursprünglich für 2023 vorgesehene Studienreise nach Äthiopien, für die Günter und Kriemhild bereits im Februar 2020 eine Vortour unternommen und davon beeindruckt berichtet hatten, kann wegen der dortigen kriegerischen Auseinandersetzungen z.Zt. nicht durchgeführt werden, dafür ist jetzt eine Rundreise durch Schottland im Mai 2023 geplant.
Freitag, 06.03.2020
Vorbereitungswochenende in Nümbrecht-Überdorf
von Michael
Anreise
Die Anreise begann am frühen Nachmittag. Das Wetter war bedeckt, ab und zu fielen ein paar Tropfen. Die Stimmung an Bord war erwartungsvoll, welche Überraschungen und Erlebnisse würde das Wochenende für uns bereithalten? Typisch für Freitagnachmittag war der dichte Be- rufsverkehr mit einem kurzen Stau bei Hagen. Gerade rechtzeitig für einen Kaffee oder Tee er- wartete uns das gemütliche Landheim im Oberbergischen Land.
Die meisten Gruppenmitglieder kannten das Heim bereits von früheren Vorbe- reitungswochenenden zu anderen Rei- sen. Wir hatten es schon bei Sonne, Regen und Schnee erlebt, nun gras- sierte das Coronavirus. – Hoffentlich waren alle Teilnehmer virenfrei. Würde man womöglich gemeinsam die nächs- ten zwei Wochen hier in Quarantäne verbringen müssen?
Von unserer freundlichen Heimleiterin, Frau Sawatzki, bekamen wir unsere Zimmerschlüssel und konnten es uns gemütlich machen.
Nach und nach kamen die 19 Teil- nehmer an und es gab ein großes Hallo beim Wiedersehen. Leider waren Iris und Lieselotte verhindert.
Dann wurden noch schnell der Bü- chertisch und der Seminarraum vorbereitet.
Christiane hatte die gute Idee von ihrem heimatlichen, monatlichen Bücherbazar Lutherliteratur mitzu- bringen. Die Bücher konnten gegen einen freiwilligen Obolus erworben werden; das Geld sollte der ge- meinsamen Reisekasse zu Gute kommen.
Nach dem gewohnt guten und kommunikativen Abendbrot folgten, eingeleitet durch einen Se- gensspruch der Herrnhuter Brüdergemeinde einleitende Worte von Günter zur Reise: „Meine Re- formation?“ – Du und ich im Lutherland unterwegs – ganz persönliche Entdeckungen.
Danach begann die Vorstellungsrunde in der die Teilnehmer mit Blick auf die Reise erzählen konnten, was ihnen wichtig ist, was ihnen Mühe macht, welche bisherigen Reiseerfahrungen sie haben
Anschließend wurden die Vorbereitungen für den morgigen Abend getroffen, Günters berühmt- berüchtigte Samstagabendshow: Buchstäblich: Luthers Launen Oder: Überraschende reformatorische Entdeckungen mit Augenzwinkern. Per Zufallsverfahren und Rätsel wurden 5 Gruppen zusammengewürfelt, um sich kreativ für den morgigen Abend etwas für die Abendshow auszudenken.
Nach dem Wort zur Nacht zerstreute sich die Gruppe: einige gingen schon auf ihre Zimmer, andere bevorzugten einen Schlummertrunk in der Bar. Es war ein gemütlicher Ausklang, der schließlich da- mit endete, dass man sich um Mitternacht anlässlich Sabines Geburtstags über die Sektvor- räte hermachte.
Samstag, 07.03.2020
Die Betten waren sehr bequem, da könnte man es noch länger aushalten, aber ab 8:00 Uhr gibt es Frühstück und um 9:00 Uhr „das Wort zum Tag“. Im Restaurant erhielt Sabine als Geburts- tagsgeschenk von der Gruppe eine Luther-Playmobilfigur sowie ein Geburtstagsständchen und von der Heimleitung ein Glas Honig.
Nach dem ausgiebigen Frühstück ging es jedoch nicht in die Kapelle, dort war es zu kalt. Flexibel hörten wir im Seminarraum „das Wort zum Tag“, einen Spruch der Herrnhuter Brüdergemeinde. Bis zur Kaffeepause wurde das Reiseprogramm vorgestellt und über alternative Programmpunk- te, Restaurants und Essenszeiten abgestimmt.
Nach dem Aufbau der Technik sahen wir drei Folgen der Serie „Tatorte der Reformation“, in de- nen spannende Fragen zu Luthers Biografie gestellt wurden:
War er womöglich ins Kloster eingetreten, weil er bei einem Duell seinen Studienfreund Hierony- mus Buntz getötet hatte und sich der Verfolgung entziehen wollte?
War er in Worms einem Giftanschlag entronnen?
Welche Rolle spielte Katharina von Bora in seinem Leben?
Nach dem leckeren Mittagessen ging es gleich mit den Autos zur Holsteins Mühle, wo wir parkten und zu Fuß den steilen, matschigen Pfad zur Burg Homburg hin- aufstiegen.
Mit dem Wetter hatten wir Glück, es blieb überwiegend trocken. Während des Auf- stiegs beratschlagten die für den Abend eingeteilten Gruppen über ihre Aufgaben und wie sie gelöst werden könnten.
Nachdem wir ja schon gestern und heute Morgen dem Playmobil-Luther mehrfach begegneten, stell- ten wir fest, dass auf dem Schloss eine Playmobil- ausstellung zu besichtigen war. Und wen trafen wir dort, in der Schreibstube? Richtig: Playmobil-Luther!
Neben der Ausstellung konnten wir das Schloss be- sichtigen, den herrlichen Ausblick vom Burgfried genießen und das Naturkundemuseum besuchen.
Günter passte sich gut in die Ahnenreihe derer „von und zu“ ein.
Schließlich wanderten wir den weni- ger steilen Weg an den „Dicken Steinen“ vorbei zurück zur Holsteins Mühle. Im Mühlenlokal gab es Kaf- fee, Tee, Kuchen und Waffeln. Sabi- ne wurde von der Gruppe eingela- den.
Nach diesem schönen Ausflug bei dem wir unsere Geländetauglichkeit und Kondition unter Beweis hatten stellen können, fuhren wir ins Heim zurück.
Beim Abendbrot, neben Brot, Wurst, Käse, gab es einen deftigen Grünkohlauflauf, arbeiteten die einzelnen Gruppen an ihren Aufgaben und bereiteten ihre Auftritte vor.
Um 20 Uhr war es dann soweit: die Bretter, die die Welt bedeuten, warteten auf die Schauspieler, Pantomimen und Musikanten.
Buchstäblich: Luthers Launen Oder: Überraschende reformatorische Entdeckungen mit Augenzwinkern.
1. L - uthers Lustbarkeiten (Essen und Trinken )
2. U – riges: dem Volk aufs Maul geschaut (Begriffe und Redewendungen von und aus Luthers Zeit, die bis heute in unserem Sprachgebrauch sind.)
3. TH - eologie mit Tinte und Teufel (Luthers Qualen bei der Bibelübersetzung)
4. E - sskultur von Eisleben bis Einbeck
5. R- osenkavalier Dr. Martinus (Heirat von Martin und Katharina)
Nach der Show saßen wir noch lange beisammen und unterhielten uns angeregt. Es war ein ge- lungener Abend, wir haben viel gelacht und viel von- und übereinander erfahren.
Sonntag, 08.03.2020
8:00 Uhr Frühstück! Obwohl es gestern doch so spät war, das nenne ich Disziplin!
Zunächst ging es in die warme Kapelle zur Andacht. Günter hatte etwas zur Lutherrose und zu Luthers Erklärung zum Glaubensbekenntnis vorbereitet. Es wurden teils weniger bekannte Lieder gesungen, so waren wir froh, dass uns Gerlinde auf der Blockflöte unterstützt hat, die Melodien zu finden.
Es ist Weltfrauentag, passend dazu schauten wir zuerst einen Bericht über Katharina von Bora an – eine beeindruckende Frau!
Zu ihrem 500. Geburtstag widmete die Deutsch Post Katharina eine Briefmarke.
Vor dem Mittagessen spielten wir noch ein kleines Quiz über Luther.
Günter stellte Fragen und die Gruppe schlug sich mit den Antworten ganz gut.
Aus der Reihe „Tatorte der Reformation“ sahen wir uns die spannenden Dokumentationen über die Reformatoren an:
„Hunger in Münster“, die Wiedertäufer Jan van Leiden, Bernd Knipperdolling und Bernd Krechting,
„Gefangen in Köln“ über Peter Fliesteden einem der ersten protestantischen Märtyrer und Kur- fürst Herrmann V. von Wied in Köln,
„Verbrannt in Konstanz“ über Jan Hus,
„Erschlagen in Zürich“ über Ulrich Zwingli und die beiden Schlachten von Kappel,
„Verfolgt in Genf“ über Johannes Calvin.
Vor der Verabschiedung wurde bei dem schönen Frühlingswetter ein noch schönes Gruppenfoto aufgenommen.
Lass uns lieben,
dass die Engel lachen
und die Teufel weinen –
bis in alle Ewigkeit.
Dass wir etwas von der Freude zeigen, die im Himmel wohnt
und die unser Herz befreit.
Aus dem Buch von Fabian Vogt, Wenn Engel lachen, edition chrismon
... und dann erfolgte ein Indianapolisstart nach Hause,
... doch die Corona-Pandemie mit ihren Unwägbarkeiten bei der Umsetzung der geplanten Reise bremste uns bis Oktober 2021 aus.
Treffen vor der Reise im Hause Ruddat am 1. Juli 2021
Da coronabedingt mehrere Vorbereitungstreffen mit Referaten zum Thema für die Reise auf den Spuren von Martin und Katharina Luther im Gemeindehaus nicht stattfinden konnten, ergab sich am 1. Juli auf Einladung von Günter und Kriemhild die Möglichkeit, in ihrem Haus neueste Infor- mationen zur Reise zu erhalten und Fragen zu klären.
Michael und Annette hatten derweil die technischen Voraussetzungen für eine Diashow über das Vorbereitungswochenende in Nümbrecht geschaffen mit zum Teil „sehr bewegenden“ Szenen, die so manchen Lacher auslösten. Einzelheiten mit Fotos siehe in Michaels Nümbrecht-Bericht.
Für das leibliche Wohl hatten die Gäste mit reichlich und selbstgemachten Köstlichkeiten gesorgt. Die Gastgeber spendierten dazu für jeden Geschmack Getränke.
Während und nach der geselligen Verkostung ergaben sich wieder schöne Möglichkeiten zum Plaudern und (noch) näherem Kennenlernen.
Freitag, 1. Oktober 2021
Von Bochum nach Eisenach
von Klaus
Es ist soweit: Endlich kann die ursprünglich für den 2. Oktober 2020 geplante Studienreise „Auf Luthers Spuren“ beginnen.
Am Treffpunkt „Gaststätte Posteck“ in Eppendorf, Gartenstraße 99, hatten sich alle 18 Teilnehmer überpünktlich eingefunden, so dass die Fahrt nach Eisenach schon eine viertel Stunde früher, als im Programm vorgesehen, starten konnte.
Da wir nur 18 Reisende waren, hatte jeder die Möglichkeit es sich im 50-er Bus auf einem oder auch 2 Plätzen gemütlich zu machen.
Wir hatten es uns gerade erst bequem eingerichtet, als Dieter mit einer kühlen, prickelnden Überraschung die Runde machte. Es gab eine kalte Dose Prosecco Bianco.
Kurz darauf wartete eine weitere Überraschung auf uns: Hanna hatte für jeden eine Luther- Wundertüte mitgebracht. Stilvoll verpackt entpuppte sich der Inhalt als ein Pixi-Buch über Martin, Luther sowie eine Tüte mit Luther-Keksen.
Da alle guten Dinge drei sind, bekamen wir von Günter alle noch ein Küsschen - von Ferrero.
Nach knapp 2 Stunden Fahrt wurde eine erste kleine Rast gemacht, um Kaffee, Tee oder Eis oder eine Bratwurst aufzunehmen, dann ging
es weiter Richtung Kassel.
Die Fahrt verlief ohne Stau und ohne Zwischenfälle. So trafen wir schon kurz vor 17 Uhr an unserem 1. Hotel, dem „Eisenacher Hof“ ein. Unser Gepäck musste wegen des fehlenden Fahrstuhls in die 1. bzw. 2. Etage mit Hilfe des Hotelpersonals auf die Zimmer getragen werden.
Nach dem Zimmerbezug hatten wir bis zum Abendessen gegen 19.30 Uhr Zeit zur eigenen Verfügung. Die Meisten nutzten diese Möglichkeit, sich schon einmal in der Stadt Eisenach - noch nicht auf Luthers Spuren - umzuschauen.
Die Getränke wurden ausnahmslos in tönernen Bechern serviert. Ich muss schon sagen, das war beim Wein und
der Apfelschorle sehr gewöhnungsbedürftig.
Nach dem Essen lud die Tafel noch zum gemütlichen Beisammensein bei einem Hausbier oder einem Becher Wein ein.
Lange dauerte es aber nicht, bis die ersten sich auf ihre Zimmer zurückzogen, denn am nächsten Morgen sollte die Stadtführung um 9.00 Uhr starten.
Samstag 02.10.2021, EISENACH
Stadtrundgang - Wartburg - Lutherschmaus
von Günter
Jeden neuen Tag empfangen wir bewußt aus Gottes Hand;
wenn wir ihn am Morgen anrufen.
Luthers Morgensegen (EG RWL 863)
Des Morgens, wenn du aufstehst, kannst du dich segnen mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes und sagen:
Das walte Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist! Amen.
Darauf kniend oder stehend das Glaubensbekenntnis und das Vaterunser. Willst du, so kannst du dies Gebet dazu sprechen:
Ich danke dir, mein himmlischer Vater, durch Jesus Christus, deinen lieben Sohn, daß du mich diese Nacht vor allem Schaden und Gefahr behütet hast,
und bitte dich, du wollest mich diesen Tag auch behüten vor Sünden und allem Übel, daß dir all mein Tun und Leben gefalle.
Denn ich befehle mich, meinen Leib und Seele und alles in deine Hände.
Dein heiliger Engel sei mit mir, daß der böse Feind keine Macht an mir finde.
Alsdann mit Freuden an dein Werk gegangen und etwa ein Lied gesungen oder was dir deine Andacht eingibt. (Martin Luther 1529)
Was für ein sonniger Morgen am Sonnabend, dazu ein erquickendes und reichliches Frühstück - mit Maske am Büffet. Nach und nach trudeln alle ein.
Um 9 Uhr erwartet uns unsere Stadtführerin Helga Stange zum etwa zweistündigen Rundgang durch die historische Altstadt.
Entlang der Stadtmauer geht es vorbei am Storchenturm zum Martin-Luther-Gymnasium und an der Predigerkirche, wo wir an einer modernen Stele von Elisabeth von Thüringen und am Georg-Philipp-Telemann-Platz innehalten.
Im Pausenhof des Martin-Luther-Gymnasiums mit herrlich bunt gefärbtem Weinlaub, lauscht die Gruppe den Ausführungen von Frau Stange.
Am Marktplatz, der wegen einer Werbekampagne zu einer Art Rennwagen-Arena umfunktioniert war, würdigen wir neben dem Stadtschloss das Rathaus, signifikant für die politischen Verhältnisse, ein ehemaliges Weinhaus. Hier findet sich an der Hauswand nicht nur das Kontrollmaß für eine Elle, sondern auch für eine Spanne (= Handbreit). Nicht nur wegen des sauren, ganz sauren Weins im Keller oder wegen mancher Schummelei beim Maßnehmen ist am Pranger an der Hausecke wohl manches „Schlitzohr“ für drei Tage „um die Ecke gebracht“ worden.
Am Georg-Philipp-Telemann-Platz gegen-über der Kirche St. Georg. Auf der Stele vor dem Eingang an der Post ist zu lesen: Georg Philipp Telemann, Hofkapellmeister in Eisenach 1708 – 1712. Hier schuf er die neue Form der evangelischen Kirchenkantate.
Die vereinbarte Andacht in der Stadtkirche St. Georg, der Hochzeitskirche der hl. Elisabeth und der Taufkirche Johann Sebastian Bachs, ruft, vor der Kirche noch rasch ein musikalisches Zwischenspiel „in memoriam Bach“ an einem kleinen Orgelprospekt, für andere essentiell die spirituelle Einstimmung durch den „Weihrauch“ vom Grill des ersten Thüringer Bratwurststandes.
Das Tor zur Kirche erinnert an ein Kreuz und St. Georg, an Luthers Rose und Bachs Initialen.
Hier stimmen wir uns mit unserer täglichen geistlichen Atempause ein, heute so:
Luthers Morgensegen, Psalm 46 (s.o.) – nach diesem Psalm hat Luther das Lied gedichtet:
Ein feste Burg ist unser Gott (EG 362).
Erinnerung an Elisabeth von Thüringen
Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht (EG 667).
Es segne und behüte uns Gott Vater, Sohn, Gott Heiliger Geist. Amen.
Günter kommentiert: Luthers freise Umsetzung des Psalms, diese „Protestantenhymne“ – für Heinrich Heine die „Marseillaise der Reformation“ - ist nicht unumstritten, da sie immer wieder als Trutzlied im militärischen Kontext missbraucht wurde. Eigentlich mehr ein Trostlied entsteht es im Herbst 1527, als Luther in Wittenberg, sogar im eigenen Haus, mit der Pest konfrontiert war. Gleichzeitig wurden Luther, Katharina von Bora und seine Mitstreiter in unmittelbarer Umgebung geistig, geistlich und körperlich angefeindet. Der Theologe Joachim Stalmann erinnert: „Unsere Gemeinden werden dieses Lied ihres Reformators in für sie friedlichen Zeiten nur dann glaubhaft singen, wenn sie es nicht als Glorifizierung ihrer Anfänge, sondern in Solidarität mit den Leidenden und Unterdrückten in aller Welt, Christen und Nichtchristen, singen und im Wissen, dass die eigene Bewährungsprobe einstweilen aussteht... Wir werden dem Lied heute am ehesten den geschuldeten Respekt erweisen, indem wir uns ihm gegenüber Zurückhaltung auferlegen.“ (1990)
Nach der Andacht geht es weiter durch die Altstadt zum Karlsplatz. Der „thüringische Weihrauch“ begleitet uns an fast jeder Ecke, da heißt es standhaft zu bleiben. Von der leider wegen Renovierung nicht zu besichtigenden Nicolaikirche am gleichnamigen Osttor biegen wir nach rechts ab zum Luther-Denkmal.
Hier entsteht das obligatorische Gruppenbild. Die Biographie Luthers zu Eisenach deutet sich an den Seiten des Denkmals an, u.a. wie „Uschi“ von Cotta Luther förderte.
Vorbei am „Schmalen Haus“, dem kleinsten bewohnten Fachwerkhaus Deutschlands auf 40 m2 über 2 Etagen - und der „Monetenkirche, der hl. Commerz(bank“, geht es langsam ansteigend zum Frauenplan,
wo eine Tretorgel unsere heimliche Organistin Annette gefangen nimmt, ...
... bis sie sich für das 1907 erbaute Bach-Haus (nicht sein Geburtshaus) und den Museums-Neubau von 2007 mit dem Bach-Denkmal davor von 1884 lösen kann.
Wenn man mit dem Rücken zum Bach-Haus steht, eröffnet sich ein Blick auf das „Burschenschaftsdenkmal“ in der Ferne.
Aber schon geht es weiter, (...)
bis zum Apfelbaum an Luthers Werkstatt mit seinem Konterfei an der Hauswand dieses Fachwerkhauses, ...
.... daneben das zu einem modernen Museum umgestalteten Luther-Haus mit dem Luther-Zimmer (während seiner Schulzeit 1498-1501). Hier kann jede/r im umgestalteten Alt- und Neubau im eigenen Tempo die Dauerausstellung „Luther und die Bibel“ wahrnehmen und mit kleiner Münze der Einladung folgen: „Kaufen Sie sich von Ihren Sünden frei!“
Andere vertiefen sich in die Sonderausstellung "Erforschung und Beseitigung. Das kirchliche „Entjudungsinstitut 1939-1945“ im Dritten Reich. Erfreulich dagegen auf dem Platz vor dem Haus ein öffentliches Fest zum Sabbat der jüdischen Gemeinde.
Und jetzt ist endlich Mittagspause, der Ruf nach Stille (angesichts des Motorenlärms auf dem benachbarten Marktplatz) und nach Bratwurst ist nicht mehr zu unterdrücken. Andere entdecken unterwegs Eselsbrünnlein oder Elisabethkirche und laben sich in einer Backstube.
Frisch gestärkt geht es nach der Mittagszeit hinauf zur Wartburg, die einen zu Fuß auf dem Luther-Erlebnispfad; die anderen mit unserem Bus bis zum völlig desorganisierten Parkplatz unterhalb der Burg und einem nur mit Mühe zu erreichenden Pendelbus, da ist dann in der Mittagshitze doch mehr zu laufen als gedacht.
Zum Glück hilft Michaels Handy, dass die beiden Gruppen sich nicht verlieren. Vom Busparkplatz bis zum „Burg-Taxi“ zählte Dieter mehr als 20 Rolls-Royce aus allen Zeiten und verschiedenen Bundesländern.
Endlich können wir durch die Vorburg eintreten. Wegen Corona (?!) sind Fotos im Inneren dann doch nicht erlaubt, darauf achtet eine Vielzahl von Personal, auch der Rundgang muss auf eigene Faust erfolgen.
Wir wandeln durch die Räume des Palas und genießen die Ausblicke in die Landschaft, ahnen etwas vom „Sängerkrieg“ und mittelalterlicher Minne („tandaradei“ – Günter zitiert mal wieder, was hier angesagt ist!).
In der Lutherstube spüren wir etwas von der Atmosphäre, in der der vogelfreie „Junker Jörg“ (1521/ 22) das Neue Testament aus dem griechischen Urtext in die deutsche Sprache übersetzt hat.
Im Laufe der Zeiten erfuhr auch die Lutherstube im Rahmen von Renovierungen und neuen Museumskonzepten Änderungen in der Raumausstattung wie die Bilder im Internet zeigen.
Bei so viel Bildung haben einige schon nach anderer Erquickung Ausschau gehalten, das Burgcafé „Gadem“ erwartet uns kurz vor Toresschluss noch mit Kaffee und Kuchen, Tee und Schokolade.
Nach der Unbill des Aufstiegs bzw. der Auffahrt verläuft der Abstieg bzw. die Rückfahrt reibungslos.
Im Hotel angekommen ist noch etwas Zeit zum Luftholen, denn schon um 19 Uhr startet der vorgezogene „Lutherschmaus“ in der nur von Kerzen beleuchteten urigen „Lutherstube“ des Hotels (anno 1793).
Als alle Platz genommen, ihre Ganzkörper-Servietten angelegt haben, eröffnet der etwas überforderte Mundschenk mit seinem nicht immer aufmerksamen, aber auch in
der übervollen Spelunke überlasteten Gesinde das Spektakel frei nach dem Motto: „Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang, der bleibt ein Tor seyn Leben lang!“ (Martinus Lutherus).-
Ein Festessen der Eisenacher Bürger zur Zeit der Reformation
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Apfelbäumchen – eyn Apfelschnäpslein
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Pater noster – Hausgebackenes Lutherbrot mit Griebenschmalz und hausgemachtem
Quark mit Kräutern aus dem eigenen Kräutergarten
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Hexensalat aus dem Klostergarten – frische Blättlein von wilden Kräutern
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Hypocras – eyn Horn von Met als Arzney oder Aperitivum zu trinken
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Bauernglück/ Metzgerschale – Rustikale Erdapfelsuppe mit gebratenen
Wurststücken oder Fleischsuppe aus dem Hause Luther zum Schlürfen
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Fleyschspiesz & Brauherrenwurst – dazu allerley Gemues, Zuspeis und Tunken – zu Günters Freude auch an diesem Abend mit Klößen, Monika war da weniger begeistert!
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Fegefeuer – eyn Flammspiesz von morgen- und abendländisch Früchteleyn wie von „Herrn Katharinen“ –
Auch wenn nicht immer alle Speisen im relativen Dunkel so recht zu erkennen waren, gab es dazu natürlich auch reichlich nicht nur Bier, Wein und Wasser zu trinken,
wie gehabt in Tonbechern, die in Löchern der Tafelplanken abgestellt werden mussten.
Fegefeuer – eyn Flammspiesz von morgen- und abendländisch Früchteleyn wie von „Herrn
Katharinen“ –
da sagen auch Helga und Hanna nicht Nein.
Am Ende des reformatorischen Menüs ein aktuell sprengendes internationales Lebenswasser, „Linie-Aquavit“.
Auch wenn nicht immer alle Stufen in dieser Stube so recht zu erkennen waren, da war der eine oder andere Sturz angesagt und kühlendes Eis gefragt, so kamen dann doch alle durchaus nicht „sturzbetrunken“ ins Bett nach diesem vollen ersten Tag
„auf den Spuren der Reformation“.
Nicht zu vergessen die Toilette dieses Erlebnis-Restaurants, ein waschechter Donnerbalken.
Sonntag, 3.10.2021
Von Eisenach nach Erfurt
von Dieter
Nach dem rustikal-opulenten und leckeren Luther-Schmaus mit der im Mittelalter üblichen großen Geräuschkulisse bei etwa 100 Gästen am Vorabend –
beginnt um 7.00 Uhr die „Operation Frühstück“ im Lutherhotel Eisenacher Hof. Blaue Plastikhandschuhe in der Größe
„Landsknechtspranke“ müssen coronabedingt neben der Nase- Mund-Maske am Buffet getragen werden.
Dann wird schnell ausgecheckt. Mangels Lift und Personal wird das Gepäck einiger durch helfende Hände erst aus den oberen Etagen und dann in den fast 100 m entfernt stehenden Bus ge- hievt.
Pünktlich um 8.00 Uhr starten wir nach Erfurt. Die Fahrt - der Sonne entgegen - dauert für die rund 75 km eine gute Stunde. Ziel ist die schon im 15. Jh. berühmte Universität, in der „unser Martin“ 1501 sein Theologiestudium beginnt und am 17. Juli 1505 dem strengen Bettelorden der Augustiner beitritt. Dieses heute evangelische Augustinerkloster, inzwischen an die neu- zeitlichen Bedürfnisse Reisender und Tagender sehr großzügig angepasst, wird im Westflügel unser Übernachtungsdomizil.
Schnell werden die Koffer aus dem Bus geholt und zunächst an der Rezeption geparkt denn wir wollen um 9.30 Uhr am ökumenischen Ernte- dank- und Abendmahlsgottesdienst in der evangelischen Augustinerkirche teilnehmen. Es spielt das Barockstreicherensemble und es singen Mitglieder der Chöre der Kaufmannsge- meinde und des Christopheruswerkes unter Lei- tung von Kantor Michael Jahn an der Orgel. Generalvikar Beck und Regionalbischof Stawenow gestalteten liturgisch den Gottes- dienst. Die Tonqualität der Lautsprecheranlage ist leider sehr mäßig.
Von der Empore beim Organisten haben wir eine gute Sicht ins Kirchenschiff mit den hohen goti- schen bunten Fenstern, die zu 90 Prozent, die Fenster links neben dem Altar mit dem „ Augus- tinerfenster“ zu 76 Prozent original sind. Vor dem Altar stehen die aus verschiedenen Getreidear- ten geflochtenen Erntedankkronen und die Baum- und Feldfrüchte sind dekorativ gelegt.
Nach 5 Jahren in Wittenberg durfte Luther sich ein Wappen zulegen und war vermutlich inspiriert von dem Motiv unten links im dreiteiligen Augustiner Klosterkirchenfenster in Erfurt.
Nach dem festlichen Gottesdienst empfängt uns um 11 Uhr Frau Birgit Messerschmidt zu einer ausführlichen Klosterführung mit Ausstellung und der rekonstruierten „Lutherzelle“. Hier eine Kurzfassung zur Historie des Klosters aus einem Infoblatt ergänzt mit Notizen aus dem Vortrag: Die Augustiner-Eremiten erhielten 1266 in Erfurt eine Niederlassungserlaubnis, nach den Fran- ziskanern (1224) und den Dominikanern (1228). Nach Streitigkeiten der Mönche mit der Stadt, Vertreibung und Rückkehr (1273 – 1276) wurde 1277 mit dem Klosterbau begonnen. Die Haupt- bauphase lag zwischen 1310 – 1340. Erzbischof Heinrich von Naumburg stiftete 1318 Glasfens- ter für die Kirche. 1435 – 1444 wurde der Turm errichtet. Mit dem Bau der Bibliothek 1500 – 1515 erhielt das Kloster seine größte Ausdehnung.
Von 1505 – 1511 wohnte und studierte Martin Luther im Kloster. Als Novize mit 21 Jahren konnte Martin hier erstmals selbst in der Bibel lesen. Dass sich Luther von den 11 Klöstern in Erfurt ausgerechnet für das sehr streng geführte der Augustiner entschied soll mit seinem todesangsterfüllten Gewittererlebnis und dem daraus resultierenden Versprechen in Zukunft gottgefällig als Mönch leben zu wollen entstanden sein. - Nach dem Austritt des Priors Johannes Lang und anderer Mönche 1522 wurde die Augustinerkirche 1525 durch die evgl. St. Johannesgemeinde übernommen. 1556 starb der letzte Mönch. Die Stadt Erfurt säkularisierte das Kloster 1559. Im Jahr 1561 wurde im Westflügel und im Alten Priorat das evgl. Ratsgymnasium errichtet. Kloster und Kirche erhiel- ten 1617 eine Renovierung mit Barockausstattung. Durch Blitzeinschlag 1646 wurde der Ostteil stark zerstört.
Heute ist dort das Refektorium und in einem Innenhof mit Glasdach der Speisesaal. 1669 wur- de das evgl. Waisenhaus im Ostteil des Klosters gegründet. Nach Entwürfen des Berliner Bau- meisters Karl Friedrich Schinkel baute Friedrich August Stüler 1843 – 1846 des Westflügel des Martinsstifts um. 1844 – 1849 wurde die Kirche im neugotischen Stil restauriert und dabei die Barockausstattung entfernt.
1872 zerstörte ein Brand im Ostflügel die Lutherzelle, 1873 erfolgte der Wiederaufbau mit Rekonstruktion der Lutherzelle. Zwischen 1936 – 1938 wurde der mittelalterliche Bauzustand der Kirche rekonstruiert. Durch einen Bombenangriff 1945 wurden die Gebäude der Bibliothek (die es zu Luthers Zeit noch nicht gab), die Korn- und Waidhäuser zerstört. Auch das übrige Kloster und die Kirche erlitten Schäden. Zwischen 1946 – 1957 erfolgte der Wiederaufbau von Kirche, Kreuzgang, Ost- flügel und Gästehaus. Die evgl. Predigerschule zog 1960 von Wittenberg ins Augustinerkloster. Ab 1979 erfolgten (mit west- deutscher Hilfe) nach dem Erwerb des Westflügels und des Alten Priorats aus städtischem Besitz bis 2000 – 2003 mehrere umfassende Wiederherstellungs- und Modernisierungsarbeiten zur Nutzung des Klosters als kirchliches Tagungs- und Ge- meindezentrum und zum Dienstsitz des Propstes der Propstei Erfurt – Nordhausen (Harz). 1996 zog eine Schwesterngruppe der Communität Casteller Weg ein. –
Kreuzgang
Hinter den kleinen Dachfenstern waren die Studierzimmer. Es gab 50 Meter lange Schlafsäle mit Strohsäcken auf dem Fuß- boden.
Der ehemalige Kapitelsaal, Arbeits- und Besprechungszimmer, war der einzige be- heizbare Raum mit Orgel im Kloster. Er war bei den Mönchen deshalb in der kalten Jah- reszeit sehr beliebt, um sich aufwärmen und auch „mal normal“ miteinander sprechen zu können – aber nicht nur privat bzw. theolo- gisch sondern es wurde auch über Verfeh- lungen gesprochen wie z.B.:
Wer beim Lesen wegnickte oder mit anderen Mönchen unerlaubt im Studienzimmer oder Kreuzgang redete und dabei erwischt wurde musste sich auf Strafen bzw. zusätzliche Arbeiten einrichten. Auch die Kleider- ordnung, Betteln in der Stadt (wg. knapper Mahlzeiten) oder „falsches Denken“ waren Sanktionsgründe. Das Leben der Mönche war im Tagesablauf zwischen Aufstehen, Beten, Früh- stücken, Lesen/ Studieren, Beten, Mahlzeiten bis zur Nachtruhe zeitlich sehr stark getaktet. Dazu erinnerte sie die Glocke, damit sie immer wussten, was die Uhr oder Stunde geschlagen hat. Nach diesen im doppelten Wortsinne „erschöpfenden“ Informationen zur Historie des Klosters, seinen Bewohnern und deren Tagesablauf schlug die Glocke zur Mittagspause in freier Verfü- gung.
Der Stadtrundgang startet um 13.45 Uhr mit Frau Messeschmidt und führte uns u.a. am Colle- gium Maius, zur Alten Synagoge, ans Ufer der Gera über die berühmte Krämerbrücke, zum ehe- maligen Fischmarkt am Rathaus bis zum Dom Vorplatz.
Wir verlassen das Klostergelände durch die „Hintertür“, an der auch Luther geklopft haben soll und die am späten Abend für einen Teil der Gruppe noch eine wichtige Rolle spielen wird.
Am sog. Hosenkratsch, einer spitzwinkeligen Weggabelung der Comthur- und Taubengasse, biegen wir ab zur ehemaligen Georgenburse, Studentenunterkunft. Dabei überqueren wir das Bächlein Gera, das die Erfurter Altstadt zum Teil aufgespalten durchläuft. An einer Furt (flacher Teil eines Flusses) der
Gera, unterhalb der Krämerbrücke (aus dem 14. Jh.) erfahren wir von der Siedlungsgeschichte (Funde aus der Altsteinzeit und große germanische Siedlungsreste beim Bau der A 71 bei Erfurt-Frienstedt) und der Namensentstehung des Ortes Erfurt. Dieser Name findet sich erstmals 742 in einem Brief des Bischofs Bonifatius an Papst Zacharias II. und gilt als Bistumsgründung in Erfurt. Doch schon 13 Jahre später, 755, gerät das Bistum Erfurt unfreiwillig „unter das Rad“ vom Erzbistum Mainz, was sich bis heute im Stadtwappen mit dem sechsspeichigen Rad auf rotem Grund zeigt, das Erfurt seit dem 17. Jh. führt und seit Ende des 20. Jh. auf den Deckeln der Kanalisation.
Erfurt hatte zu Luthers Zeiten etwa 20.000 Einwohner (heute sind es etwa zehn Mal so viel) und war die viertgrößte Stadt im Reich. Die günstige Lage der Stadt im Kreuzungsbereich deutscher und (slawischer = gleich ost-) europäischer Handelsstraßen, das Messeprivileg von 1331, die Gründung der Universität 1392 und nicht zuletzt der Schutz einer Königspfalz auf dem Petersberg (einer großen Festungsanlage hinter dem Dom ab 1664 erbaut) machten Erfurt zu einem Zent- rum florierenden Handels und interessant für geistiges, künstlerisches, wissenschaftliches und humanistisches Leben. Neben Rechenmeister Adam Ries weilten die Musikerfamilie Bach, Goe- the, Schiller, Wieland und der Natur- und Welterforscher Humboldt hier. Weltpolitische Bedeutung erhielt Erfurt 1808, als sich nach der Schlacht bei Jena- Auerstedt in der besetzten Stadt Kaiser Napoleon und Zar Alexander I. in Anwesenheit aller Fürsten der Rheinbundstaaten treffen. 1815 wird Erfurt wieder dem Königreich Preußen zugesprochen.
Am heutigen Tag der Deutschen Einheit ist auf das geschichtsträchtige Gipfeltreffen am 19.03.1970 zwi- schen Kanzler Willy Brandt und DDR-Ministerpräsident Willi Stoph im Hotel Erfurter Hof hinzuweisen. Die- ses Treffen läutete die Annäherung der beiden deutschen Staaten ein, das im Mauerfall vom 9.11.1989 ihr Ziel erreicht hat. Nach der Vereinigung von DDR und BRD am 3.10.1990 wird Erfurt wieder Landeshaupt- stadt.
Am Collegium Maius, in der Michaelisstraße, dem ehemaligen Hauptgebäude der im 15. Jh. sehr bedeutenden Universität, gegründet 1379, wurde Luther 1501 als „Martinus Ludher ex Mansfeldt" immatrikuliert. Das Grundstudium der Sieben Freien Künste schloss er 1505 erfolg- reich als Magister Artium ab. Die Einschreibung aus dem Jahre 1501 ist der vermutlich älteste schriftliche Beleg aus dem Leben Luthers. In der gegenüberliegenden Michaeliskirche predigte Luther 1522. Das Collegium, im 2. Weltkrieg 1945 zerstört, wurde originalgetreu wieder aufge- baut und dient heute als Sitz des Landeskirchenamtes der Evangelischen Kirche.
Weiter entlang auf der Michaelisstraße reiht sich ein Wirtshaus an das andere.
Wie in anderen Orten im deutschen Reich war auch in Erfurt Bier als Trinkwasserersatz, auch für Kinder, weil es beim Brauprozess erhitzt und damit Krankheitserreger verringert wurden. Es gab eine große Anzahl an Brauereien bzw. Schankhäusern die als Zeichen für frisches Bier ein Gerstenbüschel ins „Bierloch“ in der Außen- Hauswand steckten. In einem der ältesten Bür- gerhäuser mit Ursprüngen aus dem 12. Jh. befin- det sich das Haus „Zum Goldenen Schwan“, Michaelisstraß 9, das wir am Abend zur Verkösti- gung besuchten.
Auf dem Weg zu Alten Synagoge biegen wir von der Michaelisstraße rechts in die verwinkelte Waagegasse. Erfurt hatte Stapelrecht, das heißt, die Händler mussten hier an der „Kleinen und Großen Waage“ ihre Waren wiegen lassen und entsprechende Gebühren zahlen.
Erfurt hatte schon im 11. Jh. ein reiches jüdi- sches Leben. Mit dem Bau der Synagoge wurde 1094 begonnen die im Laufe der Jahrhunderte für die wachsende Gemeinde mehrfach um- und ausgebaut wurde. Um 1270 entstand ein hoher repräsentativer Giebelbau, der auch noch heute das Aussehen der Synagoge prägt. Die Schaufassade im Westen mit einer großen Fensterrosette, auch typisch für Kirchenbauten aus dieser Zeit, ist noch heute vom Nachbargrundstück aus zu erkennen.
Am 21. März 1349 kam es zum ersten Progrom und zur Vertreibung der Juden, die durch die Christen auch in anderen Städten des Reiches als Schuldige für die ausgebrochene Pest ange- sehen wurden. Die gesamte Gemeinde wurde ausgelöscht. Die Häuser um die Synagoge sowie deren Dachstuhl brannte ab. Erst im 19. Jh. siedelten sich wieder Juden neu an. Der Erfurter Rat brachte dann die Synagoge in seinen Besitz und verkaufte sie an einen Händler. Dieser baute sie in ein Lagerhaus um. Mitte des 19. Jh. zog eine Gaststätte ein nach Umbauten mit Tanzsaal im Obergeschoss, im Erdgeschoss Küchen- und Gasträume, im Keller eine Kegelbahn. Das durch verschiedene Anbauten fast vollständig umschlossene Synagogengebäude und sein ursprüngli- cher Nutzen verschwanden so aus dem öffentlichen Bewusstsein. Daher brannten die National- sozialisten 1938 die aktiv genutzte Große Synagoge nieder, nicht aber die Alte Synagoge. Ende der 1980 Jahre wurde das Haus wiederentdeckt, untersucht und saniert. Seit 2009 befindet sich ein Museum darin, u.a. mit Dokumenten und zum jüdischen Leben und zur Baugeschichte.
Bei den Bauarbeiten dazu wurde der „Erfurter Schatz“ entdeckt, 13 Kilo Gold- und Silber be- stehend aus tausenden Silbermünzen, 14 Silberbarren, Silbergeschirr sowie 700 Einzelstücke gotischer Goldschmiedekunst, darunter ein goldener jüdischer Hochzeitsring aus dem frühen 14. Jh. Bei Grabungsarbeiten 2007 fand sich am Ufer der Gera hinter der Krämerbrücke eine mittelal- terliche jüdische Mikwe, ein rituelles Tauchbad. Das Tauchbecken ist durch ein Fenster des Schutzbaus einsehbar.
Von der Alten Synagoge gehen wir wieder auf die Michaelisstraße. Im Haus Zum Schwarzen Horn (Nr. 48) wurde 1518 das erste Rechenbuch von Adam Ries gedruckt, der uns mit seiner Kopfbüste an der Hauswand anschaut. Die Schriften von Luther, Nachdrucke der Straßburger Eulenspiegelausgabe und die „Dunkelmännerbriefe“ von Ulrich Hutten wurden in den Häusern Zur großen Arche Noä und Engelsburg (Nr. 38) gedruckt.
Am Bendiktsplatz, Ecke Rathaus- und Krämerbrücke, machen wir eine kleine Pause zur Aufnahme von Eis, Kaffee oder anderen Leckereien in der mit „Touris“ vollgestopften Altstadt mit ihrem medi- terranen Flair.
Anschließend treffen wir uns wenige Schritte weiter am Wenigemarkt, um über den Tourismusmagneten von Erfurt, die 120 Meter lange Krämerbrücke mit ihren 32 kleinen Geschäften mit den Menschenmassen „gegan- gen zu werden“. Sie gilt als längste bewohnte Brücke Europas. In den kleinen Läden werden Kunsthandwerk und Spezialitäten angeboten.
Wieder auf dem Bendiktsplatz angekommen geht’s weiter zum ehemaligen Fischmarkt vor dem Rathaus mit spektakulären großen reprä- sentativen Häusern mit bunt verzierten Renais- sancefassaden, Cafés, Restaurants und Museen.
An der goldenen Statue des drachentötenden St. Georg gegenüber dem Rathaus gehen wir in verwickelte Gassen und kommen zum Renais- sancehaus Zum Sonnenborn, an der Arche Große Arche 6. Es wird als Heiratshaus ge- nutzt, die zahlreichen Vorhangschlösser mit den Namen der Brautpaare an einem Gestell vor der Tür zeugen davon.
Das Haus steht im Viertel der Waidspeicher. In diesen Speichern wurden ab dem 13. Jh. die ge- trockneten Blätter der Waidpflanze gelagert, aus denen nach dem Waschen und Zermahlen faust- große Ballen geformt wurden. Durch Anfeuchten und Versetzen mit Urin (ammoniakhaltig) wurde eine Gärung in Gang gesetzt, bei der das blau fär- bende Indican (später Indigo genannt) freigesetzt wurde. So entstand der berühmte Färbstoff „Thü- ringer Blau“. Neben dem Färben und Bedrucken von Stoffen konnten auch Holz und Wände ange- strichen werden. Durch den streng geregelten An- bau, die Verarbeitung und den Handel (auf dem Anger/ Markt) mit Färberwaid, einem Kreuzblütler- gewächs, dessen gelbe Blütenstände dem Raps ähnlich sind und mehrmals im Jahr geerntet wer- den, erlangte Erfurt viel Macht und Reichtum.
Nun treten wir aus den engen Gassen hinaus auf den großen Platz vor dem Erfurter Dom. Frau Messerschmidt übergibt um 16.00 Uhr die Führung an eine Kollegin des Dompersonals und wir verabschieden sie mit Applaus.
Unter starker Polizeipräsenz und mit Einlasskon- trollen findet dort die große Oktoberfest-Kirmes statt. Wir erklimmen die 70 Stufen zum St. Ma- rien Dom. Die Geräuschkulisse der Kirmes lässt eine Verständigung über Erläuterungen zu den Portalen und die sie krönenden Figuren der 12 Apostel und der „klugen und der törichten Jung- frauen“ kaum zu, so dass wir schnell ins Innere des großen Domes gehen. Die beeindruckenden 15 Glasfenster im Hochchor, die einen spätgotischen Glasgemäldezyklus (1370 – 1420) zeigen, gehören zu den größten ihrer Art in Deutschland. Das Chorgestühl und der 16,5 Meter hohe und 13 Meter breite barocke Hochaltar sind original erhalten.
In diesem Dom wird Martin Luther am 3. April 1507 durch den Weihbischof Johann Bonemilch von Laasphe (im sauerländischen Westfalen) in der Kilianskapelle zum Priester geweiht.
Für ein kleines Orgelkonzert von etwa 15 Minuten begrüßt uns um 17 Uhr der Domorganist Prof. Silvius von Kessel. Bei seiner Vorstellung zu seinem beruflichen Lebensweg erwähnt er, dass er u.a. in Essen Musik und Orgel studiert hat.
Aus dem 15 Minuten- Konzert wird mit seinen Erläuterungen und Improvisationen auf den beiden Orgeln eine musikalisch fesselnde akademische Stunde (45 Min.).
Nach der langen Führung durch die Altstadt und in der Kirche drückt es bei einigen Damen auf die Blase. Ein Gäste-WC befindet sich ziemlich abseits außerhalb des Domes – und ist nur gegen passendes Münzgeld zu betreten – welches aber nicht parat ist. So müssen die Damen im wahrs- ten Sinne des Wortes auf allen Vieren unter dem Drehkreuz hindurch kriechen.
Nach dem Dombesuch gehen wir an der Festung Petersberg vorbei, die Teil der BuGA ist, zurück ins Kloster, um uns frisch zu machen für das Abendessen im Goldenen Schwan.
Um 19.30 Uhr treffen wir uns zum angekündigte Menü Zum Goldenen Schwan
Rinderroulade mit Klößen an Rotkohl.
Letzteres sollte noch Monikas Lieblingsgemüse auf der Rei- se werden. Dazu wurde selbstgebrautes Bier und ein lecke- rer Nachtisch kredenzt.
Die Fotos sprechen für sich:
Nach einem erneut schönen und langen Tag, mit vielen optischen, akustischen, informativen und geschmacksintensiven Erlebnissen setzte nach dem reichlichen Mahl bei einigen in der Gruppe eine verständliche vorzeitige Bettschwere ein und sie begaben sich gegen 22.30 Uhr auf den Heimweg.
Ich (Dieter) nutzte die Gelegenheit, um mir endlich mal wieder eine Tabakpfeife zu stopfen und im Klosterhof mit einem Fläschchen Bier aus dem Automaten die Ruhe genießen zu können.
Nach etwa 20 Minuten vernahm ich bekannte Stimmen vor dem verschlossenen Hoftor, durch das wir am Nachmittag den Stadtrundgang gestartet hatten. Das Tor wurde gerüttelt und die Klin- ke heftig gedrückt, aber es öffnete sich nicht! Es gab den Vorschlag, den Generalschlüssel für alle Außentüren richtig in das Schloß zu führen und aufzuschließen – aber auch das war nicht von Erfolg gekrönt! Währenddessen kamen einige andere Gäste und schlossen ein Tor zum Nebenhof auf wo eine alte Wasserpumpe stand. Ich dachte noch: wie und wo sind die Gäste nun auf das Gelände gekommen?
Vor besagtem Hoftor wurden die Kommentare zunehmend nervöser, weshalb es sich denn nicht öffnen ließ. Nun legte ich die Tabakpfeife beiseite, klappte den Verriegelungshebel herunter – „Tür und Tor öffneten sich hoch und weit !“
Da war das Gelächter und Hallo aber groß, als die SpätheimkehrerInnen den „Türöffner“ erblick- ten. Es stellte sich die Frage, wer denn das Tor so fest verschlossen hatte und ob es eventuell jemand aus unserer Gruppe war? Aber alle eilten schnellen Schrittes zu ihren Schlafkammern.
Ich schlage daher vor, dieses Vorkommnis sollten wir noch einmal ausführlich im ehemaligen Kapitelsaal bei leiser mittelalterlicher Musik und gepflegten geistigen Getränken disputieren. Schließlich habe ich nun einen Klosterabschluss – denn ich habe das Tor auch wieder abge- schlossen – und bin dann auch zu Bett gegangen.
Günter würde mich dann wohl als „Magister Portae“ (Türenmeister) titulieren.
Sonntag, 4. October 2021
Eisleben - Mansfeld - Kloster Helfta
Christine und Thomas
Um 7.00 Uhr ist die wohl früheste Frühstückszeit unserer Reise. Derweil werden schon die ersten Wäschekäfige aus dem Haus gewuchtet. Ich frage den "armen" Lieferdienstler, warum es eigent- lich keine Rampe für die Stufe des Eingangs gibt. Antwort: "Das interessiert in diesem Laden doch niemanden!" Danke, das genügt.
Im leichten Regen sammeln sich die Koffer und ihre Herrchen oder Frauchen vor der Rezeption im Freien; unsere Lutherfinderin von gestern, Frau Birgit Messerschmidt, wuselt schon im Emp- fang.
In unserem rollenden Heim gibt es eine erste Bildungseinheit: Luthers Augustiner-Eremiten waren einer der strengsten Orden überhaupt mit vielen Klöstern in deutschen Landen und im spä- teren Italien und Frankreich; sie lebten nach der Regel des ersten abendländischen Ordensgrün- ders Benedikt von Nursia/ Norcia (gest. 547 auf dem Monte Cassino). Die ersten Mönche über- haupt lebten vorzugsweise in der Wüste (griech. éremos) und wurden daher Eremiten genannt - im Gegensatz zu Professoren und Pastoren wie Günter und Thomas, die nicht mehr den Sold des aktiven Dienstes bekommen und daher Emeriten genannt werden. (Tja, das ist ein Relikt der römischen Militärterminologie!) - Übrigens zur Zeit Luthers lebten die Augustiner-Eremiten schon lange nicht mehr als Eremiten sondern gemeinschaftlich im Kloster (als Koinobiten).
Die 100 km bis Eisleben vergehen dank Bildung wie im Fluge, und dort, in Luthers Geburtsort und Sterbeort, be- grüßt uns Frau Rosemarie Knape, Stadtführerin für hier und Mansfeld.
Im Vorbeigehen sehen wir das Alte königliche Lehrerse- minar, vor dem ein großes Förderrad an die große Zeit des Bergbaus im Mansfelder Land erinnert.
Martin Luther selbst entstammte ja einer reichen Bergbaufamilie, denn sein Vater war Bergbau- Unternehmer.
Wir steuern Martins Geburtshaus an, das natürlich heute Museum ist, wel- ches wir aber leider - der Gruppentour geschuldet - viel zu schnell durchlaufen. Die "tausend" Eindrücke sind kaum zu behalten! Es bleibt aber zu erwähnen, dass es sich um einen Nachbau von 1693 handelt, nachdem das originale Geburtshaus 1689 abgebrannt war. Immerhin war sich die Stadt Eisleben 210 Jahre nach der Geburt des Refor- mators der nachmaligen Bedeutung des Ortes bewusst und hat dieses Haus als Gedenkort wiedererrichtet. Das Haus ist eines der ältesten Museen Deutsch- lands und gehört seit 1996 zum Welt- kulturerbe. Bild: "Nachbau" Geburtshaus von Martin Luther.
Mit über 22.000 Einwohnern ist Eisleben zwar eine Kleinstadt, hat aber ein gutes Dutzend Stadtteile, die z.T. auf Eingemein- dungen im frühen 16. Jahrhundert zurückgehen. In der Alt- stadt oder Kernstadt stoßen wir auf Schritt und Tritt auf die Lutherrose. Bild: Pflaster mit Lutherrose.
In der Kernstadt befindet sich auch die Taufkir- che des kleinen Martin, dem man kurzerhand den Na- men des Tagesheiligen gab. (Martin von Tours) Wir betreten die dreischiffige spätgotische Hallenkirche St. Petri-Pauli, wo Reste des damaligen Taufsteins in den heutigen Taufstein unsichtbar verbaut wurden.
Die Aufschrift auf dem Steinrand oben versichert uns dieser Tatsache: RUDERA BAPTISTERII QVO TINCTUS EST B[EATUS] MARTINUS LUTHERUS A[NN]O 1483.
Reste des Taufsteins, wo der selige Martin Luther im Jahre 1483 ge- tauft/getaucht wurde.
Seit dem Jahre 2012 hat die Kirche einen Taufbrunnen/ Tauchbrunnen mitten im Kirchenschiff; bei Bedarf kann rundherum ein Gelän- der eingesteckt werden, wie an den Stecklöchern zu sehen ist. Tatsächlich ist einmal eine über 80 Jahre alte Dame in das ansonsten ungesicherte mehrere Me- ter breite Wasserloch ge- plumpst. Unserer "Wuselg- ruppe" ist das jedoch nicht passiert.
Besondersckend: Der spätgotische Flügelaltar (Retabel) mit einer vollplastischen Anna-Selbdritt-Gruppe.
Ohne weiteren Hinweis gehen wir vorbei am nahen Gemeindehaus: Über dem Eingang ein Medaillon mit den hier ge- kreuzten Beizeichen des heiligen Petrus (Schlüssel des Himmelreiches) und des heiligen Paulus (Schwert des Evangeli- ums), unterschrieben mit den Worten "Ein feste Burg ist unser Gott".
Weiter geht's zum Marktplatz der Stadt: Hier steht das impo- sante Denkmal des Reforma- tors mit Bibel in der einen Hand und der feuergeweihten Ban- nandrohungsbulla (1520) von Papa Leo X. in der anderen. Außerdem hat der hier 1883 geehrte einen Hut auf, was bis dato bei "bürgerlichen" Perso- nendenkmälern unüblich oder gar verboten war.
St. Andreas, gleich dahinter gelegen, können wir leider nicht besuchen, da sie gerade restauriert wird. Hier verpassen wir die noch original erhaltene Kanzel, auf der Luther seine letzten Predigten gehalten hat.
Damit sind wir auch schon bei Tod und Sterben unse- res Reformators und besuchen das sogenannte Ster- behaus: Ob es jetzt wirklich hier oder in Wahrheit ein paar Häuser weiter steht, ist eigentlich völlig egal; Tat- sache ist, dass auch hier ein musealer Gedenkort mit vielen Ausstellungsstücken geschaffen wurde, die uns helfen, jene Zeit und ihre Geschichte besser zu ver- stehen und zu behalten.
Das alles lassen wir "sacken" bei einem leckeren Mittagessen im "Grafen von Mansfeld".
Hier kommen einige, die mit auf der letzten Studienreise nach Armenien waren, ins Gespräch mit dem jungen Kellner, einem Armenier aus Jerewan.
Im Vorbeimarsch an der ehemaligen Eisleber Sy- nagoge ist Frau Knape zu entlocken, dass sie mit ca. drei Dutzend anderer Getreuer zum 2001 ge- gründeten Förderverein für die Synagoge gehört. Wie sie die Summe von mehreren Millionen Euro aufbringen sollen, ist allerdings noch unklar.
Bevor wir nach Mansfeld aufbrechen machen wir einen Abstecher zur Klosterkirche St. An- nen, die 1513 errichtet wurde. Hier versammelte Johann von Staupitz, Luthers Beichtvater, hand- verlesene gelehrte Mönche aus Erfurt.
Luther kannte dieses Augustiner-Eremiten- Kloster mit Sicherheit sehr gut, da er ab 1515 zuständiger Distriktvikar seines Ordens war. (Vikarius = Stellvertreter von wem auch immer!) Das Klostergebäude ist samt Mönchszellen wunderbar erhalten, wenn auch ohne Mobiliar. Im Jahre 1523 verließen die meisten Mönche das Kloster schon wieder, und es wurde aufge- löst.
Einer der Gründe steht an der Wand einer Mönchszelle geschrieben (Foto rechts):
"Da ich saß in meiner Zelle, Martinus Luther an mir that ein groß Gefäll. Wider mich that er schreiben, so dass ich nicht vermocht in mein Zell zu bleiben." Bilder: Kloster St. Annen von außen; Wand- spruch in Klosterzelle.
Die St. Annenkirche selbst ist ein unglaubliches Schmuckstück:
Einzigartig ist die mit Reliefs versehene Sandsteinbrüs- tung des Chorgestühls, die sogenannte Steinbilderbibel, die 1585 vom Bildhauer Hans Thon Uttendrup aus Müns- ter im Auftrag von Gräfin Margareta von Mansfeld- Hinterort geschaffen wurde. Von überwältigender Schönheit ist der spätgotische Marienaltar von 1510/15, ein Triptychon mit einem beweglichen Flügelpaar, das zwei Schauseiten ermöglicht; zentrale Figur ist die Mondsichelmadonna, flankiert von zwei Heiligen (Katha- rina von Alexandria und Margareta von Antiochia).
Eine "Bilderbibel" ist auch die Kanzel von 1608. Ein kassettiertes Schriftband zieht sich um die Basis der "Bütt" mit der zentralen Aussage: "Wer ist dieser Knabe? Er ist Gott, der Schöpfer des gesamten Erdkreises! Warum wird er Mensch? Er macht uns willkommen, Gottes (Kinder) zu sein!" (Quis puerhic? Deus est, totius conditor orbis. Cur homo fit? Gratos nos facit esse Dei.) Und dann schauen wir noch an die ebenfalls großflächig kassettierte Decke von 1608 und bekommen Genickstarre! "DEM DREY EINIGEN GOT ZV EHRN" lautet hier die zentrale Aussage. Da kann man demütig werden vor so viel Sinn, den Menschen den Glauben in Bildern zu erklären (neben manchen erklärenden Worten).
Die Kanzel, die von Moses auf dem Kopf Kopf getragen wird, er hält die 2 Tafeln mit den 10 Geboten.
Rechts die wunderbar bemalte Holz-Kassettendecke mit vermutlich den Portraits der 12 Jünger die das Bild mit Gottvater, Jesus und der Taube als Symbol des Heiligen Geistes umrahmen.
Anschließend bestiegen wir noch den Dachboden und bekamen einen herrlichen Blick auf Mans- feld mit Herbstkirmes und über das Land.
Bevor wir uns nach Mansfeld verabschieden noch schnell ein schönes Gruppenfoto mit der Mansfelder Landschaft im Hintergrund. 3. v.l.: Frau Rosemarie Knape, die Stadtführerin.
Nach Mansfeld sind es cirka 18 km. Hier ist vor allem das Museum Luthers Elternhaus und das gegenüberliegende rekonstruierte Elternhaus des jungen Martin von Interesse.
Zunächst geht es zum Lutherbrunnen von 1913, für uns ein befremdliches Erinnerungsstück. Vor der St. Georgskirche, an der der kleine Martin Kurrendesänger war, deklamiert das dreisei- tige Denkmal: "HINAUS IN DIE WELT - HINEIN IN DEN KAMPF - HINDURCH ZUM SIEG". (Ein Träumer, wer dabei Gutes denkt!) Gekrönt wird die Anlage vom Stadtheiligen (Stadtwappen!) St. Georg mit dem Drachen. Es ist anzunehmen, dass sich Luther in der Wartburgzeit nach dem im Mansfelder Land allgegenwärtigen Heiligen schlicht Junker Jörg nannte. –
An der St. Georgskirche war der Theologe, Liederdichter und Historiker Cyriakus Spangenberg (gest. 1604) von 1553 bis 1575 Stadtpfarrer; er schrieb u.a. die "Mansfelder Chronik", wie Frau Knape berichtet.
Wir dürfen uns das Denkmal später noch länger aus dem Bus betrachten, da die Mansfelder Altstadt Reisebussen nicht so richtig den Weg zeigt. Endlos lange versucht unser Busfahrer Rüdiger um das Denkmal herum die Fahrtrichtung zu ändern, was am Ende dann doch gelingt und großen Applaus verdient. (Die 2 PKW am linken Bildrand standen nach StVO nicht korrekt, so dass der Wendekreis für den Bus zu klein war.)
Im Museum Luthers Elternhaus gibt es 230 Exponate zu besichti- gen, u.a. ausgegrabenes Spielzeug aus Luthers Kindheit und Jugend wie z.B. Murmeln. 13 Jahre ver- brachte das "Mansfeldisch Kind" hier, paukte Latein, schloss lebens- lange Freundschaften, verliebte sich in die Musik. In einem Raum eine spezielle Video-Installation mit Cra- nachs Portrait der alten Eltern Lu- thers: Nach wenigen Sekunden ver- jüngen sich die beiden jeweils.
Das Museumgebäude in melierten Grautönen, wahrscheinlich den Farben im Erzbergbau nachempfunden, zeigt auch umfangreich an detailreichen Modellen den schwierigen Erzabbau, die Verhüttung und weitere Verarbeitung sowie Vermarktung der Metalle. Mittig im Bild über den Häusern ein Teil der Maueranlage um das Schloss Mansfeld.
(Erst nach der Reise wurde der Gruppe bekannt, dass es enge bergbauliche Verbindungen zwischen dem Mansfelder Land und dem Kohlerevier an der Ruhr gab. Wegen des riesigen Kohle- und Koksbedarfs bei der Metallgewinnung und Verarbeitung, der nicht mehr durch Holz und Steinkohle aus der Mansfelder bzw. polnisch-schlesischen Region gedeckt werden konnte, hatten die Mansfelder Gewerkschaften (Minenbesit- zer) bereits 1866 beschlossen, einen Großteil der benötigten Kohlen aus Westfalen zu beziehen. Um von den Lieferanten und den z.T. stark schwankenden Preisen unabhängig(er) zu werden hatten die Mansfel- der bereits 1873 im Ruhrrevier mehrere Kokereien aufgekauft. In (Dortmund-) Barop waren es 16 Öfen, 24 Öfen der Zeche Friederika in Bochum und eine moderne Kokerei mit 72 Öfen am Bahnhof (Bochum-) Riemke. Im Jahr 1875 kaufte die Mansfelder Gewerkschaft in Bochum-Langendreer zwei kleinere Schacht- anlagen. Am 7. Mai 1877 wurden die Zechen Urbanus und Colonia mit einigen weiteren Zechen in Lan- gendreer und im Nachbardorf Werne zur Groß-Schachtanlage mit Kokereien mit dem neuen Namen „Mansfeld“ konsolidiert (zusammengelegt). Die Zeche Mansfeld bestand bis zu ihrer Schließung bis 1963.)
Dass Luthers Kindheit mit seinen Eltern nicht nur eitel Sonnenschein war zeigt ein Zitat auf einer Tafel aus seinen Tischreden von 1537.
An der großzügigen WC-Anlage mit Lichthof des Muse- ums sind in die großen Fensterscheiben gastfreund- schaftliche Hinweise aus Luthers Munde eingraviert. Sie lassen sich leider wegen der Spiegelung und Blendung schlecht lesbar fotografieren, aber hier der Wortlaut:
„Man sollte den gesten ein gutten trunck geben, das sie froh werden.“
„Wir können nicht thun, was jederman wil.
Wir können aber wol thun, was wir wollen.“
Gegenüber dem Museum steht das aus rotbraunen Sandsteinen rekonstruierte Luther-Elternhaus. Die Gestaltung und Ausstattung im Haus ist sehr trist.
Vorletzter Höhepunkt des Tages ist das Schloss Mansfeld.
Eine Schlichtung im Fami- lienstreit der drei Grafenli- nien von Mansfeld (Vor- derort, Mittelort, Hinterort) war Luthers letzter nicht- kirchlicher Auftrag; erfolg- los in der Sache ist er dann in Eisleben verstorben. Von der Grafen Pracht und Macht ist wenig erhalten.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde das "Restschloss" Jugendbildungsstät- te und steht heute dem CVJM zur Verfügung. Bildungsreferent Vol- ker Schmidt (von hinten) ist Leiter des Hauses; er gibt uns eine Au- ßenführung samt Schlosskirche und erklärt uns die wechselvolle Geschichte der Anlage, auf der auch unser Reisepatron Luther gepredigt hat.
Blick vom Schloss Mansfeld auf einen kleinen Teil der Stadt Mansfeld, mit der St. Georgskirche in der Mitte das graue Luther-Eltern-Museum.
Schmuckstück des Ensembles ist die spätgotische Kirche (links), aus der Frührenaissance.
In der Kirche halten wir inne zu einer Tagesandacht mit des heiligen Franziskus' "Lodato si".
Schließlich erreichen wir zum Abend die Klosteranlage von Helfta,
die im 13. Jahrhundert durch Gertrud von Helfta (die "Große"), Mechthild von Magdeburg und Mechthild von Hackeborn bekannt geworden ist. In der Reformationszeit (1542) säkularisiert, wurde das Kloster in der DDR-Zeit eine LPG-Lagerstätte und sollte noch kurz vor der "Wende" gesprengt werden. 1994 wurde ein Förderkreis gegründet und 1998 mit dem Wiederaufbau be- gonnen. Seit 1999 leben wieder Zisterzienserinnen dort; gleichzeitig ist die große Anlage ein Ta- gungs- und Beherbergungszentrum.
Eine Abend-Verköstigung war im Kloster nicht vorgesehen, so dass man sich, wer nicht gerade auf Diät war, durch einen Einkauf im ca. 500 m entfernten Supermarkt in der Dunkelheit auf dem Weg machen musste.
Mit einem guten Draht zu Schwester Maria erleben wir den letzten Höhepunkt dieses Tages und bekommen einen kleinen Tagungsraum zum Ausklang.
Hier trudeln nach und nach ... (auf dem weitläufigen Gelände im Dunkeln und ohne Hinweis- schilder und nach Erst-Versorgung der „verschnupften“ Annette durch ihren Michael) ... fast alle Mitglieder unserer Reisegruppe ein und erfreuen sich an den mitgebrachten Leckereien, vor al- lem großzügig eingekauft von Sabine und Dieter.
Dienstag, 5.10.2021
Von Worlitz nach Wittenberg
von Marlies und Margret
Wir starten im Regen. Dieter singt „It’s a rainy day ...“; Günter singt „Hejo, spann den Wagen an ...“.
Die Nacht hatten wir im Hotel Deckerts neben der Klosterpforte verbracht und nun, während der Weiterfahrt erfahren wir von Günter von der Bedeutung dieses Klosters HELFTA. Im 13. Jahrhundert lebten hier drei berühmte Zisterzienserinnen, die Mystikerinnen Mechthild von Hackeborn, Gertrud die Große und Mechthild von Magdeburg. Diese hat das Werk „Das fließende Licht der Gottheit“ geschrieben. Das Kloster erlebte eine wechselvolle Geschichte, wurde 1542 säkularisiert, und die Frauen waren in ein Kloster nach Mansfeld ausgewichen. Während der DDR-Zeit war hier ein Betrieb für Massentierhaltung. Seit 1999 leben in Helfta wieder Zisterzienserinnen, heute noch 11 Ordensfrauen.
Anschließend liest Günter die Tageslosung aus Jeremia 31, V. 34 und aus Apostelgeschichte 10, V. 43. Außerdem dankt er den „Kofferträgern“, die den defekten Aufzug ersetzt haben.
Im Schneckentempo geht es über die Saale, an Halle vorbei. Wir sehen die Türme der Marktkirche sowie Gebäude der Franckeschen Stiftungen.
Im zweiten Bildungsteil sind die Bauernkriege das Thema. Die Forderungen der Bauern aus Schwaben erscheinen uns aus heutiger Sicht keinesfalls unverschämt oder überzogen. So erklärten sie im Artikel 12 „Wir werden keine Leibeigene mehr sein“. Die Bauern waren enttäuscht, dass Luther sie nicht unterstützt hat, sondern Gehorsam gegen die Obrigkeit verlangte. In der Schlacht bei Frankenhausen wurden die Bauern vernichtend geschlagen, ihr Anführer, Thomas Müntzer, geköpft. - Luther verurteilte dann allerdings die grausame Rache der Fürsten an den Bauern.
Den DDR-Oberen des sog. Arbeiter- und Bauernstaats war Thomas Müntzer immer wieder ein Portrait wert, so 1975 auf einem 5 Markschein, auf Briefmarken, diversen Sondermünzen und zuletzt 1989 noch eine 20 Mark Gedenkmünze oder als Namensgeber für Schulen, Betriebe (u.a. Zeche in Sangerhausen im Harz), Straßen, Verfilmungen und Bücher.)
Unser nächstes Ziel ist Wörlitz, das wir nach etwas abenteuerlicher Fahrt mit gleichmäßigem Landregen zwar pünktlich erreichen, aber die Suche nach dem Treffpunkt mit unserem Gästeführer durch das Gartenreich gestaltet sich schwierig und bringt uns zeitliche Verzögerung ein zu Lasten des Spaziergangs durch den Park.
Herr Woche, sehr sach- und fachkundig, stellt uns das Wörlitzer Gartenreich vor, seit dem Jahr 2000 UNESCO-Welterbe. Die Wörlitzer Anlagen - Teil des Gartenreiches Dessau-Wörlitz - von 1764 bis 1800 auf 112 ha in den Elbauen angelegt, sind nicht nur eine der größten, sondern auch eine der frühesten und bedeutendsten Landschaftsgestaltungen Kontinentaleuropas und mit einer einmaligen Dichte von Denkmalen Ausdruck der aufgeklärten Denkweise des Fürstenhofes. Entstanden auf Veranlassung und nach Vorstellungen des Fürsten Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740-1817, genannt Franz), Enkel des "Alten Dessauers". Alle Gartenteile geben Zeichen - ob Gedenkstein, Plastik, Brücke, Gebäude oder Zitat - und Denkanstöße zur Auseinandersetzung mit der Natur, der Kunst, der Geschichte, der Philosophie. Neben dem landschaftlichen Gartenstil verhalfen die Wörlitzer Anlagen dem
klassizistischen als auch dem neugo-tischen in Mitteleuropa zum Durchbruch. Schönes sollte auch nützlich sein. So waren die Bauwerke nicht nur Staffage, sondern dienten zur Unterbringung der Kunstschätze und Sammlungen, als Aufbewahrungsorte für Pflanzen und Gerätschaften, als kulturhistorisches und technisches Anschauungsmaterial oder auch als Wohnstätte. Ein wohl durchdachtes System von Sichtachsen verbindet die einzelnen Gartenteile durch Brücken, Wege, Seen und Kanäle zu einem beeindruckenden Gesamtkunstwerk Baumeister aller klassizistischen Bauwerke in Worlitz ist Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff (1738-1800), der sich Kenntnisse uber das klassische Altertum in Italien aneignete. Fürst Franz und Erdmannsdorff ließen sich auf einer gemeinsamen Englandreise von moderner Landschaftsgestaltung inspirieren.
Mit Erstaunen hörten wir, dass Hans Hallervorden, der Großvater von Komödiant, Kabarettist und Schauspieler Dieter Hallervorden, geb. 1935 in Dessau, der „Obergärtnermeister“ in der Schloßparkverwaltung war.
Trotz unaufhörlichen Regens folgen wir Herrn Woche durch den wunderschönen Park. Mit einer Fähre mit Seilhandkurbel, überqueren wir einen der zahlreichen Seen ... (doch vorher wurden wir von der Fährfrau noch abkassiert, Günter trat in Vorleistung) ... und lassen unsere Phantasie walten, wie schön es bei Sonnenschein oder zumindest ohne den lästigen Regen gewesen wäre!
Wir kommen an der Rückseite Gotischen Haus vorbei. Es war das Wohnhaus des Gartenmeisters Schoch und die Liebeslaube von Fürst Franz mit seiner Frau Luise Schoch, Tochter des Gärtners, und den drei gemeinsamen nichtehelichen Kindern.
Viele weitere und originelle Fotomotive begegnen uns.
Die Venus aus dem Bade“ weist Karin und den anderen den richtigen Weg zum Parkplatz nach mehr als 2 Stunden weiterhin im Regen warten wir auf unseren Bus und versuchen die gute Laune nicht zu verlieren. Nachdem der Busfahrer uns endlich mit Hilfe von Herrn Woche gefunden hat, treten wir gegen 14.00 Uhr die Weiterfahrt nach Wittenberg an, wo wir im Hotel Best Western Soibelmanns Quartier an der Collegienstraße beziehen, unweit vom Melanchthonhaus und der Leucorea- Universität.
Und schon geht es weiter.
Wir treffen Herrn Glaubig, der uns mit großem Enthusiasmus mit „seiner“ Lutherstadt bekannt macht.
Unser Weg führt uns eiligen Schrittes zur Schloßkirche, vorbei an einem schmalen mit Blumenkästen geschmückten Wasserlauf, der zur Zeit Luthers ein Abwasserkanal war. Rechts und links hätte man interessante Auslagen betrachten können (Sockenshop, Teekontor, Bücher fürs Leben, Geschenke fürs Herz u.v.a. mehr), aber wir sind in Eile.
Der Blick auf Luther und Melanchthon auf dem Marktplatz vor dem Rathaus – gar nicht so einfach zu erhaschen - denn hier finden umfangreiche Vorbereitungen für die Sendung „ZDF-Fernsehgarten“ statt.
Dann geht es in die Schloßkirche mit der Pickelhaube auf dem Kirchturm, dem Kenn-zeichen des preußischen Militärs. Friedrich der Weise erbaute sie für seine Familie. Er regierte einigermaßen erträglich und hatte den Ablaßhandel weitestgehend verboten. Er besaß die zweitgrößte Reliquiensammlung (nach Rom)und die wurde am 1. November jeden Jahres der Öffentlichkeit präsentiert.
Dies war möglicherweise der Grund, warum Luther den 31. Oktober 1517 für seinen Thesenanschlag an der Tür der Schloßkirche auswählte, um größtmögliche Aufmerksamkeit zu erzielen. Auf dem Tympanon über der Thesentür sehen wir den gekreuzigten Christus mit wehendem Tuch um die Hüften, weist auf den Auferstandenen hin, rechts und links Luther und Melanchthon kniend, im Hintergrund die Elbe und die Stadt Wittenberg.
Philipp Melanchthon, der an der Universität Wittenberg lehrte, nutzte die Schloßkirche für Vorlesungen vor zeitweilig 600 Studenten. Sehr viel später studierte Johann Hinrich Wichern in Wittenberg, der Mann, der in Hamburg das „Rauhe Haus“ gründete. Auf einem kleinen Kirchentag 1848 in Wittenberg bat er um Hilfe für vernachlässigte und Straßenkinder in Deutschland. Der preußische König holte ihn für ein Resozialisierungsprogramm nach Berlin. Mit seinem Wirken legte Wichern den Grundstein für die Innere Mission, die heutige Diakonie; das Diakonische Werk. Er erfand den Adventskranz mit einer Kerze für jeden Tag für „seine Kinder“.
In der Schloßkirche befinden sich die Gräber Luthers (Foto rechts)und Melanchthons sowie Friedrich des Weisen und seines Bruders Johann des Beständigen. Auf dem Sterbebett soll Friedrich der Weise nach Luther gerufen und mit ihm das Abendmahl mit Brot und Wein gefeiert haben. Das soll die einzige persönliche Begegnung der beiden gewesen sein. Im Reformationsjahr 2017 hat der Staat der Evangelischen Kirche die Schloßkirche geschenkt.
(Fotos aus dem Internet, lks. Melanchton, re. Luther.)
Weiter führt unser Weg zur Stadtkirche St. Marien, in der Luther wohl 2.000 Mal gepredigt hat. Hier hielt er 1521 den ersten evangelischen Gottesdienst in deutscher Sprache. Mit Erstaunen erfahren wir, dass Luther ein glühender Marienverehrer war.
Der Reformationsaltar von Lucas Cranach d.Ä. zeigt links die Taufe durch Melanchthon, in der Mitte das Abendmahl mit Luther (der Becher wird herumgereicht) und links die Beichte mit Johannes Bugenhagen, einem Weggefährten Luthers. Auf der Predella ist mittig Jesus am Kreuz zu sehen, rechts Luther, predigend vor Wittenberger Bürgern, für damalige Verhältnisse eine ungewöhnliche Darstellung.
Zu erwähnen ist auch das verstörende Relief der „Judensau“ an der Außenwand der Stadtkirche.
Dazu auf dem Boden darunter das Gegendenkmal - vier Steinplatten zum Quadrat symbolisieren „die Schuld ist zugedeckt, aber nicht getilgt“. Daneben ist als Zeichen der Versöhnung eine Zeder gepflanzt. Heute leben in Wittenberg noch 14 % evangelische, 6 % katholische Christen und 80 % Menschen ohne christliche Religion. (Foto der Stadtkirche aus dem Internet)
Zum Schluss sehen wir noch das Wohnhaus von Johannes Bugenhagen, Pfarrer an der Stadtkirche, der mit seiner Familie als Begründer des ersten evangelischen Pfarrhauses angesehen wird. Bugenhagen wurde später nach Pommern und Dänemark gerufen und führte dort die Reformation ein.
Den Abend beschließen wir entspannt mit einem leckeren Essen im Brauhaus zu Wittenberg am Marktplatz. Eingangs überrascht uns Günter mit einem Glas Sekt, um den Regen und die eine oder andere kleine ungeplante Programmänderung vergessen zu lassen.
Dann treten wir vergnügt über den wieder erlebnisreichen Tag den Weg zu unserem Hotel an.
So, das war’s für heute: Gute Nacht.
Mittwoch, 6. Oktober 2021
Von WITTENBERG nach TORGAU
von Günter
Ein neuer Morgen erwacht, diesmal schon um 7.30 Uhr ein gutes Frühstück im Best Western Soibelmanns. Zum Auschecken landen die Koffer im Depot, denn am späten Nachmittag geht es weiter nach Torgau.
Wir treffen uns um 8.45 Uhr vor dem Hotel. Zweite Runde „Wittenberg entdecken“ mit Johannes Glaubig, unserem missionarisch bis evangelikal ange- hauchten Stadtführer, zur Besichtigung des Lutherhofes (erbaut 1504).
Im Durchgang des Augusteum - Lutherhaus zum Innenhof die Luther-Rose an der Decke mit den dreidimensional bemalten und beschrifteten Balken mit Zitaten von Luther:
Ich hab einmal des Papstes Dekret allhier zu Wittenberg verbrant und ich wollte wol noch einmal verbrennen.
Über dem Torbogen zum Innenhof steht:
Niemand lasse den Glauben daran fahren, daß Gott an ihm eine große Tat will.
Im Innenhof begrüßt uns ein modernes Denkmal von Katharina von Bora, die auf ihre Weise in der damaligen Zeit den für Frauen vorgegebenen Rahmen sprengt.
Mit entschlossenem Schritt durchschreitet Katharina einen symbolischen Türrahmen. Erschaffen 1999 von der Künsterlin Nina Koch.
Wegen unserer außerordentlichen Gruppengröße (immer nur 15 Menschen dürfen als Gruppe gleichzeitig coronabedingt geführt werden), teilen wir uns für den Einlass in 15 plus 3 und machen uns in dieser Kombination auf den Weg.
In diesem großen Haus gibt es viel Staunenswertes zu sehen, ein Ablassbrief im Original, Kisten und Kasten, eine Druckerpresse, im Refektorium dieses ehemaligen Klosters ein Regenbogen.
Monika sandte der Gruppe nach unserer Luther-Reise aus den berühmten Uffizien in Florenz ein Foto von den Original-Portraits mit Martin und Katharina Luther.
Bei so viel Sehen- und hörenswertem lassen die Konzentrations- und Aufnahmemöglichkeiten dann doch ermatten.
Wir stellen uns vor, wie hier „Herr Käthe“ mit Küche und Kräutergarten Studierende der Theologie und Philosophie, der Medizin und der Jurisprudenz ebenso bewirtet und verköstigt hat wie Kurfürsten und Professoren.
Nicht zu vergessen auch die Ausgrabungen im Hof und Luthers Toilette.
Nebenan geht es um 10.30 Uhr weiter in das zum Reformationsjubiläum 2017 sorgfältig instandgesetzte Melanchthonhaus, das zu einem modernen Museum erweitert wurde und an das Leben und Wirken des Humanisten, Reformators und Schulreformers Philipp Melanchthon (dt. Schwarzerd) erinnert.
Das im Stil der Renaissance erbaute Haus ist ein architektonisches Kleinod und gilt als eines der schonsten Burgerhauser der Stadt Wittenberg. Der Ausstellungsteil im Neubau zeigt Handschriften, Drucke, Gemälde und Büsten, die von der Bedeutung Melanchthons für die Reformation und die Entwicklung des Protestantismus erzählen.
Durch ein kleines Tor in der Häuserfront an der Collegienstraße betreten wir den Innenhof der Leucorea, der Wittenberger Universität, die heute mit der Universität Halle verbunden ist. An den Wänden Gedenktafeln an die früheren Professoren, u.a. auch erinnernd an Anton Wilhelm Amo (um 1700 – nach 1775), Student von 1730 – 1735, den ersten schwarzen Philosophen, ein ehemaliger Sklave aus Afrika.
Wir gehen weiter zum Markt, wo immer noch die Bauten des ZDF- Fernsehgartens die Sicht auf Rathaus, Brunnen und die Denkmäler von Luther und Melanchthon versperren.
Nach dem DDR-Ende wurden u.a. die Cranachhöfen wieder wunderbar restauriert, berichtet uns Herr Glaubig in der ihm eigenen sehr expressiven Art über das Leben und Werken der Künstler und Handwerker zur Zeit Cranachs.
Das geplante Mittagsgebet in der Schlosskirche mit Orgelmusik (ein erneuter Eintritt wäre fällig geworden!) verlegen wir in die Stadtkirche St. Marien mit dem berühmten Reformationsaltar von Lucas Cranach d. Ä., wo wir mit einer Schwester uns in Psalm 104 und 2. Korinther 9 vertiefen und miteinander „Hilf, Herr meines Lebens“ und „Laudate omnes gentes“ anstimmen.
Dann ist auch schon wieder Mittagszeit angesagt. Kriemhild und Günter ergründen noch mit Hilfe einer freundlichen Mitarbeiterin der Ausstellung „Cranachs Welt. Leben und Werk der Malerfamilie im historischen Cranach-Hof“ die Bedeutung des rätselhaften Cranach-Logos (siehe im Anhang: Das Wappen Lucas Cranachs d.Ä.)
Aber dann stärken auch sie sich im „Wittenberger Kartoffelhaus“ mit Reibekuchen und Kartoffelsalat „Alter Fritz“. Beim abschließend notwendigen Gang zum Erleichtern ließen sich in den schmalen langen Gängen des urigen Gasthauses „Zum Schwarzen Bär“ auch noch andere hungrige Gruppenmitglieder aufspüren. Kurze Zeit später treffen wir in der Gelateria Italiana noch den Rest der Gruppe, die sich trotz frischen Wetters ein Eis und einen heißen Kaffee gönnten.
Blick in Richtung Stadtkirche in der Mittelstraße, die parallel zur Collegienstraße verläuft.
Ein Graffiti eines bittenden Kindes mit großen leeren Augen an der Hauswand, daneben steht:
Sie heißen Geduld und Zuversicht und ihr Schicksal liegt in meinen Händen.
Auf dem Weg zum Asisi-Panorama, Lutherstr. 42 können wir noch einer ehemaligen Wuppertaler Doktorandin und heutigen Freiburger Professorin den Weg in die Universität erläutern. Klein ist die Welt. Wir lassen den herrlichen Sonnenschein hinter uns und treten wir um 15 Uhr – ausgerüstet mit Audio-Guide – in das Dunkel des spektakulären 360 Grad Panoramas Luther 1517 von Yadegar Asisis ein. Die kolossalen detailreichen Bilder und die begleitenden Töne nehmen jede/n von uns gefangen – von unten oder von der mehrstöckigen Tribüne. Lediglich die Nachtfenster im dargestellten Haus der Familie Luther bleiben uns vorbehalten, es ist ja schließlich auch erst Nachmittag.
Wieder im Hellen angelangt, drängt es einige zur Besichtigung der Luther-Eiche in alter und junger Form von 1830. Dazu 500 (?, wir haben nicht nachgezählt) in Wittenberg neu gepflanzte Bäume, Spenden aus aller Welt mit Herkunftsschildern in der Allee zurück zum Treffpunkt am Hotel.
Sabine und Dieter entdeckten die Eichen-Besucher vom gegen-überliegenden Bunkerberg, einem in den 1950er Jahren am östlichen Stadteingang unweit des Lutherhauses unvollständig gesprengtem runden Hochbunker der anschließend nur verfüllt, mit Erdreich bedeckt und begrünt wurde mit Anschluss an den benachbarten Universitätsgarten. Zum 500 jährigen Reformationsfest erfolgte die Neugestaltung zum begehbaren Denkmal.
Verspiegelte, sich kreuzende und überhängende Stege eröffnen neue Blickwinkel auf die Stadt, die Elbbrücken und –Auen und eröffnen Wege für spirituelle Erfahrungen. Die räumliche Installation nach einem Entwurf der Hochschule Düsseldorf ist eine Schenkung der Evangelischen Kirche in Deutschland an die Lutherstadt Wittenberg zum 500. Reformationsjubiläum. (Teilweise von einer Infotafel und aus wittenberg.de/kultur-und-tourismus/) -
Die Lutherstadt Wittenberg aus der Vogelperspektive, Postkarte, leicht bearbeitet und nummeriert von Dieter 1 vorne das Augusteum, dahinter das Lutherhaus, 2 unser Best Western Hotel, 3 Melanchtonhaus mit Neubau, 4 Stiftung Leucorea/ Universität, 5 Stadtkirche St. Marien (vor den Türmen das Rathaus mit Marktplatz), 6 ehemaliges Schloss mit Kirche (Thesentür).-
Die Koffer aus dem Hotel-Depot werden rasch verladen, die Hilfsbereitschaft unseres Busfahrers ist wieder einmal sehr entwicklungsfähig. Um 18 Uhr geht es rund 50 Kilometer in Richtung Torgau, in die Hauptresidenz von Johann Friedrich dem Großmütigen („Torgau ist immer meine Wonne gewesen...“) und zugleich ist die Stadt besonders mit Katharina von Bora verbunden. Torgau war die erste Station für die 24-jährige nach ihrer Klosterflucht auf der Reise in ein bürgerliches Leben und zugleich die letzte Station des Lebensweges der Witwe Martin Luthers. Sie starb hier am 20. Dezember 1552 und ist auch hier begraben. Die untergehende Sonne begleitet uns auf leeren Straßen, abgesehen von rasenden LKWs eine entspannte Fahrt.
Unser Torgauer Brauhof an der Warschauer Straße überrascht uns mit einem ausgezeichneten Busparkplatz, aber dafür gibt es beim Einchecken um 19 Uhr keinen Aufzug im Hotel. Dieter, Michael & Co. lösen das Koffer-Problem wie gehabt und gehen menschenfreundlich zur Hand.
Zum Abendessen um 20 Uhr überrascht uns an einer wie zur Hochzeit gedeckten langen weißen Tafel ein kulinarisches Büffet der Extra-Klasse, da blieben keine Wünsche offen. Und der Aquavit setzt wieder einmal den Schlusspunkt.
Von TORGAU, Kathe und mehr, - nach Leipzig,
der 7. Tag der Reise von Annette
Nachdem wir um 7:30 Uhr ein leckeres Frühstück am Buffet im Hotel verputzt haben und Busfah- rer Rüdiger das Einladen der Koffer durch uns in den Bus beaufsichtigt hat, geht es los. Es ist ein kalter, aber sonniger Morgen, als Rüdiger uns am Marktplatz vor dem Rathaus in Torgau ab- lädt.
Auf der kurzen Hinfahrt habe ich schon überlegt, ob wir uns wohl auf der Straße befinden, wo 1552 die Witwe von Luther, Katharina Luther, geb. von Bora, (von Luther genannt Käthe) auf der Flucht aus Wittenberg vor der Pest, an einem dunklen No- vemberabend, kurz vor ihrem Ziel, mit dem Wagen verunglückt und sich ihr Becken brach?
Aber schon treffen wir die nette und kompetente Reiseführerin für diesen Tag, Frau Kathrin Nies. Sie führt uns zunächst an zwei Sakralbauten vorbei, die mal Kirchen waren, aber jetzt leer stehen bzw. zur Aula eines Gymnasiums wurden. Wir erfahren einiges über die Stadtgeschichte: gegründet von Slawen auf einem Hügel an Handelswegen und Fluss, im Mittelalter zweimal abgebrannt, zu Katharinas Zeiten gerade wieder neu aufgebaut und Hauptsitz des sächsischen
Kurfürstentums, aufgestiegen zur „Amme“ der Reformation (Wittenberg war ihre Mutter). Im 7-jährigen Krieg Austragungsort der letzten Schlacht, 1811 von Napoleon zur Festungsstadt ausgebaut, 1815 als Garnisonsstadt von den Preußen übernommen. Diese Nutzung prägt heute noch das Stadtbild mit Häusern und Verteidigungsanlagen und kaum Industrie.
Und schon stehen wir vor dem Sterbehaus von Katharina Luther. Authentische Exponate gibt es keine. Die Räume sind frisch renoviert und zeigen das Leben der Frau in der Renais- sance und von Frau Luther im Besonderen. Luther war mehr als 40 Mal in Torgau und bastelte mit seinen Gefährten an den Schriften der Reformation.
Über seine Käthe sagte er: “Ich wollt meine Käthe nicht für ganz Frankreich und Venedig dazu hergeben, weil Gott sie mir und mich ihr geschenkt hat. Außerdem erfahre ich oft, dass an anderen Frauen mehr Mangel ist als an meiner Käthe; und wenn auch sie etliche Mängel hat, so stehen doch demgegenüber viel größere Tugenden.“
Das kann natürlich nicht ohne eine Ergänzung im Raume stehen bleiben! Denn Katharina werden zu Beginn ihrer Ehe folgende Worte zugeschrieben:
„Ich muß mir den Doktor anders gewöhnen, damit er macht, wie ich es will.“
Auf der Führung wird uns auch das älteste noch erhaltene Priesterhaus von 1493/94 vorge- stellt, wo der erste Superintendant Georg Spalatin lebte, der „Flüsterer“ zwischen Luther und seinem Fürsten Friedrich den Weisen. Bekanntlich haben sich Fürst und Luther nur in Worms gesehen. Das Haus wurde zu einer Begegnungstätte der Reformatoren. Es beherbergt heute die Ausstellung „Klang und Glauben“, die an Johann Walters Schaffenswerk erinnert.
Zusammen mit Luther schrieb er 1524 das erste evangelische „geistli- che Gesangbüchlein“ und gestaltete die Deutsche Messe neu. 1526 gründete er die erste stadtbürgerli- che Kantorei, im Chor -zunächst nur Männer- und begleitet von Posau- nen: typisch evangelisch.
(Aber für die Frauen wurde auch gesorgt, es gab 1525 die erste Schu- le für sie in Torgau.)
Nachdem dann noch die Tonspiele durch die verspielten Mitglieder der Reisegruppe ausprobiert worden sind und eine Komfortpause erfolgt ist, geht es weiter zur Stadtkirche.
Am 20.12.1552 wurde Katharina von ihren Leiden erlöst. Sie starb im Beisein eines Sohnes und einer Tochter. In der Stadtkirche Sankt Marien ist sie bei- gesetzt, aber nicht in der Nähe ihres Grabsteines, sondern ihm gegenüber im Eingangsgewölbe zur Kir- che, (da wo Karin steht), ganz in der Nähe der im Kindbett verstorbenen Herzogin Sophie.
In der Schlosskapelle, von Luther als erste evangelische Kirche geweiht, hal- ten wir Andacht zum Thema Luthers Litur- gie.
Im Anschluss haben alle noch etwas freie Zeit zur Verfügung, die vielfach zum Eisschlecken im Son- nenschein genutzt wird, bevor es weiter geht.
Die Stadt beherbergt das älteste Spielzeuggeschäft Deutschlands (seit 1685).
Torgau ist nicht nur der Ort, wo es mit Katharinas Tod en- dete, wobei das Ende relativ ist. Es gibt noch heute eine „Lutheridenvereinigung“ der Nachkommen mit 200 Mitglie- dern.
Torgau ist auch die Stadt des Beginns der Geschichte von Herrn Käthe und Luther. Denn hier war 1523 die erste Sta- tion auf der Flucht der acht Nonnen und Katharinas aus dem Kloster Nimbschen.
„In jeder Tonne saß ́ne Nonne“ sagt der Volksmund über die Umstände der Flucht. (Bild im Cafe des Kloster Nimb- schen) Tatsächlich war Katharina von ihrem verwitweten Vater bereits mit 5 Jahren ins Kloster verbracht worden. Hier lernte sie zwar viel, was ihr später beim Führen von Luthers Haushalt nützlich war, aber glücklich machte sie dieses Leben nicht. Und als der Stadtrat Knoppe die Flucht organisierte, war sie in der ersten Truppe mit dabei. Wo es endete, habt ihr ja schon gehört.
Nach dem wir uns mit Kaffee und Kuchen gestärkt haben...
... und die Reste des Klosters, dass nach seiner Auflösung 1536 als Gut genutzt und für Bauma- terial abgetragen wurde, begangen haben, ...
... geht es mit dem Bus weiter nach Leipzig.
Durch ein Labyrinth von Baustellen- sperrungen suchen wir unseren Weg zum Hotel am Hauptbahnhof. Dort beaufsichtigt Rüdiger das Ausladen der Koffer, die wir zu einer kurzen Erfrischungspause auf die Zimmer bringen.
Denn bereits um 18 Uhr beginnt das Essen im Hotel mit unseren vorbe- stellten panierten Schnitzeln und natürlich mit Leipziger Allerlei.
Gleich geht es weiter zu Fuß ins Kabarett „Leipziger Funzel“.
Dort um 19 Uhr 20 eingetroffen, gingen wir zum Lachen in den Keller.
Uns wird unter dem Thema „Freude schöner Spötterfunken - ein hölli- scher Spaß“ - ein nach meinem Ge- schmack eher seichtes Kabarett ge- boten, eben Funzel nicht Feuerwerk.
Bemerkenswert war die Damentoilette mit Pissoir, Gender eben.
Die Meisten von uns gehen anschließend voll der Eindrücke ins Bett, um für den nächsten Tag fit zu sein.
Freitag, 8. Oktober 2021
LEIPZIG: Stadtrundfahrt, Stadtrundgang und Auerbachs Keller
von Dieter & Günter
Nach dem amüsanten Abendprogramm im Funzel-Kabarett konnten wir endlich mal wieder bis um 8.00 Uhr „ausschlafen“. Das Wetter ist bedeckt bei 12 Grad.
Die Gästeführerin Frau Susanne Schottke erwartet uns um 9 Uhr in unserem Bus zu einer rund zweistündigen Stadtrundfahrt zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten. Doch bevor „es losfährt“, erhalten wir einen 20-minütigen Vortrag über den Ursprung der sorbisch-slawischen Siedlung, deren Namensbedeutung „Lindenort“ sei, reich geworden durch Silbervorkommen im Erzgebirge. Allerdings sei die Gründungs- bzw. Erst-Erwähnungs-Urkunde zum Alter der Siedlung eventuell „nicht fälschungssicher“ gewesen.
Weiteren Reichtum und wirtschaftlichen Aufschwung brachte auch die Lage der 600.000 Einwohner-Stadt im Kreuzungsbereich der „via regia“, dem Königsweg, auf der die Händler aus und in alle Himmelsrichtungen ihre Waren kauften oder verkauften. Aus diesem „Verkaufsparadies“ entwickelten sich im 13. Jh. die Oster- und Michaelismärkte. Daraus entstand wiederum die 1485 erstmals durchgeführte Neujahrsmesse, aus der dann die Leipziger Messe hervor ging, später dann die (Waren-) Muster-Messe mit dem berühmten doppelten übereinanderstehenden zwei M`s. Es wurden nur noch Warenmuster, nicht gleich die kompletten Waren oder Kollektion gezeigt und erst auf Bestellung hergestellt bzw. geliefert.
Die DDR hat die jährlich im Frühjahr und Herbst stattfindende Leipziger Messe immer mit großer medienpolitischer Aufmerksamkeit sowie mit Sonderbriefmarken, Ersttagsbriefen und Sondermünzen für die Sammler begleitet.
Leipzig hat Europas größten Kopfbahnhof mit 26 Gleisen und ist 300 Meter lang. Bei seinem Bau in der 2. Hälfte des 19. Jh. war er für 1 Million Fahrgäste konzipiert worden und liegt mit der Schmalseite direkt an unserem Best-Western-Hotel in der Stadtmitte. Weiter folgt eine lange Aufzählung der neueren wirtschaftlichen, verkehrstechnischen Infrastruktur (Banken, Versicherungen, Lager- und Logistik, Flughafen), Kulturbereich (Theater, Kabarett, Musik, Buchdruckereien, Verlage), Wissenschaft und Forschung (Universitäten, Fachhochschulen), zukunftsträchtigen Arbeitsmärkten (IT, Solar, Automobilfabriken usw.).
Um 9.25 Uhr fahren wir endlich los. (Wir berichten nur in Auswahl) Prominente Persönlichkeiten wie Richard Wagner wurden in Leipzig geboren und getauft, Joachim Ringelnatz, Satiriker und Kabarettist, wohnte ab 1886 mit seinen Eltern einige Jahre in Leipzig. Die spätere Frau von Kanzler Helmut Kohl, Hannelore, wuchs am Zoo auf, an dem wir vorbeifahren. Davor stehen sog. „Fruchtkisten“, 6 - 8 sitzige Kindergarten-Kinderwagen aus DDR-Zeiten, mit denen die Erzieherinnen die Klein-Kinder spazieren fahren. Dann kommen wir nach Gohlis, einem Stadtteil reicher Leipziger Bürger und Unternehmer mit entsprechenden repräsentativen Häusern und Villen aus der Gründerzeit. Im Stadtteil ein Rokoko-Schloss
(original: Rogogo-) mit Kegelbahn, das bis 1902 Privatbesitz war. In den 1980er Jahren wurde es nach umfangreicher Renovierung für öffentliche Veranstaltungen zugänglich gemacht.
Der Dichterfürst Schiller, ein passionierter Frühaufsteher, wohnte 1785 hier im Musenhof und verfasste den Text zum „Lied an die Freude“, das zur Europa-Hymne wurde. Auf diesen Hinweis versetzt die Gruppe ihre Stimmbänder in Schwingungen und stimmt das Lied mit lauter Freude an
... - Hier wurde Schiller auch zu den „Räubern“ durch folgende Geschichte inspiriert: August der Starke (König von Sachsen mit Wohnsitz in Dresden) wollte in Leipzig ein Schloss bauen lassen. Aber auch schon damals gab es „Wut-Bürger“, die das nicht wollten. Sie erfanden eine Geschichte, dass im geplanten Baubereich, wo es damals noch viel Wald gab, sich viele Räuber herumtreiben würden, und dies für des Königs Gefolge zu gefährlich sein könnte – worauf August von seinem Vorhaben abließ.
Vorbei am Sportzentrum mit Stadion vom Fußballbundesligisten RB Leipzig.
Nach Berlin hat Leipzig das zweitgrößte Straßenbahnnetz Deutschlands.
Im Ortsteil Plagwitz, einem ehemaligen Industrieviertel, geht es vorbei an den feudalen Villen der Industriellen.
Rings um Leipzig wird in großen Tagebauen noch die im doppelten Wortsinn „berüchtigte“ Braunkohle abgebaut. Nach der Schließung dieser Bergwerke um 2035 sollen 18 Seen die riesigen Löcher mit Wasser füllen. Am Klara-Zetkin-Park sehen wir die Meyer-Villa, Besitzer des gleichnamigen Lexikon-Verlages.
Vorbei am Bundesverwaltungsgericht (BVerwG). In dem Gebäude befand sich ehemals das Reichsgericht, in dem 1933 der Prozess um den sog. Reichstagsbrand (sehr wahrscheinlich von den Nazis inszeniert) gegen den unschuldigen und zum Tode verurteilten Martinus van der Lubbe stattfand. Die Reiseleiterin äußert ihr Entsetzen über das Bundestags-Wahlergebnis der AfD trotz DDR-Erziehung zum Antifaschismus und u.a. Besuchen als Schüler in den ehemaligen Konzentrationslagern. Leipzig sei seit der Wende 1989/90 eine von der SPD regierte Stadt.
Das Hauptgebäude der damaligen Karl-Marx- Universität, erbaut 1968 – 1973, hat eine Höhe von 142,5 Metern mit 34 Etagen. Es soll als aufgeschlagenes Buch „gelesen“ werden, die Leipziger sagen „Weisheitszahn“ dazu.
Auch heute befinden sich Teile der Universität darin, u.a. in dem Glasbau mit Seminarräumen und dem Paulinum mit der Aula und Universitätskirche. Komponisten wie Georg Philipp Telemann, Robert Schumann und Richard Wagner als Student waren eng mit der Universität verbunden, Felix Mendelssohn Bartholdy und Heinrich Marschner als Ehrendoktoren sowie Max Reger als Universitätsdirektor. Diverse Firmenbüros sowie Büros und Studios des MDR haben ihren Sitz ebenfalls im Hochhaus. Von der Dachterrasse in 120 m Höhe hat man einen fantastischen Blick über die Stadt.
Auf dem ehemaligen Gelände des riesigen Schlachthofs steht heute ein modernes Radio- und Fernsehzentrum mit großen Studios des MDR, wo u.a. die Krankenhausserie „In aller Freundschaft“ und die Talkshow „Riverboat“ produziert werden.
Vorbei am Panometer, dem Kohlrabi-Zirkus (Kulturzentrum) und der Alten Messe (Günter erinnert an den ersten Ev. Kirchentag nach der Wende in Leipzig 1997, wo er dort einen Liturgischen Tag in Erinnerung an Albert Schweitzer gestaltet hat.) geht es weiter durch das multikulturelle „Pleiße- Athen“.
Im Südosten der Stadt kommen wir zu einem der größten europäischen Denkmale, das an die Völkerschlacht von 1813 gegen Napoleon erinnern soll. Wir bleiben wegen des ungemütlichen Wetters im Bus.
Frau Schottke berichtet von den bautechnischen Planungen und Ausführungen des mit 91 Metern hohen und begehbaren Denkmals und über die damit verbundenen politischen Absichten des martialischen Bauwerks, das 100 Jahre nach der Schlacht am 13.10.1913, quasi am Vorabend zum 1. Weltkrieg 1914, eingeweiht wurde. Und von den großen Grausamkeiten und hohen Opferzahlen dieser Völkerschlacht. Ein Jahr habe es gedauert, bis alle Toten begraben waren. Da waren die Sachsen mal wieder “auf der falschen Seite“.
Auch die orthodoxe Kirche für die russischen Gefallenen mit Putins Gold sollen wir nicht übersehen.
Leipzig war und ist auch die Stadt der Bücher und Verlage, z.B. Brockhaus, Reclam, Meyer (Lexikon), Ev. Verlagsanstalt. Nach Frankfurt/ Main ist Leipzig die zweitgrößte Bücher-Messe, die bis ins 17. Jh. zurückgeht. Westliche Verlage waren ab 1952 in der DDR vertreten. Das große Interesse der DDR-Leser, die vorgestellten neuen Titel zu kaufen, konnte oft wegen der Papierzuteilungen (und nicht zuletzt aus „politischen Gründen“, D.P.) nicht erfüllt werden. So konnten 1965 800 Titel nur als „Blindband“ gezeigt werden. Dafür war die Toleranz der West- Verlage gegenüber Diebstählen sehr groß: Uwe Tellkamp stellte dies in seinem Roman: „Der Turm“ dar. (wikipedia, Leipziger Buchmesse, Stand 03.10.2021)
Bis 1940 lebten 12 Prozent Menschen mit jüdischem Glauben in Leipzig.
Im 2. Weltkrieg wurde die Stadt in Teilen zu 70 bis 90 Prozent zerstört. Unter großen Anstrengungen wurde die Stadt wieder aufgebaut und - so gut es zu DDR-Zeiten ging - in Stand gehalten. Nach der Wende 1989 wurden die großen, mehrstöckigen „Altbauten“ aus der Wende vom 19. zum 20. Jh. grundsaniert, mit Wohnflächen von 100 und mehr Quadratmetern. Trotzdem seien die Mieten vergleichsweise sehr günstig, sagte Frau Schottke auf Nachfrage: zwischen 5 (!) bis 16 (!) € pro qm.
Erst nach einigem Herumkurven durch Baustellen und Umleitungen kommt der Bus bis ans Neue Rathaus heran, dem „Neuschwanstein Leipzigs“, von wo wir zum Stadtrundgang starten.
Auf den Grundmauern der ehemaligen Pleißenburg wurde von 1899 – 1905 der monumentale Bau mit Giebeln und Türmchen gebaut, die Fassade ist aus hellgrauem Kalkstein. Die L-Form des Gebäudes heißt im Volksmund „Linke Insel“.
Gleich beim Ausstieg begrüßen uns Martin Luther und Johannes Eck mit ihrem Konterfei auf zwei
Erinnerungssteinen. Auf der Pleißenburg fand vom 27. Juni bis zum 15. Juli 1519 die berühmte Leipziger Disputation (über die menschliche Willensfreiheit und die Gnade Gottes) zwischen Johannes Eck, Theologe aus Ingolstadt als Herausforderer, und den Verteidigern aus Wittenberg, den Theologen Andreas Bodenstein (gen. Karlstadt) sowie Martin Luther statt. Luther führte 1539 in Leipzig die Reformation ein.
Weitere Kirchenherren (z.B. auch Johannes Calvin) grüßen von der hohen Fassade am feudalen Petersbogen, einem neu gebauten Konsumtempel. Davor werden hunderte Luftballons aufgeblasen und für eine begehbare Lichtinstallation an einem Gestell festgebunden für das Lichtfest rund um den 9. Oktober mit Friedensgebet und einer Rede zur Demokratie von Vitali Klitschko, der OB der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Dieses Datum erinnert an die Ereignisse von 1989.
Weiter geht ́s dicht gedrängt durch die vollen Straßen Richtung Thomaskirche, in der seit 808 Jahren der weltberühmte Thomaner-Knaben-Chor beheimatet ist. Hierhin wurde Johann Sebastian Bach 1950 umgebettet, weil sein bisheriges Grab in der Johanneskirche im 2. Weltkrieg zerstört worden war. Bach war von 1723 bis zu seinem Tod 1750 Kantor in der Thomaskirche.
Nach dem Stadtrundgang besteht die Gelegenheit, den Proben des “erwachsenen“ Thomaner-Chors mit Orchester auf der Orgelempore zu lauschen. - Anstatt ein entsprechend großes und gut lesbares Schild am Eingang aufzustellen, dass Foto-, Film- und Tonaufnahmen während der Proben nicht erlaubt sind, müht sich ein einzelner junger Mann ab, freundlich auf das Verbot aufmerksam zu machen - aber immer erst dann, nachdem die vielen Besucher ihren Apparat schon gezückt und Aufnahmen gemacht haben.
Die Thomaskirche von der Rückseite. Hier wurde Richard Wagner getauft und J. S. Bach wurde 1750 nach mehreren Umbettungen am Johannisfriedhof bzw. unter den Altar der Kirche im Frühjahr 1950 in die Thomaskirch überführt.
Dann geht es vorbei an der barocken Alten Börse zum „Naschmarkt“, einem kleinen Platz am Alten Rathaus mit Arkaden, in dem sich viele kleine Geschäfte und gastronomische Betriebe befinden.
Der Naschmarkt hat seinen Namen aus einer Zeit, als hier überwiegend mit Obst gehandelt wurde, das auch als Naschwerk galt. In der warmen Jahreszeit dient der Platz der Freiluftgastronomie, im Winter als Teil des Weihnachtsmarktes.
Als prächtigste Straße Leipzigs gilt die Katharinenstraße, in der mehrere bedeutende großbürgerliche Häuser und schmucke Hausfassaden zu sehen sind. Dazu gehört auch das Frege-Haus, ein im barocken Stil umgebautes Kaufmannshaus.
Seinen heutigen Namen verdankt das Frege-Haus dem Bankier Christian Gottlob Frege II. (1747–1816), der es 1782 erwarb. Es blieb bis 1945 Sitz der Privatbank und bis 1976 eines Handelsbetriebes (mit staatlicher Beteiligung) der Familie Frege. Ab 1978 war das Frege- Haus der Sitz des VEB Leipziger Denkmalpflege, die das Haus von 1980 bis 1986 sanierte. ... Als Nachfahren der Familie sind unter anderem der Vetter 2. Grades 3 × entfernt von Christian Gottlob Frege II, der erste Präsident des Bundesverwaltungsgerichtes Ludwig Frege und sein Enkel Andreas Frege, besser bekannt als Campino, Sänger und Frontmann der deutschen Musikgruppe Die Toten Hosen.
Im Hof des Frege-Hauses befindet sich links oberhalb der Tür auf der Höhe des Tür-Oberlichts/ Fensters ein Relief mit den Gesichtern des Papstes, des Kaisers Karl V. und Luthers. Warum das Spottbild in dem Hof angebracht wurde, steht weder im wikipedia-Frese- Artikel noch im Reiseführer.
Luther (liegend) soll angeblich schmunzeln.
Jetzt besuchen wir die Nikolai-Kirche. Sie war der zentrale Ausgangspunkt für die Friedensgebete und Montagsdemonstrationen, als nicht nur in Leipzig beim friedlichen Protest gegen die gefälschten Volkskammerwahlen im Mai 1989 echte Demokratie, Rede-, Meinungs- und Reisefreiheit gefordert wurden.
In der Nicolaikirche nehmen wir an der öffentlichen Mittagsandacht rund um das Nagelkreuz von Coventry teil, passend schwirren Vögel durch den palmenartigen Kirchenraum. Zufällig erfahren wir bei der Andacht, dass das geplante Konzert des Thomaner Knabenchors nicht in der Thomaner-, sondern am Abend hier in der Nikolaikirche stattfindet.
Dann ist endlich Mittags-Pause zur freien Verfügung bis um 17.30 Uhr
Kriemhild & Günter schreiben Karten zum Gruß an die, die zuhause bleiben mussten, und entdecken auf dem anschließenden Bummel an der Ecke vom Markt, den Athen-Grill (Modern Greek Food) mit dem überdimensionalen Schild:
Dönninghaus-Menü – würzig, herzhaft, lecker. Die Currywurst, die seit 1935 in Bochum hergestellt wird. Ab sofort auch in Leipzig zu genießen.“
Nach dem Verzehr eines des thüringischen Klassikers: Rostbratwurst vom „Wurstmeister“ kehren Dieter und Sabine für ein mächtiges Stück Torte mit „eenem guuten Schäälchen Heeßen“ im Mephisto-Café in der Mädler- Passage ein, mit Bar und Raucherlaubnis!! - direkt am Abgang zum Keller. Von der Decke verteilt Mephisto in unregelmäßigen Abständen Rauchschwaden und das Licht flackert mit vulkanischem Grollen.
Andere genießen die eindrucksvolle „Haustorte“ mit Prosecco und Cappuccino im Café Riquet (einem alten Kaffeehaus seit 1745, erbaut 1908), ganz im „Jugendstil mit den Elefantenköpfen“.
Die eine oder der andere schlendert durch Geschäfte und weiteren architektonisch interessanten Passagen, schaut sich prächtige Jugendstilfassaden an, besorgt ein Mitbringsel oder macht einen Liegetest im Hotel.
Wir treffen uns zur Motette mit dem Thomaner-Chor und Mitgliedern des Gewandhaus-orchesters um 17.30 Uhr vor der Nikolaikirche. Der Andrang vor der Kirche ist groß. Aber um 18 Uhr ist die ganze Gruppe „drin“. Wegen der Coronaregeln dürfen nicht alle Plätze besetzt werden: nicht (ganz) nachvollziehbar bei den sehr großen Abständen in und zwischen den langen Sitzbänken und Maske tragen.
Wir erinnern uns während der Andacht an jene Zeit um 1989: Die Revolution verschlingt ihre Kinder, die Revolution entlässt ihre Kinder, die friedliche Revolution sendet ihre Kinder und bindet sie ein.
Nach dem wunderbaren wie stimmungsvollen (Motetten-) Konzert geht es auf Günters Empfehlung noch eine Runde um die Nikolaikirche. Auf dem Platz ist eine Musikbühne aufgebaut und eine Säule mit Palmenblättern errichtet, wie sie in der Kirche stehen. (2 Fotos gestrichen)
Dann geht ́s in die Mädler-Passage, in den weit über Leipzig hinaus bekannten historischen und sagenumwobenen Auerbachs Keller mit seinen „kulinarischen Köstlichkeiten“.
Vor 1496 Jahren, so sagt es die Historie, begann Dr. Heinrich Stromer von Auerbach (1482 – 1542), als anerkannter Mediziner und Philosoph im Jahr 1525 im Weinkeller seines Hauses die Studenten mit dem Ausschank von Wein zu beglücken – und vom Studium abzuhalten. Daraus entwickelte sich über die Jahrhunderte ein sehr erfolgreiches Geschäftsmodell, wie man heute sagen würde. Millionen von Gästen haben seither den
Zauber des Kellers auf sich wirken lassen, heißt es u.a. im Hausprospekt. Einer der berühmtesten Gäste lange vor „unserer Zeit“ war J. W. von Goethe, und es heißt, er war hier, weil man schon lange vor seiner Zeit zu sagen pflegte:
„Wer nach Leipzig zur Messe gereist,
Ohne auf Auerbachs Hof zu gehen,
Der schweig still, denn das beweist:
Er hat Leipzig nicht gesehn.“
(1 Foto und Satz gestrichen.)
Das Foto zeigt am Kellerabgang eine Szene aus Goethes Faust: Die Studenten werden von Mephisto verzaubert. - Dann steigen wir in gespannter Erwartung die Kellerstufen hinab und wollen uns auch mal verzaubern lassen ...
Wir warten auf das schon in weiser Voraussicht zu Beginn der Reise bestellte Drei Gänge Menü in dem herrlichen Gewölbeambiente im „Großen Keller“, mit großformatigen Bildmotiven aus Goethes FAUST. Der Keller mit 500 Gästen ist entsprechend herrlich geräuschvoll. Die Bedienung ist sehr freundlich, professionell und schnell. Unsere Separees sind „Marthes Garten“ und „Auerbachs Keller“. - Zwischendurch prostet Günter der einen oder anderen Tischgruppe immer wieder zu und erkundigt sich „nach dem werten Wohlbefinden.“
Das Menü wird eröffnet mit: Vorspeisen-3-erlei an schwarzem Brot.
Es folgt Heimischer Schmorbraten mit blauem Rotkohl an 2 Kartoffelklößen und einem kleinen Kartoffelpuffer.
Monika ist erneut begeistert vom Blaukraut - und den anderen, nicht nur Bildungshungrigen, schmeckt es auch vorzüglich.
Das eigenwillige Leipziger Bier „Gose“ und der als „Absacker“ empfohlene Kümmel-Likör „Allasch“ ist durchaus nicht der Geschmack von Jedermann und Jederfrau. Da helfen dann doch nur ein Pils und ein Aquavit.
Während wir auf den Nachtisch warten, poltert Mephisto durch den Keller und „reimt sich und den Gästen, mal in lieblichen – mal im schroffen Ton, etwas zusammen“!
Dann wird der ultimative Sattmacher als Nachtisch serviert.
Leeipzischer Kwoaakkäulschen mid eener Guugl Eeeis. – (Leipziger Quarkkäulchen mit einer Kugel Eis)
Daroof broochen mer erschtemool en guuten Gafffee und een baar hochprozentische Verdeiler.
Zu vorgerückter Stunde wird es dann
aber höchste Zeit, gemütlich ins Hotel zu schlendern,
denn um 7.00 Uhr heißt es früh Frühstücken und Auschecken, Richtung Weimar.
Auf dem Weinfass reitende Studenten im Eingangsbereich des Großen Kellers.
Samstag, 9. Oktober 2021 Von WEIMAR nach GOTHA
Hanna und Monika
Nach einem entspannten Tag in Leipzig mit spätem Frühstück um 8.00 Uhr und einem „teuflisch“ schönen Abend in Auerbach’s Keller war heute wieder „Frühstücksalltag“ um 7.00 Uhr angesagt. Monika war mal wieder um fünf nach 7.00 Uhr die Letzte. Da Samstag und eine Stunde früher als am Tag zuvor waren außer unserer Gruppe keine anderen Gäste im Restaurant, so dass es deut- lich ruhiger und entspannter war.
Bei 5 Grad und nach der üblichen Anwesenheitskontrolle durch Günter startete der Bus exakt um 8.00 Uhr Richtung Weimar. Wegen der frühen Stunde noch weitgehend autofreien Straßen war aufgrund der vielen Baustellen in Leipzig ohne Umleitungsausschilderung - wie unser Busfahrer mehrfach beklagte - sein ganzes Geschick gefragt, Bus inkl. Passagiere aus der Stadt zu lotsen. Während im Bus - dank Heizung - die Temperaturen langsam ein Gefühl von Spätsommer vermit- telten war draußen dichter Nebel angesagt. Aber bis zu unserer Ankunft in Weimar war ja noch Zeit, so dass wir die Hoffnung auf Sonne noch nicht aufgegeben hatten. Unterwegs gab es noch ein paar besinnliche Worte von Günter zum Tag, einen kleinen Vortrag über die Position der Frauen im Mittelalter und schon einmal die Gruppeneinteilung für die Besichtigung des Goethe Gartenhauses und der Anna Amalia Bibliothek.
Wir erreichten pünktlich Weimar. An den Temperaturen hatte sich noch nichts wesentlich geän- dert. Die Sonne war offensichtlich noch nicht so richtig „wach“, ähnlich wie die eine oder der an- dere von uns. Ausgerechnet an diesem Wochenende fand in Weimar der traditionelle Zwiebel- markt statt. Eine Tradition seit 368 Jahren. Die Stadt war laut und voll, man hatte teilweise viel Mühe durchzukommen. Wie vor einigen 100 Jahren ein Magnet für das ganze Umland. Ursprüng- lich ein reiner Bauernmarkt, heute mit vielen Gaumenfreuden und musikalischen Events.
Zunächst ging es mit unserer Reiseführerin Frau Heike Bouillardt per Bus durch die alten Vil- lenviertel (Hypothekenviertel und historisches Bauhaus Viertel), die zwischenzeitlich überwie- gend prachtvoll renoviert sind. Der Jugendstil Architekt Rudolf Zapfe hat allein an die 400 Häu- ser in Weimar gebaut.
Weiter ging es dann zu Fuß bei weiterhin lausigen Temperaturen. Erster Stopp war die Bauhaus Hochschule. Das Bauhaus entstand durch die Vereinigung der 1860 errichteten Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule Weimar mit der 1907 von Henry van der Velde, den sein Mäzen Harry
Graf von Kessel von Berlin nach Weimar geholt hatte, gegründeten Großherzoglich-Sächsischen Kunstgewerbeschule Weimar. Großherzog Wilhelm Ernst berief van der Velde zum Direktor. Ziel und Vision von van der Velde war Architektur und Handwerk zusammen zu führen. Wenngleich die
Kunstgewerbeschule bereits 1915 kriegsbedingt geschlossen wurde, blieb van der Velde noch bis 1917 in Weimar. Aufgrund verstärkter Re- pressalien verließ er Weimar. Obgleich Inhaber eines deutschen Passes, galt van der Velde als Ausländer. Van der Velde war seiner Zeit als Architekt weit voraus. „Man muss dem Haus an- sehen, was drin ist.“ Danach verwirklichte er seine Bauten mit viel Licht und großen Entree. In seiner 15 jährigen Schaffenszeit in Weimar ist die Villa Dürkheim besonders beeindruckend und erwähnenswert. 1919 wurde dann Walter Gropius zum neuen Direktor des Bauhauses in Weimar berufen. 1925 erfolgte die Umsiedlung des Bauhauses nach Dessau.
Weiter ging es zum Liszt Haus. Liszt hatte 1848 sein Leben als reisender Virtuose aufgegeben, um mit seiner Lebensgefährtin Carolyne zu Sayn-Wittgenstein in Weimar sesshaft zu werden. Was wir als reisende „Kulturtouristen“, die erst seit gut einer Woche aus dem Koffer lebten, gut nachvollziehen konnten. Liszt war werbetechnisch ein Glücksfall für Weimar, denn mit ihm ließ sich gut die durch Goethe’s Tod verblassende Attraktivität von Weimar wieder deutlich verbes- sern. Liszt blieb bis 1861 Dirigent, Musikorganisator und Oberleiter der Hofkapelle in Weimar.
Bei klirrender Kälte spazierten wir in dem Park an der Ilm. Weimar ist ja nicht nur ein Hort der Klassik, „sondern auch ein Park, in welchem eine Stadt liegt“ (Adolf Stahr, 1851).
Der Park an der Ilm ist 1778 unter Mitwirkung von Goethe, der von Prinz Carl August 1775 nach Weimar geholt wurde, entstanden. Ein wahrer Tausendsassa, Goethe konnte offen- sichtlich einfach alles und als Minister mit 3000 Talern Jahressalär kümmerte es sich in Weimar um nahezu alle Themen des öffentlichen Lebens.
60 Hektar umfasst der Park mit 100 verschie- denen Bäumen und Pflanzen. Berghang, Flussmündung, Baumgruppen und weiten Ra- senflächen, Sphinxgrotte, Goethe’s Gartenhaus, Römisches Haus, Dessauer Stein, Tempelher- ren Haus, Shakespeare-Denkmal, Borkenhäuschen, Schlangenstein, Felsentor- ein Gesamt- kunstwerk.
Blick zum Schloss
Wegen umfangreicher Sabierungsarbeiten der Schlosskapelle kann auch das Schloss bis 2023 nicht besichtigt werden.
Durch den Park ging es zum Fürstenhaus, heute Hochschule für Musik. Sozusagen quer nebenan das grüne Schloss mit der Anna Amalia Bibliothek. Gegenüber dem Park an der Ilm befindet sich das Haus der Frau von Stein. Charlotte von Stein, Frau des herzoglichen Stall- meisters von Stein, verband eine langjährige Freundschaft zu Goethe und vielleicht auch etwas mehr!!!
Zu Goethe’s Ehefrau Christiane Vulpius hörten wir leider nichts von unserer Reiseführerin, aber erstens stand ja auch Luther im Vordergrund und Ehefrauen sind offensichtlich nicht so inte- ressant wie Freundinnen und Geliebte!
Auf dem Weg zu Charlotte inspirierte ihn der 1825 gepflanzte aus China stammende Gingko Baum zu folgendem Gedicht:
Ginkgo Biloba
Dieses Baumes Blatt , der von Osten Meinem Garten anvertraut,
Gibt geheimen Sinn zu kosten, Wie’s den Wissenden erbaut.
Ist es ein lebendig Wesen,
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es zwei, die sich erlesen,
Dass man sie als eines kennt?
Solche Fragen zu erwidern zu erwidern
Fand ich wohl den rechten Sinn.
Fühlst du nicht an meinen Liedern,
Dass ich eins und doppelt bin?
Johann Wolfgang von Goethe (1815)
Nächster Punkt unseres Rundgangs, der aufgrund des Gedränges auf dem Zwiebelmarkt, nicht immer einfach war, war Schillers Wohnhaus in Weimar, wo er von 1802 - 1826 mit den Schwes- tern Lengefeld lebte, mit Charlotte war er verheiratet, - aber beide liebten ihn. Schillers wohnten auf zwei Etagen recht komfortabel und gediegen im Stil der Biedermeier-Zeit, eine Besichtigung war heute leider nicht möglich.
Wohin man auch in Weimar kommt, man trifft auf Spu- ren der Geistes- und Kunstkoryphäen.
Wieland, Herder, Goethe und Schiller, die großen „Vier“, nicht weniger berühmt sind Joh. Seb. Bach, Franz Liszt, Richard Strauss, Lukas Cranach, Max Liebermann, Walter Gropius, Lyonel Feininger, Paul Klee, Wassily Kandinsky, Henry von der Velde, Oskar Schlemmer. Wahrscheinlich gibt es noch mehr zu er- wähnende außergewöhnliche Köpfe, wie z.B. uns, aber dass würde den Bericht sprengen.
Durch das Gewirr der vielen Besucher und Marktstän- de war es schwierig, das berühmte Schiller - Goethe Denkmal vor dem Weimarer Theater vor die Linse zu bekommen.
Über die Einkaufsstraße, früher Fla- nierstraße nur für Adlige, ging es noch zur Herder Kirche, erbaut im 13. Jahr- hundert, die auch als Bestattungsort für die Weimarer Herzöge und auch für Herder diente. Die Glocken der Kirche tragen Inschriften der drei hier Wirken- den: Luther, Bach und Herder. Zu be- sichtigen ist der Flügelaltar von Lukas Cranach dem Älteren und dem Jünge- ren. In dem Gebäude hinter der Grup- pe lebte und wirkte Herder.
Danach war erst einmal eine kulturel- le Pause angesagt, die dazu dienen sollte, dem leiblichen Wohle zu frönen. Angesichts der Menschenmassen auf dem Zwiebelmarkt war das gar nicht so einfach.
Die wunderschönen wie bunten Häuser incl. Rathaus mit seinem Glockenspiel aus Meißner Por- zellan im Turm kamen bei dem Gedränge kaum zur Geltung.
Am Marktplatz, gegenüber dem Rathaus, wohnte Lucas Cranach d.Ä. von 1552 bis zu seinem Tode am 10.10.1553 ist über der Tür zu lesen.
Im Jubiläumsjahr 2017 stand „unser Martin“ auf dem Balkon des berühmten Hotel Elephant.
Auf dem Schild über ihm steht:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich ́s sein!
Auf dem Schild am Geländer steht:
Dr. Martin Luther, * 10.11.1483 Eisleben,
18.02.1546, Leitfigur der Reformnation, Stilbildner der deutschen Sprache.
Und: Trinken ohne Durst, studieren ohne Lust,
beten ohne Innigkeit sind verlorene Arbeit!
Nach der Mittagspause war der Besuch von Goethe’s Gartenhaus geplant. Heute und sicher- lich auch damals würde man die Lage als 1a bezeichnen. Haus und Garten liegen idyllisch ein- gebettet im Park an der Ilm, gleichzeitig aber stadtnah und fußläufig.
Das Gartenhaus diente Goethe als erste Unterkunft in Weimar. Der Weg zum Arbeitgeber (Großherzog) und zur langjährigen Freundin Charlotte von Stein war nicht weit und als Ersatz für den Swimmingpool, den sich Goethe sicher geleistet hätte, diente die Ilm. Was brauchte man mehr? Aufgrund der eher bescheidenen Räumlichkeiten konnte die Besichtigung nur in kleinen Gruppen erfolgen.
Eine Büste des Hausherrn.
In der anschlie- ßenden kleinen Pause genossen alle die herzer- wärmenden Son- nenstrahlen mit dem schön anzu- sehenden herbst- bunten Garten und der Parkanlage.
Aus Anlass des Themenjahres NEUE NATUR stand neben dem Goethe-Haus eine Biotoilette für die kein Trinkwasser für die Spülung benutzt wird und die Fäkalien kompostiert werden. Für die Beleuchtung wird die Sonnenenergie genutzt.
Feininger-Kirche in Weimar- Gelmeroda
Das war im wahrsten Sinne des Wor- tes eine Zufallsentdeckung. Nach Besichtigung des Goethe Gartenhau- ses brauchte ich (Monika) noch ein wenig Bewegung und bin deshalb bis zum Ende des Parks gelaufen. Man kommt dort in den kleinen Ort Gelmeroda, der noch zu Weimar gehört. Hier steht die fotografierte Kirche, die übrigens auch Feininger- Kirche (nach Lyonel Feininger) genannt wird. Das Baujahr liegt um 1200 und sie ist damit die älteste Kirche um Weimar.
Der markante Turmhelm inspi- rierte Lyonel Feininger, die Kirche immer wieder zu zeichnen und zu malen, wodurch sie ihren Welt- ruhm erlangte.
Foto aus dem Internet
Als krönender Abschluss folgte dann noch die Besichtigung der nach dem verheerenden Brand vom 2. September 2004 wieder wunderschön restaurierten Anna-Amalia-Bibliothek.
1691 als Herzogliche Bibliothek von Her- zog Wilhelm Ernst in Weimar gegründet, erhielt sie erst anlässlich des dreihundert- jährigen Jubiläums 1991 den Namen der Herzogin Anna Amalia. Sie ist eine For- schungsbibliothek für Literatur- und Kul- turgeschichte mit dem besonderen Schwerpunkt deutsche Literatur von der Aufklärung bis zur Spätromantik.
Herzog Carl August beauftragte 1797 Johann Wolfgang von Goethe und Gott- lieb Voigt mit der Oberaufsicht über die Bibliothek. Goethe leitete sie 35 Jahre bis zu seinem Tod 1832. In seiner Amtsperi- ode verdoppelte sich der Bestand auf 80.000 Bücher.
Nach dem Brand konnten 28.000 Bücher gerettet werden, darunter auch die Luther Bibel von 1534. Das schwere Buch mit bemalten Holzschnitten von Lukas Cranach dem Älteren wurde während des Brandes vom Direktor der Bibliothek unter Einsatz seines Lebens gerettet.
50.000 Bücher sowie 35 Gemälde gingen vollständig verloren. Noch in der Brandnacht wurden die ersten beschädigten Bücher in das Zentrum zur Bucherhaltung nach Leipzig gebracht und u.a. im Schockfrostverfahren restauriert. Mit der vollständigen Restaurierung der geretteten Bücher rechnet man noch bis 2028. Über 18 Mio. Euro sind bereits in die Restaurierung geflossen, bis 2028 werden weitere 9 Mio. Euro veranschlagt.
In grauen Filzpantoffeln schlurften wir ehrfürchtig durch den Rokokosaal, dessen ältestes Buch aus dem Jahr 930 stammt. Hier feierte Goethe seinen 50zigsten Geburtstag - hoffentlich ohne Filzpan- toffel.
In dem zwischen 2002 und 2005 erbauten Kubus, der einen Architekturpreis bekommen hat, und dem unterirdischem Archiv (Forschungsbibliothek) befinden sich heute 1,2 Mio. Bücher. - Trotz des modernen Gebäudes ist es möglich, eine Besuchergruppe samt Führung in das Gebäude einzuschließen. So konnten wir als nachfolgende Gruppe uns als Retter betätigen, nach dem Motto „jeden Tag eine gute Tat“.
Durch einen längeren unterirdischen Gang von der Anna Amalia-Bibliothek (links im Modell mit dem runden Turm) unterhalb des Vorplatzes, (auf dem das Reiterstandbild von Herzog Carl August steht) wurde quasi von außen nicht sichtbar der Bücher- kubus in den Innenhof des Gebäudes gebaut, siehe das braungefärbte Teil im Modell.
Nach dem letzten Besichtigungsmarathon ging es dann zurück zum Bus, um unser letztes Ho- tel auf dieser Reise in Gotha anzusteuern. Alle waren vom vielen Stehen leicht erschöpft und der eine oder die andere nutzte die Fahrt erst einmal für einen kleinen Erholungsschlaf.
Wegen der dürftigen Außenbeleuchtung sind wir am (Promi-) Hotel Der Lindenhof erst einmal vorbeigefahren. Dank einer hilfreichen Seele auf der Straße fand der Busfahrer dann doch die Einfahrt.
Auf Nachfrage von Dieter bei der Bedienung und aus einer Broschüre war zu erfahren, dass das Hotel Teil einer ehemaligen (deutschen) Kaserne und nach 1945 in diesem Gebäude das Kasi- nos der Sowjetoffiziere war. Dieses Jahr feierte man das 25-jährige Jubiläum. Im Flur zu den Lifts hängt eine große Fotogalerie mit Prominenz aus Sport, Film, Musik, Politik und Fernsehen die hier schon zu Gast waren – und jetzt sind auch noch „Lutherfans“ aus Bochum und Umge- bung da!!
(Hinweis für ECC: LEIDER verrutscht dieses Fotos immer zur linken Seite trotz „Fixierung/ an Text anpassen“, trotz speichern bei jeder Textänderung/ Absatz/ Returntastenbenutzung !!)
Nach Zimmerverteilung und kurzer Verschnaufpause erwartete uns ein umfangreiches Ab- schlussbuffet, was die Strapazen des Tages vergessen ließ. Insbesondere der Nachtisch, den
sich manche schon beim Vorspeisengang gesichert Zuspruch. Eis geht eben immer!!!
Als Dankeschön und zur Erinnerung an die bes- tens vorbereitete und organisierte Reise auf den Spuren von Martin und Katharina Luther, geb. von Bora, bekamen die beiden Top-Manager Günter und Kriemhild zwei Weihnachtsbaumfigu- ren von Martin und “Käthe“, die in Wittenberg entdeckt worden waren.
Dazu gab es vorab einen Fotoabzug vom Grup- penbild unter dem Luther-Denkmal in Eisenach.
Und so ging auch der letzte gemeinsame Abend bei gutem Essen und vielen interessanten Gesprächen viel zu schnell vorbei.
Auf dem Weg zum Zimmer sieht Gerlinde in der Bar eine BMW- Isetta. Sie outet sich als
ehemalige „Racerin“ eines solchen Vehikels, da war der Spaß an die Erinnerungen rasan- ter Touren aber größer als das Autochen.
Sonntag, 10.Oktober 2021 – Klaus
Gotha und Ruckfahrt nach Bochum
Es ist lausig kalt, dafür scheint aber wenigstens die Sonne. Das Thermometer zeigt nur +1 Grad an, als wir kurz vor 8.00 Uhr zum Treffpunkt mit unserer Stadtführerin Frau Renate Masch, die in historischem Kostüm erschienen, abfahren.
Gotha ist die fünftgrößte Stadt des Freistaats Thüringen und Kreisstadt des Landkreises Gotha mit 45.000 Einwohnern.
Treffpunkt ist ein Parkplatz in der Nähe des Gothaer Schlosses Friedenstein, einer frühbarocken Schlossanlage an der Stelle der 1567 geschleiften Burg Grimmenstein erstellt. Ernst l. von Sachsen- Gotha-Altenburg, genannt Ernst der Fromme, war Auftraggeber für den Schlossbau.
Das Schloss befand sich (1663-1778) innerhalb einer eigenen starken Befestigung, deren Kasematten seit 2003 teilweise wieder für Besucher begehbar sind. Auf den überschütteten ehemaligen Befestigungswerken wurde eine der ersten englischen Parkanlagen Deutschlands errichtet.
Nach den Vorstellungen Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg entstand ab 1769 in der südlichen Fortsetzung der Parkanlagen in Anlehnung an die Ideen des Landschaftparks sogar der erste neu geplante Englische Garten auf dem europäischen Kontinent.
Entlang des Schlosses Friedenstein gehen wir am
Denkmal Ernst des Frommen (von 1904, „Bet- Ernst“ im Volksmund genannt) vorbei den Schlossberg hinunter, von wo man einen herrlichen Blick auf die Altstadt und auf die „Wasserkunst“ von Gotha hat.
Die Wasserkunst, gespeist durch den 650 Jahre alten Leinakanal, ziert Gotha seit 1895. Rund 100 Meter sprudelt das Vergnügen von Mai bis Oktober über Kaskaden vom oberen über den mittleren in den unteren Brunnen. Der Beginn der Wasserkunst“ wird jedes Jahr mit dem Gothardusfest gefeiert.
Aus Anlass des 500 jährigen Bestehens des Kanals 1869 wurden Kanalschachtdeckel aus Gusseisen mit den Daten hergestellt.
Ziel ist das Cranach-Haus am Hauptmarkt 17.
An dieser Stelle stand ursprünglich das Wohnhaus, in dem die Gattin Lucas Cranachs geboren wurde. An dem jetzigen zwei-geschossigen Barockgebäude ist das Familien-doppelwappen mit) Tasche (Dasch) und geflügelter Schlange (Cranach) rechts am Portal zu sehen.
Das jetzige Gebäude steht auf älteren Bauteilen von Anfang des 18. Jh. Von 1852 – 1986 war es Schulgebäude. Im gotischen Keller befindet sich das Pumpwerk der Wasserkunst am Schloßberg mit Turbinen einer Gothaer Maschinenfabrik von 1895.
Das Rathaus auf dem Marktplatz wurde 1567 im Renaissancestil erbaut.
Es lag im Kreuzungsbereich der Via Regia und einer Handelsstraße aus dem Thüringer Wald. Von 1641bis zum Einzug ins neue Schloß wohnte Herzog Ernst darin.
Die Adresse Hauptmarkt weist viele weitere prominente Häuser und Personen auf.
An der Hausnummer 41, „Zur silbernen Schelle“, war ein beliebtes Gasthaus mit Ausspann für 70 Pferde. Hier übernachteten u.a. Christiane Vulpius (Goethes spätere Frau) am 10. Aug. 1797 mit ihrem Sohn. Nach mehreren Umbenennungen wurde das Gasthaus am 1. März 1873 geschlossen. Noch im selben Jahr verlegten die Gebrüder Goldschmidt ihr Hofbankhaus hierher. 1939 musste die jüdische Familie Goldschmidt nach Chile emigrieren. In der Folge wurde das Gebäude von der Landeskreditbank Thüringen genutzt, von 1952 bis 1972 war es Stadtarchiv und später Wäscherei. Seit 1991 befindet sich hier wieder eine Bank.
Die ganze östliche Altstadt wird optisch von der Margarethenkirche dominiert.
Die dreischiffige, spätgotische Hallenkirche hat einen 60 Meter hohen Turm und wurde z.T. auf Fundamenten einer älteren romanischen Stadtkirche errichtet (1494/1543). Luthers Freund Friedrich Myconius setzte nach dem sog. „Gothaer Pfaffensturm“ die Reformation in Gotha durch. Heute ist die Margarethenkirche evangelische Stadtkirche, seit 1961 mit einer Schuke-Orgel ausgestattet und wird oft für Konzerte genutzt. Am sog. Brautportal befinden sich seit 1904 die Statuen der Reformatoren Martin Luther und Philipp Melanchthon.
Wir gehen die Augustinerstraße entlang zur Augustinerkirche, immer sonnige Stellen suchend, denn es ist immer noch lausig kalt.
Im Innenhof sah man die Vorbereitungen für das Abendmahl.
Als Klosterkirche erbaut war die Kirche ein Teil der Klosteranlage der Mönche des Augustiner- Eremiten-Ordens. Im 1524 säkularisierten Kloster war bis 1865 das vom Gothaer Reformator Friedrich Myconius (1490-1546) gegründete Gymnasium „Illustre“ untergebracht. Der 1366 gebaute und gut erhaltene gotische Kreuzgang besteht aus einem 13 mal 15 Meter großen Innenhof und Arkaden mit 8 bzw. 9 großen Spitzbogenöffnungen.
Da in der Kirche der Gottesdienst vorbereitet wurde, hielt Günter die Morgenandacht im Kreuzgang ab.
Die Augustinerkirche wurde nach der Reformation zur evangelischen Pfarrkirche,
in der Martin Luther zwischen 1515 und 1529 viermal predigte. Luthers Gotha Besuch vom 27. Februar bis 4. März 1537 war der längste, aber auch der schmerzensreichste.
In dem ehemaligen Gasthof „Zur Löwenburg“, dem heute sog. „Luther-Haus“ am Haupt- markt 42, kehrte unser Martin auf dem Rückweg vom Schmalkalder Fürstentag am 27. Februar 1537 ein. Eine äußerst schwere Nierenkolik ließ Luther das Schlimmste be- fürchten. - Die Beichte nahm ihm sein Freund und Begleiter Johannes Bugenha- gen (1485 –1558) ab, der sie am 9. April auf Wunsch des Kürfürsten aus der Erinnerung niederschrieb und wird als sogenanntes Gothaer Testament bezeichnet.
Wie sehr Luther der Stadt Gotha verbunden war, wird daran ersichtlich, dass er gegen- über seinem Freund, dem Gothaer Superin- tendenten Friedrich Myconius (1590–1564), den Wunsch äußerte, hier, und nicht etwa in Wittenberg, begraben zu werden. (https://blog-fbg.uni-erfurt.de/2014/02/fundstueck-martin-luthers- gothaer-testament-von-1537/)
Wie wir wissen, wurde Martin zum Glück wieder gesund und konnte am 4. März weiter nach Weimar reisen. Zwischen 1676 und 1680 erhielt die Augustinerkirche ein Barockportal und auch das Kircheninnere wurde im Barockstil neu gestaltet.
Auf dem Weg zurück zum Schloß kommen wir zu einem übergroßen hölzernen Stuhl – oder eher einem Thron der Liebe, für Verliebte und schöne Erinnerungen...
Zurück am Schloss Friedenstein wurden wir in zwei Gruppen aufgeteilt, um an einer Führung teil zunehmen.
1643 lässt Herzog Ernst I. von Sachsen-Gotha in nur 12 Jahren das größte frühbarocke Schloss Deutschlands errichten.
Er legt die Kunstkammer an und bildet damit die Keimzelle für die vielfältigen Sammlungen. So werden im Schloss Friedenstein mit 1.100 Briefen die meisten originalen Briefe und Handschriften Martin Luthers verwahrt. Außerdem wurden Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren und Jüngeren sowie Werke von Rubens und Caspar David Friedrich erworben. –
Einen Teil der pompös ausgestatteten Räume konnten wir nur in Filzpantoffeln betreten.
Erschreckend schön antiquiert und brandgefährlich:
die Elektroinstallation auf Holz befestigt – vermtl. noch aus DDR-Zeiten.
Ein besonderer Schatz des Schlosses ist das Eckhof-Theater, das zwischen 1681 und 1687 eingerichtet wurde. Es ist das einzige Theater der Welt mit noch funktionierender Bühnenmaschinerie aus dem 17. Jahrhundert. Auch heute noch finden alljährlich Festivals statt – wenn Corona es denn zulässt. -
Nachdem alle nach den Führungen wieder beisammen sind, wird beschlossen, kein Mittagessen mehr einzunehmen, sondern nur bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit einen kleinen Imbiss zu sich zu nehmen und dann die Heimfahrt nach Bochum anzutreten.
Während einige schnell einen Imbiß zu sich nahmen, begannen andere schon mit der kleinen Wäsche ...
Auf der Autobahn Richtung Kassel können wir im Gegenlicht noch einmal einen Blick auf die Wartburg werfen.
Mit der üblichen Fahrerpause erreichten wir wohlbehalten gegen 18.00 Uhr unseren Ausgangspunkt „Gaststätte POSTECK“ in Eppendorf.
Der Abschied von allen Mitreisenden war kurz und schmerzlos.
Wir werden uns alle noch sehr gerne an das Erlebte zurückerinnern und an die tolle Gemeinschaft. Ich meine, es ist im Sinne Aller, denen Dank zu sagen, die zum Gelingen der Reise beigetragen haben.